Wednesday, 09 March 2016 11:44

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  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:49 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Unterwelt

    Passantin: Ih, eine Ratte!

    Jonas: Es war keine Ratte. Es war Sam. Samobil, genauer gesagt. Nach dem Kopfjägerfall hatte ich ihm gekauft, was er sich schon lange gewünscht hatte: Ein Mobilitätssystem für Minicomputer. Software, Räder, Getriebe, Motor, maßgeschneidert. Sam war begeistert. Jonas weniger. Ein Computer, der spricht, ist schlimm genug. Ein Computer, der spricht und durch die Gegend düst, ist schlimmer. Ein Computer, der spricht und düst und mit seinem Herrn fangen spielt, ist das letzte.

    Sam: Na los! Krieg mich doch, krieg mich doch, bin ein bißchen flotter. Krieg mich doch, krieg mich doch, bin ein kleiner Otter. Du Lahmgesäß.

    Jonas: Sofort kommst du her, Sam, bei Fuß.

    Sam: So nicht. Denn wahrlich, Sammy ist kein Pfiffi, keine Töle, kein Hundevieh.

    Jonas: Du bist eine Maschine, Sam.

    Sam: Ja.

    Jonas: Der Mensch bestimmt, die Maschine gehorcht. So soll es sein. In die Tasche, aber schnell. Und wenn du noch mal wegläufst.

    Sam: Wegrollst! Bleiben wir doch verbal präzise, verehrte Gemeinde, auch wenn’s schwerfällt.

    Jonas: Dann kommst du ganz präzise in den Schrott. Oder ich schenk dich Chefinspektor Brock.

    Sam: Hehe, tust du doch nicht, weil’s gar nicht geht, weil Jonas und Sam zusammen gehören, wie Castor und Pollux, wie Castrop und Rauxel, wie Tristan und Isolde, wie dick und doof.

    Jonas: Wie Nerven und Säge.

    Sam: Wa.

    Jonas: In die Tasche!

    Sam: Aua.

    Jonas: So.

    Fahrer: Zur Neptunstraße, wie fahr ich da am besten?

    Sam: Da fahren Sie erst mal zu mir, dann kriegen Sie ne Karte.

    Jonas: Neben Jonas hielt ein E-Lieferwagen. Grau. Keine Aufschrift. Ich steckte Sam in die Tasche, richtete mich auf. Aber ich kam nicht mehr dazu, dem Fahrer was zu sagen. Die Seitentür des Wagens öffnete sich, Hände packten zu, zogen Jonas ins Innere. Der Lieferwagen fuhr los.

    Palma: Kein Grund zur Besorgnis, Herr Jonas, wir möchten Ihnen ein interessantes Angebot unterbreiten.

    Jonas: Und dazu müssen Sie mich kidnappen.

    Palma: Nicht doch, Herr Jonas, wir haben Sie nur aufgefordert, näherzutreten, etwas abrupt, das gebe ich zu. Nehmen Sie Platz. Soweit wir informiert sind, bevorzugen Sie echten Scotch. Wäre Ihnen ein Old Forrester recht? Soda? Eis? Wasser?

    Jonas: Was außen wie ein E-Lieferwagen aussah, war innen ein Salon, Hausbar, Sofa, roter Plüsch. Arte Bordello 1900. Oder so. Die Frau paßte ins Ambiente wie die allseits bekannte Faust aufs Auge. Kimono, schwarze Lackperücke, Stöckelsandalen, keine Schlitzaugen, eine nippophile Europäerin, die Aufmachung stand ihr. Bis auf den Knopf im Ohr, ein Stilbruch, ein Produkt aus der Retorte, synthetisch wie der Whisky.

    Jonas: Warum kein Sake Madame Butterfly oder Champagner? Passend zur Möblierung.

    Palma: Weil wir wissen, daß Sie beides nicht trinken, Herr Jonas.

    Jonas: Sehr aufmerksam. Sie sagten was von einem interessanten Angebot.

    Palma: Werfen Sie einen Blick auf dieses Holoporträt, Herr Jonas.

    Jonas: Grimmiger alter Knabe, kommt mir irgendwie bekannt vor.

    Palma: Mein Großvater.

    Jonas: Angenehm. Hat er auch einen Namen.

    Palma: Palm, ich meine Palmström, er ist entführt worden aus dem Pflegeheim.

    Sam: Piep Piep Piep!

    Palma: Herr Jonas, bei Ihnen piepts!

    Jonas: Sam, mein Computer piept und rollt und redet.

    Sam: Und weiß was.

    Jonas: Was weißt du Sammy?

    Sam: Ach Luftklavido. Was ich weiß. Trotz heftiger Bedrängnis durch seinen unsensiblen Herrn und Meister ist es Sam gelungen das Nummernschild dieser rollenden Drahtstudierbüro zu erspähen. Und was frage ich Sie, gnädig Frau, haben gezielte Nachforschungen beim babylonischen Verkehrsamt ergeben? Häh?

    Jonas: Machs nicht so spannend Sam. Wem gehört die Kiste?

    Sam: Kurz und gut der W-O-R-F.

    Jonas: Ach was. Die WORF. Die Partei für Wohlstand, Ordnung, Recht und Freiheit, lange Zeit in Babylon an der Regierung, jetzt in Opposition, weil sich vier kleinere Parteien zu einer Regierungskoalition zusammengeschlossen hatten. Glück für alle, Weiter so, Leistung muß sich lohnen und Vor allem Gesundheit.

    Sam: Interessant gelle.

    Jonas: Und aufschlußreich. Jetzt wird mir einiges klar.

    Sam: Kuck mal wer da spricht, hehe, das bin ich, aber kuck mal wie er auf einmal hupft, mein intellektueller Hinkefuß und Lahmbeutel, bravo. Und was ist euer Merkwürden denn klar geworden zum Bleistift.

    Jonas: Weshalb mir der alte auf dem Bild so bekannt vor kam, wozu Madame Butterfly einen Knopf im Ohr trägt und warum sich dieser rote Samtvorhang ab und zu bewegt, als ob jemand dahintersteckt.

    Sack: Sie haben unser Spiel durchschaut, Herr Jonas, sehr schön. Sie kennen mich.

    Jonas: Saladina Sack.

    Sam: O Hauerauera, die große Vorsitzende der WORF. Tatä-tätät-tätä.

    Sack: Ich bin hocherfreut Sie persönlich kennenzulernen, Herr Jonas.

    Jonas: Ich eher weniger Frau Sack. Was soll das Affentheater.

    Sack: Nur ein kleiner Test Herr Jonas. Ihr Name, ihr Ruf, ihre Qualitäten sind uns selbstverständlich vertraut, spätestens seit der unglückseligen Harry-Hauer-Affäre.

    Sam: Fall Attentat August 2012.

    Sack: Richtig. Dennoch mußten wir uns vergewissern, ob Sie wirklich der rechte Mann sind für die Aufgabe die wir ihn zugedacht haben.

    Sam: Er ist der rechte Mann, er nimmt nämlich Herrenkapseln.

    Sack: Aha. Ja also es handelt sich um eine höchst diffizile Angelegenheit, die äußerste Diskretion erfordert, wir benötigen einen ausgewiesenen Spezialisten.

    Sam: Das ist er.

    Jonas: Jonas ist Spezialist für rohe Eier und heiße Kartoffel. Auf meinem Türschild steht Jonas, nur Jonas, Privatdetektiv, der letzte seines Zeichens. In Babylon der großen Stadt und drumherum. Reich ist Jonas dabei nicht geworden, dafür hat er Erfahrung. Und jede Menge Beulen.

    Sack: Ich denke wir haben ihn gefunden unseren Spezialisten, sind Sie frei, Herr Jonas, sind Sie bereit für uns, für die WORF tätig zu werden.

    Jonas: Kommt drauf an.

    Sack: Worauf.

    Jonas: Worum es geht und was Sie zahlen.

    Sack: Was kosten Sie?

    Jonas: 120 Euros wie ich hier stehe, pro Tag und Spesen.

    Sam: Und wenn er liegt das doppelte.

    Sack: Das ist mir egal. Wir zahlen ihnen 10.000 pauschal, und Sie werden sich jeden einzelnen Euro hart verdienen müssen.

    Jonas: Der alte Mann auf dem Holoporträt.

    Sack: Genau Herr Jonas.

    Jonas: Er heißt nicht Palmström.

    Sack: Natürlich nicht.

    Sam: Er heißt Lars Rindström.

    Jonas: Korf hieß er. Dr. Herbert Korf. Korf von der WORF, hochberühmter Alt- und Expolitiker, Ehrenvorsitzender der Partei, schon seit Jahren nicht mehr aktiv, wenn er sich auch gelegentlich zu Wort gemeldet hatte. Aber Korf konnte nicht entführt worden sein.

    Sack: Glauben Sie Herr Jonas, warum nicht.

    Jonas: Weil er tot ist, gestorben vor 4 Wochen.

    Sack: Am 15. April 2014, sehr richtig Herr Jonas.

    Jonas: Die Partei hat ihn mit großem Trara unter die Erde gebracht, Sie selbst Frau Sack haben die Grabrede gehalten.

    Sack: Hat sie Ihnen gefallen Herr Jonas. Was ich Ihnen jetzt mitteilen werde, Herr Jonas, muß unter allen Umständen unter uns bleiben. Ich erwarte von Ihnen absolute Verschwiegenheit.

    Jonas: Verständlich, denn was erzählte mir Saladina Sack. Korf war nicht gestorben, er lebte, gerade noch, Korf hatte Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium, und die Partei hatte ein großes Problem, weil ihre politischen Gegner keine Hemmungen hatten, sie hätten sich den Alten gegriffen, ihn im Holo als sabbernden Trottel vor geführt, und der Partei damit schwer geschadet. Darum ließ die Führung der WORF ihren Ehrenvorsitzenden dahinscheiden und begrub feierlich einen leeren Sarg.

    Sack: Korf haben wir heimlich in ein privates Pflegeheim gebracht, unter dem Namen Palmström.

    Sam: Palmström hat nicht Speck im Haus, dahingegen eine Maus, Korf bewegt von seinem Jammer, baut ihm eine Gitterkammer.

    Sack: Morgenstern, so ist es. Ein gebildeter Computer den Sie da haben Herr Jonas.

    Sam: Siehste Jonas siehste. Ja o Dank hohe Frau. Man tutet wie man kann und man kann vieles. Nicht daß mein intellektueller Unterrichtung weitestgehend ermangelnder Meister solches zu schätzen wüßte, o goldene Worte aus dem Schatzkästlein der Weltliteratur.

    Jonas: Brauchen wir jetzt nicht. Halt die Backen Sam.

    Sam: Ja.

    Jonas: Wir waren bei Korf, Frau Sack, alias Palmström, im Pflegeheim.

    Sack: Nur der Heimleiter war eingeweiht, er gehört zum Direktorium der WORF und natürlich die handverlesenen Parteisoldaten, die das Heim rund um die Uhr bewacht haben.

    Jonas: Trotzdem ist Korf entführt worden.

    Sack: In der Tat, Herr Jonas, letzte Nacht.

    Jonas: Von unten waren sie gekommen, aus dem unterirdischen Versorgungs-system, Abwasser, Kabel etc. Von da durch den Keller, die Wachen hatten sie umgebracht, dann waren sie verschwunden, mit Korf, mit ein paar anderen Insassen, mit dem Heimleiter.

    Sack: Wir sind sicher, daß er mit den Entführern unter einer Decke steckt, nur er kann ihnen den Tip gegeben haben, wer Palmström wirklich ist.

    Jonas: Anzunehmen. Sie haben die Kidnapper verfolgt.

    Sack: Selbstverständlich, ein überlebender Wächter hat uns informiert und wir haben sofort einen Trupp Parteisoldaten vom nächsten WORF-Stützpunkt losgeschickt.

    Jonas: Pflegeheim Keller.

    Sack: Mit dem Quicklift nach unten zum Abwasserkanal, und da lag der erste Wegweiser.

    Jonas: Wegweiser?

    Sack: Ja, einer der mitgeschleppten Heimbewohner, tot, lang ausgestreckt, die rechte Hand zeigte die Richtung an.

    Jonas: Die Kidnapper wollten also verfolgt werden.

    Sack: Aus gutem Grund, nach ein paar Kilometern durchs Abwassersystem, vorbei an weiteren ausgelegten Leichen, kamen unsere Leute an eine Mauer, quer über den Kanal.

    Jonas: Lassen Sie mich raten Frau Sack, die Grenze zur Unterwelt.

    Sack: Ganz recht, Herr Jonas, in die Mauer war ein Loch geschlagen, und vor dem Loch lag ein Toter, der letzte, in der Hand hatte er diese Botschaft:

    Jonas: An die Führung der WORF, Sie haben die Wahl, Sie schicken morgen 13. Mai 2014, genau 23 Uhr 55, sinnig, fünf vor zwölf, einen Robomessenger mit 25 Millionen Euros durchs Loch, worauf Sie ihren Mann umgehend zurückerhalten, oder Sie tun das nicht, und wir übergeben ihn Holonews, Ihr Schwindel fliegt auf, Ihre Partei ist erledigt, es lebe der urbane Befreiungskampf, die Stadtguerilla. Die Stadtguerilla.

    Sack: Auferstanden aus Ruinen wie es scheint.

    Jonas: Vor knapp zwei Jahren war der Terrorverein, der sich Stadtguerilla nannte, vernichtet worden, durch eine Großaktion der Polizei, ein denkwürdiges Geschehen für Jonas, Judith Delgado war dabei umgekommen, und ich hatte Karla kennen gelernt, die Chefin der Stadtguerilla, sie war entkommen und hatte sich ins Reservat zurückgezogen, um eine neue Truppe aufzubauen. Offenbar war es ihr gelungen.

    Sack: Wir haben nicht vor, das Lösegeld zu bezahlen, Herr Jonas.

    Jonas: Sie können nicht.

    Sack: Und wir wollen nicht.

    Jonas: Aber Sie wollen auch nicht, daß ihr angeblich toter Korf als lebender Alzheimer im Holo präsentiert wird.

    Sack: Natürlich nicht.

    Jonas: Also müssen Sie runter und ihn rausholen.

    Sack: Sie werden Dr. Korf befreien Herr Jonas, und ihn uns wiederbringen.

    Jonas: Warum nicht Ihre Parteisoldaten.

    Sack: Weil die nicht in die Unterwelt gehen, es sind gute Leute, brauchbar und tüchtig, aber das kann ich von ihnen nicht verlangen.

    Jonas: Die Polizei.

    Sack: Untersteht der Regierungskoalition, unseren Gegner, kommt nicht in Frage. Sie sind unser Mann, Herr Jonas. Sie sind Spezialist für riskante Aufgaben, erfahren und politisch unabhängig. Nehmen Sie den Auftrag an?

    Jonas: Jonas kennt die Unterwelt, die ehemaligen Servicesysteme unter dem Reservat, der wüsten Ruinenlandschaft im Südosten von Babylon, die bis zu den großen Unruhen in den späten 90ern ein intaktes Stadtviertel gewesen war. Die Unterwelt ist ein Labyrinth von Gängen und Höhlen, von Abwasserkanälen und Kabelschächten, von Atomschutzbunkern und Recyclinganlagen, alle nicht mehr in Betrieb, verfallen, aber nicht verlassen, Lemuren hatten sich hier eingenistet, und Ratten, Millionen von Ratten. Oben das Reservat war schlimm, die Unterwelt war schlimmer. Viel schlimmer. In die Unterwelt gingen nur Irre. Jonas war irre. Und er brauchte Geld. Apropos.

    Jonas: 25 Millionen Euros.

    Sack: Was ist damit Herr Jonas.

    Jonas: Die sparen Sie, wenn ich Korf aus der Unterwelt hole. 1 % für Jonas.

    Sack: 250.000 Euros?

    Jonas: Erfolgshonorar. Dafür tu ich's. Sonst nicht.

    Sack: Einverstanden. Palma wird Sie begleiten.

    Jonas: Palma?

    Palma: Palma Kunkel, so heiße ich.

    Jonas: Madam Butterfly, in die Unterwelt, im Kimono, wunderbar, dann ziehe ich den Frack an, den ich nicht habe. Und das Promenadenorchester spielt dazu den Kirschblütenwalzer.

    Palma: Täuschen Sie sich nicht, ich bin Kampfsportlerin.

    Sack: Eine sehr gute, das kann ich ihnen versichern Herr Jonas. Palma arbeitet im Tiefbauamt.

    Jonas: Oha.

    Sack: Sie hat Pläne und Karten, kennt sich aus in der Unterwelt. Bei einem so gefährlichen Unternehmen brauchen Sie Rückendeckung.

    Sam: Backup wie der Experte sich ausdrückt. Äh, sagen Sie mal, heißen Sie wirklich und wahrhaftig Palma Kunkel, Palma die Kunkel die im Dunkeln kunkelt, Palma Kun-kel ist mit Palm verwand doch im übrigen nicht bekannt. Und sie wünscht auch nicht.

    Jonas: Morgenstern.

    Sam: Morgenjonas. Morgenstern. Eben der selbige, ist das nicht ein Zufall, hä?

    Jonas: Wir trafen uns am Abend um 9 in der Südstadt, nicht weit vom Reservat, Madam Butterfly alias Palma Kunkel blieb bei ihrer Masche, Synthstimme, grauer Ninjaanzug, Kamikazestirnband, langes Samuraischwert über der Schulter, kurzes im Gürtel, Jonas trug sein altes schwarzes Kampfoutfit aus dem Antarktischen Krieg, und war behängt wie wie...

    Sam: Wie ein ambulanter Klempnerladen, Meister. Helm mit Lampe und Nachtsichtbrille, Wärmflasche, abgesägte Schrotflinte, Flammenwerfer mit Schockgranaten, ein veritables Arsenal, Herr Oberfeuerwerker.

    Jonas: Du reist auch nicht gerade mit leichtem Gepäck, Sammy. Mobilsystem, Kompaß, Leuchte, Infrarotgerät, vollaufgetankter Hochleistungsakku, fehlt nur noch die eingebaute Hausbar.

    Sam: Hättest du gern was alter Saufladen. Warum Schrotpuste und Feuerspucker, heißgeliebte Knalltüte, warum nicht Laser, warum nicht Neurofreezer?

    Jonas: Das ist Stil, Sammy. Archaische Waffen für ein archaisches Ambiente. Stop. So, jetzt können Sie auch runter, Madame Butterfly.

    Palma: Ich komm runter.

    Sam: Na denn mal tau.

    Jonas: Wir gingen nicht durch den Keller im Pflegeheim, Jonas hatte einen Plan, Jonas kannte eine Hintertür, in einer verlassenen Metrostation im Reservat, ein Liftschacht, natürlich kein Lift mehr, ein paar tapfere Parteisoldaten waren mit gekommen, sie ließen uns an Seilen runter und blieben oben, als Wache und Rück-versicherung, schließlich wollten Jonas und Butterfly irgendwann wieder raus. Und dann waren wir womöglich in Eile. Am Ende des Schachts ein horizontaler Gang, ein alter Abwasserkanal, seit Jahren trocken, in etwa, dunkler Belag auf den Ziegeln, Salpeter, Schimmel und Schlimmeres. Die Luft ließ sich atmen, riechen weniger. Es stank, noch immer. Der Gang war niedrig, wir mußten die Köpfe einziehen, Butterfly gab die Richtung an, nach ihrer Karte, es war dunkel, bis auf die Lichtkegel unserer Lampen, und still, bis auf das leise Klappern unserer Ausrüstung. Der Gang mündete in die Halle einer ehemaligen Recyclingstation, wo früher Scheiße zu Brühwürfeln veredelt wurde, wir hörten schon früh ihren Rekorder, altmodischer Rock’n Roll, und sahen ihre Lichter, sie warteten an der Grenzmauer vor dem Loch, zwei Gestalten in Overalls mit Sturmgewehren, sie fühlten sich sicher, keine Wache, gut so. Wir machten die Lampen aus, gingen im Dunkeln weiter, vorsichtig, bis der Gang aufhörte und die Halle anfing, da blieben wir stehen und warteten auch.

    Palma: Wie spät?

    Jonas: Sammy?

    Sam: Genau 23 Uhr 54 Minuten und 40 Sekunden.

    Palma: Ist gleich soweit.

    Jonas: Wenn ihre Leute spuren, Butterfly.

    Palma: Keine Sorge, Jonas, hören Sie, sehen Sie.

    Jonas: Da kam er durchs Loch, pünktlich auf die Sekunde, ein Robomessenger, einfachste Ausführung, ein offener Behälter mit Beinen, im Behälter ein Sack, ein schwerer Sack, die zwei Typen wuchteten ihn raus und fingen an, ihn aufzuschnüren.

    Sam: 5,4,3.

    Jonas: Hinlegen Butterfly, Augen zu, Hände auf die Ohren.

    Sam: 1, zoro.

    Jonas: Eine Schockgranate mit Zeitzünder, im Sack, wie verabredet, ungeheuer laut, ungeheuer hell, ungeheuer überraschend. Unsere beiden Freunde waren einige Sekunden außer Gefecht. Blind, taub, unter Schock. Wir kamen aus der Deckung. Schnell. Jonas hatte die Schrotflinte im Anschlag. Butterfly fuchtelte mit ihrem Schwert.

    Palma: Hu. Hei.

    Jonas: Was? Halt, stehenbleiben. Ganz wie du willst. Siehste.

    Jonas: Einer der beiden bekrabbelte sich schnell, er sah uns kommen und rannte weg. Jonas schoß ihm eine Ladung Schrot in den Arsch. Er hinkte weiter und verschwand hinten in einem Gang. Butterfly hatte sich inzwischen um den anderen gekümmert.

    Palma: So, der macht uns keine Probleme mehr.

    Jonas: Sie haben ihn umgebracht, Butterfly.

    Palma: Ein sauberer Okesa von der linken Schulter zur rechten Hüfte. Und dann hab ich ihm den Rest gegeben. Kamikatiwari durch den Schädel.

    Jonas: Na großartig. Wie ein gelernter Schlächter. Hatten wir nicht vereinbart, daß wir die Typen lebend fangen, damit sie uns verraten, wo sie Korf versteckt haben.

    Palma: Ist ja noch einer da, der den Sie angeschossen haben. Und der kommt nicht weit. Was war das?

    Jonas: Unser Freund, da hinten im Gang, kommen Sie Butterfly.

    Jonas: Nach gut 100 Metern fanden wir ihn, das heißt was von ihm übrig war. Seine Knochen. Sauber abgenagt. Bis auf ein paar Fleischfetzen.

    Palma: Ratten.

    Jonas: So sieht's aus. Sie haben ihn aufgeknabbert.

    Palma: Und so schnell. Sie müssen noch in der Nähe sein.

    Jonas: Hinter den Wänden, nehm ich an, sehen Sie, überall Löcher.

    Palma: Ich hasse Ratten.

    Jonas: Ich mag sie auch nicht besonders.

    Sam: Sammy hat nichts gegen Ratten, nette kleine Tiere und so hübsche lange Schwänz und so clever.

    Jonas: Du hast gut reden, Sam, du bist aus Plastik und Metall, an dich gehen sie nicht ran.

    Palma: Unsere beiden Informanten sind tot, Jonas, wie finden wir jetzt Korf.

    Jonas: Ganz einfach. Wir gehen weiter, diesen Gang lang.

    Palma: Nur so oder haben Sie einen bestimmten Grund.

    Sam: Nu paß mal auf Tante Trude, Sammy wird dir die ganze Sache mal verhakseln, so ganz langsam zum Mitschreiben. Sofern Gnädigste des Schreibens überhaupt kundig sind, so nun paß auf. Der sowohl dahingeschiedenen als auch abgeknabberte hat sich, obschon ihm diverse Gänge zur Verfügung standen, in diesen nämlich hier geflüchtet, klar?

    Palma: Klar Sammy.

    Sam: Also führt dieser Gang dorthin, wo seine Genossen sich aufhalten. Auch klar?

    Palma: Klar.

    Sam: Und wo die sich befinden dort weilet auch der Meister Korf. Alles klar.

    Jonas: Klar. Wir gingen weiter, vorsichtig, wachsam, die Waffen in Bereitschaft. Ab und zu hörten wir was, leises Quieken, Rascheln in den Wänden. Und wenn wir uns umdrehten, sahen wir im dunkeln Gang hinter uns rötlich leuchtende Punkte. Immer zwei nebeneinander, viele, sehr sehr viele. Jonas hatte sich schon besser gefühlt. Dann fingen auch noch die Trommeln an, weit voraus. Signale der Lemuren.

    Sam: Was sprechen Trommeln, Wahna Tarzan.

    Jonas: Woher soll ich wissen Sahib.

    Sam: Trommeln sprechen Fleisch kommen, weißes Fleisch, hmh, lecker lecker.

    Jonas: Find ich nicht sehr witzig.

    Sam: Na ich merk schon, kein Sinn für schwarzen Humor du trübe Tasse, traurig traurig.

    Jonas: Plötzlich teilte sich der Gang, wir blieben stehen. Was jetzt? Wo ging's weiter. Welche Gabelung war die Richtige.

    Palma: Links.

    Jonas: Links. Warum.

    Palma: Weil die Typen die wir suchen linke Vögel sind.

    Jonas: Haha. Ich bin für rechts. Was meinst du Sammy.

    Sam: Sammy hält sich da raus.

    Jonas: Typisch, wenn man dich mal braucht. Also gut, Jonas ist der Kommandant der Expedition, und Jonas sagt

    Einstein: Links.

    Jonas: Was?

    Einstein: Rechter Weg ist links, bitteschön.

    Jonas: Wer ist da?

    Einstein: Einstein.

    Jonas: Das glaub ich nicht.

    Einstein: Einstein, mein Name, sehr erfreut bitteschön.

    Jonas: Kommen Sie raus, wer immer Sie sind.

    Einstein: Einstein kommen nicht erschrecken bitteschön, Einstein Freund gut Freund.

    Palma: Ih.

    Sam: Selber ih.

    Jonas: Aus dem dunklen Abzweig links kam er langsam ins Licht unserer Lampen, Einstein, eine Ratte, eine außergewöhnliche Ratte, kalkweiß, rote Augen, ein Albino, ein Riesen-Rattenalbino, halber Meter mindestens, Schwanz inklusive, immerhin, und reden konnte das Biest auch noch.

    Einstein: Einstein lernen menschliche Sprache von Dr. Matrix in Genlabor, Universität Babylon, bitteschön, Dr. Matrix sagen immer: du beste Ratte, klügste Ratte von allen, du heißen Einstein.

    Palma: Ein Versuchstier, genmanipuliert.

    Jonas: Und total verkorkst, nicht näher, Einstein, bleib stehen.

    Einstein: Keine Angst bitteschön, Einstein lieben Menschen.

    Jonas: Kann ich mir denken, gekocht, gebraten oder roh?

    Einstein: O nein, Einstein Vegetarier, bitteschön, Einstein Freund, Einstein wollen helfen.

    Jonas: So, helfen willst du uns. Wie?

    Einstein: Einstein wissen alles, bitteschön, Einstein wissen wo böse Menschen von oben alten Mann verstecken.

    Palma: Und wo?

    Jonas: Zeigs uns auf der Karte.

    Einstein: Sorry, Einstein nicht können lesen, bitteschön. Dr. Matrix wollen lernen Einstein lesen, schreiben, rechnen, aber Einstein laufen fort von Genlabor.

    Jonas: Warum?

    Einstein: Einstein haben Heimweh, haben Sehnsucht nach Genossen Ratten, nach Gemeinschaft, Gesellschaft, Freundschaft, bitteschön, aber Ratten hier ganz dumm, rückständig, sie nicht lieben Einstein, weil Einstein sein groß und weiß und schlau, weil Einstein sein anders, sie nicht wollen Einstein, sie jagen weg Einstein.

    Jonas: Sieh an, auch die Ratten sind Rassisten.

    Einstein: Einstein unglücklich, Einstein wollen zurück zu Dr. Matrix, wenn Freunde mitnehmen Einstein nach oben zu Genlabor, Einstein führen Freunde zu alten Mann. Bitteschön.

    Palma: Was meinen Sie Jonas, trauen wir ihm?

    Jonas: Teils teils, einerseits machte Einstein einen ganz überzeugenden Eindruck, andererseits ist Jonas mißtrauisch aus Prinzip. Aber wir mußten Korf finden, darum gingen wir auf Einsteins Angebot ein und ließen uns von ihm führen. Durch den linken Gang, dann über eine verrottete Treppe nach unten, durch eine Tür mit dem schwarzgelben Zeichen, Nuklearschutz, dahinter ein Korridor, relativ neu, relativ sauber, Butterfly studierte ihre Karte, aber die half ihr nicht weiter, Jonas blieb wachsam und Sammy maulte.

    Sam: Links, rechts, links rechts, da trotteln wir wie die Vollidioten hinter einem häßlichen nackten Schwanz her, und der Rest von dem Kerl ist auch nicht schöner.

    Jonas: Ich dachte du magst Ratten, Sammy. Nette Tiere und so clever.

    Sam: Ach Einstein ist doch keine richtige Ratte, Einstein ist eine vermurkste Kreatur, ein Wechselbalg, ein Monstrum, ein Mordstrum, ein gentechnischer Betriebsunfall und so was spuckt hier große Töne.

    Jonas: Du bist eifersüchtig Sammy, eifersüchtig auf Einstein, weil er dir irgendwie ähnlich ist, intelligent, munter, verbal.

    Sam: Was? Verbal nennst du das du Charakterwanze? Sammy ist verbal, Sammy redet korrekt wie ein Buch.

    Jonas: Wie eine Bibliothek Sammy.

    Sam: Einstein redet nicht, Einstein bricht rad, Einstein stammelt und stottert und.

    Jonas: Sei mal nen Moment still, Sam.

    Sam: Ja.

    Jonas: Riechen Sie's auch Butterfly.

    Palma: Braten. BBQ.

    Jonas: Jede Wette, das ist Echtfleisch, kein Sojasteak.

    Einstein: Wir sind gleich da, Freunde.

    Jonas: Da, wo Einstein, auf einer Grillparty?

    Einstein: Hauptquartier von Lemuren, bitteschön, böse Menschen von oben haben gemacht Vertrag mit Lemuren, können bleiben bei Lemuren mit altem Mann 3 Tage.

    Palma: Und woher weißt du das Einstein.

    Einstein: Einstein sehen alles hören alles wissen alles bitteschön.

    Jonas: Wie du Sammy.

    Sam: So was muß sich ein ehrbarer Computer nicht bieten lassen.

    Einstein: Ruhe bitteschön, Vorsicht bitteschön, da vorn hinter Knick stehen Wächter von Lemuren.

    Palma: Den übernehme ich mit meinem Makitaschi.

    Jonas: Kein Problem für die Ninja-Androidin Butterfly und ihr scharfes kleines Samuraischwert. Jonas steckte den gekränkten Sam in die Tasche, nahm Einstein auf die Schulter, stieg leise über den toten Lemur, und folgte mit Butterfly dem Bratenduft und dem flackernden Feuerschein, bis der Korridor sich zu einem großen Raum erweiterte, da blieben wir stehen, im Schatten, unsichtbar, der Raum wimmelte von Lemuren, bleichen Gnomen mit wäßrigen Augen. Lemuren sehen nicht gut, sie haben sich ihrer unterirdischen Umgebung angepaßt, vor Jahren sind sie abgetaucht aus dem Reservat in die Unterwelt. Obdachlose, Freaks, illegale Drittweltler, Flüchtlinge, die sich oben nicht mehr sicher fühlten.

    Palma: Mein Gott was ist das?

    Jonas: Ein ehemaliger Gemeinschaftsraum im Atombunkersystem.

    Palma: Nein, ich mein, was sich da dreht, in der Mitte, über dem großen Feuer.

    Jonas: Der Spießbraten. Genau was Sie vermuten Butterfly.

    Sam: Ich rieche rieche Menschenfleisch.

    Jonas: Lemuren sind Kannibalen, nachts steigen sie aus der Unterwelt und jagen Fleisch, wenn das Fleisch nicht zu ihnen kommt, wie die Stadtguerilla, drei Figuren im Overall lagen auf dem Boden, gefesselt, eine der drei kannte ich, Karla.

    Karla: Sie brechen unser Abkommen, wir haben ihnen Fleisch gebracht, zwei Menschen wir abgemacht.

    Lemur: Sehr nett von Ihnen meine Liebe, leider nicht genug, wir sind sehr hungrig, zwei Menschen reichen uns nicht, wir wollen mehr, wir wollen euch alle, Fleisch!

    Einstein: Böse Menschen von oben sind dumm, sie trauen Lemuren, Lemuren sie werden braten und essen, Lemuren nicht Vegetarier wie Einstein, bitteschön.

    Jonas: Offensichtlich.

    Palma: Korf, Jonas, da ist Korf.

    Jonas: Richtig, da war er, am Rand rechts, ganz allein, wahrscheinlich war er den Lemuren zu alt und zu zäh, er trug eine Art Nachthemd und steckte in einem Einkaufswagen vom Supermarkt, Arme und Beine hingen über den Rand, er bewegte sich kaum, starrte teilnahmslos vor sich hin.

    Palma: Holen wir ihn raus, Jonas.

    Jonas: Deshalb sind wir ja hier. Die Frage ist wie.

    Sam: Merke. Die alten Tricks sind meist die besten.

    Jonas: Sagt wer.

    Sam: Sagt Sammy du Dumpfbacke.

    Jonas: Schockgranate zum zweiten.

    Sam: Grünau.

    Jonas: OK, Jonas wirft Granate, Butterfly rennt los, schnappt sich den Einkaufswagen, kommt damit zurück.

    Palma: Alles klar. Sie halten mir den Rücken frei Jonas.

    Jonas: Mit der Schrotflinte. Countdown Sammy, fang an.

    Sam: Zu Befehl. Countdown. Piep.

    Einstein: Was sein Schockgraten bitteschön.

    Sam: Wirst du gleich hören du Spotgeburt aus Quark und Weißkohl.

    Jonas: 3,2,1, zero. Bumm. Lemuren schwer geschockt, Butterfly flitze Richtung Korf, Jonas flitzte auch zur Feuerstelle, wo die Gefangenen klagen, Jonas zerschnitt Karlas Handfesseln, und ließ das Messer neben ihr liegen, eine Hand wäscht die andere. Vor zwei Jahren hatte Karla Jonas geholfen, jetzt half Jonas Karla, Hilfe zur Selbsthilfe, alles weitere war ihre Sache. Jonas folge Butterfly in den Korridor, rückwärts, die Schrotflinte im Arm, unnötige Vorsicht, die Lemuren kamen uns nicht nach. Schock, oder sie wollten sich nicht von ihrem Braten trennen.

    Korf: Aua, der Verfall der... in diesem unseren Lande. Au. Wohlstand, Ordnung, Recht und Freiheit, au, das tut doch weh.

    Palma: Erkennen Sie mich, Herr Dr. Korf, wissen Sie nicht mehr, wer ich bin.

    Korf: Mama, tut weh, meine Verdienste um die europäische Einigung in diesem unserem Verfall, au. Aufhören.

    Jonas: Recht hat er. Lassen Sie's langsamer angehen, Butterfly, sonst schmeißen Sie den Kinderwagen noch um. Sie sollten Ihr altes Baby mal windeln, Mutterfly.

    Palma: Sehr komisch.

    Korf: Mama. Nach Hause, Herbert will nach Hause.

    Jonas: Wir tun was wir können, Dr. Korf.

    Einstein: Gehen Freunde zurück nach oben bitteschön?

    Jonas: Das hoffen wir, Einstein.

    Einstein: Nehmen Einstein mit, bitteschön.

    Sam: Mama, Einstein will nach Genlabor.

    Jonas: Ja, Einstein wir nehmen dich mit. Kennst du den Weg zur alten Metrostation, wo wir runtergekommen sind?

    Einstein: O ja, Einstein kennen Weg, Einstein kennen Abkürzung. Freunde folgen Einstein bitteschön, Freunde haben Vertrauen zu Einstein.

    Sam: Holdriadidö. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, sagt Shakespeare.

    Jonas: Wirklich Sammy. Also los, Lauf voraus, Einstein, ich behalt dich im Auge.

    Einstein: Freunde eng zusammenbleiben, bitteschön, Weg sehr gefährlich.

    Jonas: Das glaub ich dir aufs Wort, verfressene Lemuren, deine ebenso verfressenen Artgenossen.

    Einstein: Und Grauen der Tiefe, Freunde, noch schlimmer noch gefährlicher.

    Palma: Grauen der Tiefe, was ist das?

    Einstein: Plötzlich sich öffnen Loch im Boden, ganz tief, ganz schwarz, unten Geräusch, unten Bewegung, ganz böse, ganz schrecklich, Grauen der Tiefe, haben nicht Namen, haben nicht Gestalt.

    Korf: Mama, nach Hause.

    Sam: Und Sammy macht jetzt Pause.

    Jonas: Wir waren lange unterwegs, manchmal ferne Lemurentrommeln, manchmal nahes Rattenrascheln. Keine besonderen Vorkommnisse, vorerst. Die Gänge wurden niedriger, wärmer, feuchter und muffiger. Es roch nach Müll, nach Tod und Verwesung, Jonas löste Butterfly ab, übernahm Wagen und Korf, der hatte den Daumen im Mund und schlief. Der Abfallgestank nahm zu. Jonas sah hoch. Einstein, Wo war Einstein?

    Palma: Ein Stück voraus hinter der Ecke, er hatte es auf einmal sehr eilig. Einstein.

    Jonas: Einstein wo steckst du.

    Sam: Wer ist er, der liebe Einstein. Verschwunden, abgehauen. Und mein Volltrottel von Jonas sitzt mächtig in der Kacke.

    Jonas: Da ist was dran, Sammy. Einstein!

    Sam: Jaja, brüll du nur als wie ein Nebelhorn im Stimmbruch. Es wird dir nimmer was nützen: Selber schuld du Schwachkopf. Trau schau wem.

    Jonas: Sagt Shakespeare, sagt Morgenstern.

    Sam: Und Sammy.

    Jonas: Ich sag dir was Sammy, ihr habt recht, alles drei. Wo sind wir, Butterfly, was sagt die Karte.

    Palma: Gar nichts. Keine Ahnung, wo wir sind.

    Sam: Jedenfalls nicht auf dem rechten Weg nach Hause, soviel steht fest geschätzt-er Herr, liebwerte Dame. Tief unter dem Reservat, tief unter der Versorgungsebene, im Zentrum, der Unterwelt. Nein, nicht bei Jacque Offenbach, nein nein im Herzen der Finsternis. So sieht's aus Leute. Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald.

    Jonas: Schnauze.

    Sam: Sammy hat doch nur versucht zu warnen und zu mahnen, doch fand er Gehör, nein, mitnichten. Es war so finster und auch so bitter kalt.

    Jonas: Schluß mit dem Konzert Sam. Mach dich nützlich.

    Sam: Mach dich nützlich. Mach dich nützlich. Kann es denn wahr sein, o ihr Völkerscharen, Sammy wird gebraucht. Sammy wird benötigt. Halleluja und abermals Halleluja.

    Jonas: Amen. Roll vor und kuck vorsichtig um die Ecke, und vor allem halt den Mund.

    Palma: Sie sprechen mir aus der Seele, Jonas.

    Sam: Halt den Mund.

    Jonas: Sam rollte und linste ums Eck, nach ein paar Sekunden fuhr er seinen Gummifinger aus und winkte uns, heftig. Jonas und Butterfly sahen sich an, zuckten die Achseln, folgten Sam. Wir standen und starrten durch unsere Infrarotbrillen, vor uns lag eine ungeheure Höhle, weiter als der Europaplatz in Babylon, höher als der Holoturm, aber deshalb starrten wir nicht, wir starrten, weil sich mitten in der Höhle eine gewaltige Kathedrale erhob, ein Riesenbau aus Müll, aus Abfall und Lumpen, aus Draht und Blech, aus Plastik und Knochen, und wir starrten wegen der Ratten, es waren tausende, abertausende, vielleicht Millionen, sie quiekten nicht, sie raschelten nicht, sie waren ganz still, und sahen mit leuchtenden Knopfaugen zum Eingang, wo wir standen, ganz vorn ein heller Fleck im graubraunen Rattenteppich, Einstein, neben ihm ein monströses Wust, eine Ballung, eine Masse, so groß und so rund wie das Rad eines Supertrucks. Ein Knäuel von mehr als 100 Ratten, zusammengewachsen, ineinander verfilzt, an den Schwänzen verknotet.

    Palma: Der Rattenkönig.

    Jonas: Vor seinem Palast.

    Sam: In seinen Unterhosen und mit seinen Untertaten. Die warten auf uns.

    Palma: Einstein du Verräter.

    Sam: Jawohl du treulose Tomate, lasche Pflaume, falscher Funfziger.

    Einstein: Einstein es sich haben überlegt, Einstein wollen nicht in Genlabor, Einstein bleiben hier in Unterwelt bei Genossen. Ratten jetzt nehmen Einstein auf, Ratten lieben Einstein, Einstein ihnen bringen drei fette Menschen.

    Palma: Fett? Ich oder Korf?

    Jonas: Von Jonas ganz zu schweigen.

    Einstein: Einstein bringen Waffen.

    Sam: Und einen Computer nicht zu vergessen.

    Einstein: War Einstein Vergnügen. Bitteschön. Bye bye Freunde.

    Palma: Was tun wir?

    Jonas: Zwei Optionen, wir lassen uns fressen, oder wir laufen weg. Suchen Sie sich eine aus, Butterfly.

    Palma: Drei Optionen, wir kämpfen und gehen unter als Helden.

    Jonas: Ohne mich, lassen Sie die Schwerter stecken, Butterfly, die bringen hier gar nichts. Wenn ich los sage, nehmen Sie den Wagen und sehen zu, daß Sie verschwinden, zurück durch den Gang.

    Palma: So. Und Sie Jonas.

    Jonas: Ich decke den Rückzug.

    Palma. Womit. Schockgranaten zu Dritten.

    Jonas: Äh äh. Nicht effektiv genug. Flammenwerfer. Das beste gegen Ratten und anderes Ungeziefer. Sammy?

    Sam: Jawohl. Bei der Arbeit.

    Jonas: In die Tasche.

    Sam: Ach nein. Nicht schon wieder.

    Jonas: Los.

    Jonas: Mit dem ersten Feuerstrahl erwischte ich Einstein, er wurde erst rot und sehr laut, dann schwarz und still, der zweite Strahl für den Rattenkönig, er ging in Flammen auf, quiekte wie am Spieß, verschmorte zu einem unförmigen Klumpen, die Ratten drehten durch, die vorderen wollten zurück, die hinteren drängten nach vorn, sie krabbelten und quietschten, Jonas trat zwei Schritte zurück und schwenkte die Düse, bis der Tank leer war. Ziel erreicht. Der Ausgang der Höhle war dicht, verstopft durch einen Wall verkohlter Rattenleichen, bis die Überlebenden sich durchgebissen hatten, würde es dauernd. Wir waren sicher, fürs erste.

    Sam: Kein Grund, faul rumzulümmeln, allerwerteste Sportskameraden, auf auf hopp hopp, hip hip hurra, den letzten beißen die Ratten.

    Korf: Mama was ist, kommen die Russen.

    Jonas: Keine Angst Herbert, schlaf weiter. Wir bringen dich nach Hause.

    Korf: Ja, nach Hause.

    Jonas: Du weißt wo's langgeht Sam.

    Sam: Jawohl. Eisern und magnetisch. Will sagen mittels meines vollintegrierten Kompasses Nordnordwest. Herr Flottenkapitänsflottillenadmiral.

    Jonas: Dann übernimmst du die Führung.

    Sam: Aye aye Sir, gerade aus, backbord, backbord ihr Landratten. Links.

    Jonas: Links, rechts, gerade aus, Gänge, Höhlen, Schächte, nach 4 Stunden hatten wir es fast geschafft, es wurde Zeit, die Lemuren fingen wieder an zu trommeln und in der Dunkelheit hinter uns leuchteten Rattenaugen.

    Sam: Jawohl und nun wieder rechts, und nach 100 m wieder links, ja, so ist schön, voila, da wäre er, der Schacht zur verlassenen Metrostation, der Weg zur Oberwelt, zum Lichte, zur Sonne, zur Freiheit.

    Jonas: Wo Ihre Parteisoldaten auf uns warten, Butterfly, hoffe ich jedenfalls.

    Palma: Seien Sie unbesorgt, Jonas, die warten, aber nicht auf uns, auf mich, nur auf mich.

    Jonas: Was heißt... Au!

    Jonas: Butterfly war das Schlußlicht, mit meiner Schrotflinte, um die Ratten auf Abstand zu halten, ein schwerer Fehler, weil sie so in aller Ruhe Jonas den Kolben über den Schädel ziehen konnte, ich trat kurz mal aus, nicht lange, ein paar Sekunden, als ich zurückkam war ich gefesselt und an Korfs Wagen gebunden.

    Palma: Tut mir wirklich leid um Sie, Jonas, Sie sind kein übler Typ, aber ich habe strikten Parteiauftrag von allerhöchster Stelle.

    Jonas: Saladina Sack.

    Palma: Persönlich.

    Jonas: Ihr wollt euch die viertel Million sparen.

    Palma: Das ist es nicht.

    Jonas: Hahaha, Jonas weiß zu viel, wie sie in den Holokrimiserien sagen.

    Palma: Das schon eher. Zurück, ihr seid noch nicht dran.

    Korf: Hilfe, die Russen kommen, die Chinesen kommen, die Fundamentalisten kommen.

    Palma: Halts Maul, Herbert, Sie sind nur Zugabe, Jonas. Es geht um Korf, er darf die Partei nicht noch mal in solche Schwierigkeiten bringen.

    Jonas: Sie haben den Auftrag Korf umzubringen.

    Palma: Natürlich. Sobald wir ihn den Entführern abgenommen haben, wir machen reinen Tisch, kein Ehrenvorsitzender mit Alzheimer mehr, der gekidnappt oder im Holo vorgeführt werden kann, hätten wir schon längst tun sollen, aber die Parteiführung war damals zu sentimental.

    Sam: Naja, Pietät ist es eine Zier doch besser geht es ohne ihr.

    Palma: So ist es. Seionara, Jonas, hat Spaß gemacht mit ihnen durch die Unterwelt zu ziehen.

    Jonas: Nehmen Sie uns nicht mit Butterfly.

    Palma: Wozu, ich überlasse Sie den Ratten. Ob ich Ihnen den Kopf abschlage oder ob die Sie fressen.

    Jonas: Ratte wie Hose.

    Palma: Und ich gewinne Zeit. Während sich die Tierchen mit Ihnen und Korf beschäftigen, bringe ich mich in Sicherheit. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Also dann.

    Korf: Nach Hause, Herbert will nach Hause.

    Jonas: Jonas auch, aber da sah ich schwarz. Für uns beide. Sam hatte auch keine rettende Idee und ging auf Tauchstation. Hinter uns wurde es lauter, rascheln, knistern, quieken, sie kamen, rachedurstig und hungrig. Plötzlich zuckte Jonas zusammen. Eine Berührung, am Rücken. Eine Ratte, ein Lemur?

    Karla: Weder noch, Jonas. Eine alte Bekannte.

    Jonas: Karla! Wie ich mich freue, Sie wieder zu sehen.

    Karla: Das glaub ich Ihnen. So, Sie sind frei, Jonas. Eine Hand wäscht die andere.

    Sam: Alter Toilettenspruch.

    Karla: Bis zum nächsten Mal.

    Jonas: Danke Karla.

    Jonas: Weg war sie, das war ihr Stil, sie ging ihre eigenen Wege, allein. Jonas stand auf, griff sich den Wagen mit Korf, die Ratten waren noch ein Stück entfernt.

    Sam: Links. Links müßt ihr steuern.

    Jonas: Halt ein Schrei.

    Sam: Die Woge trieb das Boot zu lande und sicher vor die...

    Jonas: Schön, daß du dich mal wieder hören läßt, Sammy, jetzt wo alles vorbei ist.

    Sam: Vorbei, was heißt vorbei. Los, du Mutter aller Tränentiere, links.

    Jonas: Links, hast du nicht vorhin gesagt rechts.

    Sam: Ja, vorhin, jetzt links, Abkürzung zum Metroschacht. Gar nichts ist vorbei, du geistiger Trockenschwimmer, wir haben noch ein gar gewaltig Suppenhuhn zu rupfen, mit Genossin Palma Kunkel, ihren zahlreichen Fans auch bekannt als Madam Butterfly. So und jetzt rechts durchs Loch. Vorsichtig, Kopf einziehen, das edle Teil in Gefahr wäre...

    Jonas: Wie Sammy es gemacht hat weiß ich nicht, aber als Jonas um die letzte Ecke guckte, stelle er fest, daß er Butterfly den Weg ins Freie abgeschnitten hatte, sie be-wegte sich auf uns zu, langsam rückwärts, meine Schrotflinte im Anschlag. Die Rat-ten hielten sich weit zurück, gut so, ich ließ den Wagen stehen, Korf schlief gerade mal wieder. Auch gut. Ich nahm Sam aus der Tasche und setzte ihn auf den Boden.

    Sam: Was liegt an Chef?

    Jonas: Kleines Ablenkungsmanöver, Sam. Du rollst zurück, ganz leise, bist du Madam erreicht hast, dann fährst du ihr über die Zehen und machst.

    Sam: Piep.

    Jonas: Genau so Sam, sie hält dich für eine Ratte, kriegt einen Schreck.

    Sam: Und den Rest erledigen eure Gewalttätigkeit auf gewohnt handgreifliche Manier. Haha. Ist recht. Verlassen Sie Ihnen voll und ganz auf mir, wie der Professor für Sprachwissenschaft sagte. Piep. Piep. Piep...

    Palma: Ih eine Ratte.

    Sam: Mit so nem langen Schwanz.

    Jonas: Es klappte. Einen Moment paßte Butterfly nicht auf, Jonas stand hinter ihr und legte ihr die Hände um den Hals. Sie war zu überrascht um sich zu wehren, und als sie's dann doch versuchte, ging ihr die Luft aus, ich nahm ihr die Schwerter weg und warf sie weit zurück in den Gang, dann ließ ich sie fallen, ging zu Korf und wartete, mit schußbereiter Schrotflinte, bis sie zu sich kam.

    Palma: Was was ist.

    Jonas: Hier bin ich Butterfly, stehen Sie auf, schneller.

    Palma: Hören Sie Jonas...

    Jonas: Und jetzt laufen Sie, andere Richtung, zurück, so ist es gut, da hinten liegen ihr Schwerter, wenn Sie sich beeilen, sind Sie vor den Ratten da. Sie wollten doch kämpfen und heroisch untergehen. Schneller.

    Palma: Hei.

    Jonas: Viel Glück mein kleiner Samurai.

    Jonas: Ich ging nicht an der Metrostation raus und natürlich auch nicht durch den Keller im Heim, Jonas kennt noch mehr Ausgänge aus der Unterwelt. Es war nicht leicht, Korf nach oben zu bugsieren und ihn durchs nächtliche Reservat ins stille Westend zu schaffen, zu dem exklusiven Pflegeheim, das Sammy ausgekuckt hatte, da lieferte ich ihn ab, meinen entfernten Großonkel, falscher Name, falsche Identität, falsche Daten in allen relevanten Systemen, darum kümmerte sich Sam, das kann er, das ist seine Spezialität. Das Pflegegeld besorgte er auch.

    Sam: 6000 Euros pro Monat, Herr Oberfinanzdirektor, für 10 Jahre im Voraus.

    Jonas: Moment Sammy. 6000 mal 12, das macht äh...

    Sam: Schone deine kleinen grauen Zellen, Monami, denn du hast derer nicht viele. Doppelpunkt: 720.000.

    Jonas: 720.000 Euros.

    Sam: Ja, überwiesen und quittiert, alles in Butter.

    Jonas: Wo hast du denn so viel Geld her.

    Sam: Ja vom Konto der WORF, poetische Gerechtigkeit nennt solches der Gebildete.

    Jonas: Kennst du den Code.

    Sam: Ach Gott. Sowas nimmt man mit, für alle Fälle, wenn man beispielsweise Gelegenheit hat in einem gewissen E-Lieferwagen das Datensystem einer gewissen Partei gewissermaßen von hinten aufzureufeln. Comri Missio.

    Jonas: Und wenn die rauskriegen, wo ihr Geld geblieben ist.

    Sam: Nein nein, nein, keine Panik auf der Andrea Doria. Sammy hat alle Spuren bestens verlappt, er meint, verwischt.

    Jonas: Wenn das so ist, Sammy, dann hol mir doch auch gleich mein Honorar vom Parteikonto. Ich glaub nicht, daß die mir das freiwillig überweisen.

    Sam: Ja das mach mer Alter, sollst auch net leben wie ein Hund.

    Jonas: Aber diesmal mußte Sammy passen, ausnahmsweise. Was war passiert. Die Partei hatte sehr schnell gemerkt, daß ein Unbefugter Unbekannter einen Haufen Geld von ihrem Konto abgezockt hatte und sofort den Code geändert. So ging's also nicht, aber vielleicht anders. Jonas ließ sich mit Saladina Sack verbinden und verlangte sein Geld.

    Sack: Gestatten Sie daß ich lächle, Herr Jonas. Wo ist Korf?

    Jonas: Wo Sie ihn nie finden, Frau Sack, ich hab ihn versteckt, gut versteckt.

    Sack: So. Was ist mit Palma Kunkel?

    Jonas: Unten geblieben.

    Sack: Ah ein Vorschlag Herr Jonas liefern Sie uns Korf dann kriegen Sie ihr Honorar.

    Jonas: Hm. Ein Gegenvorschlag, Frau Sack, wenn Sie nicht zahlen, liefere ich Korf an die nächste große Holostation.

    Sack: Das werden Sie nicht tun.

    Jonas: Wollen Sie's darauf ankommen lassen.

    Sack: Sie kriegen Ihr Geld, Herr Jonas, aber keine viertel Million, das ist nicht drin, 10.000 Euros wie ursprünglich vereinbart. Guten Tag.

    Jonas: Immerhin. Wie heißt er jetzt unser Freund Korf?

    Sam: Rabe, Ralf Rabe.

    Jonas: Merkwürdiger Name. Morgenstern.

    Sam: Korrekt, euer Ehren. Der Rabe Ralf ruft schaurig rah, das End ist da, das End ist da. Und nun kommt Sammy mit Tari tari taralalla.

    Das war Unterwelt. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Außerdem hörten Sie: Kornelia Boje, Susanne Schwalm, Hans Jürgen Silbermann, Hans Stetter und andere (Petra Bischof, Erwin Weigel, Werner Klein, Ursula Rehm). Ton und Technik: Daniela Röder und Günter Heß. Assistenz: Holger Buck. Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks aus dem Jahr 1995. Redaktion: Erwin Weigel.

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:49 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Kopfjäger

    Jonas: Der Klimadom war kaputt. Endgültig. Die Schleusen des Himmels hatten sich geöffnet. Babylon soff ab. Sintflut. Weltuntergang. Großalarm.

    Sam: Tatü Tata...

    Jonas: Das Wasser stieg und stieg. Als es mir in Mund und Nase lief, wachte ich auf. Kein Wasser, keine Sintflut. Ein Traum. Aber der Alarm war noch da. Unüberhörbar. Innervierend. Sam, natürlich, Sammy, wer oder was sonst.

    Jonas: Halts Maul. Wie spät?

    Sam: Drei Uhr 17 Minuten und 9 Sekunden, wenn’s beliebt, Tatü Tata!

    Jonas: Mitten in der Nacht. Machst du einen widerlichen Radau. Was ist los?

    Sam: Alarmstufe Rot, Genosse. Knallrot. Feuerrot. Priorität 1a. Jetzt nimm endlich ab, das Fon. Tatü Ta...

    Jonas: Jajajajaja. Jonas. Nur Jonas, der letzte Detektiv. Wenn Sie mich wegen irgendwelchem Pipifax geweckt haben, wird’s Ihnen Leid tun.

    Pelican: Pipifax? Ihr Leben will ich retten!

    Jonas: Doch nicht so früh, aber nett von Ihnen. Augenblick. Woher kommt der Anruf, Sam?

    Sam: Piep. Supermedia Betriebskrankenhaus.

    Jonas: Supermedia, einer der größten Holoanbieter, der größte, genaugenommen. Neben Network. Der Boß heißt Beringer, Adolf Beringer, zweimal waren wir zusammengerasselt, und zweimal hatte Jonas knapp nach Punkten gewonnen.

    Sam: Siehe Fall Megastar. Siehe Fall Westfront.

    Jonas: Olle Kamellen, Sammy, geh auf Bildfon.

    Sam: Ja.

    Pelican: Genau was ich Ihnen vorschlagen wollte, Herr Jonas, damit Sie wissen daß es mir ernst ist.

    Sam: Der hat was am Kopf, Chef.

    Pelican: Was sehen Sie, Herr Jonas?

    Jonas: Eine weiße Kugel, ihr ehrenwertes Haupt, wie ich vermute, verbunden und umwickelt, wer sind Sie?

    Pelican: Peter Pelican, besser bekannt als Pepe mit der roten Nase. Sagt Ihnen nichts? Supermedias berühmter und beliebter Holoclown.

    Jonas: Aus Kidishows mache ich mir nichts, Herr Pelican, aber ich kenne Sie natürlich, das heißt Ihren Namen.

    Sam: Siehe Fall Weihnachtsmärchen.

    Jonas: Weihnachten 2013, vor einem viertel Jahr. Da hatte ich Pelican ein Fax geschickt, es ging um seinen schärfsten Konkurrenten, um Conrad Coburg. Coco mit dem goldenen Herzen, Networks berühmten und beliebten Holoclown. Jonas hatte ein paar häßliche Dinge über Coburg rausgekriegt. Organschiebereien, Kinderhandel, gar nicht gut fürs kinderliebe Image. Jonas hatte Pelican informiert, und der hatte die Sache an die Öffentlichkeit gebracht. Coburg verlor seinen Job, seinen Ruf und jede Chance auf einen neuen Anfang.

    Pelican: Deshalb ruf ich Sie an, Herr Jonas, wegen Coburg.

    Jonas: Wollen Sie sich bedanken.

    Pelican: Genau das, Herr Jonas, mit Rat und Tat gewissermaßen. Coburg ist nämlich total ausgerastet, er ist untergetaucht und hat gewaltige Kopfgelder ausgesetzt auf alle, die an seinem Sturz beteiligt waren, auf mich, auf Ihre Kollegin Valerie.

    Jonas: Genannt die allerletzte Detektivin.

    Sam: Oder auch Val, von wegen Jonas und der Wal, hahaha, ja, das ist ein Witz.

    Pelican: Ach so.

    Sam: Ja.

    Jonas: Sam ist mehr als ein Witzbold, viel viel mehr. Es ist Rechner, Redner, Lexikon, Sprücheklopfer, Musikmacher, Radaubruder, Krawalltüte, Nervensäge, unschätzbare Hilfe für seinen Herrn und Meister, wenn ihm danach ist. Clevere Spinne im Internet, rücksichtsloser Geisterfahrer auf der Datenautobahn, Sam ist mein Computer, klein drahtlos, verwegen. Und laut.

    Sam: Worauf Hochwürden einen lassen können.

    Pelican: Ihr Kopf ist der teuerste. Herr Jonas.

    Jonas: Wie teuer?

    Pelican: Eine halbe Million Euros hab ich gehört.

    Sam: Ist er nicht wert.

    Jonas: Gehört, von wem, Herr Pelican.

    Pelican: Von den beiden Schlägern, die mich überfallen haben, gestern im Parkhaus von Supermedia, zum Glück kam gerade der Werkschutz vorbei, sonst wäre ich jetzt tot.

    Jonas: Danke für die Warnung, Herr Pelican.

    Pelican: Ich kann mehr für Sie tun als Sie warnen, Herr Jonas. In dankbarer Anerkennung ihrer Verdienste um Supermedia macht Ihnen die Leitung unseres Hauses ein Angebot.

    Jonas: Beringer? Kann ich mir nicht vorstellen, der ist nicht gerade ein Freund von Jonas.

    Pelican: Herr Beringer kümmert sich nicht um Details, Herr Beringer bestimmt nur noch die großen Linien der Programmpolitik von seiner Villa auf Lanzarote aus, das Angebot macht ihnen unser geschäftsführendes Direktorium.

    Jonas: Und zwar?

    Pelican: Wir offerieren ihnen einen erstklassigen Bodyguard, Herr Jonas, zu ihrer freien Verfügung, bis Coburg gefaßt ist.

    Jonas: Sagen Sie Ihrem geschäftsführenden Direktorium besten Dank.

    Sam: Ding dong heißen Dampf.

    Pelican: Sie nehmen an, Herr Jonas.

    Jonas: Nein, Jonas kann auf sich selbst aufpassen.

    Pelican: Wie Sie wollen, Herr Jonas, rufen Sie mich an falls Sie Ihre Meinung ändern.

    Jonas: Am nächsten Morgen mußte ich früh raus, aus dem Bett, aus meinem Büroapartment, aus dem Haus. Die Stadt Babylon wollte was von Jonas, dringend, 100 Euros jedes Viertel Jahr, dafür kriegte ich einen Stempel in meine Lizenz vom Amt für Freiberufler, Unterabteilung 1113 (F13), Hostessen, Spieler, Privatdetektive, im Bezirksrathaus, nicht weit, an der Piazza Sewastopol. Ich ging zu Fuß, zügig aber vorsichtig, hielt mich dicht an den Wänden, sah mich öfter um. Nichts Verdächtiges in Sicht, kein Coburg, kein Kopfjäger. Überhaupt wenig Passanten um diese Zeit. Eine Frau mit Kinderwagen, oben an der großen Freitreppe zur Piazza, als Jonas vorbei kam, knickte plötzlich ihr linkes Bein weg, sie griff sich an die Wade, ließ den Wagen los, der fing an zu rollen, über die Stufen nach unten, immer schneller.

    Frau mit Kinderwagen: Baby? Hilfe, Sie, mein Herr, bitte, laufen Sie, halten Sie den Wagen fest, retten Sie mein Baby, ich kann nicht, ein Krampf, bitte!

    Jonas: Ritter Jonas sprintete die Stufen runter, dem Wagen nach. Irgendwie kam mir die Situation bekannt vor. Ein Kinderwagen, der eine Treppe runterrollt, das hatte ich schon mal gesehen. Und Sam wußte wo.

    Sam: Auf der Leinwand, du Alzheimer, in der Kinemathek, Panzerkreuzer Panjunki. Uraltfilm, schwarzweiß, black and white und äh

    Jonas: Und was und?

    Sam: Stumm.

    Jonas: Halt die Backen, Sammy, keine Zeit für cineastische Reminiszenzen.

    Sam: O Gott o Gott, wer hat dir bloß so schwere Wörter gelernt.

    Jonas: So, gleich hab ich den Wagen.

    Sam: Nein.

    Jonas: Doch. Noch zwei Schritte.

    Sam: Kein Baby im Wagen. Bloß Metall und Plastik.

    Jonas: Ein Robot?

    Sam: Mit Babyvokoder. Alarm! Alarm! Alarm! Alarm! Alarm!

    Jonas: Ich sah kurz über die Schulter, die Frau war verschwunden, Sam in meiner Tasche brüllte mit dem Robobaby um die Wette. Jonas machte einen Hechtsprung zur Seite, weg vom Kinderwagen. Keine Sekunde zu früh.

    Sam: Alarm, ne Alarm vorbei, Bombe explodiert, Kinderwagen zertrümmert. Wie sieht's aus, Chef, Leben noch frisch?

    Jonas: Im Prinzip ja, Sammy, ein paar Abschürfungen, eine Beule am Kopf.

    Sam: Naja, allwo sie keinerlei Schaden anrichten dürfte.

    Jonas: Ein Helikopter direkt über Jonas, laut und bedrohlich, noch ein Attentat? Ich zog den Revolver, sah nach oben.

    Alouette: Wunderbar, bleib so, Jonas, so verdattert, halt diesen dämlichen Ausdruck, perfekt, Privatdetektiv unter Schock nach Babyattacke, danke, rühren, jetzt noch ein paar Meter Kinderwagentrümmer.

    Jonas: Kein Attentäter. Alouette, Babylons bekannte Heli-Reporterin, tag und nacht ist sie unterwegs in ihrem Helikopter, über den Straßen und Plätzen der großen Stadt, immer auf der Suche nach einem knackigen Unfall, einem saftigen Massaker, wenn sie was findet, geht sie runter und schießt, mit ihrer Holokamera.

    Alouette: So, das reicht für einen 10-Sekundenspot in der Bezirkssendung auf Supermedia Lokal. Machs gut Jonas. Man sieht sich.

    Jonas: Man sieht sich, man kennt sich, man mag sich sogar, im allgemeinen sind Heli-Reporter unbeliebt, nicht bei Jonas. Alouette macht ihren Job, wie ich meinen. Dieselben Typen, die Alouette Aasgeier schimpfen, kriechen fast in den Holokasten, wenn ihr Material läuft. Jonas holte sich den Stempel. Keine besonderen Vorkommnisse auf dem Nachhauseweg.

    Sam: Whisky Sir.

    Jonas: Besser nicht, Sammy, besser klaren Kopf behalten. Sojakaff, so schwarz wie meine

    Sam: Füße?

    Jonas: Wie meine Stimmung.

    Sam: Hehe.

    Jonas: Das war knapp eben auf der Piazza.

    Sam: Ja, ein wahrlich cleveres Szenario, oh du Schutz der Witwen, Schirm der Waisen, Retter der Enterbten, Verderbten, Gekerbten, Versterben.

    Jonas: Genervten.

    Sam: Was?

    Jonas: Auch wenn sich's nicht ganz reimt.

    Sam: Hilflose Frau, rollender Wagen, schreiendes Kind, da muß mein Jonas ja seinen Verstand ausknipsen, das bißchen Rest, was er sein Eigen nennt.

    Jonas: Das war Profiarbeit, Sam, vielleicht Ex und Hopp, oder Freischaffende.

    Sam: Tja, sollten euer Leichtfertigkeit jetzt nicht doch lieber den Pelican fonen. Von wegen des offerierten Bodyguards.

    Jonas: Sollte ich, Sammy.

    Sam: Hinweg mit dem Schwanken, dem Zaudern und Kranken, denn siehe er ist es, welcher uns da font, hmh, der Liebling der Kleinen, der Großmeister der Komik.

    Jonas: Ja?

    Pelican: Pelican. Haben Sie’s schon gehört, Jonas?

    Jonas: Daß ich fast in die Luft geflogen wäre.

    Pelican: Sie, wieso Sie, nein Ihre Freundin Valerie hat’s erwischt in ihrem Miniapartment in der Südstadt.

    Jonas: Bombe?

    Pelican: Ganz altmodische Buschmesser. Ein Blutbad. Sehen Sie sich in den Holonews an.

    Jonas: Arme Valerie.

    Sam: Requiescat in pace. Aus ihr wäre nie eine gute Detektivin geworden, nein nein. Amen.

    Pelican: Was halten Sie jetzt von unserem Angebot, Herr Jonas.

    Jonas: Schicken Sie ihn in Gottes Namen rum Ihren Bodyguard.

    Pelican: Gratuliere, Herr Jonas, ein äußerst vernünftiger Entschluß.

    Jonas: Wer weiß, aber das würde sich zeigen. Gut zwei Stunden später war er da.

    Wayne: Ihr Bodyguard, Herr Jonas, von Supermedia.

    Jonas: Kommen Sie rein, die Tür ist nicht abgeschlossen.

    Wayne: Doch nicht so, Herr Jonas. Machen Sie bitte die Tür weit auf und stellen Sie sich so, daß ich Sie von außen sehen kann.

    Jonas: Kein Grund zum Mißtrauen, Cowboy, ich bin ihr Schützling. Ich tue ihnen nix.

    Wayne: Professionelle Routine, Herr Jonas.

    Jonas: Kommen Sie schon rein, Cowboy, weisen Sie sich aus.

    Jonas: Er war jünger als Jonas, etwas kleiner, genauso breit. Dokumente in Ordnung, Wayne hieß er, Jim Wayne, Ausbildung auf der Bodyguard-Akademie Dallas, Texas, ein Gastsemester in Grosny, Abschluß summa cum laude, diverse Einsätze, alle erfolgreich, soweit so gut, Sammy mochte ihn nicht, warum?

    Sam: Keine Ahnung euer Ehren, aber ich komm schon noch dahinter.

    Wayne: Riegel vor. Ihre Tür sollte immer verschlossen sein, Herr Jonas, Fenstervorhänge zu, haben Sie keine Jalousie, Herr Jonas, kein Rollo, bodenloser Leichtsinn, Herr Jonas, setzen Sie sich auf den Fußboden.

    Jonas: Langsam, Cowboy.

    Wayne: Nennen Sie mich Jim, Jonas.

    Jonas: Nennen Sie mich Herr Jonas, Cowboy, jetzt setzen Sie sich mal hin und hören mir zu, in meinem Büroapartment hat nur einer das sagen.

    Wayne: Jawohl, Jonas, Jonas, der große, der mächtige, der einzige und Sammy, sein Prophet, merken Sie sich das gefälligst, gell.

    Jonas: Alles klar, Cowboy.

    Wayne: Aber das ist professionelle Routine, Herr Jonas, das muß so sein.

    Jonas: Das haben Sie so gelernt Cowboy, in Dallas und in Grosny, hier ist Babylon, Cowboy, hier bestimmt Jonas, wo’s langgeht, Sie laufen hinterher, Cowboy, und passen schön auf. Und wenn Ihnen das nicht paßt, dann nehmen Sie Ihr Bodyguarddiplom und

    Sam: Und schieben es sich da rein wo's weh tut, nämlich quer.

    Jonas: Und verschwinden wieder, verstanden, Cowboy?

    Wayne: Kein Problem, Herr Jonas, Sie sind der Boß. Was haben Sie vor?

    Jonas: Wir werden uns nicht im Haus verschanzen und abwarten, Cowboy, viel zu passiv, wir werden aktiv. Wir gehen raus.

    Wayne: Wie Sie meinen, Herr Jonas. Wir gehen raus. Wohin?

    Jonas: Hinter den Anschlägen steckt Conrad Coburg, korrekt.

    Wayne: Korrekt Herr Jonas.

    Jonas: Wenn wir Coburg schnappen, hören die Anschläge auf, korrekt.

    Wayne: Korrekt Herr Jonas.

    Sam: Herr Lehrer, Herr Lehrer, darf Sammy was fragen.

    Jonas: Von mir aus Sam.

    Sam: Wo finden wir den Coburg Genosse, na, wo steckt der Schuft, wo hat er sich verkrochen.

    Jonas: Gute Frage Sammy.

    Wayne: Die ich ihrem Computer vielleicht beantworten kann Herr Jonas. Herr Pelican hat mir nämlich einen Tip gegeben.

    Jonas: Coburg war nicht immer der berühmte Holoclown von Network gewesen, Coburg hatte klein angefangen, ganz klein, als Studioarbeiter bei Supermedia vor langer langer Zeit, als Holoserien noch nicht digital produziert wurden, sondern real, mit wirklichen Schauspielern, mit echten Requisiten in richtigen Studios. Jonas kannte das verlassene Studiogelände von Supermedia.

    Sam: Siehe Fall Megastar, zweieinhalb Jährchen sind's nun her.

    Jonas: Viel wird sich da nicht verändert haben, Sammy, ein bißchen mehr Staub, ein bißchen mehr Müll.

    Sam: Absolute dead trouser, Sir, tote Hose.

    Wayne: Das perfekte Versteck für einen gesuchten Verbrecher falls Sie mir die Bemerkung gestatten, Herr Jonas, und falls Sie vorhaben, das Studiogelände aufzusuchen, Supermedia stellt ihnen eine E-Limousine zu Verfügung.

    Jonas: Die stand auf der Straße vor dem Haus, Jonas durfte nicht gleich einsteigen, erst legte sich der Cowboy auf den Rücken und schob sich unter den Wagen, wegen Haftladungen etc. Professionelle Routine.

    Wayne: Reifen OK, Leitungen auch, jetzt noch der Akku.

    Killer: Jonas, nur Jonas, der letzte Detektiv?

    Jonas: Wer will das wissen?

    Killer: Mein Laserstrahler. Ahh...

    Jonas: Schnell war er, der Cowboy, ehe ich meinen Revolver aus dem Halfter hatte, zog er eine abgesägte Schrotflinte aus dem Hosenbein. Der bedröhnte Typ kam gar nicht mehr dazu seinen Laser abzudrücken, er fiel um, in einem Feuerwerk blutiger Fontänen.

    Wayne: Mit der Schrothflinte arbeite ich gern, Herr Jonas, viel zuverlässiger als ein Laser. Unter uns, Herr Jonas, sie macht so ein befriedigendes Geräusch.

    Alouette: Da ist also wirklich was dran Jonas?

    Jonas: Woran Alouette?

    Alouette: Daß ein hohes Kopfgeld auf dich ausgesetzt ist. Geh mal Stück zur Seite. Total durchsiebter Killer schwimmt im eigenen Blut, das muß groß ins Bild. Sowas reißen sie mir aus den Händen, mach so weiter Jonas, das ist gut fürs Geschäft.

    Jonas: Krieg ich Prozente, Alouette?

    Alouette: Mal sehen. Bis bald Jonas. Ich bleib in der Nähe.

    Jonas: Das alte Studiogelände von Supermedia war noch genauso, wie ich es in Erinnerung hatte, eine weiträumige Geisterstadt, kein Laut, kein Mensch, nicht mal ein Geist, große Hallen mit verrotteten Dächern, zerfallene Schuppen, Schrotthaufen, zerfressene Kabel und Staub, überall Staub, dick und gleichmäßig wie ein grauer Teppich, ein Teppich, den seit Ewigkeiten niemand betreten hatte. Auf den ersten Blick jedenfalls. Der Cowboy sah zweimal hin und fand was.

    Wayne: Spuren, Herr Jonas, im Staub.

    Jonas: Schuhe und Reifen.

    Wayne: Frische Spuren, wenn Sie mich fragen Herr Jonas.

    Jonas: Wann hat’s zuletzt geregnet Sammy?

    Sam: Nu warten Sie mal mein Gutester. Gestern war's, am 11. März 2014. Das vom Turme schlug die 9. Stund.

    Wayne: Was meinen Sie Jonas, Coburg?

    Sam: Ne. Bamberg.

    Jonas: Möglich. Die Spuren führten zu einer abgelegenen Halle, wir folgten ihnen, vorsichtig, mit gezogenen Waffen, professionelle Routine, durch die offene Tür, in den leeren Innenraum, nein, nicht leer, nicht ganz, durch ein Loch im Dach fiel Licht auf das entgegengesetzte Ende der Halle, da stand ein Sessel, ein altmodischer Ohrensessel, Blümchenbezug, geschwungene Armlehen, im Sessel saß einer, stocksteif, regungslos, still. Wir blieben an der Tür stehen. Wie ging's weiter.

    Wayne: Wenn Sie freundlicherweise hier warten würden, Herr Jonas, lassen Sie mich vorangehen. Und die Lage abchecken, das ist mein Job.

    Jonas: OK, Cowboy, ich geb Ihnen Deckung, professionelle Routine.

    Wayne: Danke, Herr Jonas.

    Sam: Halten zu Gnaden, Exzellenz, der Kerl ist mit Nichten und Neffen astrein.

    Jonas: Der im Sessel.

    Sam: Der auch, aber Sammy meint den Cowboy, Jimmy Wayne, den allseits bekannten vollakademischen Bodyguard, summa cum laude, pingpong pipapo.

    Jonas: Was stört dich an ihm?

    Sam: Wie er atmet, ein und aus, präziser wie oft.

    Jonas: Seine Atemfrequenz. Was ist damit.

    Sam: Die ist immer die gleiche, 30 Schnaufer pro Minute, egal was er macht, ob er geht oder steht, ob er schweigt oder redt, ob ihm warm ist oder kalt, ob er mit der Flinte knallt, immer genau 30 Atemzüge.

    Jonas: Das gibt's nicht, Sam.

    Sam: Das ist so, außerdem der Kerl sendet.

    Jonas: Bist du sicher?

    Sam: Blöde Frage und so unnötig. Sicherheit dein Name ist Sam.

    Jonas: Was sendet er?

    Sam: Weiß ich noch nicht, verschlüsselt. Gefällt mir gar nicht.

    Jonas: Meinst du mir. Kannst du die Sendung blockieren.

    Sam: Vielleicht, mal probieren?

    Wayne: Der Mann auf dem Sessel ist Coburg, Herr Jonas.

    Jonas: Ich ging näher ran. Tatsächlich. Conrad Coburg, Exholoclown, Krimineller, Kopfgeldspezie, da saß er, verschnürt, verklebt, geknebelt, seine Augen waren weit aufgerissen, die Augäpfel rollten hektisch, als ob er uns dringend was mitteilen wollte, ansonsten tickte er, unaufdringlich, regelmäßig. Moment, Coburg tickt.

    Wayne: Zurück, Herr Jonas!

    Jonas: Sollte man ihm nicht den Knebel aus dem Mund

    Sam: Klar doch, und ihm die Nase putzen und den Hintern abwischen, ach hau ab du Volltrottel.

    Jonas: Sam, sag doch was du meinst, Bombe, Sammy.

    Jonas: Eine Bombe im Sessel, der hatte sich in seine Bestandteile aufgelöst, Coburg desgleichen, der Cowboy und Jonas rappelten sich auf, und betrachteten die Stätte der Verwüstung, dann sahen wir hoch, durchs Loch im Dach auf Alouette in ihrem Helikopter.

    Alouette: Hallo da unten, aller guten Dinge sind drei, was Jonas.

    Jonas: Halten Sie doch kurz mal meinen Computer, Cowboy.

    Sam: Hey, ich bin kein Lasso.

    Jonas: Andererseits auf drei Beinen kann man nicht stehen Alouette.

    Alouette: Aber nur wenn man ein Esel ist, wiedersehen Jonas.

    Jonas: Jonas war ein Esel, Jonas hatte sich aufs Glatteis locken lassen, die ganze Geschichte stimmte hinten und vorne nicht. Coburg würde sich doch nicht selbst in die Luft sprengen, nur um Jonas zu erwischen, und dann dieser merkwürdige Body-guard mit dem gleichmäßigen Atem und dem ausgeprägten Sendungsbewußtsein.

    Sam: Doch ist dies noch nicht alles, Herr und Meister, höre und staune, unser Freund, der Cowboy hat immer denselben Puls und denselben Blutdruck.

    Wayne: Ach, deshalb haben Sie mir ihre quäkende Blechdose in die Hand gedrückt.

    Sam: Nananananana, und schwitzen tut er auch nicht, kein einziges Tröpfelchen.

    Jonas: Professionelle Routine, Cowboy.

    Wayne: Könnte man sagen, Herr Jonas, stehen Sie bitte ganz still, und nehmen Sie die Hände hoch. Ahh!

    Sam: Ja, das piept im Lockenköpfchen, gelle, mach's Maul zu. Jonas, Jammerdam steh nicht blöd rum, Sammy kann die Gehirnströme nur kurz blockieren, tu was, schnapp dir ein Sesselbein und zieh's ihm über die Rübe. Na bitte, s geht doch.

    Jonas: Sammy hatte ihn durchschaut, nur eine Maschine kann eine andere Maschine erkennen, besonders wenn die als Mensch maskiert ist, der Cowboy war kein Mensch, er war ein Android, ein Replikant, ein gentechnisches Produkt, eine illegale Konstruktion mit ein paar noch illegaleren Extras.

    Sam: Kameras hinter den Augen, Mikrophone in den Ohren, melde gehorsamt, Herr Kommodore, der Kerl ist ein wandelndes Holostudio.

    Jonas: Das heißt alles was er sieht und hört nimmt er auf.

    Sam: Ja, und mehr noch Jonaslein, alles was er sieht und hört sendet er auf Sonderfrequenz.

    Jonas: Du hast die Verschlüsselung geknackt, Sammy.

    Sam: Ja, kein Schlüssel ist ihm zu schlitzohrig, kein Code zu kompliziert, denn wahrlich er ist Sam, der Sultan der Systeme, der Dandy der Dateien, der Nabob der Netze.

    Jonas: Der Houdini der Hacker.

    Sam: Ja. Nicht schlecht, Kumple, könnte von mir sein, der Cäsar der Cyperpunks.

    Jonas: Das reicht Sammy, sonst noch was?

    Sam: Ja, der Cowboy hat einen Hohlraum im Bauche. Allwo Menschen und Normandroiden ihren Magen zu hegen pflegen.

    Jonas: Was drin.

    Sam: May be, Sir. Perhaps. Possible.

    Jonas: Was heißt das?

    Sam: Weiß ich a nett. Nichts genaues weiß man nicht. Indem das selbiger Hohlraum exorbitant beschirmt und abgeschottet ist, doch gib Sammy ein wenig Weile o Herr.

    Jonas: Wieviel?

    Sam: Sagen wir zwei Stunden ha?

    Jonas: Unmöglich. So viel Zeit hatten wir nicht, es gab wichtiges zu tun, z.B. rauskriegen, was gespielt wurde, und Jonas war klar, wo er einhacken mußte. Wer hatte ihm denn das faule Ei, den Cowboy angedreht.

    Sam: Na wer, Majestro Pelicano, Pelicanissimo, regelrecht bekniet hat er meinen Jonas, begrötscht, belatscht.

    Jonas: Genau, und wo steckt Pelican.

    Sam: Supermediabetriebskrankenhaus im Supermediahochhaus.

    Jonas: Wie kommen wir rein.

    Sam: Wie kommen wir rein, wie kommen wir rein, durchs Tor, mittels einer enteigneten Paßscheibe.

    Jonas: Lieber nicht, Sammy.

    Sam: Wieso?

    Jonas: Vielleicht warten sie da schon auf Jonas, wer immer sie sind. Besser durch die Hintertür.

    Sam: Gibt's nicht, du Nappsülze.

    Jonas: Selber Nappsülze.

    Sam: Was?

    Jonas: Ich mein das bildlich, symbolisch sozusagen.

    Sam: Ach was und wo belieben Herr Symbolist oder auch Symboliker besagte Hintertür zu lokalisieren, hm? Hinten?

    Jonas: Oben Sammy, du hast doch die Frequenz von Alouette.

    Sam: Aber sicher dat.

    Jonas: Ruf sich an, Jonas will mit ihr reden.

    Sam: Hören ist gehorchen, o Herr der Himmlischen Herscharen.

    Jonas: Augenblick noch Sam. Was machen wir mit dem Cowboy, irgendwann kommt er wieder zu sich.

    Sam: Muß nicht sein, Eminenz, lasset ihn uns ganz tot machen, auseinanderschnippeln und die Einzelteile auf den Schrott schmeißen. Amen.

    Jonas: Ich weiß nicht, Sammy.

    Sam: Was?

    Jonas: Wir sollten ihn erst mal aufheben, bis genau feststeht, was los ist. Hier wird sich doch irgendwo eine Kammer finden mit einem Schlüssel. Sehen wir uns mal um.

    Sam: Ja. Sehen wir uns mal um, apropos um, um auf die Dame Alouette zurückzukommen, Verehrtester.

    Jonas: Alouette hatte eine Dauergenehmigung, sie durfte jederzeit auf dem Supermediahochhaus landen. Das Sicherheitssystem ließ ihren Helikopter durch, die Wachen kannten sie. Alouette war gern bereit, Jonas auf dem Studiogelände aufzulesen und mit ihm den kurzen Trip zum Supermediahochhaus zu machen, nicht nur aus Sympathie, sie hoffte auf neue schöne Bilder. Von blutigen Anschlägen und explosiven Attentaten. Eine durchaus begründete Hoffnung.

    Wächter: Was haben Sie denn heute im Kasten Alouette, ein Hackebeilmassaker, ein Massen-Barbecue, Barbecues find ich am besten, wenn die Leute so richtig anfangen zu brutzeln.

    Alouette: Warten Sie's ab, falls ihr Newsboß sein OK gibt, sehen Sie s heute abend im Holo. Mein neuer Assistent Jo

    Jonas: Johnson, Joseph Johnson.

    Alouette: Pelican will was von uns. Wo finden wir ihn?

    Wächter: Ach, Sie haben was mit der Operation Private Eye zu tun. Im Penthouse von Herrn Beringer, braucht er ja nicht mehr, seit er auf Lanzarote ist. Manche haben's gut. Da drüben. Soll ich Sie mit dem Scooter hinbringen.

    Alouette: Lassen Sie nur, wir laufen ganz gern mal ein Stück, was Josef.

    Jonas: Auf dem weiten Flachdach wirkte Beringers Penthouse wie eine Warze oder wie ein Pickel auf einer Glatze, um uns, unter uns Babylon, die große Stadt, schwarze Wolken über dem Reservat, über den Wohnvierteln grauer Smog, giftgelbe Dämpfe aus den Heizwerken, ein paar Kilometer entfernt ragte Atlas in die Höhe, der gigantische Kran für Reparaturen am Klimadom, der Klimadom ist immer kaputt, Atlas ist immer im Einsatz. Jonas nahm die Aussicht nur nebenbei zur Kenntnis, Jonas grübelte. Was war Operation Private Eye? Jonas machte sich Sorgen. Wir kamen ans Penthouse, wir gingen nicht durch Tür, wir gingen um die Ecke, zur Rückseite, wo wir vom Heliport aus nicht gesehen werden konnten, aber wir konnten sehen, ins Penthouse, durchs offene Fenster, und wir konnten hören.

    Pelican: Tut mir leid, Herr Beringer, ich kann den Androiden noch immer nicht erreichen.

    Beringer: Versuchen Sie's weiter Pelican.

    Pelican: Selbstverständlich Herr Beringer. Hallo, Wayne, Pelican ruft Wayne. Bitte melden. Pelican ruft Wayne.

    Jonas: Mein dankbarer Freund Peter Pelican, ich erkannte ihn an der Stimme, nur an der Stimme, er sah ganz anders aus als heute nacht im Bildfon, der Kopfverband war weg, Pelican war munter und beweglich, offensichtlich geheilt, auf wundersame Weise, er saß an einem hochmodernen Interkompult vor zwei großen Monitoren, diversen Mikros, unzähligen Tasten und Schaltern, gerade hatte er mit Beringer gesprochen, dem großen Boss von Supermedia, nicht direkt, über Mikro und Monitor, hinter Beringers Schrumpfkopf leuchtete ein Himmel von unwahrscheinlichem Blau über schwarzem Sand, Lanzarote, der zweite Monitor blieb dunkel, der Cowboy war wohl immer noch bewußtlos.

    Pelican: Pelican ruft Wayne. Ich seh was Herr Beringer, da ist was auf dem Monitor. Pelican ruft Wayne. Kommen. Wayne kommen.

    Wayne: Was was ist passiert Herr Pelican?

    Pelican: Das will ich von Ihnen wissen, Wayne.

    Jonas: Der Cowboy kam zu sich, auf dem Monitor zeichnete sich was ab, zuerst vage, dann immer schärfer. Die Wand der Kammer, in die Jonas ihn gesperrt hatte. Das Auge des Androiden wurde klarer, sein Kopf auch und seine Erinnerung.

    Wayne: Ein Schmerz, ein entsetzlicher Schmerz im Kopf, mehr weiß ich nicht.

    Beringer: Was ist los Pelican?

    Pelican: Wayne ist noch auf dem alten Studiogelände, Herr Beringer.

    Beringer: Was ist mit Jonas.

    Pelican: Ja das weiß ich nicht, Herr Beringer, ich meine Wayne weiß es nicht.

    Beringer: Hat er ihn verloren.

    Pelican: Sieht ganz so aus Herr Beringer. Jonas ist offenbar mißtrauisch geworden. Tut mir leid.

    Beringer: Es tut ihnen leid Pelican. Ich sag ihnen was. Wenn Sie diesen dämlichen Androiden nicht ganz schnell wieder mit Jonas zusammenbringen dann wird's ihnen noch sehr viel mehr leidtun. Haben Sie mich verstanden.

    Pelican: Jawohl, Herr Beringer, ich...

    Beringer: Ich habe Operation Private Eye aktiviert, um diesen Superbastard Jonas ein für alle mal zu erledigen. Sie Pelican habe ich als Chef vor Ort eingesetzt, weil Jonas keinen Grund hat, ihnen gegenüber mißtrauisch zu sein, und weil ich Sie für einen fähigen Medienkoordinator gehalten habe, das war wohl ein Irrtum.

    Pelican: Aber nein Herr Beringer.

    Beringer: Ihr Szenario war nicht schlecht, Coburgs angeblicher Rachefeldzug, das Kopfgeld, der Android, den wir bei der Korporation als Sonderanfertigung in Auftrag gegeben haben, um ihn Jonas als Bodyguard unterzuschieben, soweit ganz ordentlich, und was dabei herauskam, habe ich mir mit Vergnügen angesehen.

    Pelican: Danke Herr Beringer, vielen Dank.

    Beringer: Aber da Sie jetzt die Initiative verloren haben.

    Pelican: Nur momentan, Herr Beringer, das wird sich ganz schnell wieder ändern, verlassen Sie sich auf mich.

    Beringer: Sie können mir viel erzählen, Pelican. Fakten wenn ich bitten darf, konkrete Vorschläge.

    Pelican: Jaja. Sehen Sie, Herr Beringer, wo immer Jonas sich zur Zeit aufhält, er wird früher oder später zur Basis zurückkehren in sein Büroapartment, und wenn Wayne sich ein bißchen erholt hat, wird er dort hin fahren, und warten, bis Jonas auftaucht, und dann

    Beringer: Dann keine Spielchen mehr Pelican, keine Kopfjäger, kein neuen Attentate.

    Pelican: Ja aber wir haben doch noch einiges in petto, Herr Beringer, auf Ihren Wunsch, Sie wollten ein extensives dramaturgisch aufbereitetes Medienspektakel.

    Beringer: Gestrichen, bei nächster Gelegenheit wird Operation Private Eye terminiert.

    Pelican: Modus wie vorgesehen, Herr Beringer.

    Beringer: Wie vorgesehen, sobald Jonas und Wayne beieinander sind, drücken Sie auf den roten Knopf.

    Pelican: Und die Sprengladung in Waynes Bauch geht hoch.

    Beringer: Das will ich hoffen Pelican.

    Pelican: Seien Sie unbesorgt, Herr Beringer, es wird keine Pannen mehr geben. Wayne, Pelican ruft Wayne. Wie fühlen Sie sich, Wayne.

    Wayne: Etwas besser, Herr Pelican.

    Jonas: Jonas gab das Zeichen zum Aufbruch. Jonas hatte genug gehört, hinter der Geschichte steckte nicht Coburg, der war nur eine entbehrliche Figur im Spiel, der Spieler war Beringer, und Jonas war der Verlierer, wenn Beringer genug mit ihm gespielt hätte, würde er ihn vom Brett nehmen durch die Bombe im Cowboy. Der Supermediaboß hatte es nicht verwinden können, daß Jonas ihm seinerzeit sein großes Weltkriegspiel kaputtgemacht hatte. Rache ist süß.

    Sam: Rache ist Blutwurst. Also spricht Willy Wutzke der Weise von Wiebelskirchen.

    Jonas: Wirklich, ich bin sicher es war der Weihnachtsmärchenfall, dadurch ist Beringer wieder eingefallen, daß es Jonas gibt. Und er hat sich vorgenommen, mir die alten Geschichten gründlich heimzuzahlen.

    Alouette: Vielleicht langweilt er sich auf Lanzarote. Eigentlich schade.

    Jonas: Was ist schade Alouette?

    Alouette: Daß du jetzt Bescheid weißt, Jonas.

    Jonas: Findest du?

    Alouette: Du wist natürlich Gegenmaßnahmen treffen, Beringers Plan durchkreuzen, den Androiden ausschalten, und das heißt, keine Bomben mehr, keine Kopfjäger die an den Ecken lauern, kein Feuer, kein Blut, für mich ist in deiner Geschichte nichts mehr drin Jonas.

    Jonas: Da irrst du dich gewaltig, Alouette. Das beste kommt noch, der große Höhepunkt. Der absolute Knalleffekt.

    Alouette: Was denn?

    Jonas: Wirst du sehen und aufnehmen und gut verkaufen. Sam? Sam?

    Sam: Yes, ich meine was beliebt meinem ollen Knochen, dem Herrscher über 100.000 Haremsweiber?

    Jonas: Haha, schön wär's, das heißt bei näherer Betrachtung doch lieber nicht.

    Sam: Wünscht er den weisen Spruch, das muntre Lied oder den klugen Rat?

    Jonas: Eher die kühne Tat Sammy.

    Sam: O. Aha. Hauen und Stechen.

    Jonas: Hacken und Brechen, Sammy, das kannst du besser.

    Sam: Wohlan, worum geht's, sagts nur ungescheut.

    Jonas: Du kennst ja die Spezialfrequenz, auf der der Cowboy sendet.

    Sam: Mach dir keine Sorgen, sie blieb mir nicht verborgen.

    Jonas: Du wirst dich da als eine Art Relaisstation festsetzen, falls du das kannst.

    Sam: Ja, das alles auf Ehr, das kann ich und noch mehr, lalala ungefähr.

    Jonas: Alles was der Cowboy an Pelican sendet, Bild und Ton das wirst du abfangen.

    Sam: Zu Befehl abfangen, zack zack die Waldfrau.

    Jonas: Statt dessen wirst du Falschmaterial an Pelican weiterleiten, imaginäre Bilder, irreale Töne, Pelican soll glauben, der Cowboy tut, was ihm befohlen wird, das heißt Pelican wird sehen, wie der Cowboy zu Jonas nach Hause fährt und da wartet.

    Alouette: Aha, wohingegen

    Jonas: Wohingegen der Cowboy auf eine ganz andere Reise gehen wird, mit deiner Hilfe Alouette.

    Alouette: Was soll ich tun.

    Jonas: Du landest jetzt auf dem Studiogelände und dann... Ist der Cowboy noch im Kabuff, Sammy.

    Sam: Ja, ja ja, gerade eben noch gestrenger Herr, in dem er just, oha, jetzt beginnt die Tür mit wuchtigen Tritten aufzusplitten.

    Jonas: Das soll er bleiben lassen, hau rein, Sammy, verpaßt ihm eine zweite Dosis Kopfweh aber vorher

    Sam: Vorher setz ich mich auf des Funkes Wellen, ich fange ab was wirklich ist und sende was nicht stimmt.

    Jonas: Genau, du sendest was Pelican sehen und hören würde, wenn der Cowboy tatsächlich ausbricht.

    Sam: Ausbräche, bitte, Konjunktiv du verbaler Legastheniker.

    Jonas: Geschenkt, dann läßt du den Cowboy zur E-Limousine gehen, zu mir fahren und vor der Tür warten. OK?

    Sam: O, viele viele Bilder, bewegt und dreidimensional, viele viele Töne und das alles genital, Korrektur digital produziert, hast du eine Ahnung, wie viel Prozesse ablaufen.

    Jonas: Nö, aber du schaffst das schon, Sammy.

    Sam: Ach ja immer ich, da kommt ein kleiner Computer ganz schön ins Schwitzen.

    Jonas: Streng dich, an wenn's vorbei ist schenk ich dir was Schönes.

    Sam: Was denn?

    Alouette: Wir landen, halt dich fest Jonas.

    Jonas: Alles lief nach Plan, ich schloß die Kammer auf, der Cowboy hockte stöhnend in der Ecke, ich gab ihm eine Narkose mit dem Griff meines Revolvers. Alouette fand ein brauchbares Seil. Wir fesselten den Cowboy und hängten ihn unter den Helikopter.

    Alouette: Und jetzt Jonas?

    Jonas: Jetzt empfehlen wir uns.

    Alouete: Wohin?

    Jonas: Supermediahochhaus, wir haben ein Paket abzuliefern.

    Alouette: Auf geht's.

    Jonas: Inzwischen war es dunkel geworden, über dem Hochhaus ging Alouette tiefer, so unauffällig wie möglich Jonas beugte sich raus, mit seinem Taschenmesser schnitt er das Seil durch, der Cowboy rutschte von der Kufe aufs Penthousedach, da blieb er liegen. Alouette zog den Helikopter hoch.

    Jonas: Das reicht, Alouette, halt ihn hier fest. Holokameras bereit.

    Alouette: Immer bereit.

    Jonas: Mit hochempfindlichem Material für Aufnahmen bei Dunkelheit.

    Alouette: Willst du mir meinen Job beibringen Jonas.

    Jonas: Sam, was sieht Pelican auf dem Monitor.

    Sam: Ja was sieht er denn, a ja, den Flur von eurer Gnaden fürstlicher Behausung, dort, ja dort glaub er steht der Cowboy meinen Herrn erwartend.

    Jonas: Wird Zeit daß ich komme.

    Sam: Treppe?

    Jonas: Was denn sonst. Der Fahrstuhl ist kaputt.

    Sam: Ach so.

    Jonas: Dösel.

    Sam: Schwere Schritte auf den Stufen, nach eines langen Tages Last und Frust kehrt müde heim der letzte Detektiv, häh, auja jetzt ist er im 16. Stock.

    Jonas: Er biegt um die Ecke.

    Jonas: Der Cowboy erblickt ihn, und mein Jonas erblickt den Cowboy, ist das spannend, verständnislos glotzt er ihn an, treu doofen Blicks. Wie Pelican es befiehlt tritt der Cowboy an Jonas heran, nah, ganz nah... Alle neune, Hip hip hurra.

    Jonas: Pelican hatte auf den roten Knopf gedrückt, die Sprengladung im Bauch des Cowboys ging hoch, mitsamt dem Cowboy, dem Penthouse und natürlich dem Pelican. Ganz zu schweigen von Riesenloch nebst Großbrand in den oberen Etagen, ein gewaltiges Spektakel. Operation private Eye war erledigt. Jonas war zufrieden. Alouette auch, sie hatte das Feuerwerk aufgenommen, mit Zoom und Weitwinkel und Teleobjektiv.

    Alouette: Mal sehen wer am meisten zahlt. Network oder Holo oder eine von den Indiproduktionen.

    Jonas: Ich würde das Band zuerst Supermedia anbieten.

    Alouette: Gute Idee Jonas.

    Jonas: Ich hab noch eine, Alouette. Du hast Jonas geholfen, danke. Und Jonas hat dir geholfen.

    Alouette: Danke.

    Jonas: Das sollten wir ausbauen. Vertiefen, noch heute abend im Casablanca, was meinst du.

    Alouette: Einverstanden. Ich geh gern mal ins Casablanca, bloß schade, daß du nicht mitkommen kannst, Jonas.

    Jonas: Was? Warum nicht?

    Alouette: Weil du schon eine Verabredung hast. Eine dringendere.

    Jonas: Davon weiß ich nichts.

    Alouette: Aber ich. Hallo, Herr Beringer, hier Alouette, Stichwort Jonas, ich weiß nicht, ob Sie's schon erfahren haben, Ihre Operation Private Eye ist ja nun leider voll in die Hose gegangen, ja schade um Ihr Penthouse, schade um Ihren Holoclown Pelican und schade um das viele Geld, das Sie der Korporation für den Spezialandroiden gezahlt haben. Jetzt sind Sie doch sicher noch mehr an Jonas Kopf interessiert, Herr Beringer, das dachte ich mir. Augenblick Herr Beringer, ich muß was erledigen, eine Kleinigkeit, dauert nicht lange.

    Jonas: Der Helikopter kippte plötzlich nach links, Jonas verlor das Gleichgewicht, ich hätte gewarnt sein müssen, aber ich traute Alouette, treu-doof, Sammy hatte Recht, blitzschnell zog Alouette mir den Revolver aus dem Halfter, und bevor Jonas reagieren konnte, drückte sie ein einen Knopf am Armaturenbrett, mein Sitz klappte nach vorn, im Boden tat sich eine Öffnung auf, Jonas rutschte, fiel durch, stürzte, dann ein Ruck, Jonas hing an einer Leine, die an seinem Gurt befestigt war, kopfüber unter dem Helikopter, schnappte nach Luft und versuchte sich aufzurichten, während Alouette weiter mit Beringer sprach.

    Alouette: Was wäre Jonas ihnen denn so wert, tot oder lebendig, wie Sie wollen, Herr Beringer, tot, wenn Ihnen das lieber ist, wieviel, 500.000 machen Sie Witze, das sind Peanuts, lassen wir doch das Schachern. 5 Millionen. Nein, keinen Euro weniger.

    Jonas: Sam, bist du noch da, Sam.

    Sam: Mehr oder weniger Chef.

    Jonas: Halt dich bloß gut fest.

    Sam: Man tut was man kann. Ist nicht leicht ohne Hände. Sammy wird schlecht.

    Jonas: Das glaub ich dir nicht. Du hast keinen Magen.

    Sam: Aber dafür hat Sammy einen Einfall, wie sein heißgeliebter Jonas aus dieser höchst prekären Situation und Todesgefahr womöglich zu retten wäre.

    Jonas: Und wie soll das gehen.

    Sam: Sammy sagt nur Steuersystem des Helikopters. Oha, kuck mal nach rechts.

    Jonas: Nach rechts. Moment. Verstehe, tu dein bestes, Sammy, ich versuch Alouette abzulenken.

    Sam: Jawohl. Systeminfiltrator Sam meldet sich ab Sir.

    Jonas: Ich hab mitgehört, Alouette.

    Alouette: Dann weißt du ja Bescheid.

    Jonas: Erst hilfst du Jonas, dann verkaufst du ihn an Beringer, pfui Teufel.

    Alouette: Du mußt das richtig sehen, Jonas, Ich habe dir geholfen, damit ich dich an Beringer verkaufen kann.

    Jonas: Ich dachte wir sind Freunde.

    Alouette: Sind wir ja auch, es fällt mir gar nicht leicht mich von dir zu trennen, aber Geschäft ist Geschäft. Weißt du, eine Heli-Reporterin verdient ja nicht schlecht, aber das richtig große Geld mach ich nebenbei als Kopfjägerin.

    Jonas: Darum die spezielle Ausrüstung deines Helikopters, Schleudersitz, Loch im Boden.

    Alouette: Und zu recht praktisch.

    Sam: Agent Toilette, Korrektur Agent Null Null Sam zurück von geheimer Mission Sir.

    Alouette: Das Steuer!

    Jonas: Sammy hatte den Autopiloten lahm gelegt und ganz sachte den Kurs geändert, nach rechts, immer weiter nach rechts, wo Atlas aufragte, der Superkran. Als Alouette was merkte, war Atlas direkt voraus und nur noch ein paar Meter entfernt, sie riß verzweifelt am Steuerknüppel, aber das brachte nichts mehr, in vollem Tempo prallte der Helikopter auf Atlas, stürzte ab, schlug auf. Und Jonas, der hatte fleißig gesägt an der Leine mit seinem Taschenmesser, kurz vor der Kollision war die Leine durch und Jonas sprang, rüber auf Atlas, da klammerte er sich ans Gestänge, und wartete, bis er wieder zu Atem gekommen war.

    Sam: Bravo... sehr gute Weite, aber die Haltung.

    Jonas: Bin ich Schwarzenegger, Sammy.

    Sam: Ne wahrlich nicht jener einst leidlich bekannte Kraxel und Kabinettstiroler, denn siehe es gilt zu steigen an die 500 Meter in gähnende Tiefe auf schwankendem Pfad.

    Jonas: Man tut was man kann. Unten am Fuß des Krans rauchte ein Schrotthaufen, ein Stilleben in Stahlgrau, rußschwarz und blutigrot, schade, daß Alouette mit ihrer Kamera nicht da war. Drei Stunden später, ein total erschöpfter Jonas schleicht über den Flur zur Tür seines Apartments, plötzlich eine Bewegung vor mir im Schatten, eine massive Gestalt, der Cowboy? Unmöglich. Ein Kopfjäger?

    Sam: Nix Kopfjäger, ein Robex.

    Robot-Exekutor: RE747B, offizieller Robotexekutor der Stadt Babylon, ich habe einen amtlichen Bescheid für Herrn Jonas, nur Jonas, wohnhaft hier.

    Jonas: Der bin ich.

    Robot-Exekutor: Der Bescheid lautet: Durch eine Vielzahl von Attentaten, Explosionen und Unfällen ist im babylonischen Stadtgebiet erheblicher Sachschaden entstanden. Da die jeweiligen Verursacher nicht zu ermitteln sind, werden Sie, Herr Jonas, als an sämtlichen vorerwähnten Vorfällen Beteiligter für den Schaden haftbar gemacht. Der berechnete Gesamtbetrag von 873.441 Euros und 7 Cents wird von Ihrem Konto abgebucht. Widerspruch gegen diesen Bescheid ist binnen einer Frist von 3 Tagen einzulegen. Die Stadt Babylon. Im Auftrag Karin Kinne, Sachbearbeiterin. Soweit der Bescheid. Guten Tag.

    Sam: Ein Schlimmdödel.

    Jonas: 873.441 Euros.

    Sam: Und 7 Cents. Wer den Pfennig nicht ehrt.

    Jonas: Was macht man denn da Sammy.

    Sam: Vielleicht zahlt Herr Beringer, wenn man ihm gut zuredet, wenn man ihm sagt, daß man widrigenfalls Network informiert über gewisse Vorkommnisse in Zusammenhang mit Supermedia, mit Herrn Beringer, Herrn Pelican und einem höchst illegalen Androiden.

    Jonas: Das ist Erpressung, Sam.

    Sam: Merke, hast du ein zart Gewissen, dann geht es beschissen, sei schlau und sei gerissen, dann wirst du Geld nie missen.

    Jonas: Äh. Willy Wuzke.

    Sam: Ne, Sam, Sam, der weise, der Denker, der Philosoph, der Erfahrene, der Verständige, der Scharfsinnige, der Intelligente, der Fuchs, das Huhn...

    Das war Kopfjäger. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Außerdem hörten Sie: Ingeborg Schöner, Alexander Duda, Achim Höppner, Alexander Kerst und andere (Werner Klein, Hubert Mulzer, Ursula Rehm, Holger Buck). Ton und Technik: Daniela Röder und Günter Heß. Assistenz: Holger Buck. Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks aus dem Jahr 1995. Redaktion: Erwin Weigel.

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:48 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Virtuella

    Jonas: Sie kennen das. Aus hundert Romanen und tausend Filmen. Der Privatdetektiv sitzt in seinem Büro. Dreht Däumchen. Bohrt in der Nase. Plötzlich geht die Tür auf - und wer kommt rein? Richtig! Eine tolle Frau! Atemberaubend! Geheimnisvoll! Blond! Angezogen wie das Titelblatt von Lifestyle. Sie sah mich an. Herausfordernd. Abschätzend. Sie setzte sich. Schlug die Glitzerbeine übereinander. Vielleicht ein bißchen klein geraten, und ein bißchen ungelenk, sie war erst dreizehn.

    Mona: Dreizehn einhalb. Hallo, wie geht es Ihnen?

    Jonas: Gestern ging es noch, und selbst?

    Mona: Danke der Nachfrage. Sie sind der Detektiv?

    Jonas: Ich bin Jonas, nur Jonas. Der letzte Detektiv. Enkel von Sam Spade und Philip Marlowe. Spezialist für aussichtslose Fälle. Für Fälle, die nichts einbringen. Für Fälle mit übermächtigen Gegnern und undurchsichtigen Klienten. Ein Kind als Klientin, das war neu.

    Mona: Langsam. Ich weiß ja noch gar nicht, ob ich Sie nehme.

    Jonas: Hast du an mir was auszusetzen?

    Mona: Sie sind zu alt.

    Sam: Haha!

    Mona: Süß!

    Jonas: Ich?

    Mona: Ihr Taschencomputer hier auf dem Tisch. Ein richtiges kleines Männlein. Süß. Darf ich mit ihm spielen?

    Sam: He, Finger weg! Bin weder Männlein weder süß, mein Fräulein ich verbiet mir dies.

    Mona: Süß, er spricht!

    Sam: Ach Herrje.

    Jonas: Er spricht nicht nur, er quasselt und blödelt und singt und sülzt. Ein Spezialversuchsmodell. Seinerzeit billig zu kriegen. Ein Glück, daß es so was wie ihn nur einmal gibt und mein Pech, daß er mir gehört. Aber loswerden will ich ihn auch nicht. Meistens jedenfalls. Wir haben uns aneinander gewöhnt. Mehr oder weniger.

    Sam: Ich hab mich so an dich gewöhnt hahaha.

    Mona: Süß. Wie heißt er.

    Jonas: Sam.

    Sam: Samuel bitte. Samuel.

    Jonas: Du kannst Sammy zu ihm sagen.

    Sam: Kann sie nicht.

    Mona: Süß. Sag was, Sammy. Sag ein Gedicht auf.

    Sam: Kommt nicht in die Tüte.

    Mona: Süß. Sag Mona Liebling Sammy.

    Sam: Häh igitt.

    Mona: Süß. Los, Sam, sag Mona Liebling.

    Mandelbrot: Mona, hab ich dir nicht eingeschärft, du sollst bei Fuß verharren und keinesfalls vorauseilen.

    Sam: Ist sie ein Hund.

    Jonas: Immer herein. Sind Sie der letzte oder kommen noch wer?

    Mandelbrot: Ihr Lift ist außer Betrieb.

    Jonas: Das ist er oft. Machen Sie die Tür zu, und setzten Sie sich.

    Mandelbrot: Meine Karte.

    Jonas: Dr. Fraktal C. Mandelbrot, Prof. h.c.

    Sam: Gesundheit.

    Jonas: Leitender Direktor des Mandelbrotinstituts für prothetische Andrologie. Schwanzklempner. Vielen Dank. Wir brauchen nichts.

    Mandelbrot: Bleiben wir doch seriös Herr Jonas.

    Jonas: Aber sicher Dr. Mandelbrot so seriös wie ein Ärztekongreß in Acapulo. Wer ist die junge Dame.

    Mandelbrot: Meine Tochter.

    Mona: Stieftochter. Meine Karte Herr Jonas.

    Jonas: Mona Mox.

    Mandelbrot: Ein Mitbringsel meiner geschätzten Gattin aus ihrer ersten Ehe mit Herrn Maximilian Mox, doch mir ans Herz gewachsen als sei's mein eigen Fleisch und Blut.

    Jonas: Mox. Max Mox, der Glücksspielnapoleon.

    Mandelbrot: Der Eigentümer gewisser spezifischer Institutionen, welche einem großen interessierten Publikum niveauvolle Unterhaltung auf der Basis von Geschicklichkeit und Zufall offerieren insofern.

    Mona: Können Sie pokern Jonas.

    Jonas: Ein bißchen.

    Mona: Blackjack auch?

    Mandelbrot: Mona! Wie Ihnen womöglich bekannt ist Herr Jonas, verstarb Herr Mox am 3.3.2013, vor einem Jahr.

    Jonas: Bedauerlich, aber warum erzählen Sie mir das.

    Mandelbrot: Weil ich erwäge, Sie in Sachen Mox zu engagieren Herr Jonas.

    Sam: Ach Herrje.

    Jonas: Um den toten Mox ging es nicht, es ging um das, was er hinterlassen hatte, das Moxvermögen: Dutzende von Spielhöllen hier in Babylon und anderswo, Wert insgesamt 120 Millionen Euros, laut Testament kriegte Sohn Moritz dreiviertel, das restliche viertel war für Mona, aber sie kam nicht ran, noch nicht.

    Mona: Erst wenn ich volljährig bin.

    Mandelbrot: In einem halben Jahr, am 9.8.2014.

    Mona: Da werde ich 14. Vergessen Sie nicht mir zu gratulieren Herr Jonas.

    Jonas: Tag und Nacht werde ich dran denken Mona.

    Mona: 9. August. Merks dir Sammy.

    Sam: Speicher voll, kein Platz, schon vergessen, merke nur ein Mensch hat Sam was zu sagen, Jonas, mein Jonas, Jonas der einzige, der einmalige, der größte, der vielgeliebte, der...

    Jonas: Hör schon auf Sammy.

    Sam: Und nicht so eine unausgegorene Göre namens Mona.

    Jonas: Ist ja gut. Mir ist noch nicht klar, was Sie von mir wollen, Dr. Mandelbrot.

    Mandelbrot: Kurz gesagt, Herr Jonas, es steht zu befürchten, daß Monas Anteil am Moxerbe.

    Sam: Dreißigmillionen Euros, muß ein alter Mann ganz schön lange hobeln.

    Mandelbrot: Daß diese 30 Millionen nicht mehr vorhanden sind, wenn Mona volljährig wird, bis dahin hat allein ihr Bruder, Moritz Mox, als der geschäftsführende Direktor Verfügungsberechtigung, er kann mit Monas Geld machen, was er will. Wissen Sie, Herr Jonas, man hört so dieses und jenes, daß sich die Firma Mox in finanziellen Schwierigkeiten befindet, daß das Anlagevermögen schrumpft, daß eine Übernahme weit unter Wert durch ein auswärtiges Unternehmen bevorsteht.

    Jonas: Und was sagt Moritz Mox dazu.

    Mandelbrot: Das weiß ich nicht Herr Jonas.

    Jonas: Haben Sie ihn nicht gefragt, Dr. Mandelbrot.

    Mandelbrot: Natürlich hab ich das, das heißt ich hab's versucht, ich kann ihn nicht erreichen, man läßt mich nicht vor, stellt mich am Fon nicht durch mich, mich Dr. Franktal C. Mandelbrot.

    Jonas: Professor h.c. eine Unverschämtheit.

    Mandelbrot: Sie sagen es Herr Jonas.

    Jonas: Und verdächtig.

    Mandelbrot: Sie nehmen mir das Wort aus dem Munde Herr Jonas, aus diesem Grunde sah ich mich genötigt, gewisse Schritte einzuleiten. Nicht meinethalben, Herr Jonas, glauben Sie mir, ich brauch die Moxmillionen nicht.

    Jonas: Natürlich nicht.

    Mandelbrot: Nein, ich bin eine in Babylon hochangesehene Persönlichkeit, bei mir verkehren Dezernenten, Manager, namhafte Kulturschaffende, den Schwager der Bürgermeisterin kenn ich persönlich.

    Jonas: Den leibhaftigen Schwager, Dr. Mandelbrot ich bin beeindruckt.

    Mandelbrot: Ich fühle mich vielmehr moralisch verantwortlich für das Vermögen eines mir anvertrauten jungen Menschen.

    Sam: Edel sei der Mandelbrot, hilfreich und gut.

    Jonas: Machen wir's kurz Dr. Mandelbrot, 120 € pro Tag und Spesen das koste ich.

    Mandelbrot: Nicht eben wenig, Herr Jonas.

    Jonas: Was soll ich dafür tun?

    Mandelbrot: Sie stellen fest, wo Herr Moritz Mox sich aufhält, Sie nehmen Kontakt zu ihm auf, Sie eruieren, wie es um die finanzielle Situation der Firma Mox bestellt ist.

    Jonas: Nicht eben wenig, Dr. Mandelbrot.

    Mandelbrot: Und Sie erstatten mir jeden Abend Bericht, persönlich.

    Jonas: Ich übernahm den Auftrag, nicht wegen Dr. Mandelbrot, der ging mir gewaltig auf den Senkel, Mona Mox fand ich da schon sympathischer, auch wenn sie sich beim Abschied Sammy ausleihen wollte.

    Sam: Dank, Meister, dank, dank daß du dem schnöden dem widerlichen Weibe.

    Jonas: Ich brauch dich noch, ob ich will oder nicht, und Mona hätte dich womöglich kaputtgemacht.

    Sam: Mit rosa Schleifchen hätte die mich umschlungen, ja, Balladen ohne Zahl hätt ich rezitieren müssen, grausames Schicksal, hm, schlimmer denn der Tod.

    Jonas: Übertreib nicht Sammy. An die Arbeit.

    Sam: Bitte sehr bitte gleich was befielt mein Herr und Gebieter?

    Jonas: Eine Fonverbindung mit Firma Mox, Direktion. Moritz Mox.

    Sam: Aha, der große Manitu höchst selbst. Sogleich euer Gnaden. Piep.

    Jonas: Moment, Sammy du rufst an aus sagen wir Singapur aus meinem Vorzimmer, und ich bin...

    Sam: Ein stinkreicher chinesischer Finanz-Hai, der ein paar Milliönchen anlegen will. Capito Exzellenz, will sagen sehr wohl Sir.

    Ella: Ja?

    Sam: Die ehrenwerte Firma Mox Babypsilon Europa.

    Ella: Ja, hier Mox.

    Sam: Ah, Mr. J. O. Nas. Direktor Finanzen Enterprise Singapur wünscht Mr. Moritz Mox zu sprechen. Ich verbinde.

    Jonas: Hallo.

    Ella: Hallo.

    Jonas: Sie sind doch nicht Mister Mox.

    Ella: Ich bin die persönliche Chefassistentin von Herrn Moritz Mox, Ella von Rensenbrink. Was kann ich für Sie tun, Herr ähm...

    Jonas: Nas. J.O. Nas. Geben Sie mir Mister Mox.

    Ella: In welcher Angelegenheit, Herr Nas?

    Jonas: Ich möchte Mister Mox ein Angebot machen für seine Firma. Ich höre Sie wollen verkaufen.

    Ella: Herr Mox ist nicht zu sprechen, Herr Nas, und die Firma Mox steht nicht zum Verkauf. Sie verschwenden ihre und meine Zeit.

    Sam: Aha, abgewimmelt, äh abgewimmelt, kurz und schmerzhaft wie Dr. Mandelbrot.

    Jonas: Der ist zwar ein aufgeblasener Heißluftballon, aber in einem hat er recht, es stinkt bei Mox. Sammy ich brauch was.

    Sam: Was es auch sei, Sam schafft’s herbei, ganz auf die Schnelle es ist zur Stelle.

    Jonas: Vielen Dank, Sammy. Ich brauch einen Menschen.

    Sam: Was, einen äh Menschen, einen schwabbeligen fehlkonstruierten Durcheinanderdenker, o wo dir Sam zur Verfügung steht, Sam die vollkommene Denkmaschine, o bitterliche Kränkung, unauslöschliche Schmach.

    Jonas: Hast du einen Smoking Sam.

    Sam: Smoking, na, eher weniger euer Merkwürden.

    Jonas: Na also. Aber Zocker Willy trägt einen Smoking, immer und überall, weil er mal Chefcroupier bei Mox war, bis sie ihn mit einem Magneten in der Socke erwischt und gefeuert haben, seitdem schlägt er sich so durch, Roulette, wenn es sein muß Mensch ärgere dich nicht, meistens Poker, im Full House, gleich um die Ecke, gegenüber vom Casablanca, im Hinterzimmer, wie es sich gehört, bei spärlicher Beleuchtung, es roch nach Synthwhisky und Männerschweiß, auf dem Tisch Stapel zerfledderter Euroscheine, nur nicht vor Willy, der war am verlieren.

    Willy: Passe. Tür zu, kiebitzen gibt's nicht, hinsetzen mitspielen oder raus.

    Jonas: Spiel nicht, Willy, weißt du doch. Wie findest du meine Jacke?

    Willy: Komm ans Licht, naja.

    Jonas: Ich brauch nen Smoking, Willy, nur für ein paar Stunden.

    Willy: Und ich soll so lang deine karierte Kutte anziehen. Also weißt du Jonas.

    Jonas: Neue Jacke, neues Glück, sagte der große Spieler Manulesco.

    Willy: Wirklich, na ja wenn's so ist.

    Jonas: Vom Full House hatte ich es nicht weit, 10 Minuten zu Fuß, dann ragte es vor mir auf, das Moxcenter, die unteren 10 Stockwerke hießen Las Vegas, ein Paradies für Spieler, durchgehend geöffnet, laut, schrill, üppig, Stucksäulen, Neonlichter, Spiegel, und Gold, überall Gold, dazwischen Tische, Automaten, Spieler, Croupiers, und Heerscharen wunderschöner Mädchen in Bikinis aus Goldlame. Androidinnen, eine hängte sich gleich an Jonas.

    Androidin: Herzlich willkommen, Freund, ich bin ihre Führerin und heiße Fortuna, wo wollen Sie ihr Glück versuchen, Freund, hier im Erdgeschoß in unserer atemberaubenden amerikanischen Automatenalhambra, 30.000 Glücksmaschinen, alle 3 Minuten ein Jackpot.

    Jonas: Was haben Sie denn sonst noch zu bieten.

    Androidin: Ah, ich verstehe, Sie sind ein Mann. Sie wollen spielen wie ein Mann. Nicht wie ein Kind am Gambelboy. Sie suchen die Herausforderung, den Nervenkitzel, das Risiko. Folgen Sie mir.

    Jonas: In einem der zahlreichen Aufzüge fuhren wir nach oben, recht gemächlich. Von Stock zu Stock, von Spiel zu Spiel.

    Androidin: 1. Stock Eckhead Empore Schach und Golf.

    Jonas: Nichts für mich.

    Androidin: Das hatte ich mir gedacht. Sie sind kein Eierkopf. Aber unter uns: Wenn Sie spät abends noch bei uns sind, sollten Sie mal in die Schachecke reinschauen, da spielt die Bürgermeisterin von Babylon mit ihrem Referenten.

    Jonas: Und gewinnt jedesmal weil sie die Züge vorhereingeübt haben kein Interesse.

    Androidin: Pool Parcour. Wie wär's mit Kühl und Kugel, Freund.

    Jonas: Billard. Nein.

    Androidin: Die wählerischen Gäste sind uns die liebsten. Crap Corner, lassen Sie die Würfel rollen.

    Jonas: Lieber nicht.

    Androidin: Also weiter. Bei uns findet jeder sein Spiel. Orientalische Mysterien. Panafuda Majong.

    Jonas: Ist mir zu exotisch.

    Androidin: Dann vielleicht unser Stammtisch Europa. Skat, Schafkopf, Jass, Tarock, Schnapsen.

    Jonas: Zu Hausbacken.

    Androidin: Bridgebasar.

    Jonas: Was für alte Damen. Danke.

    Androidin: Wie Sie wünschen, der Gast ist König. Das ist was für Sie, Poker Parlor, das Spiel für harte Männer.

    Jonas: Ein andermal, weiter.

    Androidin: Unsere Blackjackbar.

    Jonas: Nein, Kopfrechnen schwach.

    Androidin: Casino Montecarlo, Roulette, das königliche Spiel.

    Jonas: Na also, hier sind wir richtig.

    Androidin: Ich hätte es wissen müssen, ihre vornehme Haltung, ihr Smoking Wünschen Sie weitere Begleitung?

    Jonas: Nicht nötig. Ich finde mich schon zurecht.

    Androidin: Viel Glück Toi Toi Toi Hals und Beinbruch.

    Jonas: Glück konnte ich brauchen, auch wenn ich nicht vorhatte zu spielen. Ich wanderte durch die Halle. Roulettetische aus Echtholz, riesige Lüster, goldene Tapeten, weinrote Teppiche. Luxus. Was ich suchte, fand ich ganz hinten, versteckt hinter einer Säule, eine unscheinbare Tür, ein unscheinbares Schild: Personal. Ein unscheinbarer Gang, kein Gold, kein Luxus, ein paar eilige Menschen, keiner achtete auf Jonas. Weil der einen Smoking trug wie ein Croupier. Ein unscheinbarer Lift, ich drückte auf den obersten Knopf, Chefetage, vorbei an 5 Türen, für die es keine Knöpfe gab. 5 geheimnisvolle Stockwerke ohne Zugang, vorbei am Verwaltungstrakt der Firma Mox. 24 Etagen. Geschäftig und zugänglich. Der Lift hielt, Jonas stieg aus direkt in ein Vorzimmer, komplett, mit Vorzimmerdame.

    Ella: Sie da, bleiben Sie stehen, was haben Sie hier zu suchen.

    Jonas: Zu Herrn Mox. Moritz Mox.

    Ella: Zu Herrn Mox. Haha. Einfach so. Kommen Sie mal her.

    Jonas: Sie trug Latex, schwarz, mit Silbernieten und taktischen Lücken, Dominalook, nicht mehr der allerletzte Schrei, aber ihr stand es, sie war groß, schlank, dunkel, an die 40, eine kühle Stimme, die ich schon gehört hatte, vorhin am Fon, Ella von Rensenbrink. Moxens persönliche Assistentin.

    Ella: Wer sind Sie? Arbeiten Sie bei uns.

    Jonas: Noch nicht, ich will mich bei bewerben, ich bin Croupier.

    Ella: Croupiers brauchen wir zurzeit nicht, lassen Sie Ihre Daten hier vielleicht später.

    Jonas: Vielleicht, vielleicht sollte ich doch besser mit dem Chef selbst sprechen, wo ich schon mal hier bin. Den Stier bei den Hörnern packen oder die Kuh am Schwanz wenn ihnen das lieber ist.

    Ella: Jaja. Zwecklos, Herr Moritz Mox ist nicht in Babylon.

    Jonas: So, wo steckt er denn?

    Ella: In Rom, falls Sie das was angeht. Geben Sie mir ihre Daten, ich stehe in ständiger Verbindung mit Herrn Mox.

    Jonas: Jonas machte ein paar schnelle Schritte zur hinteren Wand und riß die Echteichentür auf, das Zimmer des Chefs, aber der war nicht drin, offenbar war er schon lange nicht drin gewesen, die Klimaanlage lief nicht, auf den wertvollen Möbeln lag eine feine Staubschicht. Das sah ich auf den ersten Blick. Zu einem zweiten kam ich nicht, weil ich plötzlich was im Rücken spürte, was rundes, hartes. Die Mündung eines Laserstrahler.

    Ella: Sehr richtig, und Sonja kann damit umgehen. Der Herr will uns verlassen, Sonja, bring ihn raus. Wenn er sich anstellt.

    Sonja: Tu ich ihm weh.

    Ella: Und wenn er nochmal hier oben aufkreuzt.

    Sonja: Bring ich ihn um. Alles klar. Los.

    Jonas: Ein muskelbepacktes Viereck, anderthalb mal 2 Meter, obendrauf eine Bowlingkugel mit roten Borsten, die rote Sonja, ein Freak oder eine Klonkillerin. Auf jeden Fall gefährlich. Jonas wehrte sich nicht, ließ sich nach unten bringen und durch die Personaltür rausschmeißen, ging zurück zum Full House, wo Zocker Willy mit Sehnsucht auf seinen Smoking wartete. An der Bar erzählte ich ihm, was ich bei Mox erfahren hatte. Willy wunderte sich.

    Willy: Was hat sie gesagt, wo soll Moritz Mox sein?

    Jonas: In Rom.

    Willy: Ach nie im Leben, Er ist nicht in Rom, nicht in der Sahara, nicht in Grönland, er ist hier, in Babylon, weil er nämlich Klaustrophobie hat, Moment, nicht Klaustrophobie, das Gegenteil Aga...

    Sam: Angoraphobie, Angst vor weiten Räumen, vor der Außenwelt.

    Willy: Genau Sammy, Agoraphobie. Moritz Mox hat Agoraphobie.

    Sam: Angoraphobie.

    Jonas: Fakt oder nur Gerede.

    Willy: Na wer war denn Chefcroupier bei Mox, wer ist denn bei Moxens ein und ausgegangen, ich weiß Bescheid, Jonas, Moritz Mox hat nicht nur Angoraphobie, Moritz Mox ist ein echter Mackenheinrich, ein Schlaffi, ein Jammerlappen, einer der am liebsten im Bett liegt und sich die Decke über den Kopf zieht.

    Jonas: Wenn das so ist, hätte Mox senior lieber Tochter Mona zur Haupterbin einsetzen sollen.

    Willy: Nicht der alte Max Mox, Jonas, der war ein richtiger Patriarch.

    Jonas: Papa Mox hatte versucht, den mißratenen Sohn umzupolen, aufzubauen, ihm Energie und Härte einzubimsen, auf ziemlich ungewöhnliche Weise, durch VR, virtuelle Realität, Pseudorealität durch Computersimulation.

    Willy: Nero, Jonas, römischer Kaiser, schon mal was von gehört.

    Jonas: Der aus Quo Vadis.

    Sam: Jonas, nur Jonas, so lausche denn und lasse dich zur Gänze durchbilden, Nero mit vollem Namen Claudius Cäsar Augustus Germanicus Nero, ward geboren am 15. Dezember anno Domini 37, regierte als Kaiser ab dem 13. Oktober 54, verstarb am 9. Juni 68, entwickelte sich vom unausgegorenen Deppenjüngling zum fetten ausgegorenen Tyrannen und Sadisten.

    Willy: Genau das wollte der alte Mox. Durch das Rollenspiel als Nero sollte Moritz Mumm in die Knochen kriegen, ein richtiger Wirtschaftskapitän sollte er werden, einer der über Leichen geht, Max Mox hat eine VR-Expertin engagiert, die was von römischer Geschichte verstand, äh Ella von und zu Dingsbums.

    Jonas: Rensenbrink. Ella von Rensenbrink.

    Willy: Ja, kann sein, wir haben sie immer nur Virtuella genannt, sie hat das Neroprogramm ausgearbeitet, und Moritz hat begeistert mitgespielt, Rom verbrannt, Christen verfolgt, Senatoren umgebracht usw.

    Jonas: Nicht eben wenig.

    Sam: Jedem Tierlein sein Pläsierlein. Wie der klassische Römer spricht.

    Jonas: Gut und schön, Willy aber wo steckt Moritz Mox, da will ich wissen.

    Willy: Irgendwo im Moxcenter.

    Jonas: Das ist groß, Willy, wo da, bestimmt nicht im Las Vegas.

    Sam: Alldieweil Allgemein zugänglich und stark frequentier, daccord Monsignore, gleiches gilt für den Verwaltungstrakt, cum grano salis, Übersetzung für Hilfsschüler Jonas und dergleichen, mit einem Körnlein Salzes, will sagen.

    Jonas: Ruhe. Im Chefzimmer ist er auch nicht. Also wo.

    Willy: Bleibt nur die illegale Zone, wetten da steckt er.

    Jonas: Moxcenter Stockwerke 11 bis 15, die unzugänglichen, illegal deshalb, weil da verbotene Spiele gespielt werden, sagte Willy. Spiele für ganz besondere Spieler, für Superreiche Spiele ohne Limit, und in denen arme Schweine das einsetzen, was sie haben, Herz, Nieren, Knochenmark, die eigenen Organe. Wer gewinnt, kriegt ein kleines Vermögen, wer verliert muß unters Messer. Die Staatsgewalt weiß, was in der illegalen Zone bei Mox läuft, aber sie drückt beide Augen zu, der Organmarkt braucht Nachschub.

    Willy: Wo sollt er denn sonst sein der Moritz Mox, Platz ist genug, die illegalen Spiele laufen nur in 2 Etagen.

    Jonas: Warst du mal drin, Willy?

    Willy: Ja einmal, vor Jahren aus Neugier. Ich bin kein Krösus, weißt du. Und Organspiele sind nicht mein Ding.

    Jonas: Dann weißt du wie man reinkommt.

    Willy: Weiß ich.

    Jonas: Kommst du mit. Heute abend 10 Uhr.

    Willy: Moxcenter Nordseite.

    Jonas: Wie spät haben wir jetzt.

    Sam: Mit dem melodischen Ton des Zeitzeichens ist es genau 17 Uhr 58 Minuten, ja, Zeit für den ausbedungenen abendlichen Mandelbrotbericht euer Samseligkeit flupp.

    Jonas: Richtig, ich rief Dr. Mandelbrot an, am Fon wollte er nicht reden, er bestellte mich zu sich, in seine exklusive Villa im exklusiven Südwesten, wo Dezernenten, Künstler und Bürgermeisterinnenschwäger verkehrten, heute nicht, heute verkehrte bloß Jonas und auch das nur kurz, Dr. Mandelbrot hatte eine Überraschung für mich.

    Mandelbrot: Ich habe mich entschlossen, Herr Jonas, unser vertragliches Verhältnis zu beenden, auf weitere Bemühungen ihrerseits lege ich keinerlei Wert.

    Jonas: Das ging aber fix, Dr. Mandelbrot, was ist los?

    Mandelbrot: Lassen Sie mich offen sprechen, Herr Jonas, zu meinem Bedauern haben Sie sich als wenig effizient erwiesen, fast einen ganzen Tag sind Sie bereits für mich tätig, und was haben Sie erreicht, so gut wie nichts.

    Jonas: Sie brauchen keinen Detektiv, Dr. Mandelbrot. Sie brauchen einen Wundertäter.

    Mandelbrot: Wie dem auch sei, Herr Jonas, ich storniere den Auftrag.

    Jonas: Ihr gutes Recht, Dr. Mandelbrot. Sie schulden mir 120 € und diverse Spesen.

    Mandelbrot: Darüber könnte man streiten Herr Jonas, aber ich lege Wert darauf, mich ohne jede Friktion von ihnen zu trennen. Bitte sehr 150 Euros, das dürfte wohl ausreichen. Ein Drink Wodka, Whisky, Cognac, Armanjak?

    Jonas: Whisky. Scots.

    Mona: Ich finde das nicht gut, Stiefpapa, das ist mein Fall, mein Erbe, mein Geld.

    Mandelbrot: Mona, du hast an der Tür gelauscht. Mona wie oft hab ich dich ermahnt.

    Mona: Jonas soll weiter machen.

    Mandelbrot: Du bist ein Kind Mona, du bist nicht geschäftigfähig, du kannst mit Herrn Jonas keinen Vertrag abschließen.

    Mona: Ich brauch keinen Vertrag. Ich will, daß er weitermacht. Für mich, ja Herr Jonas. Bitte.

    Jonas: Mal sehen was sich tun läßt. Dein Wohl Mona.

    Mona: Wie geht's Sammy, haben Sie ihn mit?

    Jonas: Jetzt fing der Fall an richtig interessant zu werden. Jonas beschloß dranzubleiben. Für Monas? Vielleicht, ganz sicher für Jonas. Er hatte einen Ruf zu verlieren und er hatte nichts besseres vor. 10 Uhr abends, Moxcenter Nordseite. Vorn strömten die Massen, hier war alles still, verschalte Häuser, Ruinen, Relikte der letzten Unruhen, darüber die hohe kahle Moxfassade, keine Fenster, nur eine kleine Hintertür, der Eingang zur illegalen Zone, sagte Willy, für Spezialgäste mit Spezialcodescheiben. Wir hatten keine, noch nicht. Wir warteten. Eine E-Limousine in schwarz und Gold fuhr vor, hielt, zwei Typen stiegen aus, helle Burnusse, Kopftücher. Ölscheiche aus Kusbekistan. Der Wagen fuhr weiter. Die Scheiche wanderten zur Tür, aber sie kamen nicht an.

    Willy: Augenblick die Herren, mein Freund will ihnen was zeigen.

    Jonas: Das ist ein Laserstrahler. Kennen Sie vielleicht. Wenn ich den in ihre Richtung halte, so und auf den roten Knopf drücke.

    Scheich: Wir verstehen, Sie Geld wollen.

    Jonas: Sie werden sich wundern. Nein. Wir wollen bloß ihre Codescheiben, und ihre Burnusse.

    Willy: Und die Kopftücher. Ausziehen.

    Jonas: Mit Willy Neurofreezer legten wir die Wüstensöhne für ein paar Stunden schlafen und deponierten sie hinter einer zerfallenen Mauer. In ihren Sachen waren wir nicht gerade elegant, aber unkenntlich, dachten wir. Mit den Scheiben öffneten wir die Tür. Dahinter ein Lift, nur zwei Knöpfe, unten, oben. Unten waren wir, also drückten wir oben.

    Sonja: Na, da sind Sie ja, wir warten schon. Steigen Sie aus. Nicht so lahm meine Herren.

    Jonas: Ein schlichtes Foyer, hier gab's keine wunderschönen Androidinnen. Unsere Empfangsdame war die rote Sonja, oder ihre Zwillingsschwester, weiter hinten standen noch ein paar von der Sorte, unfreundliche Miene, rechte Hand am Laser, sie stellte uns an die Wand, klopften uns ab, nahmen uns die Waffen weg.

    Sonja: Ohohohoh, so was wollen wir aber nicht. OK, was soll's sein. Spiel ohne Limit oder Organspiel?

    Willy: Ach, wir wollten uns ein bißchen umsehen, zukucken.

    Sonja: Nix, für Sie ist kiebitzen verboten.

    Jonas: Wer sagt das?

    Sonja: Befehl. Sie spielen. Also was. Unlimitiert.

    Willy: Ja, von mir aus. Immer noch besser als um Herz und Nieren.

    Sonja: Haben Sie Geld. Bargeld. Vorzeigen los los.

    Willy: Ich glaub, ich hab meine Brieftasche vergessen.

    Jonas: Ich auch. Zu dumm.

    Sonja: Ja, dann eben Organspiel. Also was setzen Sie?

    Willy: Vielleicht den linken kleinen Zeh.

    Sonja: Sie doch nicht. Sie riskieren was. Sie setzen alles. Ihren ganzen Körper. Ihr Leben.

    Jonas: Das heißt wenn wir verlieren.

    Sonja: Verlieren Sie Ihr Leben, ist doch klar.

    Willy: Was ist, wenn wir gewinnen, was kriegen wir?

    Sonja: Sie werden nicht gewinnen.

    Jonas: Nu mal langsam Pussy.

    Sonja: Im Gegenteil. Schnell wir haben's eilig.

    Jonas: Sie scheuchten uns in einen kleinen Raum. Kahl, bis auf einen Tisch. Darauf ein Stoß Spielkarten, Rückseite nach oben, Sonja nahm die Karten, mischte sie kurz durch.

    Sonja: So, der Alte zuerst. Ziehen Sie eine Karte. Schneller. Drehen Sie sie um.

    Willy: Piek Dame.

    Sonja: Jetzt ich. Herz König, sie haben verloren Alter, Pech. Bring ihn raus Natascha.

    Willy: Moment, ich bin 64, meine Organe sind nichts wert, total verbraucht, ich habe eine Säuferleber und herzkrank bin ich auch.

    Sonja: Ihre Organe können Sie behalten, wir wollen nur Ihr Leben. Sie sind dran.

    Jonas: Jonas verlor auch, natürlich, bei diesem Spiel gewinnt nur die Bank. Die Schlachtbank. Jonas wurde in einen Lift gesteckt. Von Tatjana oder Vera oder Maruska, wie immer sie hieß sie ließ mich nicht aus den Augen. Aber vielleicht hörte sie schlecht. Ich mußte es versuchen. Sam steckte im Burnus, in der Kapuze, er war nicht gerade mitfühlend.

    Sam: Ja ja Gevatter, so pflegts zu gehen, Polter und polter, Kick and Rush Miniüberlegung Maxiaction, und was passiert, der große Detektiv plumpst in den Nachttopf, jawoll, in den Harn, in die Pisse, in die Kacke, Scheiße and so on.

    Jonas: Nicht eben wenig.

    Sam: Sag ich doch.

    Jonas: Halt keine Vorträge, Sammy hilf mir raus, kannst du was mit dem Lift machen.

    Sam: Eine Bagatelle, Chefchen, den siehe so ist Sammy, sieht man kurz hin, schon ist er drin, im System, des Liftes, und da tut er was. Anhalten?

    Jonas: Mit Schmackes. Plötzliche Notbremsung. Auf Null. Ich roll mich unten zusammen, Kopf zwischen die Knie, also 3,2,1,0.

    Jonas: Was da gegen die Decke knallte, war meine Wächterin. Bzw. ihr Kopf, ihren Laser würde sie nie wieder brauchen. Ich nahm ihn an mich. Und ließ Sam weiterfahren. Bis zum vorgesehenen Halt. Die Tür ging auf.

    Jonas: Keiner da. Wo sind wir Sammy?

    Sam: Einerseits my dear Watson erinnert dieser Raum in nicht unerheblichem Maße an eine altmodische Betriebskantine anno 2000.

    Jonas: Stimmt genau. Plastiktische, dito Stühle, Wandautomaten für Sojakaff und Sojaburger, andererseits die Spinde links.

    Sam: Gemahnen an die Garderobe einer Turnhalle, Herr Sportswart.

    Jonas: Das müssen ja merkwürdige Turner sein, Sammy, sieh mal, bunte Seidenkleider, kurze Nachthemden, Wickellacken, wer trägt denn so was.

    Sam: Alte Römer, euer Unbilden. Was dumpfe Ignoranz als Laken und Nachthemd erscheint, nennt der Kenner der klassischen Antike korrekt Toga und Tunika.

    Jonas: Und hier Helme, Brustpanzer, Beinschienen, Schwerter. Was ist hier los, Sammy, alte Römer, Klonkiller, du weißt ja, wer Klonkiller einsetzt.

    Sam: Si si la corporation es importante.

    Jonas: Die Korporation, früher mal Mafia, vor der großen Umwälzung Ende des Jahrtausends, das organisierte Verbrechen, die Klonkiller werden von gekauften Gentechnikern produziert. Wie Dr. Ugarte selig, siehe Fall Pharao. Aber was hatte die Korporation bei Mox zu suchen. Der alte Mox hatte sie sich immer weit vom Leibe gehalten. Was war passiert?

    Sam: Dem sei wie es wolle, trüber Grübulator, lassen wir dies Problem tunlichst dahingestellt, bis daß weitere Daten uns zu teil werden, welche unverzüglich zu sammeln und in die geistige Scheuer zu schaffen unser vordringlichstes Anliegen sein möge.

    Jonas: Amen Sammy. Lasset uns sammeln. Und wie und wo.

    Sam: So siehe denn dorten jene Tür, hintere Wand Blindgänger.

    Jonas: Ah.

    Sam: Ja, siehe sie stehet um ein weniges offen und aus dem Spalte dringen Geräusche herfür.

    Jonas: Stimmen, leise, undeutlich. Also näher ran. Die Stimmen wurden lauter. Ich blieb stehen, bewegte nur den Kopf, ganz vorsichtig, bis ich durch den Türspalt gucken konnte.

    Kasbek: Was befielst du, göttlicher Kaiser, welch Schicksal treffe den Verräter?

    Moritz Mox: Na was schon, der Tod natürlich. Tigellinus, Gefährte meiner Erhabenheit, bring ihn um.

    Kasbek: Es geschehe nach deinem göttlichen Willen mein Kaiser. Tod dem Verräter.

    Willy: Ah!

    Kasbek: Heil Kaiser Nero.

    Jonas: Der Verräter war tot, erstochen vom Typ im goldenen Brustpanzer, mit seinem kurzen Schwert. Nur daß es kein Verräter war. Es war Willy, mein Freund Zocker Willy.

    Moritz Mox: Hast du nicht von zwei Verrätern gesprochen, Tigellinus. Wo ist der andere.

    Kasbek: Ich weiß nicht, müßte eigentlich schon hier sein.

    Moritz Mox: Er ist doch wohl nicht geflohen.

    Kasbek: Keine Sorge göttlicher Kaiser, er kann nicht entkommen, bestrafen wir ihn später. So hast du Zeit dir was besonders einfallen zu lassen.

    Moritz Mox: O ja, nähen wir ihn an Fell und lassen ihn von den Löwen fressen, ja oder bestreichen wir ihn mit Pech und verbrennen ihn als lebendige Fackeln, oder

    Kasbek: Später, göttlicher Kaiser, der Kerl läuft uns nicht weg.

    Jonas: Durch den Spalt sah ich Rom, im Hintergrund, weiße Häuser an Hügeln, Pinien, Zypressen, darüber tiefblauer Himmel, holografische Illusionen, vorn ein großer Raum, weite offene Fenster, eine Couch, ein Messingbecken, in dem ein Feuer brannte, an den Wänden ein paar Soldaten in Helm und Rüstung, auf der Couch lümmelte sich Kaiser Nero, dicklich, etwa 30, dünner roter Backenbart, in einem lila Seidenkleid mit Schleppe. Daneben der Typ der Willy abgestochen hatte. Tigelinus oder wie er hieß.

    Sam: Tigelinus: Kommandeur der Prätorianer, das heißt der kaiserlichen Garde. Engster Kumpan des Kaisers.

    Jonas: Kommt mir sehr bekannt vor dieser Tigellinus, wo und wann hab ich ihn schon gesehen.

    Sam: Schweif nicht ab, bleib bei will sagen Kaiser Nero.

    Jonas: Alias Moritz Mox. Willy hat er erzählt, daß Moritz mit Begeisterung Nero spielt, genau Sammy du sagst es, Moritz spielt Nero in VR. Hat Willy gesagt. Was wir hier sehen, Rom, Neros Palast, alte Römer, das ist nie und nimmer virtuelle Realität. Das ist Wirklichkeit, Sammy.

    Sam: Ganz real. Stinknormal. O Jonas... Vortäuschung falscher Tatsachen durch antiquierte Mittel. Kostüme, Gips, Kulissen.

    Jonas: Was soll das Theater?

    Sam: Um diese Frage zu beantworten sollten Hochwürden ein wenig mitspielen, sich ins Gesehen mischen, ins alte Rom eindringen.

    Jonas: Jonas verwandelte sich in einen Prätorianer, in einem praktischen Helm mit Backennasen und Kinnschutz. Eine richtige Maske, dann wartete ich einen günstigen Moment ab, trat schnell durch die Tür, bezog Posten an einer Säule. Und da stand ich nun, still und steif. Mit offenen Augen und offenen Ohren.

    Kasbek: Schon viel zu lange haben wir deine Kunst entbehren müssen, göttlicher Nero, singe. Singe zu den Klang der Lyra.

    Moritz Mox: Ich weiß nicht, bespare meiner Bescheidenheit den Auftritt.

    Kasbek: Nun, wenn du es denn nicht willst, erhabender Kaiser.

    Moritz Mox: Doch, deine inständigen Bitten Tigellinus.

    Kasbek: Singe o Nero.

    Moritz Mox: Und die meiner getreuen Prätorianer. Meiner getreuen Prätorianer...

    Prätorianer: Sing, o Nero.

    Moritz Mox: Es sei. Ruhe, absolute Ruhe, auf daß mein Genie sich entfalte. Ode an Rom. Rom, o mein Rom, du ewige Stadt, was bist du so häßlich, potthäßlich bist du, Solo, krumm und schief sind deine Straßen, baufällig sind deine Häuser, und an alle deine Ecken pinkeln die Hunde, und deine Kloaken stinken zum Himmel.

    Kasbek: Wunderbar, göttlicher Kaiser, so so tief empfunden.

    Moritz Mox: Ich bin noch nicht fertig, Tigellinus.

    Kasbek: Verzeih Erhabener, es riß mich hin.

    Moritz Mox: Rom, o mein Rom, du ewige Stadt, brennen sollst du bis auf den Grund. Bald, bald bald bald Tigellinus bald bald wird es so weit sein, und wir werden eine neue herrliche Stadt erbauen, und ihr Name wird sein Neropolis.

    Kasbek: Heil Nero.

    Prätorianer: Heil Nero.

    Jonas: Ich hatte ihn erkannt. Tigellinus, es war Kasbek. Kasbek der Vollstrecker, Kasbek von der Korporation. Vor anderthalb Jahren war ich mit ihm zusammengestoßen. Fall Attentat. Die Korporation steckte mit drin im römischen Theater des Moritz Mox. Wie ich vermutet hatte.

    Moritz Mox: Schön böse ich bin gemein.

    Ella: Heil Nero.

    Kasbek: Es naht die Geliebte deines Herzens, Nero, die schönte Agte.

    Ella: Du hast gesungen, mein Nero, ich vernahm die wundersamen Klänge. Ein kühles Getränk wird deiner göttlichen Stimme wohltun. Hier, nimm und trink.

    Jonas: Aus einer Seitentür war sie gekommen, mit einem vollen Becher in der Hand, Agte, alias Ella von Rensenbrink, im kurzen Hemdchen, niedlich. Nero trank, dann stöhnte er ein bißchen und legte sich lang auf die Couch, und da blieb er liegen, still, regungslos.

    Kasbek: Ist er bewußtlos?

    Ella: Ja.

    Kasbek: Sehr gut. Cut.

    Ella: Pause. Die Kleindarsteller in den Aufenthaltsraum. Nicht umziehen, in etwa einer Stunde machen wir noch eine römische Szene.

    Kasbek: Die letzte.

    Jonas: Der Raum war leer, bis auf den bewußtlosen Nero, Ella, Kasbek und Jonas. Der hatte sich hinter seiner Säule versteckt, weil er unbedingt mitkriegen wollte, wie die Sache weiterging. Ella schob an der linken Wand ein Panel zur Seite, dahinter Instrumente und ein Hochleistungsprozessor für gehobene VR-Programme. Ella drückte auf einen Knopf, das alte Rom verschwand. Neros kaiserliches Wohnzimmer wurde zum kahlen Innenraum. Ella setzte Nero und sich selbst je einen VR-Helm auf, direkte Hirnstimulation. Der letzte Schrei. Einfacher und effektiver als die Standardkombination Brille Anzug Handschuh. Ein Tastendruck. Das VR-Programm lief an. Kasbek beugte sich über Nero. Eine Spritze in der Hand.

    Kasbek: Sie haben den Vertrag, Ella.

    Ella: Hier ist er. Alles klar. Wecken Sie ihn auf, Kasbek.

    Moritz Mox: Au.

    Jonas: Los Sammy, rein ins VR-Programm.

    Sam: Ich bin oll da sagte der Swinegel.

    Jonas: Gut. Wie sieht's aus in der virtuellen Realität.

    Sam: Todschick, teuerste, ein Chefzimmer der Extraklasse, Mahagoni, Teak, echter Jumibo, ja, viel schöner als Moritz Moxens richtiges Büro.

    Jonas: Was geht vor.

    Sam: Sie tritt ein, o, strenges Kostüm, Brille, die Chefsekretärin par excellenz. Tolles Weib und so wandlungsfähig.

    Jonas: Ella.

    Sam: Na wer sonst du Plattfisch, Ella Virtuella, Virtuella aus dem Keller.

    Jonas: Halt die Backen. Was ist mit Moritz Mox?

    Sam: Moxens Moritz sitzt am Schreibtisch. Hat ein bißchen gepoft der Schnarchsack, hebt den Kopf.

    Moritz Mox: Was gibt's Ella. Hab gerade ein Nickerchen gemacht.

    Ella: Entschuldigen Sie die Störung, Chef, der amerikanische Vertrag.

    Moritz Mox: Aja, zeigen Sie her. Die Cosanostra American Gambling Organisation überläßt der Firma Mox alle ihre Kasinos, Salons etc. etc. in Las Vegas, Reno, Atlantic City etc. etc., das ist doch wunderbar... Wir sind doch jetzt die größten, Mox international, imperial, global.

    Ella: Sie brauchen nur noch zu unterschreiben, Chef.

    Moritz Mox: Ja, wo hab ich denn den Stift.

    Jonas: Moritz Mox unterschrieb, in der virtuellen Realität und in der realen. Ein reales Schriftstück, das Ella ihm vorlegte, mit einem realen Stift, den sie ihm in die Hand drückte. Dann lag er wieder auf der Couch. Dafür hatte Kasbek gesorgt mit einer zweiten Spritze.

    Ella: Hiermit überträgt Firma Mox Babylon ihr gesamtes Vermögen, fest und beweglich, der Lucky Chance Inc. Nassau Bahamas.

    Kasbek: Das heißt der Korporation.

    Ella: Für Euros 100.000, Unterschrift Moritz Mox.

    Kasbek: Wunderbar. Wir übernehmen Mox.

    Ella: Sauber legal und völlig unblutig.

    Kasbek: Abgesehen von Moritz Mox natürlich, der muß weg, aber das unter uns bleiben. Ihr Honorar haben Sie sich weiß Gott verdient, Ella. Schon für ihre absolute Superidee, die reale und virtuelle Realität bei Moritz Mox einfach zu vertauschen. Und ihm so seine Unterschrift abzutricksen. Brillant.

    Sam: Na ja sagen wir ganz ordentlich für einen Menschen.

    Jonas: Moment mal Sammy, was hat Ella gemacht? Genau mein ich.

    Sam: Oje, wieder mal nix kapiert, was du Lahmbregen. Also paß mal Obacht. Zuerst war Moritz Mox Kaiser Nero in VR und in Wirklichkeit Moritz Mox, Erbe und nach Papis Dahinscheiden Besitzer der Firma Mox, alles klar.

    Jonas: Sicher Sammy und dann?

    Sam: Dann hat die böse Virtuella das ganze umgedreht, jetzt ist Moritz in der wirklichen Realität Nero und in der virtuellen Firmenchef. Sie hat das so clever gemacht, daß der liebe Moritz nichts mitbekommen hat, mit Drogen, ein bißchen Illusionstheater und unter gütigen Mithilfe der Korporation.

    Jonas: Klonkiller. Statisten, Kasbek als Tigellinus, Und während der ahnungslose Moritz den Chef nur simuliert hat, haben Ella und ihre Auftraggeber von der Korporation die wirkliche Leitung der Firma übernommen.

    Sam: Zunächst de facto, nunmehr auch de jure. Na bitte, haben es doch noch geschnallt, nich Nulli. Bravo

    Kasbek: Endlich Schluß mit dieser idiotischen Römerspielerei.

    Ella: Noch eine Szene Kasbek, das haben Sie mir versprochen. Moritz soll seinen Abgang als Nero kriegen. Wir machen weiter, die Kleindarsteller auf ihre Plätze.

    Kasbek: Passen Sie bloß gut auf den Vertrag auf, Ella, wenn der verloren geht, war alles umsonst.

    Ella: Keine Sorge, Kasbek, Sie sehen, ich nehme ihn mir zu Herzen, in meinem Ausschnitt ist er sicher.

    Kasbek: Da wäre übrigens noch was zu bereinigen. Dieser lästige Typ.

    Ella: Jonas, richtig, den sollten wir zusammen mit Moritz abservieren. Bringt Jonas her.

    Jonas: Überraschung. Hinter mir klapperte was, ich drehte mich um, Sonja mit zwei Schwestern, verkleidet als Römerinnen, mit Laserstrahlern, ein Stilbruch.

    Kasbek: So sieht man sich wieder, Jonas.

    Ella: Haben Sie wirklich gedacht, wir merken nicht, daß Sie sich hier herumdrücken?

    Kasbek: Wissen Sie was das ist?

    Jonas: Empfänger für einen Mikroorter.

    Ella: Und wo mag er wohl stecken der kleine Mikroorter? Na?

    Kasbek: In ihrem Magen. Jonas.

    Jonas: Fraktal Mandelbrot.

    Kasbek: Mandelbrots Whisky, ganz recht, den Orter hat er von uns.

    Ella: Sehen Sie, Mandelbrot hat was läuten hören von einer bevorstehenden Übernahme der Firma Mox durch die Korporation.

    Kasbek: Er hat Sie engagiert, um Druck auf uns zu machen, Sie wurden lästig, und wir haben uns mit Mandelbrot engagiert, er kriegt 2 Millionen.

    Jonas: Nicht eben wenig.

    Ella: Die arme kleine Mona wird fürchte ich, leer ausgehen.

    Kasbek: Neros Tod, Ella, bringen wir's hinter uns.

    Jonas: Mit einem Knopfdruck waren wir wieder im alten Rom, aber nicht mehr im Kaiserpalast, der Raum war jetzt kleiner, draußen keine Häuser mehr, nur Landschaft. Kasbek weckte Nero.

    Ella: Alles ist verloren, Geliebter.

    Kasbek: Die Prätorianer sind zu Galba übergelaufen, Häscher sind dir auf den Fersen. Sie werden dich fangen. Dann wirst du im Colloseum zu Tode gemartert.

    Moritz Mox: O ihr Götter was soll ich tun?

    Ella: Sei ein Mann, Geliebter, gib dir den Tod.

    Kasbek: Hier Nero, mein Schwert.

    Moritz Mox: Ich kann nicht.

    Kasbek: Dann werde ich es für dich tun.

    Moritz Mox: Au, das tut weh.

    Ella: Nur sensorische Simulation, Chef, ihre letzten Worte.

    Moritz Mox: O welch ein Künstler geht mit mir zu Grunde.

    Kasbek: Erledigt. Und jetzt Sie, Jonas, wie hätten Sie’s denn gern, römisches Schwert oder Laser 21. Jahrhundert.

    Jonas: Wenn Sie mich schon fragen Kasbek. Weder noch.

    Ella: Was erlauben Sie sich?

    Jonas: Ella war empört. Jonas hatte ihr in den Ausschnitt gefaßt und den Vertrag rausgeholt, jetzt hielt er ihn über die glühenden Kohlen im Messingbecken. Kasbek und seine Killer waren kaltgestellt, sie konnten Jona weder abstechen noch ablasern.

    Jonas: Dann fällt ihr kostbarer Vertrag ins Feuer. Und das wär doch schade, wo Sie sich so viel Mühe gegeben haben.

    Kasbek: Wie geht's jetzt weiter, Jonas, wollen Sie so stehenbleiben, bis Ihr rechter Arm lahm wird.

    Jonas: Hab ich nicht vor, Kasbek. Einen Laserstrahler in meine linke Hand. Na wird's bald. Gut so, Waffen weg, alle an die Wand, auf den Boden, Gesicht nach unten. Ganz ruhig bleiben und immer schön dran denken, Jonas hat den Vertrag.

    Jonas: Ich ging rückwärts, durch die Tür, durch den Aufenthaltsraum, in den Lift, runter, Sammy blockierte den oberen Zugang. Jonas hatte ein bißchen Zeit, bis Kasbek und Konsorten einen andern Lift fanden. Nicht daß es mir viel brachte.

    Sam: Virtuella hat über Fon alle Ausgänge besetzen lassen, o Dr. Jonas auf der Flucht.

    Jonas: Sie wollen den Vertrag, ob sie mich laufen lassen, wenn ich ihn zurückgebe.

    Sam: Du glaubst wohl an das Weihnachtsmännchen, du unschuldvoller Engel, du, ja sieh dich an.

    Jonas: Was?

    Sam: Sieh dich an, Witzfigur.

    Jonas: Ja, ich hab noch die römische Rüstung an, meinst du das, Sammy.

    Sam: Ein interessantes Ausfit, mein Viles Gloriosus, dürfte erhebliches Aufsehen erregen. Vor allem an einem Orte, welcher der Stille und der intellektuellen Muse geweiht ist und welcher zu dieser Stunde von einer gewissen hochgestellten Persönlichkeit frequentiert wird. Äh, wir verstehen uns auf dieser Welle, gelle.

    Jonas: Fünf Minuten später, ein römischer Prätorianer stürmt die friedliche Schachecke im ersten Stock des Moxcenters. Er klirrt und klappert und brüllt laut was Sam ihm leise souffliert.

    Jonas: Hannibal ante portas. Panem et cercensis. Per aspera ad astra.

    Bürgermeisterin von Babylon: Was ist da los? Ruhe bitte!

    Jonas: Cogito ergo sum. Errare humanum est.

    Bürgermeisterin von Babylon: Ich bin Bürgermeisterin Paretzky.

    Jonas: Nomina sunt udiosa. Leges inter arma.

    Bürgermeisterin von Babylon: Silentium. Verdammt noch mal.

    Kasbek: Wir kümmern uns um diesen Irren, Frau Bürgermeisterin, die internen Sicherheitskräfte sind alarmiert, gleich sind sie hier.

    Bürgermeisterin von Babylon: Lassen Sie nur, guter Mann, das übernimmt meine Leibwache. Festnehmen den Kerl, abführen. Wartet draußen mit ihm bis ich komme.

    Jonas: 4 Stunden später, früher Morgen, Jonas kam nach Hause.

    Sam: Jaja, drei Dinge braucht der Jonas, ein Bildfon, den ominösen Vertrag, und ein Streichholz.

    Jonas: Alles da, Sammy, dann mach mal ein Bildfonverbindung mit der Firma Mox, Direktion, Ella von Rensenbrink.

    Sam: Leitung steht. Hallo, Hallo Virtuella, mein Schatz ja hier will wer was von dir.

    Ella: Jonas? Sie haben Nerven.

    Jonas: Schauen Sie her, Ella, das ist der Vertrag, das ist ein Streichholz, das war der Vertrag.

    Ella: Das wird die Korporation ihnen heimzahlen Jonas.

    Jonas: Glaub ich nicht, sehen Sie, ich hab die ganze Geschichte der Bürgermeisterin erzählt. Wenn die Korporation mir was tut, kriegt sie mehr Ärger als ich wert bin. Schreiben Sie doch den Verlust einfach ab. Und Kopf hoch. Neuer Tag, neues Glück. Grüßen Sie unseren Freund Kasbek.

    Sam: Ja, und Kopf hoch.

    Jonas: Gegen Mittag machte ich einen Besuch in der Villa Mandelbrot. Moritz ist tot, Mona erbt. Sagte ich dem Hausherrn. Und der hörte interessiert zu.

    Mandelbrot: Als Monas Stiefvater werde ich die Treuhänderschaft des Moxvermögens übernehmen müssen, eine schwere Last, Herr Jonas, eine große Verantwortung.

    Jonas: Dazu werden Sie keine Zeit haben, Dr. Mandelbrot.

    Mandelbrot: Wie meinen.

    Jonas: Die Korporation ist stinksauer, auf Sie, Dr. Mandelbrot, weil Sie Jonas ins Spiel gebracht haben und weil die Korporation deshalb das Spiel verloren hat. An mich kommt man nicht ran, also wird man sich an Sie halten.

    Mandelbrot: O Gott, o Gott, was soll ich tun? Helfen Sie mir, Herr Jonas, raten Sie mir bitte.

    Jonas: Packen Sie Ihre Koffer, verreisen Sie.

    Mandelbrot: Ja, ja verreisen. Wohin?

    Jonas: Weit weg, zum Südpol.

    Mandelbrot: In Ordnung.

    Jonas: Nach Bora bora, und kommen Sie nicht wieder.

    Mona: Gute Reise Stiefpapa.

    Jonas: Hallo Mona, wieder mal an der Tür gelauscht.

    Mona: Na und? Ich bin jetzt reich, eine reiche Frau darf alles.

    Jonas: Machs gut. Ich schick dir meine Rechnung.

    Mona: Bezahlen kann ich aber erst in einem halben Jahr, wenn ich volljährig bin.

    Jonas: Sammy, ob sie wohl im August noch dran denkt?

    Sam: Häh die nie.

    Mona: Herr Jonas, verkaufen Sie mir Sammy?

    Jonas: Vielleicht, Mona, ich überlegs mir.

    Das war Virtuella. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Außerdem hörten Sie: Adelheid Arndt, Nadja Rüpprecht, Rainer Basedow, Wolf Euba, Reinhard Glemnitz, Torsten Nindel und andere (Anne Marie Bubke, Stefanie Burkart, Christiane Blumhoff, Werner Klein). Ton und Technik: Daniela Röder und Günter Heß. Assistenz: Holger Buck. Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks aus dem Jahr 1995. Redaktion Erwin Weigel.

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:48 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Weihnachtsmärchen

    Coco: Sti-hille Nacht. Hei-lige Nacht. Coco hat in die Hose gemacht.

    Sam: Altes Ferkel.

    Coco: Coco lacht, daß es kracht. Hahahahaha! Spaß muß sein, Kinder. Aber jetzt sind wir mal ein bißchen ernst ausnahmsweise.

    Sam: Ich nicht.

    Coco: Kinderweihnachten steht vor der Tür. Das Fest der Liebe. Was ist Liebe? Liebe ist nicht nur das, was die Großen nachts im Bett machen, wenn sie glauben, ihr schlaft schon.

    Sam: I pfui Teufel.

    Coco: Liebe ist Fühlen. Mitfühlen. Mit den vielen armen Kindern, die keine Geschenke kriegen, mit den Kindern in der Drittwelt, die krank sind, die Hunger haben. Liebe ist Geben.

    Sam: Ne ne! Nehmen.

    Coco: Gebt, Kinder, soviel Euros, wie ihr könnt. Schickt sie an mich, an euren Freund Coco, den Clown mit dem goldenen Herzen, Network Holo-TV Babylon.

    Sam: Bab-ypsilon.

    Coco: Sti-hille Nacht, heilige Nacht, geben so viel Freude macht. Gebt von eurem Taschengeld für das Elend in der Welt.

    Jonas: Zum Kotzen. Warum sehe ich mir das an, warum schalte ich nicht gleich ab.

    Sam: Unzureichende Daten, euer Fragwürden. Apropos Weihnachten.

    Jonas: Sam wollte ein Geschenk. Einen neuen Namen. Sam gefiel ihm nicht mehr. Zu kurz. Sammy war ihm zu albern. Und Samuel zu umständlich. Die Frage war, wie wollte er ihn Zukunft heißen?

    Sam: Behufs dieses Punktes steht eine endgültige Entscheidung noch dahin bzw. aus. In wohlwollender Erwägung befinden sich Prof. Einstein und Superhirn unter anderem.

    Jonas: Weltseele. Lieber Gott.

    Sam: Ach, seien Sie nicht albern, junger Mann, heiliger Geist, das hat was.

    Val: Hallo, jemand zu Hause?

    Jonas: Valerie!

    Sam: Sieh mal einer kuck, der Wal, in voller Lebensgröße.

    Jonas: Valerie. Kurz Val, Sammy sagte: Der Wal. Weil sie so groß und umfangreich war. Das sollte ein Witz sein. Jonas und der Wal. Sehr komisch. Valerie war eine Ex-Freundin, ausgesprochen ex, wir waren nur kurz zusammen, und seit Jahren auseinander, von mir aus hätte es so bleiben können. Was wollte Val von Jonas?

    Jonas: Was willst du Val von Jonas.

    Val: Dir frohe Weihnachten wünschen, dir erzählen, wir’s mir geht, ich hab mich selbständig gemacht, hier, sieh mal, meine Karte.

    Jonas: Valerie, nur Valerie, die letzte Detektivin.

    Val: Merkst du was, Jonas, ich hab von dir gelernt.

    Sam: hehe, das geht doch gar nicht.

    Jonas: Das konnte man wohl sagen. Ich bin Jonas, nur Jonas, der letzte Detektiv. In der großen Stadt Babylon und drum herum. Val hatte mich schamlos kopiert. Ich schlug ihr ne Änderung vor, die allerletzte Detektivin.

    Val: Charmant wie eh und je, Jonas, wie sieht's bei dir aus, alles OK?

    Jonas: O danke.

    Val: Ich hab so was gehört. Daß es dir vor ein paar Wochen gar nicht gut ging.

    Jonas: Sie meinte den Ufofall, Anfang November 2013, damals hatte Jonas drei Dinge verloren, Sam seinen sprechenden Computer, sein Gedächtnis und den Glauben an die Menschheit. Computer und Gedächtnis hatte ich wieder, den Glauben an die Menschheit suchte ich immer noch.

    Val: Armer Jonas. Da wirst du noch lange suchen müssen.

    Jonas: Du bist doch nicht gekommen, weil du dir Sorgen um mich machst, Val. Was willst du?

    Val: Ich bring dir 'nen Fall, Jonas.

    Jonas: Du mir glaub ich nicht.

    Val: Einen richtigen Jonasfall, schwierig aber interessant.

    Jonas: Wo ist der Haken?

    Val: Naja, die Leute haben kein Geld.

    Jonas: War nett dich mal wieder zu sehen, Val, mach's gut.

    Val: Ach, nun hör dir die Sache doch wenigstens mal an.

    Jonas: Von mir aus.

    Val: Also, da ist ein altes Hetero-Paar, Ramona und Kevin Klein, arm aber ehrlich, Nachbarn von mir, sie wohnen im selben Hochhaus, Straße 130 in der Südstadt.

    Jonas: Vor gut 50 Jahren haben sie die Südstadt hochgezogen, flott und billig, inzwischen sind die grauen Hochhäuser kräftig am krümeln, soweit sie überhaupt noch stehen. Aber die Südstadt ist kein Slum, sagt die Bürgermeisterin. Die Südstadt ist ein urbaner Sektor mit spezifischen strukturellen Problemen. Oder so. In der Südstadt wohnt, wer sich wo anders keine Wohnung leisten kann.

    Val: Gestern ist den Kleins das Kind gestohlen worden, das sie sich gerade erst gekauft hatten, aus dem Bett, von Weihnachtsmännern mit Laserstrahlern.

    Jonas: Lösegeld.

    Val: Ne, nichts. Keine Kontaktaufnahme. Kein Wort von den Kidnappern. Die Kleins sind zu mir gekommen, aber unter uns, Jonas, für mich ist der Fall eine Nummer zu groß. Naja, ob du nicht ganz unverbindlich aus fachlichem Interesse.

    Jonas: Manchmal übernimmt Jonas einen Fall für noth, aus Sport sozusagen, weil er ihn interessiert, weil er sich langweilt. Außerdem hatte ich meinen sozialen Tag. Weihnachten stand vor der Tür, das Fest der Liebe usw. Ich fuhr mit Val in die Südstadt, Straße 130, Haus N, 13. Stock, Ramona und Kevin Klein, ältlich, ärmlich und völlig aufgelöst. Es dauerte ein bißchen bis sie sich bekrabbelt hatten und mir erzählen, was passiert war, der Reihe nach, von Anfang an.

    Ramona: Wir hatten mal einen Sohn, Herr Jonas, vor langer Zeit als wir jung waren.

    Kevin Klein: Einen selbstgemachten.

    Ramona: Er ging zur UNO als Soldat, und dann ist er gefallen, unser Kevin junior.

    Kevin Klein: In Mazedonien, Sommer 1998.

    Ramona: Wir haben uns so sehr einen neuen Sohn gewünscht, Herr Jonas.

    Kevin Klein: Kevin junior Nummer zwei.

    Ramona: Aber ein Retortenkind oder eine Leihmutter können wir uns nicht leisten, und für eine legale Adoption sind wir zu alt.

    Jonas: Also entschlossen sich die Kleins, ihr Wunschkind illegal zu adoptieren, das heißt zu kaufen, das ist offiziell nicht gestattet, wird aber toleriert, es gibt jede Menge Kinderhändler, sie beziehen ihre Ware aus der Drittwelt und verkaufen sie in Babylon. Mehr oder weniger offen.

    Ramona: Wir haben alles zusammengekratzt was wir hatten.

    Kevin Klein: Verschuldet haben wir uns auch.

    Ramona: Mit dem Geld sind wir zu Olga Omarenko gegangen, die ihren Laden am unteren Ende vom Markgrafenboulevard hat, Omas Kinderstube.

    Kevin Klein: Offiziell vermittelt Frau Omarenko Kinder für Werbung und Medien, aber in erster Linie verkauft sie Adoptivkinder.

    Ramona: Wir sind also zu ihr gegangen.

    Kevin Klein: Das war vor drei Wochen, Ende November.

    Ramona: Und wir haben ihr genau gesagt was wir wollten, einen Jungen etwa zwei Jahre alt, gesund.

    Omarenko: Gesund, Omas Kinder sind alle gesund, Mütterchen, kerngesund.

    Ramona: Und dunkle Haare.

    Omarenko: Dunkle Haare, Karacho, keine Sorge Mütterchen Väterchen, Oma wird besorgen.

    Kevin Klein: Und äh wieviel wird es kosten.

    Omarenko: Nicht teuer, Väterchen, spottbillig, 8000.

    Kevin Klein: 8000 Euros?

    Omarenko: 5000 jetzt sofort, bar als Anzahlung 3000 später wenn Oma liefert. Recht so, Väterchen, Mütterchen?

    Ramona: Gib mir das Geld Kevin. Und wann? Wann Frau Omarenko kriegen wir unseren kleinen Kevin junior?

    Omarenko: Schwer zu sagen Mütterchen. Geduld, ja?

    Ramona: Wir hätten ihn so gern zu Weihnachten.

    Omarenko: Alle wollen Kinder zu Weihnachten Mütterchen, nu Oma wird versuchen, Karacho?

    Kevin Klein: Wir kommen vorbei und fragen nach.

    Omarenko: Tut das Väterchen, tut das.

    Kevin Klein: Ich weiß nicht, wie oft wir in Omas Kinderstube waren.

    Ramona: 5 Mal, Kevin. 6 mal mit gestern.

    Kevin Klein: Jedes Mal wurde uns gesagt, noch nicht da, tut uns leid, demnächst, fragen Sie wieder nach.

    Ramona: Aber gestern, da war es endlich soweit.

    Angestellter: Bedaure, Frau Omarenko ist nicht im Hause, kann ich was für Sie tun?

    Kevin Klein: Mein Name ist Klein, wir hatten vor drei Wochen

    Ramona: Kevin, hier ist er. In der dritten Krippe. Unser Kevin Junior. Genau wie wir ihn haben wollten. Ja nicht wahr, du bist mein kleiner Kevin, so ein süßes Kind.

    Angestellter: Sie meinen das ist das Kind, das Sie bestellt haben.

    Kevin Klein: Ganz bestimmt.

    Angestellter: Sehen wir mal nach. Aha. Klein, Ramona und Kevin, Restpreis 3000 Euros.

    Kevin Klein: Hier. 3000.

    Angestellter: Na, dann ist ja alles in bester Ordnung. Sollen wir das Kind schicken oder nehmen Sie gleich mit.

    Ramona: Ein netter junger Mann.

    Kevin Klein: Kevin junior haben wir natürlich mitgenommen.

    Ramona: Schon seit Wochen war alles fertig. Bettchen, Kleidung, Spielzeug, Sie sehen ja hier in der Ecke. Gestrahlt hat er unser Kleiner.

    Kevin Klein: Eine Stunde später klingelte es, ich machte auf, es war Frau Omarenko, sie sagte kein Wort, schob mich zur Seite, kam rein, sah sich um.

    Ramona: Und wollte mir Kevin junior vom Arm reißen.

    Ramona: Was fällt ihnen ein?

    Omarenko: Ruhig Blut, Mütterchen, Kind ist nicht ihr Kind, Mein wie sagen Sie Ladenhüter hat gemacht Irrtum, Kind ist für einen anderen Kunden, geben Sie zurück, Mütterchen, Väterchen.

    Ramona: Nein, unseren Kevin junior geben wir nicht mehr her.

    Kevin Klein: Wir haben ihn voll bezahlt, hier ist die Quittung.

    Omarenko: Hören Sie Mütterchen, Sie sind Frau, Sie werden verstehen, leibliche Mutter in Drittwelt ist ganz krank vor Sehnsucht, wird sterben wenn nicht bekommt zurück ihr Kind. Seien Sie Engel Mütterchen, geben Sie her.

    Ramona Klein: Das glaub ich Ihnen nicht. Kevin junior bleibt hier.

    Omarenko: Väterchen Oma sagt Ihnen was, Oma gibt Ihnen zurück ihr Geld, 8000 Euros und dazu 2000, njet, 4000? 6000? Viel Geld Väterchen.

    Kevin Klein: Na ich weiß nicht.

    Ramona Klein: Nicht für 1 Million Euros. Gehen Sie. Raus. Raus.

    Ramona: Frau Omarenko ging. Und wir spielten mit Kevin bis es Zeit war ihn ins Bettchen zu bringen nach dem Abendessen. Er war gerade eingeschlafen, da.

    Kevin Klein: Da kamen die Weihnachtsmänner, ganz normale Weihnachtsmänner mit Bärten in roten Mänteln und roten Zipfelmützen, die haben nicht geklingelt, die haben gleich die Tür eingetreten.

    Weihnachtsmann: Fröhliche Weihachten.

    Ramona Klein: Pst. Sie wecken das Kind auf.

    Weihnachtsmann: Hände hoch an die Wand.

    Kevin Klein: Was soll das bedeuten?

    Weihnachtsmann: Kein Wort, keine Bewegung. Nimm das Kind, Nick.

    Ramona: Nein, lassen Sie ihn los, geben Sie Kevin her.

    Kevin Klein: Einer hat Ramona niedergeschlagen. Mit dem Griff seines Laserstrahles. Zeig Herrn Jonas die Beule, Ramona.

    Ramona Klein: Hier, unter den Haaren.

    Jonas: Wie viele waren es.

    Kevin Klein: Drei. Zwei hielten uns mit Laser in Schach, einer nahm Kevin junior aus dem Bett, es dauerte nur ein paar Sekunden.

    Jonas: Sind Sie den Männern nachgegangen Herr Klein.

    Kevin: Nein, sie hatten doch Laserstrahler, aber ich hab aus dem Fenster gekuckt.

    Jonas: Was haben Sie gesehen.

    Kevin Klein: Ein graues E-Mobil, die drei sind eingestiegen. Mit unsrem Kind.

    Jonas: Nummer?

    Kevin Klein: Konnt ich nicht erkennen, das E-Mobil Ist losgefahren, Richtung Westen.

    Val: Zum Markgrafenboulevard. Omas Kinderstube.

    Jonas: Möglich. Wir werden uns da mal umsehen, Val.

    Ramona: Bringen Sie mir meinen Kevin Junior zurück, Herr Jonas, bitte.

    Jonas: Omas Kinderstube lag am ruhigen Ende des Markgrafenboulevard, keine Hektik, wenig Geschäfte, Büros und Wohnungen, zehnmal so teuer wie in der Südstadt. Auf der Straße war nicht viel los, wenig Passanten, ein einsamer Weihnachtsmann hockte geduldig am Rinnstein, ab und zu bimmelte er mit seiner Glocke, lustlos, pflichtbewußt. Omas Laden war dunkel und bis auf weiteres geschlossen, das stand auf dem Schild an der Tür.

    Val: Geschlossen. Was tun wir Jonas.

    Jonas: Wir glauben nichts unbesehen. Wir sind skeptisch. Wir checken.

    Sam: Jawohl, wir recken, wir drecken die dreckige Klinke.

    Val: Die Tür ist auf.

    Jonas: Nach Ihnen, meine Dame.

    Val: Du meinst wir gehen rein, Jonas, einfach so?

    Sam: Ja.

    Jonas: Einfach so. Ganz ordentlich eingerichtet der Laden, schwarzer Tisch, schwarze Sessel, fast Echtholz, fast Leder, fast Mailänder Design, an der hinteren Wand ein Arbeitsplatz mit Computer, 6 leere Kinderkrippen und eine Tür.

    Val: Ich hör was, Jonas.

    Jonas: Hinter der Tür.

    Val: Kinder. Kleine Kinder.

    Sam: Hach, was haben Gnädigste denn in einem Kinderladen erwartet? Elefantanten

    Jonas: Sehen wir mal nach, Val. Und du Sammy beschäftigst dich mit deinem Kollegen auf der Konsole, kriech mal rein, kuck in den Speicher. Das übliche.

    Sam: Hach, wenn euer Großkotzigkeit doch nur ein einziges Mal einen Gedanken daran verschwenden würden, wie frustrierend, ja demütigend es für einen Computer von Bildung und Distinktion ist, einem minderbemittelten nicht einmal der Sprache mächtigen Rechner ins Gedärm zu schlüpfen. Ach, doch wenn es denn sein muß.

    Jonas: Hinter der Tür ein kurzer Gang, drei Türen. Rechts, links, voraus. Das Kindergeschrei kam von rechts. Val machte die Tür auf. Eine Menge Kinderbetten. Drei davon belegt. Drei Kleinkinder im eigenen Saft und offensichtlich hungrig. Val ging auf die Suche. Hinter der linken Tür fand sie eine kleine Küche, Schrank, Flaschenregal, Kühlbox voller Milchcontainer und ein Herd, davor ein toter Mann, den Kopf in der Bratröhre, er roch nicht gut.

    Val: Ih, wer ist das?

    Jonas: Omas Ladenhüter vermutlich, der nette junge Mann, der den Kleins das Kind überlassen hat. Jemand hat seinen Kopf in die Röhre gesteckt und den Strom angedreht. Glitschig.

    Val: Da ist einer im Laden, Jonas.

    Jonas: Der Weihnachtsmann.

    Val: Der mit der Bimmel, woher weißt du?

    Jonas: Der Weihnachtsmann auf einsamer Straße, der nicht schnorrt und nicht wirbt, kann nicht astrein sein. Geh raus in den Laden, Val.

    Val: Wieso ich?

    Jonas: Weil Jonas was anders vorhatte. Er ging in den Gang, stellte sich neben die Tür zum Laden, und wartete. Nicht lange. Dann kam Val durch die Tür, rückwärts, beide Hände oben. Gefolgt von einer Pranke mit Laserstrahler, ein roter Ärmel. Das reichte. Jonas holte aus und schlug zu. Mit der schweren Eisenpfanne aus dem Küchenschrank. Die Pranke ließ den Laser fallen, der dazugehörige Weihnachtsmann stolperte durch die Tür, ein Profi, er hatte noch eine zweite Hand und einen zweiten Laserstrahler, den zog er aus dem Gürtel. Was sollte Jonas tun. Er hatte auch einen Laser. Er drückte auf den Abzug. Der Weihnachtsmann fiel um.

    Val: Der Mann ist tot Jonas.

    Jonas: Dann hat er sicher nichts dagegen, daß wir ihn mal kurz durchsuchen, noch ein Laser, Neurofreezer, Messer und eine Geschäftskarte, aha.

    Val: Nick Bazooka, Firma Ex und Hopp.

    Jonas: Tatsächlich. Ein Profi. Ex und Hopp war bekannt als effizientes Killerunternehmen, fast so gut wie die Todesschwadron, und in manchen Kreisen beliebter. Die Todesschwadron ist konservativ, ein bißchen langweilig, ihre Leute tragen nur formelles Busineßoutfit, Ex und Hopper sind peppiger, bunter, modischer und passen sich der Saison an.

    Val: Unser Fall ist auf dem falschen Gleis, Jonas, wir haben zwei Leichen auf dem Hals, drei vollgekackte halbverhungerte Babys und weiter sind wir immer noch nicht.

    Jonas: Abwarten Val. Sam?

    Sam: Roter Baron Sam meldet sich zurück vom Feindflug Herr Luftmarschall, äh Heißluftmarschall.

    Jonas: Wie sieht's aus in Omas Computer, Sammy.

    Sam: Melde gehorsamst kahl.

    Jonas: Unterlagen gelöscht.

    Sam: Sozusagen Sahib gewissermaßen Genosse.

    Jonas: Quatschkopf.

    Sam: Majestät nehmen mir das Wort aus dem Munde.

    Jonas: Den du nicht hast. Was heißt Quasi.

    Sam: Siehe die dahingingen und löscheten waren in großer Eile und agiereten dilettantisch, ja und da Sammy stolzer Besitzer eines recht leistungsfähigen Retrievalprogramms ist, wie mein Meister nur zu gut weiß, hat er es doch seinem geliebten Computer gespendet.

    Jonas: Konntest du was retten.

    Sam: Der Daten Hülle und Fülle, Herr Programmdirektor.

    Jonas: Zum Beispiel?

    Sam: Zum Bleistift wo sich Stammsitz und Nachschubdepot der Firma Omarenko, Kinder en gro und en detail befinden: General Bastiani.

    Jonas: Bastiani.

    Sam: Was du mein wonniger Jonas.

    Jonas: Was ist was Sam?

    Sam: General Bastiani ist der Name einer Festung unserer tapferer Grenztruppen, die bekanntlich ohn Unterhos Korrektur ohn Unterlaß das Abendland vor dem Untergang bewahren, sprich vor dem Ansturm hungriger Drittweltler.

    Jonas: Interessant.

    Sam: Es dürfte Herrn Chefinspektor ebenfalls interessieren, daß die Geschäfte der Firma Omarenko weiter ausgreifen als es den Anschein hat, vor allem im Schmuddelbereich.

    Jonas: Schmuddel. Das treffende Wort. Oma Omarenko verkaufte nicht nur Adoptivkinder, Oma belieferte auch die Kinderpornoindustrie und den Pädophilenfreundeskreis, mit Mengenrabatt, Außerdem besorgte und verscherbelte sie kindliche Organspender. Aber was hatte das alles mit unserem Fall zu tun.

    Sam: Beiläufig dieses, o Vater aller dummer Fragen, Klein Kevin junior, Omarenko-Laufnummer D1270-4 ist gar nicht Klein Kevin Junior, er ist vielmehr der Knochenmarkspender, den ein Auftraggeber für 125.000 Euros bestellt und mit 50.000 Euros angezahlt hat. Das ist Megamäuse Boß.

    Jonas: Du sagt es Sammy. Wer ist der Auftraggeber?

    Sam: Ein mit Chiffre C. gekennzeichnetes anonymes Individuum mein Gutester.

    Jonas: So. Wieso ist der teure Knochenmarkspender als preiswertes Adoptivkind bei Kleins gelandet. Ein Versehen?

    Sam: Mal sehen, äh mag sein, Meister, doch könnte nicht auch der Geist der nahen Weihnacht Omarenkos Ladenschwengel zu einem bewußten Akt des Mitleids veranlaßt haben, um das Kind vor einer kurzen aber schmerzhaften Existenz als Transplantationsopfer zu bewahren.

    Jonas: Wie auch immer Sam, die Omarenko hat versucht, den Kleins das Kind abzuschwatzen, als das nicht klappte, hat sie sich bei Ex und Hopp ein paar Vollstrecker gemietet, und die haben den Kleins das Kind weggenommen.

    Val: Warum Jonas? Ich meine wozu der Aufwand. Warum hat Oma ihrem Auftraggeber nicht irgendein anderes Kind besorgt.

    Sam: Null Ahnung von Medizin, was Gnädigste. Irgendein Kind tut es mit Nichten und Neffen. Von wegen Histokompatibilität... Antigeneabstoßung. Comprende.

    Val: Kein Wort Sam.

    Sam: Aha, qui sporidi ruski.

    Val: Tanjaschnor.

    Jonas: Von allen Kindern, die Oma zur Verfügung hatte, kam als kompatibler Knochenmarkspender in diesem Fall nur dieses eine in Frage. Richtig so.

    Sam: Grünau.

    Val: Und wo ist das Kind jetzt.

    Jonas: Beim Auftraggeber vermutlich.

    Val: OK alles klar.

    Jonas: Bis auf ein paar Kleinigkeiten. Wer ist der Auftraggeber, wer hat den Angestellten umgebracht und warum. Weshalb ist Ex und Hopp immer noch aktiv.

    Val: Und wo steckt Oma Omarenko.

    Jonas: Sie hat ihre Daten gelöscht und ist untergetaucht und ich glaube ich weiß wo.

    Val: Wollen wir ihr nach, Jonas.

    Jonas: Unbedingt, weil wir nur über sie weiterkommen, aber das macht Jonas besser allein. Du wirst hier gebracht, Val, die kleinen Scheißer müssen versorgt werden, bring sie zur nächsten Sozialstation und dann gehst du zu Kleins und wartest auf mich.

    Jonas: Jonas flog von Babylon nach Murnau, nicht weit von der Grenze. Und da mietete er ein E-Mobil. Alles aus eigener Tasche, aus der eisernen Reserve, so ist Jonas nun mal, was er anfängt, zieht er durch.

    Sam: Unbeirrbar, unerschütterbar unerbitterlich, in einem Wort, in einer Silbe stur, stur wie ein Panzer.

    Jonas: Wie Sam Spade, wie Phil Marlowe.

    Sam: Ein Mann geht den Weg, den ein Mann gehen muß. Bis ans Ende. Allien äh Korrektur allein.

    Jonas: Chandler.

    Sam: Ne, Sam, nicht schlecht was, hätte gut von Chandler sein können. Achtung, Fort General Bastiani voraus.

    Jonas: Kilometerweit rechteckige Klötze, Kasernen im beliebten 08/15-Stil, daneben vorfabrizierte Plastikschuppen, weit hinten am Horizont ein dunkler Streifen, die Grenze. Sperranlagen, Stacheldraht und die gewaltige Mauer. Ich fragte mich durch zum Dienstzimmer des Medienoffiziers. Jonas war Medienarbeiter, Researcher, für Supermedia Holo TV. Papiere und Identscheibe hatte Sam fabriziert, eine seiner leichteren Übungen.

    Medienoffizier: In Ordnung, Herr Jonathan.

    Jonas: Jonas.

    Medienoffizier: Sie kommen allein klar. Leider kann ich mich kaum um Sie kümmern, unsere große Weihnachtsfeier, wissen Sie, alle im Fort haben mit den Vorbereitungen zu tun, bis auf die Grenzstreife natürlich.

    Jonas: Ich werde mich schon zurechtfinden.

    Medienoffizier: Bestens. Sie dürfen sich im Fort frei bewegen, sich umsehen, ihre Recherchen durchführen. Apropos, warum geht's da eigentlich. Was hat Supermedia vor?

    Jonas: Unter uns. Wir planen eine große Holodoku über den verantwortungsvollen Dienst der Grenztruppen. Europas Bollwerk auf Wacht, während die anderen schlafen, so etwa.

    Medienoffizier: Klingt gut, na dann viel Erfolg, Herr Jonathan. Falls Sie länger bleiben wollen, unser Gästetrakt steht zu Ihrer Verfügung.

    Jonas: In den Kasernen war Platz für 30.000 Grenzer. Falls die Drittweltler wieder einen großen Durchbruch versuchen sollten. Außerhalb der Kasernen gab es Läden, ein Bordell und Kneipen. Was der Mensch so braucht. Olga Omarenko fand Jonas nicht, statt dessen fand er Schieber, Nutten, einen geschwätzigen Wirt. Und überteuerten Synthwhisky.

    Wirt: 20 Euros.

    Jonas: Die Flasche?

    Wirt: Haha, das Glas.

    Jonas: Fröhliche Weihnachten.

    Wirt: Wie gefällt Ihnen der General Bastiani Chor?

    Jonas: Umwerfend. Olga Omarenko. Kennen Sie die?

    Wirt: Klar kenn ich Oma. Jeder im Fort Bastiani kennt Oma, sehr beliebt, bringt Geld unter die Leute, was wollen Sie von Oma?

    Jonas: Ich hab was mit ihr zu besprechen, geschäftlich.

    Wirt: Ich frage nur, weil Sie nicht der erste sind, der sich heute nach ihr erkundigt, vor ner Stunde waren ein paar Weihnachtsmänner hier mit nem Laster.

    Jonas: Und die haben nach Oma gefragt.

    Wirt: Ja. Wollten wissen, wo sie sie finden können.

    Jonas: Haben Sie's ihr gesagt.

    Wirt: An der Grenze, Kontrollzone 7 mit der Streife, Oma ist oft mit der Streife unterwegs, damit sie die Ware gleich an der Quelle begutachten kann.

    Jonas: Was für Ware?

    Wirt: Na die Kinder, die sich durchschleichen.

    Jonas: Die kauft Oma, von den Grenzern.

    Wirt: Fragen Sie sie selbst, ich hab zu tun und ich weiß gar nichts.

    Jonas: Ich hatte eine Karte vom Grenzbezirk. Der Medienoffizier war so freundlich gewesen. Damit arbeitete ich mich vor. Die Mauer am Horizont wurde höher, immer höher, ihr gigantischer Schatten legte sich über das Grenzgebiet, über Babylon, über ganz Europa. Die Mauer war neu, sonst sah die Gegend aus wie früher, als sie noch Niemandsland hieß, wüst und leer, Stilleben mit Ruinen. Wann war Jonas zuletzt hier gewesen.

    Sam: Präzis im August 2010 euer Vergeßlichkeit.

    Jonas: Vor dreieinhalb Jahren Sammy. Inzwischen ist eine Menge passiert.

    Sam: Anfall Chef und Überfall.

    Jonas: Anfall Überfall, was soll das heißen Sam.

    Sam: Fall an Fall, Fall über Fall, ein Witz.

    Jonas: Haha, Durchfall, verbaler Durchfall, das ist das, was du hast Sam.

    Sam: Nanana. Trouble is waiting, Captian.

    Jonas: Hinter dem Hügel, direkt an der Mauer.

    Sam: Vorschlag zur Güte: Anhalten, aussteigen und ganz vorsichtig weiterkrauchen.

    Jonas: Bis auf den Hügel. Ich hob den Kopf hinter einem großen Stein, langsam, und was sah ich unten: Eine offene Klappe in der Mauer, davor im Halbkreis die Grenzstreife, 12 Mann, am Boden lagen etwa 20 Drittweltler, Frauen und Männer, tot, dazwischen ein paar Kinder, lebendig und laut, und eine stämmige Frau in farbiger Folklore, munter und geschäftig. Das mußte Oma Omarenko sein.

    Omarenko: 3,4,5,6. 6 Kinder, Leutnant.

    Leutnant: Macht 300 Euros.

    Omarenko: Moment, 250, Oma kann nicht gebrauchen den da, zu alt, hat schiefes Bein.

    Leutnant: Abschießen. So, macht das Loch in der Mauer wieder zu, heute kommt doch keiner mehr.

    Weihnachtsmann: Weihnachtlich glänzet der Wand, freue dich...

    Jonas: Ein roter E-Kleinlaster, auf der Ladefläche 6 rote Weihnachtsmänner, der Laster hält, die Weihnachtsmänner springen ab, sie strahlen und winken, und rufen fröhliche Weihnachten, die Grenzer winken zurück und lassen die Hände gleich oben, weil die Weihnachtsmänner plötzlich Laserstrahler aus den Manteltaschen ziehen. Profikiller von Ex und Hopp.

    Leutnant: Hey, die Grenztruppen im aktiven Dienst mit der Waffe zu bedrohen ist streng verboten. Stecken Sie Ihre Laser weg.

    Weihnachtsmann: Regen Sie sich ab, Leutnant, Ihnen und Ihren Leuten tun wir nicht. Wir wollen bloß Oma. Wir haben Auftrag sie ein bißchen totzuschießen. Gehen Sie aus dem Weg, dann passiert Ihnen nichts.

    Leutnant: Sie werden hier niemanden totschießen, schon gar nicht Frau Omarenko, sie steht unter unsrem Schutz.

    Weihnachtsmann: Wenn Sie das so sehen, Leutnant, Feuer.

    Jonas: Harte Sitten im Grenzgebiet, und lockere Laser. Jetzt lagen auch die Grenzer auf der Erde neben den Drittweltlern, die sie eben erst erschossen haben. Olga Omarenko lebte noch, sie bückte sich, versuchte eine Waffe aufzuheben, aber der Oberweihnachtsmann hatte was dagegen.

    Omarenko: Au, meine Hand tut weh.

    Weihnachtsmann: Machen Sie sich nichts draus, Oma, in ein paar Sekunden tut ihnen nichts mehr weh. Garantiert.

    Omarenko: Was Sie wollen, Oma hat Vertrag mit Ex und Hopp wir Partner Täubchen.

    Weihnachtsmann: Keine Partner, Oma. Der Vertrag ist abgelaufen, Ihr werter Geschäftsfreund ist für Sie eingestiegen, und der bezahlt uns eine Menge, wenn wir Sie umlegen.

    Omarenko: Väterchen Conrad Coburg, aber warum, Oma hat ihm geliefert Kind mit Knochenmark für sein Söhnchen, war nicht leicht, Täubchen, gar nicht leicht.

    Weihnachtsmann: Sie haben versucht, Coburg ein bißchen zu erpressen, um den Preis hochzudrücken, darum Oma. Coburg hat nicht gegen Sie als Mensch, aber Sie sind im Stande, ihn bloßzustellen, das kann er sich nicht leisten als prominente Persönlichkeit und professioneller Kinderfreund. Nehmen Sie's nicht tragisch, Oma, Sie können zufrieden abtreten, ein erfülltes Leben liegt hinter Ihnen, viele tausend tote Drittweltler, viele tausend verhökerte Kinder, ist doch was. Also dann.

    Omarenko: Wir machen neue Vertrag, Karatscho, Oma wird bezahlen. Ah.

    Jonas: Abgang Olga Omarenko. Genannt Oma. Kinderhändlerin, keine nette Person, die Weihnachtsmänner schnitten ihr den Kopf ab, und packten ihn in eine Kühlbox als Beweis für ihren Auftraggeber, dann bestiegen sie ihren Laster und verschwanden in einer Staubwolke mit weihnachtlichem Gesang. Zurück blieben diverse Leichen, 5 heulende Kinder und Jonas.

    Sam: Und Sam.

    Jonas: Wie konnte ich dich vergessen, geliebtester Computer meiner Seele.

    Sam: Ah von wannen diese ungewohnten Töne mein Jonas, ist dir die Ballerei an die Nieren gegangen, kein Wunder, laut, blutig, schlimmer als die Karl May Festspiele.

    Jonas: Sei du froh daß du keine hast.

    Sam: Was.

    Jonas: Keine Nieren meine ich.

    Sam: Nobody ist perfekt.

    Jonas: So hat die Omarenko sich also ihre Waren besorgt, die Kinder die sie in Babylon verkauft hat. Die Grenze machen ein Loch in der Mauer auf, lassen eine Gruppe Drittweltler durch, bringen die Erwachsenen um.

    Sam: Und die Kinder kriegt Oma jaja zum bescheidenen Stückpreis von 50 Euros.

    Jonas: Hat sie gekriegt, Sammy, jetzt haben wir sie, die fünf kleinen Heuler da unten. Was machen wir damit. An der Grenze gibts keine Sozialstation.

    Sam: Hier lassen, Augen zu und weg, nein nein, ist nicht drin, du Wohltäter der Menschheit. Wir nehmen sie mit, jawohl, aber nur bis zum Fort, sollen die Grenzer sich drum kümmern.

    Jonas: Da seh ich schwarz, Sammy.

    Sam: Wieso?

    Jonas: Weißt du was, wir geben Sie im Bordell ab.

    Sam: Bravo Commandore, wie alle Welt weiß haben die dort tätigen Damen Herzen aus purem Gold, ja, da wird's ihnen gut gehen den kleinen Scheißern.

    Jonas: Amen. Von der Festung General Bastiani fuhr Jonas schnell weiter nach Murnau und stieg in den nächsten Flieger nach Babylon, bloß weg, bevor es Ärger gab, und den würde es geben, sobald jemand über die Leichen an der Mauer stolperte.

    Sam: Piep. Geruhen mein Herr und Meister zu schlafen.

    Jonas: Ich denke nach Sammy.

    Sam: Er denkt, o Wunder.

    Jonas: Und du kannst mir dabei helfen.

    Sam: Machen wir doch glatt. Ein Mensch allein, was kann das schon sein. Chaos Herr Oberkirchenrat, Tohu und Bohu, Kraut und Rüben, Omi und Opi.

    Jonas: Conrad und Coburg. Wer ist Conrad Coburg Sammy?

    Sam: Na schauen wir mal. Erstens Geschäftsfreund von Frau Omarenko selig.

    Jonas: Ist bekannt.

    Sam: Zwotens: prominente Persönlichkeit und professioneller Kinderfreund.

    Jonas: Auch bekannt, Sam, wenn du nichts neues zu bieten hast.

    Sam: Drittens: weithin geschätzter und beliebter Holoclown.

    Jonas: Aha. Conrad Coburg. Co-Co. Coco!

    Sam: Mit dem goldenen Herzen.

    Jonas: Der Weihnachtssülzer.

    Sam: Eben dieser und kein anderer euer Ehren. In diesem Zusammenhang dürfte wohl eine kürzliche Meldung einschlägiger Medien von gewissem Belang sein, daß nämlich besagter Conrad Coburg alias Coco einen etwa 2-jährigen Sohn, Costa mit Namen sein eigen nennt, welcher ganz plötzlich von der bösen akuten Leukämie daniedergestreckt wurde.

    Jonas: Sieh mal an. Jetzt paßte alles zusammen. Das Puzzle war gelöst. Der Fall war klar.

    Sam: Klar wie Knödelsuppe. Wie Knochenmarkslösung.

    Jonas: Conrad Coburg braucht für seinen Sohn einen histokompatiblen Knochenmarkspender, er geht zu Oma.

    Sam: Ja.

    Jonas: Oma sucht.

    Sam: Ja.

    Jonas: Oma findet.

    Sam: Und was geschieht? Aus irgendeinem Grunde landet das für Coburg bestimmte Kindlein bei den Kleins.

    Jonas: Oma läßt es kidnappen und liefert es bei Coburg ab.

    Sam: Ja, und dabei kommt sie auf die Idee, ihren Auftraggeber unter Druck zu setzen, um einen höheren Preis rauszuschinden, hätte sie lieber lassen sollen, die gierige Großmutter, denn Herr Kollege.

    Jonas: Coburg wird sauer.

    Sam: Ja.

    Jonas: Ihm wird klar, wie gefährlich die Sache für ihn werden kann.

    Sam: Coco mit dem goldenen Herzen, Holopersonality, geliebt von allen Kindern in und um Babypsilon, kauft heimlich ein Drittweltkind, um es gnadenlos auszuschlachten. Pfui Teufel, so geht's ja wirklich nicht, meine Damen und Herren, liebe Kinder, hochverpupptes Ehrlikum.

    Jonas: Coburg muß handeln, und was tut der Herr Kollege?

    Sam: Jaja er beauftragt Ex und Hopp, alle Beteiligten zu beseitigen, zu liquidieren, auszuradieren, zum Schweigen bzw. um die Ecke zu bringen zu killen, abzumurksen.

    Jonas: Oma. Ihren Angestellten.

    Sam: Ja. Und was Herr Kollege ist mit Ramona und Kevin Klein.

    Jonas: Ja was war mit den Kleins. Ich machte mir Sorgen. Zu recht. Am frühen Morgen kam Jonas nach Hause, und da stand sie, vor der Tür des Büroapartments und wartete, Valerie. Nur Valerie, die letzte Detektiv. Die allerletzte.

    Val: Ich brauch dringend was zu trinken, Jonas.

    Jonas: Bürowhisky?

    Val: Na wenn du nichts Besseres hast.

    Jonas: Wollten wir uns nicht bei den Kleins treffen.

    Val: Kleins sind tot. Laserstrahler, gestern abend hab ich sie gefunden. Was jetzt Jonas, wir haben keine Klienten mehr. Der Fall hat sich erledigt.

    Jonas: Nicht ganz, Val. Wir haben Kevin Junior noch nicht gefunden, das müssen wir tun, das sind wir den Kleins schuldig und uns selbst auch.

    Val: Wenn du meinst. Wo willst du anfangen zu suchen.

    Jonas: Da wo er steckt Val.

    Val: Und das weißt du.

    Jonas: Das weiß ich. Sammy?

    Sam: Gnädiger Herr wünschen.

    Jonas: Coburgs Adresse.

    Sam: Piep. Im allgemein zugänglichen Bürgerverzeichnis nicht zu finden Sir.

    Jonas: Na und, dann sieh in die nicht zugängliche Liste der Geheimadressen. Oder kannst du das nicht.

    Sam: Eine derart dümmliche Unterstellung vermag Sam nicht einmal ein müdes Lächeln zu entlocken. Hehe. Piep. Conrad Coburg ist seß- und wohnhaft am Schwanensee bei Tschaikowski. Wo die feinen Häuser pinkeln, Korrektur wo die feinen Pinkel hausen, die reichen Schweine.

    Val: Wer ist Coburg, Jonas.

    Jonas: Erzähl ich dir unterwegs Val.

    Sam: Erlaube mir den bescheidenen Hinweis, Sir, daß es nicht gänzlich unproblematisch sein dürfte, Sir, zu besagtem Coburg vorzudringen, Sir.

    Jonas: Da wird sich schon was finden Sammy.

    Sam: Erlaube mir ferner den Hinweis, daß es nicht geraten erscheint, Sir, dies Haus auf dem üblichen oder auch direktem Weg zu verlassen, Sir. Weihnachtsmänner vor dem Tor, Sir, von draußen vom Schwanensee da kommen sie her.

    Jonas: Tatsächlich. Die müssen dir gefolgt sein, Val. Von Kleins aus.

    Val: Ich hab nichts gemerkt.

    Jonas: Das hätte mich auch gewundert. Also durch den Notausgang.

    Sam: Kellerzwischentür, Kellernebenhaus, Hintertür.

    Val: Und dann?

    Jonas: Auf zu Coburg.

    Sam: Hallali Safari. Vom Himmel hoch da komm ich her.

    Jonas: Zuerst machten wir einen kleinen Abstecher, was besorgen, umziehen, das dauerte ein bißchen. Drei Stunden später standen zwei Weihnachtsmänner vor Coburgs Tür. Korrektur: ein Weihnachtsmann und eine Weihnachtsfrau, rote Mützen ins Gesicht gezogen. Rote Mantelkragen hochgeschlagen. Die Frau drückte auf den Klingelknopf, der Mann hielt eine Visitenkarte vor das Scannerauge. Nick Bazooka stand darauf. Firma Ex und Hopp. Die Tür ging auf. Weihnachtsmann und Weihnachtsfrau traten ein.

    Val: Schick die Hütte.

    Sam: Alles sauber, Boss. Nur ein Mensch im Haus. Keine Waffen.

    Jonas: Personal?

    Sam: Elektronisch. Automatisch. Nicht blöd der Coburg. Roboservants tun was man ihnen sagt, ruhen sich nicht aus, nehmen keinen Urlaub, werden nicht krank so wie du Rotzlöffel.

    Jonas: Und wenn sie stören, werden sie einfach abgeschaltet, klar Sammy?

    Sam: Klar Boss. Nur ein Wort und das System liegt lahm. Kein Problem für Sam, Sam den Hacker, den Knäcker, den Racker, den Kacker, ach ne der Kacker bist du.

    Coburg: Was soll das? Keine Hausbesuche, das habe ich ihnen ausdrücklich gesagt. Sie kompromittieren mich.

    Jonas: Das tut uns aber schrecklich leid, Herr Coburg.

    Coburg: Was wollen Sie denn?

    Jonas: Das Kind.

    Coburg: Was?

    Val: Den kleinen Drittweltler, den sie bei Olga Omarenko gekauft haben.

    Coburg: Sie, Sie sind nicht von Ex und Hopp.

    Jonas: Sehr richtig, Herr Coburg, wir haben gelogen, damit Sie uns reinlassen, wir sind überhaupt zwei rücksichtslose und gefährliche Typen. Wo ist das Kind.

    Coburg: Ich weiß nicht, wovon Sie reden.

    Jonas: Er wußte es dann doch. Als wir ihm zwei entsicherte Laserstrahler unter die Nase hielten, er fing an zu schwitzen, versuchte zu verhandeln. Aber Jonas ließ sich auf nichts ein. Coburg gab auf und ging voran, ins Untergeschoß, in ein Krankenzimmer, hell, sauber, bestens ausgestattet, Robodoc und Robonurse standen in Bereitschaft, Maschinen summten und piepten, dazwischen zwei kleine Betten. In einem ein etwa zweijähriges Kind, blaß, völlig kahl, es schlief und warf sich dabei unruhig hin und her.

    Coburg: Mein Sohn, mein Sohn Costa, er hat Leukämie, akute lymphatische Leukämie, die Chemotherapie hat ihm nicht geholfen, nur die Transplantation kann ihn retten, die Knochenmarktransplantation, verstehen Sie, darum.

    Jonas: Im zweiten Bett, das ist Kevin Junior, der Junge aus der Drittwelt.

    Coburg: Ja, der Knochenmarkspender. Sie haben ja keine Ahnung, wie schwierig es ist, ein histokompatibles Kind zu finden, damit das transplantierte Gewebe nicht gleich wieder abgestoßen wird, das ist sehr sehr schwierig.

    Val: Was ist mit ihm los. Warum rührt er sich nicht.

    Coburg: Er ist, ich meine, wir haben ihn nun ja in ein Koma versetzt.

    Jonas: Was heißt das, ist er tot?

    Coburg: Nicht direkt. Sehen Sie, er atmet.

    Sam: So, aber sein Hirn arbeitet nimmer, Herr Medizinalrat, und es wird auch nimmer arbeiten. Kein Hirnstrom, kein Lebenszeichen.

    Jonas: Der Junge ist also hirntot.

    Sam: Hirntot ist tot, Herr Oberstabsarzt, tot wie ein Sargnagel, toter geht das nicht.

    Val: Sie haben das Kind umgebracht Coburg.

    Coburg: Gott, was heißt umgebracht, so ist es einfach praktischer, das Material bleibt länger frisch, länger transplantationsfähig, und der Spender ist ruhiggestellt. Er wäre sowieso draufgegangen. Mein Sohn braucht sehr viel Knochenmark in kurzer Zeit.

    Jonas: Schalt ab, Sam.

    Sam: Kevin Junior?

    Jonas: Natürlich Kevin Junior. Stop die Maschinen, die ihn künstlich am Leben erhalten, laß ihn sterben.

    Sam: Zu Befehl. Piep.

    Coburg: Nein, mein Sohn, mein Costa. Wenn die Transplantation nicht weiterläuft, stirbt er. Wo soll ich so schnell einen neuen Spender herkriegen.

    Jonas: Wie wär's denn mit ihnen selbst, Coburg, als leiblicher Vater sind Sie automatisch histokompatibel.

    Coburg: Das steh ich nicht durch, bei der Menge Knochenmark, die Costa braucht.

    Jonas: Ihre Entscheidung Coburg. Vielleicht fällt Sie Ihnen leichter, wenn Sie sich klarmachen, daß Sie sowieso schon tot sind, so gut wie. Sie kommen vor Gericht, die Medien werden Sie in der Luft zerreißen, Ihren Job werden Sie los, kein Kind wird Sie noch sehen wollen. Dafür werden wir sorgen.

    Coburg: Das... Sie wollen mich anzeigen.

    Jonas: Das ist nicht nötig Coburg. Wir stecken die Geschichte ihrem größten Konkurrenten.

    Val: Peter Pelican, Pepe mit der roten Nase, Holoclown bei Supermedia.

    Jonas: Und kommen Sie nicht auf den Gedanken, uns Ihre Ex und Hopper auf den Hals zu hetzen.

    Val: Mit denen werden wir ganz fertig. Was Jonas?

    Jonas: Aber sicher Val. Wenn sie ein bißchen Anstand und Mut haben, Coburg, dann retten Sie ihrem Sohn das Leben, Sie selbst sind nicht mehr zu retten. Komm Val.

    Sam: Und noch recht fröhliche Weihnachten allerseits. Es ist ein Roß entsprungen, wo will das Pferd bloß hin...

    Das war Weihnachtsmärchen. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Außerdem hörten Sie: Ilse Neubauer, Ellen Schwiers, Simone Solga, Peter Fricke, Michael Hinz und andere (Hubert Mulzer, Werner Haindl, Timo Dierkes, Klaus Neumann, Friedrich Schloffer). Ton und Technik: Daniela Röder und Günter Heß. Assistenz: Holger Buck. Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks aus dem Jahr 1995. Redaktion Erwin Weigel.

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:48 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Ufo

    Sam: Er stand auf seines Daches Zinnen und schaute mit trübem Sinnen auf Babypsilon, die große Stadt.

    Jonas: Die Sicht aus meinem Fenster im 16. Stock war gut. Ausnahmsweise. Klar und scharf lag das nächtliche Babylon unter mir. Ein riesiger Flickenteppich. Im Westen die Ghettos der Reichen, in gedämpftes Goldgelb. Ruhig. Gediegen. Grell und aufdringlich das Zentrum, das Amüsierviertel, knallbunt flackernd. Strahlend weiß die geballten Hochhäuser der Wirtschaft. Steif und steril. Dazwischen in unregelmäßigem Hell-dunkel die normalen Wohnbezirke. Im Südosten ein großes schwarzes Loch: Das Reservat. Rundum, am Horizont die Wildnis, eine dauernde dunkle Drohung. Darüber, als heller Kontrapunkt: ein Ufo, ein rotierender Diskus mit zahllosen Fenstern. Langsam zog es dahin. Unbeirrbar. Unerschütterlich. Unergründlich.

    Sam: Unerträglich.

    Jonas: Das Ufo?

    Sam: Ach Quatsch, deine melancholische Fensterschau, dein poetisches Geplapperlaber, du Hemingway für Arme.

    Jonas: Wer ist Hemingway, Sammy?

    Sam: Was juckt uns Hemingway, was juckt uns das Ufo, das gondelt doch schon seit Wochen jeden Abend über Babylon herum. Laß grübeln und glotzen, hinweg mit dem Trübsinn, mach dir ein paar schöne Stunden, Kumpel, geh ins Casablanca.

    Jonas: OK. Aber das half auch nichts. Die Stimmung blieb mies. Und das Ufo, die Drohung, die Dunkelheit, alles das wartete schon auf Jonas. Im Casablanca. Ich kriegte es nur nicht gleich mit. Zuerst war da nur die Frau, an meinem Tisch, auf meinem Platz.

    Jacob: Sie wartet auf dich, Jonas.

    Jonas: Soll sie, ich bin nicht da, ihr Pech.

    Jacob: Hier ist er, Frau Delamotte.

    Jonas: Halts Maul, Jacob, ich bin nicht in Stimmung.

    Delamotte: Jonas?

    Jacob: Jonas, in Lebensgröße.

    Jonas: Schöner Freund bist du.

    Jacob: Ich bin kein Freund, ich bin Gastwirt.

    Jonas: Sie war Ende vierzig. Gut angezogen, grau und dunkelblau, höheres Management dachte ich, oder öffentlicher Dienst. Ich ging rüber zu ihr. Lust hatte ich nicht.

    Delamotte: Setzen Sie sich. Was trinken Sie?

    Jonas: Whisky, Jacob, aber nicht den aus Singapur.

    Delamotte: Sie sind also der Detektiv.

    Jonas: Der letzte. Der absolut total allerletzte. Wenn Sie mir einen Auftrag geben, tun Sie's auf eigene Gefahr.

    Delamotte: Sie haben seltsame Art für sich zu werben. Was kosten Sie?

    Jonas: 120 Euros pro Tag und Spesen und eine Zulage, wenn ich raus muß aus Babylon. Muß ich?

    Delamotte: Ich glaub schon.

    Jonas: Wohin?

    Delamotte: In die Wildnis.

    Jonas: 200 pro Tag. Sie können sich das leisten, das sehe ich Ihnen an. Was soll ich tun?

    Delamotte: Jemanden suchen und finden wenn möglich.

    Jonas: Wen?

    Sam: Lalü lala. Tatü Tata. Alarm. Es brennt. Lichterloh, feurio. Loriot. Halt stopp, denk weiter.

    Delamotte: Sam nehm ich an.

    Jonas: Sie kennen Sam?

    Delamotte: Wer kennt ihn nicht.

    Sam: Ha. Hast du gehört, meitabbelige Gallenblase. Mir san hin und hergerissen, gnädige Frau, charmo charmo Küß eahna die Hand.

    Jonas: Mein Computer. Klein aber laut. Gefüttert mit sämtlichen Sprachprogrammen, die es gibt. Die es nicht gibt, hat er sich selbst beigebracht. Sam. Auch Sammy. Selten Samuel. Wegen Casablanca. Den Film meine ich, nicht meine Stammkneipe. As time goes by. Sam ist mein elektronischer Begleiter. Mein Schlappenschamois. Meine nützliche Nervensäge.

    Sam: Teuerste sehen mal wieder ganz extraordinär entzückend aus.

    Delamotte: Danke.

    Sam: Aber dennoch dessen ungeachtet und nichts desto trotz, erstmal wird geklärt, wer Sie sind. In dem daß wir bislang noch nicht das Vergnügen Ihrer geschätzten Bekanntschaft genaßen. äh genießen. Hatschi. Danke. Genossen. Feste Regel im Hause Jonas. Also dann mal los verehrteste. Hosen runter.

    Jonas: Wer sind Sie?

    Delamotte: Delamotte ist mein Name. Audrey Delamotte, ich arbeite im Amt für Medien und Öffentlichkeitsarbeit als Staatsrätin.

    Jonas: Alles klar, also, fangen wir nochmal an, Frau Delamotte. Wen soll ich suchen?

    Delamotte: Einen Mann namens Adam Stiller.

    Sam: Schiller?

    Delamotte: Sagt Ihnen der Name was?

    Jonas: Stiller?

    Sam: Schiller?

    Jonas: Stiller?

    Sam: Stiller?

    Jonas: Nein.

    Sam: Nein.

    Delamotte: Schriftsteller. Buchautor genauer gesagt. Das hier hat er geschrieben:

    Jonas: Sie kommen aus dem Kosmos – das Geheimnis der Ufos. Kenn ich nicht.

    Delamotte: Sie machen sich wohl nichts aus Büchern, Jonas.

    Sam: Ich auch nicht.

    Delamotte: Wie die meisten in Babylon.

    Sam: Jaja.

    Jonas: Falsch. Jonas ist Nostalgiker. Jonas kauft und liest Bücher. Krimis aus dem 20. Jahrhundert. Science-Fiction interessiert mich nicht. Und genau sowas hatte Adam Stiller geschrieben. SF-Romane, Sachbücher über Ufos, fliegende Untertassen, Raumschiffe aus fernen Welten, ein Thema, das ihn faszinierte.

    Delamotte: Das war vor etwa 20 Jahren in den 90ern, ich war damals Lektorin in einem kleinen Buchverlag Sense of Wonder. Stiller schrieb für uns, kompetent, fleißig, manchmal inspiriert, und immer erfolglos. Wie der ganze Verlag. Bücher waren schon zu dieser Zeit kein Geschäft mehr, und darum ging der Verlag in Konkurs, 1998, vor 15 Jahren, Stiller war da 60, er konnte und wollte nicht noch mal von vorn anfangen.

    Jonas: Was hat er gemacht?

    Delamotte: Er ist ausgestiegen, aus Babylon verschwunden, untergetaucht.

    Jonas: Und Sie, Frau Delamotte.

    Delamotte: Ich, ich hab mir was Neues gesucht, und bin im Amt für Medien und Öffentlichkeitsarbeit gelandet.

    Jonas: Wo Sie's zu was gebracht haben. Schön für Sie. Was wollen Sie jetzt nach 15 Jahren von Stiller, warum suchen Sie ihn.

    Delamotte: Warum? Weil seine Zeit gekommen ist, seine Bücher sollten neu aufgelegt werden, heute hätten sie Erfolg.

    Jonas: Vermutlich, und was hätten Sie davon.

    Delamotte: Ich kenne Stiller, ich würde ihm helfen, ihn managen.

    Jonas: 20 %.

    Delamotte: Eher 25. Stiller und ich, wir würden ganz groß mitschwimmen auf der Ufowelle.

    Jonas: Das klang plausibel. Vor einem Vierteljahr hatte sie angefangen, die UFO-Welle, die UFO-Schwemme, der UFO-Wahn. Seltsame Erscheinungen tauchten am Himmel auf. Rätselhafte Objekte. Mysteriöse Flugkörper. Scheibenförmig, hell und strahlend. Immer mehr. Immer öfter. Waren es außerirdische Raumschiffe? Bald flogen die Ufos nicht nur, sie landeten, ab und zu, weit draußen, unter Ausschluß der Öffentlichkeit, Menschen die mitgenommen und dann freigelassen wurden, erzählten Wunderdinge, und Wunderdinge verhießen auch die Funksprüche, die vom Himmel kamen: Hoffnung, Frieden, Lösung aller Probleme, ganz Babylon war im UFO-Fieber, Ufokulte hatten gewaltigen Zulauf, alles andere war uninteressant geworden, es gab nur ein Thema: die Ufos.

    Delamotte: Was halten Sie von den Ufos, Jonas.

    Jonas: Ich, ich halt mich raus. Bleiben wir bei Adam Stiller, er ist jetzt wie alt?

    Sam: 75, du Schlunzpiepe.

    Jonas: Falls er noch lebt.

    Delamotte: Das hoffe ich. Sie werden es feststellen, Herr Jonas, Sie werden ihn aufspüren und zu mir bringen.

    Jonas: Wenn ich ihn finde und wenn er will. Warum nicht in der Wildnis, warum nicht sagen wir im Reservat.

    Delamotte: Fürs Reservat ist er nicht der Typ, ich bin ganz sicher, er steckt in der Wildnis.

    Jonas: Sie müssen's wissen, Frau Delamotte, es ist ihr Geld. Apropos.

    Delamotte: Sie brauchen eine Anzahlung nehm ich an. 500 Euros in bar, ist das genug.

    Sam: Es ist genug. Es ist nie genug. Es ist nie genug.

    Jonas: Mein Fon klingelte, als ich aus dem Lift stieg, ich ging durch den Korridor, suchte den Schlüssel, schloß auf, ich hatte es nicht eilig, das Fon hörte auf zu klingeln: Gut so. Eine Minute später fing es wieder an. Laut und beharrlich. Jemand mußte große Sehnsucht nach Jonas haben.

    Jonas: Jonas, nur Jonas, was ist.

    Maid: Hier spricht der hohe Tempel der druidisch-kosmologischen Kirche, seine Mysteriosität, Erzdruide Fingal, wünscht eine Unterredung mit Ihnen.

    Jonas: So, dann soll er doch mal vorbeikommen ihr Erzdruide, vielleicht übermorgen.

    Maid: Ich bitte Sie, Herr Jonas, Sie werden kommen zum hohen Tempel, sogleich.

    Jonas: Jetzt, 5 Minuten vor Mitternacht.

    Maid: Auf der Stelle, Herr Jonas, sofern Ihnen an einem einträglichen Auftrag gelegen ist.

    Jonas: Sam?

    Sam: Anruf genuin, Chef.

    Jonas: Tja, so ist das, wochenlang will kein Schwein was von Jonas, und jetzt rennen sie mir die Bude ein.

    Sam: Beziehungsweise zitieren euer Willfährigkeit ins Haus.

    Jonas: In den Tempel, Sam. Adresse.

    Sam: Yes.

    Jonas: Die druidisch-kosmologische Kirche war einer der neuen Ufokulte, der größte und offensichtlich lukrativste. Der hohe Tempel erwies sich als Prachtbau in bester Lage in einer Nebenstraße des Markgrafenboulevard, zwei bewaffnete Türsteher fragten nach meinem Namen, ließen mich durch, ein kahles Foyer, eine zweite Tür, ich stand in einem großen runden Raum unter einer hohen Kuppel, spärliches Licht aus unsichtbarer Quelle, aus unsichtbaren Lautsprechern Sphärenmusik, auf dem nachtblauen Hintergrund von Wänden und Kuppel tanzten helle Kreise in komplizierter Choreographie, plötzlich ein helles Rechteck, ganz hinten war eine Tür aufgegangen, eine Gestalt in einem langen weißen Hemd wandelte mir entgegen.

    Maid: Der hohe Tempel entbietet ihnen durch mich seinen Willkommensgruß, Herr Jonas.

    Jonas: Gleichfalls. Waren Sie die Maid vorhin am Fon. Sind Sie die Sekretärin des Erzdruiden?

    Maid: Ich habe die überaus große Ehre, seiner Mysteriosität als rituelle Opfermaid zu Diensten zu stehen.

    Jonas: Is ja drollig. Interessanter Job?

    Maid: Bitte, Herr Jonas. Seine Mysteriosität erwartet Sie.

    Jonas: Hinter der hellen Tür ein freundlicher kleiner Raum, ein Studio oder Herrenzimmer wie das früher hieß, edel ausgestattet, echt lederne Clubsessel, ein massiver Echtholzschrank, hinter der Echtglastür echte Bücher, und inmitten der teuren Pracht ein Mann, groß, gewichtig, würdevoll, eingewickelt in ein weißes Laken, eine goldene Sichel am Gürtel, im dünnen Haar ein Mistelkranz, in der Hand ein Glas, und im Glas, was roch die Nase des Experten?

    Erzdruide: Ganz recht, Herr Jonas, Uskibeha, wie die alten Kelten sagten, Wasser des Lebens, echter schottischer Maltwhisky, wollen Sie auch einen?

    Jonas: Hm, ehe ich mich schlagen lasse, Hochwürden.

    Erzdruide: Mysteriosissimus ist die mir zustehende Anrede, Herr Jonas.

    Jonas: Mysteriovissimus. Auf ihr Wohl.

    Erzdruide: Mysteriosissimus.

    Jonas: Oder so.

    Erzdruide: Auf ihr Wohl. Auf Teutates und Bedisama, auf die alten Götter, die da zurückkehren aus der Tiefe des Raumes, ihre irregegangenen Kinder zu retten, zum Wohl.

    Jonas: Warum haben Sie mich kommen lassen.

    Erzdruide: Sie sollen ihn ausfindig machen, Herr Jonas, den Vorläufer, den Propheten, der da bereits vor etlichen Jahren uns die Wiederkehr der himmlischen Göttern weissagte, in den erleuchteten Werken, welche Sie hier hinter Glas sehen, Herr Jonas.

    Jonas: Sie kommen aus dem Kosmos.

    Erzdruide: Unter anderem, Herr Jonas.

    Jonas: Adam Stiller.

    Erzdruide: Eben diesen, Herr Jonas.

    Jonas: Sieh mal an. Ein vielbegehrter Typ, dieser Stiller. Jonas dachte kurz nach. Sollte er dem Erzdruiden erzählen, daß er denselben Auftrag schon angenommen hatte? Von Audrey Delamotte. Ich hielt den Mund. Ein kleines bißchen unethisch, möglicherweise, aber es wurde niemand geschädigt. Und einer hatte den Nutzen, Jonas, der kriegte doppeltes Honorar. Und nicht nur das.

    Erzdruide: Nach unseren Erkenntnissen ist Adam Stiller ausgestiegen, wie der volkstümliche Ausdruck lautet, und zwar bereits vor 15 Jahren. Sie werden ihn also womöglich in der Wildnis suchen müssen, Herr Jonas.

    Jonas: Womöglich. Macht 200 Euros pro Tag und Spesen und eine Zulage, weil ich in die Wildnis muß.

    Erzdruide: Die druidisch-kosmologische Kirche brennt vor Verlangen, den Propheten in ihrem Tempel willkommen zu heißen. Sie werden Eifer zeigen, Herr Jonas, Sie werden eilen.

    Jonas: Ich tu, was ich kann, Mysteriovissimus, gleich morgen.

    Erzdruide: Heute, Herr Jonas, wir werden zahlen, um ihr Bemühen tunlichst zu beschleunigen, stellt die Kirche ihnen ein E-Mobil zur Verfügung, Sie werden es vor dem Tor finden, hier ist der Schlüssel.

    Jonas: 5 Stunden später, früher Morgen, ich fuhr durch die Südstadt, raus aus Babylon Richtung Wildnis, es war Platz auf den Straßen, mehr als sonst, keine Penner, keine Obdachlosen, keine Tütenmenschen, verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt, und noch was fiel mir auf: die großen Seniorenanstalten am Stadtrand standen leer, Türen und Fenster mit Brettern vernagelt, seltsam. Aber was ging das Jonas an. Jonas hatte einen Auftrag. Zwei Aufträge. Eden, ein kleiner Ort in der Wildnis, noch dasselbe traurige Nest wie vor 3 Jahren, Fall Spielwiese, egal, Jonas war nur auf der Durchreise, zu drei alten Freunden, Debora, Amos und Obadja. Übrigbleiber, Survivalists, weit draußen in der Wildnis hatten sie sich eine Hütte gebaut, da hausten sie, schlicht und gottesfürchtig, putzten ihre Waffen und warteten auf den großen Knall, nur daß sie jetzt nicht mehr zu dritt waren.

    Debora: Bruder Obadja hat uns verlassen, Bruder Jonas.

    Jonas: Tot, Debora?

    Amos: Schlimmer, er ist zurückgekehrt nach Babylon zu den Fleischtöpfen Ägyptens.

    Sam: Volksrente, Computer, elektrisch Licht und Schnaps aus dem Dipsomaten. Chemnitzluja. Korrektur Halleluja.

    Amos: Ah Brüderchen Samuel.

    Debora: Wie geht's denn kleiner Schreihals.

    Sam: Erlauben Sie Madam, nicht dieser Ton.

    Debora: Och, ist er beleidigt.

    Jonas: Laß ihn, Debora, er wird wieder.

    Amos: Bist du gekommen, um für immer bei uns zu bleiben, Bruder Jonas, denn siehe das Ende der Welt steht vor der Tür.

    Jonas: Schon wieder oder immer noch?

    Debora: Wirklich und wahrhaftig, Bruder Jonas, hebe deine Augen empor zum Himmel und schaue die Vorzeichen der nahenden Schrecknisse.

    Jonas: Die Ufos meinst du.

    Amos: Und auch auf Erden geschieht fürchterliches.

    Jonas: Wem sagst du das Amos.

    Debora: 50 km von hier haben sie ein neues Agrocenter hingestellt.

    Jonas: In die kahle Wildnis.

    Debora: In die Wildnis, wo nichts wächst, jeden Tag und jede Nacht fahren riesige E-Trucks von Babylon ins Center, vollbeladen mit Menschen, und wenn sie zurückfahren sind sie leer.

    Amos: Die große Säuberung hat begonnen, Bruder Jonas, und der Herr gießt aus die Schalen seines Zorns über Gerechte und Ungerechte.

    Jonas: Wie dem auch sei. Wenn morgen die Welt untergeht, wird Jonas noch heute ein Apfelbäumchen pflanzen.

    Sam: Bruder Jonas, also steht es geschrieben in dem heiligen Werk, das da genannt wird, Büchmanns geschniegelte Worte, was, nein, geprügelte Worte, a Moment, ahaha, gebügelte Worte, ja gebügelte Worte.

    Jonas: Halt den Rand, Sammy, denn wahrlich ich sage dir, so du nicht zügelst den Fluß deiner Rede, schalt ich dich ab. Verstanden.

    Sam: Amen und abermals amen.

    Amos: Du hast einen Auftrag auszuführen, Bruder Jonas.

    Jonas: Ich suche einen Mann namens Adam Stiller, Aussteiger.

    Debora: Adam? Alt?

    Jonas: 75. Kennst du ihn Deborah.

    Debora: Es gibt hier draußen einen alten Mann, der den Namen Adam, der Geschichtenerzähler trägt.

    Amos: Manche nennen ihn auch Adam der Spinner.

    Jonas: Das dürfte er sein. Wo lebt er?

    Debora: Im Asyl, 20 km weiter nach Westen.

    Jonas: Der Ort, der jetzt Asyl hieß, war in der alten Zeit ein Campingplatz gewesen, an einem See, der natürlich längst ausgetrocknet war, die Caravans standen noch da, eine Schrottlaube neben der anderen, fast bis zum Horizont, jeder Wagen bewohnt, Aussteiger, Übrigbleiber, Durchsnetzfaller, ein paar Flüchtlinge aus der Drittwelt, die es durch den Militärkordon geschafft hatten. Jonas fuhr durch die rostigen Reihen, sah sich um, fragte, vorsichtig, eine Hand am Leitsystem des E-Mobils, die andere in der Jacke am Laserstrahler. Abends war ich am Ziel, ein verrotteter Minibus, kein Motor, keine Räder, das Heim von Adam dem Spinner alias Adam Stiller. Ein Greis, verkrümmt, verknittert, verknöttert, er ließ mich nicht rein, aber er blieb vor der Tür und hörte sich an, was Jonas ihm mitzuteilen hatte. Babylon ruft, sagte ich, und das gleich zweimal.

    Jonas: Babylon ruft.

    Stiller: Ach was, wer denn.

    Jonas: Erzdruide Fingal und Audrey Delamotte.

    Stiller: Und Lisa, Lisa will nichts von mir wissen.

    Jonas: Wer?

    Stiller: Lisa. Lisa Polonius.

    Jonas: Wer ist das?

    Stiller: Na, meine Partnerin damals, junger Mann, meine Muße, hab ich immer gesagt, sie hat mir geholfen beim Denken, beim Schreiben, besonders bei meinem letzten Manuskript, ein Roman, nur ein Gott kann uns noch retten, war der Titel, ein Heideggerzitat, werden Sie nicht kennen, junger Mann.

    Jonas: Ein Roman über Ufos.

    Stiller: Ja, aber nicht so wie Sie vielleicht denken, junger Mann, mein Meisterwerk, schade daß es nicht veröffentlicht wurde, kurz nachdem ich es eingereicht hatte, ging der Verlag pleite. Hat Audrey nichts davon gesagt, sie muß es noch haben.

    Jonas: Das Manuskript? Nein nichts.

    Stiller: So, was macht sie denn jetzt. Wieder bei einem Verlag?

    Jonas: Audrey Delamotte ist Staatsrätin im Amt für Medien und Öffentlichkeitsarbeit.

    Stiller: Oh. Wirklich? Also das finde ich interessant, sehr interessant, wenn ich mir so ansehe, was im Moment läuft, diese Ufokiste und kein Wort von meinem Manuskript, da kommt man ins Grübeln, junger Mann.

    Jonas: Also was ist, Herr Stiller, was wollen Sie, Verehrung als Prophet, oder viel Geld als neuaufgelegter Autor, oder beides.

    Stiller: Oder weiter meine Ruhe als Aussteiger, nicht so flott, junger Mann, das muß ich mir überlegen, mal drüber schlafen. Kommen Sie morgen früh wieder.

    Jonas: Wo kann ich übernachten?

    Stiller: Ihre Sache, junger Mann.

    Jonas: In ihrem Minibus.

    Stiller: Null Chance. Schlafen Sie doch in ihrem E-Mobil.

    Jonas: Das werd ich wohl müssen.

    Stiller: Ein guter Rat, junger Mann, fahren Sie ein Stück raus, bleiben Sie nicht im Asyl, die klauen ihnen den Sitz unterm Hintern weg.

    Jonas: Das wollte ich nicht. Also fuhr ich raus, zwei drei Kilometer bis zu einem Haufen bizarrer Felsen, da stellte ich das E-Mobil ab, klappte die Lehne runter, legte mich hin, halb zwölf. Schlafenszeit. Sam schob Wache, in dieser Gegend war es nicht geheuer, und das war noch eine Untertreibung.

    Sam: Düdüdüdüdüdüdüt, Erwache, Meister, o Meister o werde wach, düt, nu hör schon auf zu schnofen, du alte Schlafmütze.

    Jonas: Sam, wie spät.

    Sam: Piep. 2 Uhr und 22 Minuten. Die Nacht ist noch jung.

    Jonas: Warum weckst du mich? Was ist los.

    Sam: Siehst du nichts, du blindes Huhn. Hörst du nichts, du taube Nuß? Ha?

    Jonas: Ich richtete mich auf. Drüben, wo das sogenannte Asyl lag, war der Himmel rot, Feuer, Schüsse, Krieg. Wer gegen wen? Ich startete das E-Mobil, fuhr zurück, ohne Licht, langsam, bis ich sie im Schein der Flammen erkennen konnte: gepanzerte Kampfmaschinen, haushoch, schwer bestückt, Bordkanonen, MGs, Laserwerfer, sie hatten Asyl umstellt, walzten alles nieder, schossen die Caravans in Brand, machten sie platt mitsamt den Bewohnern, wer sich ins Freie retten konnte, wurde abgeschossen. Was ging hier vor? Was waren das für Maschinen.

    Sam: Mähdrescher, Herr Agronom, Ernteautomaten, Agrarmaschinen.

    Jonas: Du spinnst Sammy.

    Sam: Steht doch groß und deutlich dran.

    Jonas: AgroC.

    Sam: Ja.

    Jonas: Dieses ominöse AgroCenter.

    Sam: Welches nicht ist, was es zu sein vorgibt.

    Jonas: Was hat Debora gesagt: Trucks voller Menschen rein, leer wieder raus. Und jetzt das. Mord, Sam.

    Sam: Massenmord euer Ehren. Mit System und Methode.

    Jonas: Und mit modernsten Kampfmaschinen. Wer steckt dahinter Sam.

    Sam: Wenn eure Tiefschürfigkeit jene uralte, doch immer wieder neu gestellte Frage für den Augenblick zurückstellen und sich gütigst einem akuten Problem widmen wollte. Denn siehe, wie Debora und Amos sagen würden, eine der mörderischen Maschinen ist ausgeschwenkt und nimmt Kurs auf unseren Standort.

    Jonas: Zufall, Sammy, die Leute oben auf der Brücke können uns im Dunkeln nicht sehen, von uns wollen die nichts. Oder? Das Ding kommt direkt auf uns zu, Sammy.

    Sam: Und ab durch die Mitte. Mach schon, gib Gas.

    Jonas: Jonas gab Gas, änderte die Richtung, schlug Haken, alles umsonst, die Maschine blieb dran, und kam immer näher. Der Lichtkegel ihres Scheinwerfers war nur noch wenige Meter vom E-Mobil entfernt.

    Sam: Die wissen genau, wo wir sind und wie weit entfernt.

    Jonas: Ein Orter, Sammy.

    Sam: Transmitter, very good Sir und wo meine ich?

    Jonas: Irgendwo hier im E-Mobil.

    Sam: Im E-Mobil, Jonas geliehen und zur Verfügung gestellt vom lieben Erzdruiden.

    Jonas: Dieser hinterhältige Armleuchter. Aber warum?

    Sam: Achtung, Felsen direkt voruss.

    Jonas: Die Rettung. Mit quietschenden Reifen bog ich um die Felsengruppe, dahinter nahm ich sofort Tempo weg, steig aus, bis der Wagen fast kroch, ich stieg aus, stellte am Leitsystem Höchstgeschwindigkeit ein und tauchte dann mit einem Hechtsprung zwischen die Felsen, von da sah ich, wie die Kampfmaschine hinter dem leeren E-Mobil herratterte, bis beide Fahrzeuge in der Dunkelheit verschwanden.

    Sam: Das Wandern ist des Sammys Lust, für Jonas singen ist ein Frust, das Wandern. Im Frühtau zu Berge...

    Jonas: Am nächsten Morgen wanderte ein Privatdetektiv durch die Wildnis, er war allein, aber nicht einsam, hoch über ihm zogen Ufos ihre Bahn, und in seiner Tasche tönte es. Laut und herzzerreißend. Sam sang zur Aufmunterung Wanderlieder. Die blieben ihm aber im nicht vorhandenen Halse stecken, als wir unserem Ziel näherkamen, die Hütte meiner Übrigbleiberfreunde war ein rauchender Trümmerhaufen, von Amos und Debora war nichts zu sehen, vermutlich lagen sie drunter.

    Sam: Erspäht mein Bruder Shatterhand die Raupenspuren im Wüstensand?

    Jonas: Kampfmaschinen, hier waren sie also auch, vermutlich haben sie uns ab Babylon verfolgt, weit weg hinter dem Horizont. Ein gewaltiger Aufwand, Sammy, warum.

    Sam: Unzureichende Daten euer Fragwürden.

    Jonas: Typisch, wenn man dich wirklich mal braucht.

    Sam: Auf jeden Fall hat es was mit Herrn A. Stiller selig zu tun. Mein gröJaz.

    Jonas: GröJaz?

    Sam: Ja, größter Jonas aller Zeiten, sollte ihn aufspüren, um ihn so nichtsahnend ans Messer zu liefern. Präzislicher vor die Kampfmaschine.

    Jonas: Für den Erzdruiden. Deshalb hat er mir ein E-Mobil mit Orter gegeben. Aber viel weiter sind wir damit nicht, Sammy. Welche Rolle spielt Audrey Delamotte. Und vor allem warum wurde Stiller umgebracht.

    Sam: Nicht nur er, höchsteigentlich du mein Allerwertester, vielmehr auch jeder Mann und jede Frau, die so mit ihm Umgang pflagen. Bis hin zu Amos und Debora. Requiencant in pace.

    Jonas: Amen. Was war mit Stiller. Weshalb war er so gefährlich? Für wen? Was passiert im AgroCenter. Und was ist mit den Ufos.

    Sam: Herr Lehrer, Herr Lehrer, darf Sam auch mal was fragen.

    Jonas: Bitte. Schieß los.

    Sam: Wie kommen wir zurück nach Babylon.

    Jonas: Die Frage konnte Jonas beantworten. In einer Höhle nicht weit weg hatten die Übrigbleiber ein altes Benzinauto versteckt, vollgetankt, fahrbereit, für die Zeit nach dem großen Knall, das wußte ich von meinem ersten Besuch vor drei Jahren. Ich wartete bis zum Abend, dann fuhr ich los Richtung Babylon. Unterwegs hielt ich Ausschau nach Kampfmaschinen und Helikoptern, aber alles was ich am Himmel sah, waren Ufos. Am Stadtrand ließ ich das Auto stehen, und suchte mir eine Kneipe, in der Jonas garantiert unbekannt war, ich mußte was trinken. Was essen, was mit Sammy bereden.

    Sam: Nach Hause, in dero Dussligkeit Büroapartment, dich haben sie wohl mit dem Bups gepiekt, was Knallkopp bzw. oder auch mit Klammerbeutel gepudert, kommt ja gar nicht in die Tür, da ist dicke Luft Mann, da warten sie auf dir, du Hirnsklerotiker.

    Jonas: Wer immer sie sind. Also untertauchen. Wo? Audrey Delamotte. Was hältst du davon, Sammy?

    Sam: Sammy enthält sich jedweder Meinung.

    Jonas: Ganz was neues. Also gut, wir können es ja mal probieren. Es ist jetzt.

    Sam: 1 Uhr 11, mitten in der dunklen Nacht.

    Jonas: Um die Zeit liegt ein braves Mädchen im Bett.

    Sam: Allein zuzweit.

    Jonas: Mach ne Verbindung Sam. Delamottes Wohnung.

    Sam: Bitte sehr der Herr. Piep.

    Jonas: Na, was ist.

    Sam: Der Anschluß ist außer Betrieb, die Teilnehmerin ist verstorben. Überraschung.

    Jonas: Kann man wohl sagen, eine rundum tödliche. Was jetzt.

    Sam: Adam Stiller.

    Jonas: Ist auch tot. Auch blöder Vorschlag.

    Sam: Laß mich doch ausreden, du Napsülze. Adam Stiller hat was von einer früheren Partnerin Lisa Polonius. Da könnte man einhaken.

    Jonas: Was soll dabei rauskommen, Sam.

    Sam: Infos Dummie. Über Stiller, über Manuskript Nur ein Gott kann uns noch retten.

    Jonas: Ich weiß nicht, Sammy, also von mir aus, Lisa Polonius, gibt’s die überhaupt, los Sam, an die Arbeit Besen, du hast es so gewollt.

    Sam: Schon gut. Piep. Lisa Agneta Polonius, wohnhaft Babypsilon Südstadt, große Ausfallstraße Nr. 2271, Apartment IX S.

    Jonas: Gar nicht weit, praktisch um die Ecke, das traf sich gut, Jonas rief an, holte Lisa Polonius aus dem Bett, stellte sich vor, sagte was von Stiller, das genügte. Eine halbe Stunde später saß ich in ihrem schäbigen Zimmer, 10 Quadratmeter, ich erzählte ihr von meinen Abenteuern in der Wildnis und von Stillers Tod. Sie war erschüttert. Ein bißchen. Nicht lange. Schließlich hatte sie 15 Jahre nichts von ihrem Expartner gehört. Dann war sie dran mit Erzählen.

    Lisa: Ich war es, Herr Jonas. Ich habe die Lawine losgetreten, weil ich Audrey Delamotte angerufen habe.

    Jonas: Wann war das?

    Lisa: Vor... vor 4 Tagen, am 31. Oktober 2013.

    Jonas: Weshalb haben Sie angerufen?

    Lisa: Wegen Adam und wegen der Ufos, weil mir was aufgefallen war, die ganze Sache mit den Ufos und daß erst ein paar über den Himmel fliegen und dann immer mehr und daß sie landen, daß sie Kontakt aufnehmen, alles das, das steht ganz genau so drin in Adams Manuskript.

    Jonas: Nur ein Gott kann uns noch retten.

    Lisa: Ja. Hat Audrey ihnen davon erzählt.

    Jonas: Nein, kein Wort. Das war Stiller.

    Lisa: Ah. Ich hab Audrey nämlich vorgeschlagen, das Buch jetzt rauszubringen, 15 Jahre später.

    Jonas: Wie hat sie reagiert.

    Lisa: Sie hat gesagt, das geht nur, wenn Adam zustimmt, deshalb wollte sie einen Detektiv beauftragen, Adam zu suchen.

    Jonas: Und das hat sie getan, noch am gleichen Tag, nicht nur sie übrigens, kennen Sie den Erzdruiden Fingal, Frau Polonius.

    Lisa: Sagen Sie Lisa.

    Jonas: Kennen Sie ihn, Lisa? Von der druidisch-kosmologischen Kirche.

    Lisa: Nein.

    Jonas: Dieses Manuskript von Stiller, wer hat das.

    Lisa: Audrey, sie hat es behalten damals, der Verlag brach zusammen, Adam war verschwunden.

    Jonas: Haben Sie eine Kopie.

    Lisa: Es gibt keine Kopie, aber ich weiß was drin steht, ich habe schließlich mitgearbeitet.

    Jonas: Stillers letzter Roman spielte in der nahen Zukunft, einer düsteren Zukunft voller Probleme: Umwelt kaputt, zuviel Menschen, zuwenig Ressourcen, die Weltregierung wußte nicht mehr weiter, und da kam sie auf eine clevere Idee, sie holte die Ufos aus der Mottenkiste, nach genau ausgearbeitetem Plan, mit allen technischen und psychologischen Tricks, Holoprojektionen, Halluzinationsdrogen, neue Sekten, gefälschte Holoreportagen in dramatischer Steigerung, Ufos flogen, Ufos landeten, Ufos enthüllten ihr Geheimnis, Ufos kamen aus dem Weltraum, sie verbreiteten keine Angst, sie machten Hoffnung, ein gigantisches Manöver, eine massive Ablenkung, die Menschen sahen nicht mehr der Regierung auf die Finger, sie sahen zum Himmel, erwartungsvoll, optimistisch.

    Lisa: Die Idee zu dem Buch hatte Adam schon früh, um 1990, die Regierung von Peru ließ damals an mehreren Stellen im Land die Madonna erscheinen, die frommen Peruaner gingen auf Wallfahrt und vergaßen ihre Armut, ihre korrupten Minister. Interessant, nicht wahr, Jonas.

    Jonas: Interessant, das hat Stiller auch gesagt, als er hörte, Audrey Delamotte sei jetzt beim Amt für Medien und Öffentlichkeitsarbeit.

    Lisa: Ah, ist sie das.

    Jonas: Sogar als Staatsrätin.

    Radio-Sprecher: Wir unterbrechen unser laufendes Programm für eine wichtige Sondermeldung.

    Jonas: Stellen Sie lauter Lisa.

    Radio-Sprecher: In der Nacht vom 1. zum 2. November 2013 hat ein unbekanntes Flugobjekt versucht, in der Wildnis etwa 150 km südlich von Babylon...

    Jonas: Das ist da, wo ich war, in der selben Nacht.

    Radio-Sprecher: Asoziale Bewohner eines nahegelegenen illegalen Lagers reagierten hysterisch und aggressiv.

    Jonas: Das Asyl ist gemeint.

    Radio-Sprecher: Es kam zu einer Panik, die mehrere Opfer forderte, darauf brach das Objekt den Landeversuch vorerst ab. Soweit die Meldungen.

    Jonas: Alles falsch.

    Radio-Sprecher: Bleiben Sie am Apparat, meine Damen und Herren, noch in dieser Nacht sind weitere sensationelle Entwicklungen zu erwarten.

    Jonas: An der ganzen Meldung stimmt nur eins: Es gab Opfer. Ufos waren nicht da. Nur Maschinen, ausgesprochen irdische Kampfmaschinen, gesteuert von Menschen.

    Lisa: Vielleicht, vielleicht gibt es überhaupt keine Ufos. Was wir da am Himmel sehen, das sind vielleicht auch nur Fälschungen.

    Jonas: Vielleicht ist die ganze Ufowelle nicht wahr, alles gelogen, alles falsch.

    Lisa: Wie es Adam in seinem Buch vorgedacht hat, ich glaube...

    Jonas: Machen Sie das Licht aus Lisa.

    Jonas: Ich ging ans Fenster, unten auf der Straße hielt ein großer Elektrotruck, Aufschrift AgroC, natürlich, die Truppe, ein rundes Dutzend, sprang von der Ladefläche, alle groß, alle breitschultrig, alle bewaffnet mit Laserstrahlern und Sturmautomaten, wie Landwirte sahen sie nicht aus, ehe wie Cops in Zivil, sie rannten über die Straße in den Hauseingang. Es wurde Zeit zu verschwinden. Wie?

    Lisa: Hinten raus durchs Bad, nein, kommen Sie Jonas, aus dem Fenster, über die Feuerleiter aufs Dach.

    Jonas: Und dann?

    Lisa: Rechts um, vier Häuser weiter ist ein Altenheim, vorn an der Ecke, das Heim steht leer, seit 3 Tagen, seit der Umsiedlung.

    Jonas: Was für eine Umsiedlung?

    Lisa: Ja wissen Sie denn das nicht. Alle Bewohner von Alten- und Pflegheimen werden umgesiedelt.

    Jonas: Wohin.

    Lisa: Irgendwo außerhalb, wie hieß das, in ein den spezifischen Lebensführung der Umsiedler angepaßtes alten- und krankengerechtes Ambiente, so ungefähr.

    Jonas: Alle Heimbewohner, und so schnell, merkwürdig.

    Lisa: Im Heim können wir uns verstecken, ich kenne mich aus, ich war oft da, Freunde besuchen. Achtung, Schornstein.

    Jonas: Fast 70 Jahre war sie alt, aber zäh und beweglich wie eine junge. Oder sagen wir wie ein Detektiv in den besten Jahren. Gemeinsam turnten wir über Leitern und Dächer. Bis wir in Sicherheit waren, fürs erste jedenfalls. Im Gemeinschaftsraum des leeren Altenheims. Da verpusteten wir uns und machten weiter, wo wir in Lisas Zimmer aufgehört hatten. Allmählich reimten wir uns die ganze wüste Geschichte zusammen. Zu dritt. Sammy war ja auch noch da.

    Sam: Ja was soll denn das, jeder sagt, was ihm einfällt, alle reden durcheinander, so geht das nicht. Wird Zeit, daß ein geistig überlegenes Digitalwesen ein bißchen Fasson in die Sache bringt. Also dann. Die Sitzung ist eröffnet. Den Vorsitz führt Computer Samuel. Vorsitzender Computer Samuel erteilt das Wort an Computer Samuel. Danke Herr Vorsitzender. Bitte bitte.

    Jonas: Blas dich nicht so auf, Sammy.

    Sam: Ruhe auf den billigen Plätzen. Computer Samuel beginnt. Danke. Erstens. Es steht dringend zu vermuten, daß es sich bei der aktuellen Ufowelle um eine Vortäuschung falscher Tatsachen, um eine Ablenkung geradezu gigantischen Ausmaßes seitens höchster babylonischer Stellen hundelt was äh handelt.

    Lisa: Ablenkung wovon.

    Sam: Später gute Frau, eins nach dem andern. Alles zu seiner Zeit.

    Lisa: Sagen Sie, ist er immer so Ihr Computer, Jonas.

    Jonas: Nein, meist ist er schlimmer.

    Sam: Der Vorsitzende verbittet sich energisch jedwede beleidigende Anmerkung im Saal. Fahren Sie fort, Computer Samuel. Danke, Herr Vorsitzender. Zweitens. Die offensichtlich verewigte Audrey Delamotte, Staatsrätin im Amt für Medien und Öffentlichkeitsarbeit, hat das in ihrem Besitz befindliche Manuskramramon Korrektur Romanmanuskript des gleichfalls verewigten Autors Adam Stiller mit dem Titel "Nur ein Gott kann uns noch retten", als Grund- oder auch Vorlage für besagte Großtäuschung benutzt, dies glaubte sie allem Anschein nach problemlos tun zu können, hielt sie doch Stiller für verschollen, und

    Lisa: Ja, aber dann hab ich Audrey angerufen.

    Sam: Dieserhalb und desterwegen.

    Jonas: Jetzt ist es gut, Sam. Faß dich kürzer oder du kriegst Ärger.

    Sam: Drittens. Delamotte: Auftrag an Jonas, such Stiller, bring zurück Babylon, Ziel Stiller umbringen. Kurz genug, Sir.

    Jonas: Kurz genug. Weiter. Weiter.

    Sam: Viertens Erzdruide derselbe Auftrag, Stiller lokalisieren, Ziel Stiller durch Kampfmaschinen umbringen lassen. Fazit: Erzdruide auch sehr interessiert Ufoschwindel geheim zu halten. Frage Chef: Erzdruide in Verbindung mit Delamotte?

    Jonas: Ich stell die Frage Sam. Du bist Computer Samuel, die geistig überlegene Digitalperson. Du antwortest.

    Sam: Unzureichende Daten, euer Ungnaden.

    Jonas: Hätt ich mir denken können. Bist du jetzt fertig?

    Sam: Viertens. Jonas, Lisa Polonius wissen zu viel, darum verfolgt, gehetzt, in Lebensgefahr.

    Jonas: Da wären wir ohne dich nie draufgekommen.

    Sam: Siehste.

    Lisa: Ich muß nochmal fragen. Weshalb das ganze große Manöver, wovon soll abgelenkt werden.

    Sam: Davon.

    Jonas: Ich wußte die Antwort, aber ich wollte sie nicht wissen, ich wollte weg aus Babylon, aus einer Welt, in der solche Dinge geschahen, die leeren Straßen, die leeren Heime, die sogenannten Umsiedlungen in ein sogenannten Agrocenter, Straßenmenschen, Obdachlose, Alte, Behinderte, Kranke, es gab zu viel davon, zuviel für eine Regierung, die nicht mehr wußte, wie sie die Volksrente aufbringen sollte, die deshalb die demografische Statistik korrigierte, und um die Aktion eine Nebelwand legte, die Ufos. Nur so konnte es sein. Aber ich mußte mich vergewissern. Megan Alcatraz, Chiefcontroller im Justizministerium, sie war mir was schuldig, Fall Strafkolonie vor einem viertel Jahr. Das Fon im Heim war noch in Betrieb, ich rief sie an.

    Megan: Es gibt Gerüchte über eine streng geheime Staatsaktion, Codename Lebensabend, offiziell weiß ich nichts, unser Ministerium ist nicht beteiligt.

    Jonas: Wer ist beteiligt, weißt du das, Megan.

    Megan: Finanzen, Inneres, Gesundheit, Kultus, das Amt für Medien und Öffentlichkeitsarbeit.

    Jonas: Staatsrätin Delamotte.

    Megan: Ja, so heißt sie glaub ich. Ja, und dann noch das und das Agrarministerium. Seltsamerweise.

    Jonas: Wenn man im Mist wühlt, stinkt es. Wer Wind sät, wird Sturm ernten.

    Megan: Hast du etwas mit Lebensabend zu tun, Jonas.

    Jonas: Andersrum, Megan, Lebensabend hat mit mir zu tun.

    Megan: Halt dich da raus, Jonas, Lebensabend ist gefährlich.

    Jonas: Lebensgefährlich. Nicht nur für Jonas.

    Megan: Hast du ein Hologerät in Reichweite?

    Jonas: Ja, hier steht eins, warum?

    Megan: Schalt ein, und mach's gut, Jonas.

    Holo-Reporter: Steht unmittelbar bevor, ein einmaliges meine Damen und Herren, ein historisches Ereignis, die größte Sensation seit es Menschen gibt, die erste offizielle angekündigte Landung eines außerirdischen Raumschiffs auf dieser unserer Erde.

    Lisa: Die Begegnung der vierten Art, wie in Adams Buch.

    Holo-Reporter: Meine Damen und Herren, diesmal wird es keine Explosion geben, die Regierung hat das Landegebiet räumen und absperren lassen, das große Ufo, das seit einigen Minuten über uns schwebt, in einer Höhe von ich würde mal schätzen, 500 Metern, äh, das beginnt jetzt zu sinken, langsam, ganz langsam nimmt es immer mehr Fahrt weg, es beginnt zu sinken, und jetzt ein Lichtkegel von fast unerträglicher Helligkeit, erfaßt die Vertreter der Medien, erfaßt die Abordnung der Regierung, die darauf wartet unsere außerirdischen Besucher willkommen zu heißen.

    Jonas: Gut gemacht die Special effects.

    Holo-Reporter: Meine Damen und Herren, warten Sie mit uns gespannt auf die Landung, das Ufo senkt sich weiter, tiefer, immer tiefer, gleich, meine Damen und Herren, wird es den irdischen Boden berühren, mein Gott, es kommt, es kommt immer tiefer, jetzt...
    Cop: Hände hoch. Hinlegen. Mach die Kiste aus.

    Jonas: Die Agronomen in Zivil von vorhin, jetzt hatten sie uns. Flucht war nicht drin, Widerstand auch nicht. Sie nahmen mir den Laser weg. Sam fanden sie nicht, der lag im Schatten und war ganz still.

    Cop: Jonas, nur Jonas?

    Jonas: Der bin ich.

    Cop: Rechts rüber, noch ein Stück, gut so.

    Jonas: Lisa. Sie, Sie haben sie erschossen. Einfach so.

    Cop: Na sowas. Das ist unser Job, was regen Sie sich auf, seien Sie froh, daß Sie nicht auch da liegen neben dem alten Gemüse, aber wir haben strengen Auftrag, Ihnen nicht zu tun, jemand legt Wert darauf, daß Sie am Leben bleiben.

    Jonas: Wer?

    Cop: Hohes Tier im Justizministerium, Alcatraz.

    Jonas: Megan hat uns verraten.

    Cop: Sie hat ihren Anruf zurückverfolgt und den großen Chef informiert, Bedingung: Sie werden nicht getötet, war doch nett von ihr.

    Jonas: Kann ich jetzt gehen?

    Cop: Klar, können Sie, mit uns, zum Chef. Hopp Hopp. Sie haben uns schon genug Zeit gekostet.

    Jonas: Eine längere Fahrt von der Südstadt ins Zentrum zum Markgrafenboulevard, zum hohen Tempel der druidisch-kosmologischen Kirche, zum großen Chef.

    Erzdruide: Jawohl, Herr Jonas, der Chef bin ich, Babelenus usw. Erzdruide und Vorsitzender des Führungsgremiums der Aktion Lebensabend sowie der Unteraktion Ufo.

    Jonas: Deshalb wußten Sie Bescheid über Stiller und sein Manuskript. Audrey Delamotte hat Sie informiert.

    Erzdruide: Das hat sie nicht, Herr Jonas. Die gute Audrey hat uns den Plan für das Ablenkungsmanöver Ufo als ihr eigenes Produkt verkauft, von Stillers Manuskript haben wir erst durch den Anruf von Lisa Polonius erfahren.

    Jonas: Sie haben Delamotte überwacht.

    Erzdruide: Wir überwachen alle Eingeweihten unterhalb der Führungsebene, Fon, Computer, Kontakte. Als wir dann hören mußten, der Autor des Manuskripts lebe womöglich noch, da, Herr Jonas, beschlossen wir, Frau Delamotte zuvorzukommen und direkt einzugreifen, mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Es ging um Glaubwürdigkeit und Akzeptanz zweier hochsensibler Operationen. Wir durften nichts riskieren. Stiller und sein Manuskript mußten verschwinden.

    Jonas: Also haben auch Sie mich beauftragt, mir das E-Mobil mit Orter angedreht, und als ich Stiller gefunden hatte, haben Sie die Kampfmaschinen losgelassen, auf das Asyl mit zigtausend Bewohnern. Finden Sie das nicht ein bißchen übertrieben.

    Erzdruide: Sicher ist sicher Herr Jonas. Außerdem, was waren denn das für Menschen, Asoziale, Flüchtlinge, kaputte Typen, unnütze Fresser, das ist doch der Sinn der Aktion Lebensabend, so was wollen wir loswerden.

    Jonas: Wie Jonas.

    Erzdruide: Sie werden nicht ausgeschaltet, Herr Jonas, das habe ich Frau Alcatraz von Justizministerium versprochen, aber einfach laufen lassen kann ich Sie natürlich auch nicht.

    Jonas: Natürlich nicht. Wo ich jetzt soviel weiß.

    Erzdruide: Sie haben so viel durchgemacht, Herr Jonas, Sie sind verwirrt, Sie sind überlastet mit Informationen, die Sie nicht verstehen, die Sie nicht einordnen können, die viel zu schwer für Sie sind, ihre Sinne sind überfordert, ihr Geist ist überanstrengt, Sie brauchen Ruhe, Entspannung, eine Kur für Körper, Geist, Gemüt, und zum Glück Herr Jonas, haben wir genau das richtige für Sie. Sie werden jetzt ein Medikament einnehmen, Herr Jonas, das Sie vollkommen ruhig stellt, und dann das Bad des Vergessens.

    Jonas: Ich war in einem Tank unter dem Tempel, ich schwamm auf Salzwasser, ich war nackt, ich konnte kein Glied rühren, ich sah nichts, unvorstellbar schwarze Nacht, kein noch so schmaler Lichtstrahl fiel in den Tank, ich hörte nichts, unvorstellbare Leere, kein noch so leises Geräusch drang in den Tank, ich war bei Bewußtsein. Mein Bewußtsein wehrte sich, kämpfte, tobte, schrie, bis es müde wurde und sich zurückzog in mich hinein. Tief in mich hinein.

    Maid: Du bist Jonas.

    Erzdruide: Du hast geschlafen.

    Maid: Und schlecht geträumt.

    Erzdruide: Vom Ufos.

    Maid: Jetzt bist du wach.

    Erzdruide: Du bist ganz ruhig.

    Maid: Du hast alles vergessen.

    Erzdruide: Es geht dir gut.

    Maid: Alles ist gut.

    Erzdruide: Es gibt keine Probleme.

    Jonas: Ich bin ganz ruhig. Alles ist gut. Es gibt keine Probleme.

    Jonas: Inzwischen im Gemeinschaftsraum des leeren Altersheim klagt ein alleingelassener Computer um seinen Herrn.

    Sam: Mein Mensch, mein Meister, mein einziger Jonas, wo ist er, was tut er, wie geht's ihm, auch wird sein armer kleiner Sammy ihn jemals wieder sehen. Auf Wiedersehen. Auf Wiedersehen. Bleib nicht so lange weg, den Jonas werd ich wiedersehen. Für ihn ist dann sein Pech.

    Das war Ufo. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Außerdem wirkten mit: Kornelia Boje, Ute Mora, Alois Maria Giani, Horst Sachtleben und viele andere (Kerstin de Ahna, Matthias Knappe, Rolf Aicher, Annette Wunsch, Felix Eitner, Detlef Kügow, Sascha Icks, Hans Stetter, Pascale Schulze, Marc Schulze, Urs Schaudinn, Andreas Wohlrab, Eva Windisch). Ton und Technik: Günter Hess, Christine Koller und Monika Graul. Regieassistenz: Holger Buck. Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1994). Redaktion: Erwin Weigel.

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:47 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Strafkolonie

    Jonas: Mir ging's gar nicht gut. Jacobs neuer Whisky. Beste Schmuggelware aus Singapur, sagte er. Gestern abend hatte ich das Zeug im Casablanca getestet. Ich fühlte mich wie die uralte Mumie eines uralten Pharao, und ich sah auch so aus. Aber den kahlköpfigen Mann, der mir in meinem Büroapartment gegenüber saß, störte das nicht. Im Gegenteil.

    Stammheim: Sehr schön. Zerknittert. Unrasiert. Augen blutunterlaufen, Ringe drum herum. Bleiben Sie so, Herr Jonas, so sind Sie genau richtig für den Job.

    Jonas: Welchen Job?

    Stammheim: Den Sie für mich erledigen werden, Herr Jonas.

    Jonas: Werd ich das. Worum geht’s denn?

    Stammheim: Sie werden meine Außenstände eintreiben, so was machen Sie doch, oder?

    Jonas: Klar, mach ich. Wenn sich nichts besseres bietet. Ich bin Detektiv. Privatdetektiv. Der letzte in Babylon, der riesengroßen Stadt, glaub ich wenigstens. Jonas ist der Name, nur Jonas, und wie hieß der Glatzkopf.

    Stammheim: Stammheim, Alonso Stammheim.

    Jonas: Macht ja nichts. Was für Außenstände, Herr Stammheim?

    Stammheim: Geld, das mir zusteht, weil ich’s beim Pokern gewonnen habe

    Jonas: Wieviel.

    Stammheim: An sich kleine Fische, 400 Euros, ich hab einen Schuldschein, alles ist in Ordnung nur

    Jonas: Der Kerl zahlt nicht.

    Stammheim: Ja.

    Jonas: Warum geben Sie Ihren Schein nicht dem staatlichen Exekutor, Herr Stammheim?

    Stammheim: Weil ich im öffentlichen Dienst arbeite verehrtester, im Justizministerium und weil sich Poker und Spielschulden nicht gut in der Personalakte macht.

    Jonas: Lassen Sie es doch einfach sausen.

    Stammheim: Kommt nicht in Frage. Nicht mit mir. Sie werden mein Geld eintreiben, Herr Jonas, für 10 %.

    Jonas: 25. Und nur wenn die Sache im Rahmen bleibt.

    Stammheim: Im Rahmen?

    Jonas: Der Gesetze, Herr Stammheim, nichts Illegales.

    Stammheim: Natürlich nicht, Herr Jonas. Sie werden dem Mann lediglich ein bißchen zureden, mit gewissem Nachdruck.

    Jonas: Wie heißt er, wo wohnt er.

    Jonas: Die Adresse war im Nordosten, ein mittlerer Wohnbezirk, nicht so fein wie die Gegend um den Markgrafenboulevard, nicht so vergammelt wie die Südstadt, relativ ungefährlich. Ein kurzer schmerzloser Job, dachte ich, deshalb verzichtete ich darauf, Alonso Stammheim abzuchecken, und ich ging ausnahmsweise allein, ohne meinen Computer. Ich fand das Haus, machte die Tür auf, betrat einen dunklen Flur, und da schlugen sie zu, Auto-Cops, ein Greiferkommando, sie hielten mich fest, zogen mir einen Bodybag über, machten ihn zu, alles ging sehr schnell.

    Autocop: Jonas, nur Jonas, Sie sind festgenommen. Sie stehen im Verdacht, schwerste Verbrechen gemäß Corpus Juris Babylonici begangen zu haben.

    Jonas: Ihr Blechbullen tickt wohl nicht richtig, laßt mich raus, ich bin der falsche.

    Autocop: Verhalten Sie sich ruhig, unterlassen Sie jeden Widerstand, sollten Sie in Ihrer Renitenz beharren, würden Sie sich der akuten Gefahr polizeilicher Zwangsmaßnahmen aussetzen. Sie sind hiermit gewarnt.

    Jonas: Immer mit der Ruhe, hört doch mal zu. Ganz langsam zum mitschreiben. Verhaftung Irrtum. Falsches Programm. Kommando zurück. Alles klar. Ihr sollt mich rauslassen verdammt. Ah.

    Jonas: Die Zwangsmaßnahmen sahen so aus, daß einer der Auto-Cops eine Spritze ausfuhr und mir einen Schuß in den Hals verpaßte. Schlagartig gingen in meinem Kopf die Lichter aus. Jonas trat ab. Als ich wieder auftrat, steckte ich immer noch bis zum Hals im Sack, der hing jetzt am Haken an der Wand einer engen Zelle, eine Tür, kein Fenster, kahl und leer, bis auf den schwarzen Plastikwürfel vor mir ca. 1 mal 1m, unten Rollen, oben Skalen und Knöpfe, und eine Lampe, die plötzlich aufleuchtete, der Würfel quietschte, knarrte, kam ins Zittern und dann fing er an zu reden:

    Auto-Judex: Achtung, Achtung, Ruhe im Saal, die Verhandlung ist eröffnet, vor dem ordentlich bestallten, unter Nr. 202-9771-17 amtlich zugelassenen Auto-Judex des Gerichtsbezirks 17 im Justizministerium von Babylon erscheint heute am 29. Juli 2013 als Beklagter der babylonische Bürger Jonas, nur Jonas, geboren am 1. Mai 1967, der Beklagte wird beschuldigt diverser schwerer Vergehen wider Leib, Leben und Eigentum, als da sind Diebstahl eines Gemäldes im Wert von 500 Millionen Euros in Tateinheit mit Einbruch, Mord am babylonischen Bürger Albin Krug, schwere Körperverletzung sowie Beihilfe zum Mord. Beklagter, bekennen Sie sich schuldig?

    Jonas: Augenblick mal, das ist ein Mißverständnis, offenbar geht es um den Nachtcafefall vor 3 Wochen, aber der war ganz anders, wenn ich das mal.

    Auto-Judex: Das Gericht nimmt zu Protokoll, der Beklagte bekennt sich in allen Punkten schuldig.

    Jonas: Was? Ich denke nicht daran, kein Wort davon ist wahr.

    Auto-Judex: Eine Beweisaufnahme kann somit entfallen. Angesichts der schwere der vom Beklagten eingestandenen Taten fordert die Anklage die schnellstmögliche Verbringung des Beklagten in die Strafkolonie zum dortigen Verbleib ohne zeitliche Limitierung.

    Jonas: Ich protestiere.

    Auto-Judex: Da die Verteidigung auf ihr Plädoyer verzichtet, schreiten wir nunmehr zur Verkündigung des Urteils. Entsprechend dem Antrag der Anklage wird Jonas, nur Jonas, verurteilt, sein weiteres Leben in der Strafkolonie zu verbringen, der Beklagte nimmt das Urteil an, das Urteil ist rechtskräftig.

    Jonas: Nein, nein, das könnt ihr doch nicht machen, Zeugen, ich hab Zeugen, Chefinspektor Brock von der Kripo.

    Auto-Judex: Die Verhandlung ist geschlossen.

    Jonas: Weg war er, und ich hing weiter am Haken und wußte nicht, wie mir geschah. Auto-Cops, Auto-Judex, eine auf Stromlinie programmierte Verhandlung, die ein Witz war. Aber ein schlechter auf meine Kosten. Zum Teufel mit allen Justizautomaten, dachte ich. Jonas braucht dringend einen Menschen. Und wie ich so dachte, kam er auch schon durch die Tür, der Mensch, ein nicht unbekannter solcher, namens Alonso Stammheim.

    Stammheim: So sieht man sich wieder, Herr Jonas. Was machen Sie denn für schlimme Sachen.

    Jonas: Sie arbeiten doch im Justizministerium, Herr Stammheim, tun Sie was, ich bin unschuldig, und ihr Auto-Judex schickt mich in die Strafkolonie.

    Stammheim: Glatter Justizmord, ganz Ihrer Meinung.

    Jonas: Die Verhandlung war absolut unfair.

    Stammheim: Eine Farce, Herr Jonas, eine Schande, empörend.

    Jonas: Irgendein Mäusebein in der automatischen Justizelektronik, nehm ich an.

    Stammheim: Das kann schon mal vorkommen, unsere Automaten sind leider nicht unfehlbar. Tja, Ihr Pech.

    Jonas: So ist das also. Sie waren das, Stammheim. Sie haben mich reingeritten. Die Auto-Cops, der Auto-Judex.

    Stammheim: Von mir programmiert. So ist es, Herr Jonas.

    Jonas: Warum Stammheim. Sie müssen doch einen Grund haben.

    Stammheim: Natürlich hab ich einen Grund, zwei sogar. Ich wollte Sie in eine positive aufnahmebereite Stimmung bringen für mein Anliegen und auch gleich in die richtige Ausgangsposition. Ich brauch Sie nämlich drinnen, Herr Jonas. In der Strafkolonie.

    Jonas: Danke, da gehe ich nicht hin.

    Stammheim: Sie müssen Herr Jonas, Sie sind rechtskräftig verurteilt, Sie haben keine Wahl: Aber was rede ich da. Sie haben eine Wahl, Herr Jonas, Sie bleiben in der Kolonie, bis Sie schwarz werden, oder Sie kommen in ein paar Tagen raus, wenn Sie getan haben, was ich von Ihnen verlange.

    Jonas: Unmöglich. Aus der Strafkolonie ist noch keiner lebend rausgekommen.

    Stammheim: Bisher, Herr Jonas, bisher, Aber wenn ich Ihnen helfe. Wissen Sie, was ich im Justizministerium mache, Herr Jonas, ich bin Chiefcontroller, ganz oben, direkt unter dem Minister, verantwortlich für die Automatenprogramme und für die Aufsicht über den Strafvollzug. Wenn wir kooperieren, Herr Jonas, Sie drinnen, ich draußen.

    Jonas: Was soll ich tun.

    Stammheim: Jemanden rausholen. Aus der Strafkolonie.

    Jonas: Eine Frau, Megan Alcatraz, 35 Jahre, Controller Second class im Justizministerium, in Stammheims Vorzimmer, vor zwei Monaten festgenommen und vor den Auto-Judex gebracht, als der gute Alonso Stammheim gerade ahnungslos im Urlaub war. Schneebretteln in der Antarktis, und weil ihr niemand half wurde Alcatraz zur Strafkolonie verurteilt. Wegen schwerer Korruption und Bestechlichkeit im Amt.

    Stammheim: Eine absurde Beschuldigung, Herr Jonas. Ich kenne Megan, wir stehen uns recht nahe, nicht nur dienstlich, und als ich kürzlich aus dem Urlaub kam und was geschehen war...

    Jonas: Da faßte Ritter Alonso von Stammheim, den romantischen Entschluß die Dame seines Herzens zu retten.

    Stammheim: Wenn Sie es so ausdrücken wollen, Herr Jonas.

    Jonas: Beziehungsweise retten zu lassen.

    Stammheim: Ich bin Beamter, Herr Jonas, ich plane, ich ziehe die Fäden. Sie sind ein Macher, Sie gehen rein, Sie holen Megan raus.

    Jonas: Mir bleibt wohl nichts anderes übrig. Wie sieht Ihr Plan aus, Stammheim.

    Stammheim: Was wissen Sie von der Strafkolonie, Herr Jonas?

    Jonas: Nicht sehr viel. Ein riesiges Gefängnis, supergesichert, irgendwo in der Wildnis um Babylon. Seit der Privatisierung des Strafvollzugs vor 12 Jahren wird die Strafkolonie von der Firma Privollzug AG betrieben. Für jeden Gefangenen, den er einliefert, zahlt der Staat pauschal, alles weitere übernimmt Privollzug: Haltung, Wartung, Bewachung, vor allem übernimmt Privollzug die Garantie für absolute totale Sicherheit, wenn es auch nur einem Gefangenen gelingt, auszubrechen, verliert die Firma sofort die Betreiberlizenz und damit ein gutes Geschäft. Der Staat kontrolliert, locker, von weitem, die Gefangenen sind sich weitgehend selbst überlassen, deshalb geht’s drinnen wild zu, sagt man. Nichts genaues weiß man nicht. Zwischen der Strafkolonie und der Außenwelt gibt's keine Verbindung.

    Stammheim: Jedenfalls nicht direkt. Was es gibt ist die sogenannte Schleuse. Sie müssen sich das vorstellen, Herr Jonas, die Strafkolonie ist ein kreisförmiges Gelände unter freiem Himmel, Durchmesser etwa 10 Kilometer, ringsherum und obendrüber eine undurchdringliche elektronische Schutzhaube, eine Art Schirm oder Kuppel, und die geht auch tief in den Boden hinein.

    Jonas: Damit keiner auf die Idee kommt sich a la Maulwurf rauszubuddeln.

    Stammheim: Und direkt am Schutzschirm liegt die Schleuse. Ein Bunker mit einem hochkomplizierten System automatischer Türen und Sicherungen, hier kommen die neuen Gefangenen an und die Warenlieferungen, Lebensmittel, Drogen, was die Kolonie so braucht.

    Jonas: Wie läuft das? Helikopter, E-Mobil?

    Stammheim: Kapseln, Herr Jonas, durch eine pneumatische Untergrundröhre zwischen Strafkolonie und Babylon. Endpunkte hier sind Justizministerium und Privollzug. Ja, und da kann ich ein bißchen dran drehen, Herr Jonas, an den Sicherheitsprogrammen der Schleuse.

    Jonas: Die Sie kontrollieren.

    Stammheim: Das ist mein Job, Herr Jonas, und ich werde dafür sorgen, daß sich das innere Schleusentor zu bestimmter Zeit außerplanmäßig kurz öffnet.

    Jonas: Wann?

    Stammheim: Später, Herr Jonas, später. Morgen werden Sie mit Ihren Leidensgenossen per Pneumatik in die Strafkolonie überstellt. Bis dahin bleibt mir genug Zeit, Sie über alle wichtigen Details zu informieren.

    Jonas: Nicht mich, Stammheim, Sam werden Sie informieren.

    Stammheim: Sam?

    Jonas: Sam ist mein Computer, überschlau, geschwätzig, Sam denkt nicht nur, Sam redet, ohne Punkt und Komma, ohne Unterlaß, ohne Erbarmen, weil er mit Verbalprogrammen vollgestopft ist bis zur nicht existenten Halskrause. Schon als ich ihn mir vor Jahren zulegte, war er ein Sondermodel, ein Versuchsmodell, heute ist er ein absolutes Einzelstück. Einsame Klasse, meint er, ich seh das anders. Trotzdem gehe ich ohne Sam nirgendwo hin, schon gar nicht in die Strafkolonie.

    Stammheim: Völlig unmöglich. Keine Computer, keine Waffen, vor dem Transport werden Sie gründlichst durchsucht.

    Jonas: Dann sehen Sie selbst zu, wie Sie die Lady rauskriegen, Stammheim. Sam muß mit. Irgendwie. Sonst streikt Jonas. Mein letztes Wort.

    Stammheim: Sie haben Zahnschmerzen, Herr Jonas, wie finden Sie das?

    Jonas: Großartig.

    Stammheim: Sie müssen sofort zum Autodentisten. Hier im Justizministerium. Da wird Ihnen ein Zahn gezogen.

    Jonas: Ach ja.

    Stammheim: Und in die Lücke wird Ihnen ein Mikromodul eingesetzt aus Plastik, als quasi Außenstelle Ihres Computers, Sender und Empfänger, auf seine Frequenz festgelegt. Ich programmiere Ihrem Sam alles ein was Sie brauchen, Herr Jonas, Infos über Megan Alcatraz, über die Kolonie, über die Schleuse, Sicherheitssystem, nicht vorgesehene Öffnungen usw. usw. Wenn Sie drinnen sind, Herr Jonas, können sie sich mit ihm beraten, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, in ihrem Kopf, direkt, über ihr Sprach und Hörzentrum: Sehr gut. Geben Sie mir den Zugangscode, Herr Jonas.

    Jonas: Ich hatte einen seltsamen Traum: Auto-Cops nahmen mich fest, ein Auto-Judex verurteilte mich zur Strafkolonie. Ein Autodentist zog mir einen Backenzahn und setzte mir Mikro-Sam ein, klein, weiß, und laut. Im meinem Mund schien er sich sehr wohl zu fühlen.

    Sam: So nah waren wir uns noch nie, Meister. Ich bin der klitzekleine Zahn in deinem Kiefer, der Zahn ist faul und putt und deshalb bißchen mieft er.

    Jonas: Ich war richtig froh, als man mir wieder eine Schlafspritze verpaßte. Ich wachte auf. Ich hatte das Gefühl, daß der Alptraum jetzt erst richtig losgeht. Ich war in einem großen grauen schwach beleuchteten Raum, an den Wänden Automaten, Würger, Scanner, und ein paar die wie Killer aussahen. Auf dem Boden Berge von Kisten und Haufen von Menschen in grauen Kitteln, die Haufen bewegten sich, erst schwach, dann stärker, man kam zu sich, ich arbeitete mich raus, stand auf, sah an mir runter, grauer Kittel, um den Hals an einer Schnur eine Plastikscheibe mit Namen, Vergehen, Urteil. Plötzlich ein entsetzliches Geräusch, immer und immer wieder, Alarm, eine Sirene. War das Sam?

    Sam: Wo denken Herr Graf hin bzw. her. Niemals würde Sam sich ein obszönes Gelärm erlauben, den geliebten Meister zu erwecken würde Sammy zärtlich säuseln oder melodisch singen wie folgt: Die güldene Sonne

    Jonas: Ruhe. Wo sind wir. Machs kurz.

    Sam: Schleuse. Strafkolonie. Dahinten Pneumakapsel, automatisch ausgeladen.

    Jonas: Was ist das für ein Krach.

    Sam: Warnsignal, die Türe dorten stehet offen, und herein schneien diverse Strafkolonisten, um ihre neuen Gefährten zu empfangen, wenn nun besagte Tür sich wiederum schließt, in etwa 2 kurzen Minuten, bringen Autokiller an den Wänden jedes Wesen so hier noch kreucht und fleucht gnadenlos vom Leben zum jähen Tod.

    Jonas: Schluß damit, du sollst mich nicht nerven, du sollst mich informieren.

    Sam: Na los hopp, Tempo.

    Jonas: Draußen vor dem Schleusenbunker im kalten hellen Tageslicht mußten wir neuen uns in einer langen Reihe aufstellen, um uns drängten sich Hunderte von Strafkolonisten, Frauen und Männer, manche im schlichten Kittel wie wir, die meisten hatten sich fantastisch rausgeputzt, mit Plastikhelmen und Plastikpanzer, mit bunten Bändern in Haaren und Bärten, mit Broschen aus Blech und Kunststoff, viele trugen Waffen, Knüppel, Messer, eiserne Keulen und Spieße, alles selbstgemacht, Abfallprodukte aus Verpackungsmaterial, die wilde Horde starrte uns an, abschätzend, gierig, hungrig, dann trat jemand vor, eine hagere Frau mit einem gelben Halbmond im grauen Haar: Sie hob ihre Eisenstange, wartete einen Augenblick, wandte sich uns zu.

    Alte: Ruhe. Ruhe. Hört mal her ihr neuen Säcke, ihr seid jetzt in der Strafkolonie, was ihr Pißnecken draußen ward, das juckt uns hier drinnen kein Stück, ihr seid der letzte Scheiß, und je eher ihr schnallt was bei uns läuft um so besser für euch, also was wir jetzt mit euch machen, das ist die Fleischbeschau, die Leute aus den Clans kucken sich den neuen Schrott aus Babylon an und suchen sich raus, was sie brauchen: Sklaven, Maultiere, Eunuchen, und Sonntagsbraten für den Clan der Kannibalen werden gleich in die Clanhäuser gebracht. Wer Schwein hat und nen besseren Job abkriegt, Krieger oder Hexe, der muß sich erst bewähren, als Sandfloh, und was das ist, das kriegt ihr noch früh genug mit, so das war's, seht zu, wie ihr durchkommt, und merkt euch ihr Kotzeimer, jeder für sich, hilf dir selbst, denn sonst tut's keiner. klar?

    Jonas: Sam, diese Clans, was weißt du darüber.

    Sam: Sogleich euer Fraglichkeit. Flugs soll euch Aufklärung zu teil werden. Clans nennen die Strafkolonisten ihre primitiven Organisationsformen, archaische stammesähnliche Gebilde, hierarchisch gegliedert, ursprünglich 40, ein Clan pro Megabarak, inzwischen schrumpf die Zahl, starke Clans sind dabei, sich die schwächeren einzuverleiben, alle Clans führen ständig Krieg miteinander, überall in der Kolonie, nur hier nicht, das Schleusengebiet gilt als neutral und so es interessiert, wären an Einzelclans zu nennen: Die Samurai, die Barbaren, die Furien, die Arier, die Teufelsweiber, die Eisenärsche, die Kopfjäger, die Amazonen...

    Jonas: Usw. Eine merkwürdige Mischung. Antiquiert, komisch und gefährlich. Eine muskulöse Amazone im roten Minirock hob meinen Kittel mit ihrer Peitsche, dann las sie, was auf meiner Scheibe stand, und winkte ab.

    Amazone: Zu alt für die Zucht, unsere Königin will junge Männchen.

    Jonas: Na ja, nicht an...

    Gonzo: Platz da Platz für Megan die Magische, die zaubermächtige Großhexe des hochedlen Clans der Barbaren, aus dem Weg. Platz für Megan die Magische, Weichet, widrige Wichte, weichet.

    Sam: Kuck mal wie der spricht, so matiniert, mariniert.

    Jonas: Das mußt du gerade sagen Sam.

    Sam: Hey Boss, da ist sie, die da.

    Jonas: Wer ist was, Sam, deutlicher bitte.

    Sam: Die da, die mit dem blauen Zottelpelz und dem Lametta an den Ohren.

    Jonas: Megan die magische.

    Sam: Alias Megans Alcatraz. Diejenige welche. Stammheims Begehren.

    Jonas: Das war prompter Service. Kaum tauchte Jonas in der Strafkolonie auf, da lief ihm die gesuchte schon über den Weg, d.h. sie schritt, und zwar gemessen, durch die Menge, die respektvoll Distanz hielt, zu ihr und zum Knüppel ihres Begleiters. Sie war nicht sehr groß, schlank, gutaussehend, trotz ihrer barbarischen Aufmachung und tüchtig, nach nur 2 Monaten in der Kolonie hatte sie es bis zur Großhexe gebracht. Eine Blitzkarriere.

    Sam: Na los Blödmann quatsch sie an.

    Jonas: Bist du verrückt, hier vor all den Leuten.

    Sam: Sag ihr, sie soll dich für ihren Clan aussuchen, und wenn sie dann näherkommt

    Jonas: Megan, hierher.

    Gonzo: Was erlaubst du dir, du Abschaum. Wie spricht du zur zaubermächtigen Großhexe des hochedlen Barbarenclans.

    Jonas: Wer will denn was von dir, du Angeber. Also wenn s denn sein muß, zaubermächtige Großhexe. Braucht dein Clan

    Sam: Hochedler Clan.

    Jonas: Dein hochedler Clan nicht einen guten Krieger, erfahren in allen martialischen Künsten.

    Megan: Du bist sehr vorlaut, Neuer, wollen doch mal sehen. So, Jonas, Privatdetektiv, daß es so was noch gibt, vorher Söldneroffizier im Antarktischen Krieg, Mord, Raub, Einbruch, nicht schlecht, du bist zwar nicht mehr der Jüngste.

    Jonas: Stammheim.

    Megan: Augenblick. Treib das Volk zurück, Gonzo.

    Gonzo: Wie du befiehlst zaubermächtige Großhexe. Zurück, weg Gesindel, ihr seid der zaubermächtigen Großhexe lästig.

    Jonas: Alonso Stammheim schickt mich, Frau Alcatraz, ich soll Sie rausbringen.

    Megan: Aja, ich beanspruche diesen Mann für den hochedlen Clan der Barbaren. Melde dich im Clanhaus, so bald wie möglich.

    Jonas: Leicht gesagt, erstmal wurde Jonas als Sandfloh eingesetzt. Am Rand der Strafkolonie erhob sich ein gewaltiger Sandhaufen, der mußte jeden Tag rüber auf die andere Seite geschafft werden, und tags darauf zurück, in langer Kette mit Eimern. Das hatte sich Privollzug ausgedacht, damit die Gefangenen zu tun hatten und nicht auf gefährliche Gedanken kamen. Eine stupide Arbeit, voller Eimer von links, voller Eimer nach rechts, usw. Eine Woche lang mußte man sich als Sandfloh abschuften. Das dauerte Jonas zu lange.

    Jonas: Hau hupp. Sammy, wann gehen die Schleusentüren für uns auf? Was hat Stammheim gesagt. Hau ruck.

    Sam: Total vergessen, siebhirniger Alzheimer. Am 1. August 2013 fünf Minuten vor der Mitternacht für genau 20 Sekunden, und falls euer Trottelhaftigkeit diese Chance nicht wahrzunehmen vermag, bietet sich 24 Stunden später eine zweite solche.

    Jonas: Und wenn ich, hau Ruck, das auch nicht schaffe.

    Sam: Dann mußt du halt hierbleiben in der wunderschönen Strafkolonie.

    Jonas: Lieber nicht. Heute haben wir den

    Sam: 31. Juli 2013, 15 Uhr 27. Höre mein Jonas laß dir sagen.

    Jonas: Halt die Backen. Hau Ruck, Also heute abend, spätestens übermorgen. Nicht mehr viel Zeit. Hau ruck. OK, Sammy, wir gehen. Macht's gut, Genossen.

    Mann: Was ist da los?

    Aufseher: Hey, du da, was fällt dir ein, zurück in die Kette, aber plötzlich. Buly zu mir.

    Jonas: Unser Aufseher: ein mürrischer Eisenarsch im rituellen Outfit seines Clans, oben schwarze Weste aus Pseudoleder mit Nieten, unten ohne, abgesehen von einem knappen Futteral, bisher hatte er abseits gehockt und seine Nieten poliert, jetzt schwang er sich auf sein Maultier, das heißt auf einen kräftigen Sklaven, der ihm als Reittier zustand, er ritt auf mich zu und wollte mich mit seiner Lanze zurück in die Kette stochern. Das mißfiel mir. Ich nahm den Eimer hoch und holte aus. Das Muli kriegte eine volle Ladung Sand ins Gesicht, stolperte, schlug hin, der Aufseher flog aus dem Sattel, und krachte mit dem Nacken auf den Eimerrand.

    Sam: Ist er tot der nacktgesäßige Grobian.

    Jonas: Sieht so aus, Sammy. Maustod. Hals gebrochen.

    Sam: O jemine. Weiß mein leichtsinniger Eimerschmeißer was das bedeutet.

    Jonas: Klar Sammy, wir können jetzt ungehindert zum Clanhaus der Barbaren wandern, zu Megan Alcatraz.

    Sam: Und.

    Jonas: Und was.

    Sam: Es bedeutet auch und vor allem Blutrache. Der wilde Clan der Eisenärsche wird sich an die Fersen meines Meisters heften, seinen Kopf fordern und was sonst noch alles. So ist's hierzulande Sitte. Schako.

    Jonas: Weißt du, Sammy, darüber mache ich mir später Sorgen, wenn ich nichts Besseres vorhabe. Auf geht's. Haus der Barbaren. Gibt den Kurs vor.

    Sam: Aye aye. Ost Süd Ost. Mehr nach links, backbord wollte ich sagen. Gut so, und jetzt immer gerade aus.

    Jonas: Die 40 Megabaracken der Strafkolonie stehen an der Peripherie, rundherum wie Striche auf einem Zifferblatt. Eine gute Stunde Fußmarsch durch die tote Steinwüste, dann tauchte am Horizont ein enormer grauer Quader auf, wurde größer, deutlicher, noch eine halbe Stunde und ich konnte vor dem Tor aufgespießte Köpfe erkennen, und nicht mehr frische Leichen, die im Wind schaukelten. So etwa hatte ich mir die Burg der Barbaren vorgestellt.

    Wächter: Zurück, clanloser Niemand, verschwinde oder wir hängen dich an den Füßen auf als Zielscheibe für unsere jungen Bogenschützen.

    Jonas: Mach das Maul zu mach das Tor auf, ich in einer von euch, ein Barbar.

    Wächter: Ach ja, wo hast du denn das Totem, und dein Rangstreifen.

    Jonas: Megan die Magische hat mich herbestellt, eure zaubermächtige Großhexe, sagt ihr Bescheid, sag ihr Jonas ist da.

    Wächter: Warte.

    Jonas: Ein zotteliger Barbar führte Jonas durch dunkle, schmutzige, stinkende Gänge, voll von zotteligen Barbaren, dann Treppen rauf, viele Treppen, die Oberbarbaren lebten oben, unterm Dach. Großhexe Megan hatte einen ganzen Raum für sich, über einer Feuerstelle hing ein Eisenkessel, in dem eine übelriechende schwarze Brühe brodelte, an den Wänden standen seltsam geformte Glasgefäße, gefüllt mit gelben und grünen Elixieren, zerstochene Wachspuppen lagen herum, Hexenbesen, mumifizierte Finger, Ohren und andere Körperteile. Dieser ganze magische Kram störte mich wenig. Was mich störte war der finstere Typ mit dem Knüppel: Mein alter Freund Gonzo, Leibwächter der Großhexe Megan Alcatraz. So ging das nicht. Der Kerl mußte weg.

    Jonas: Gonzo alter Junge, du störst, warum geht du nicht ein bißchen vor die Tür und kuckst wie's Wetter wird.

    Gonzo: Gonzo bleibt.

    Megan: Er muß bleiben, Jonas, er ist mein Leibwächter. Wenn er mich verläßt, verliert er seine Ehre.

    Gonzo: Gonzos Ehre heißt Treue.

    Jonas: Ja was machen wir denn da.

    Sam: Zum Bleistift dieses. Madam wechselt ihren Wächter.

    Jonas: Nicht schlecht, Sammy, gar nicht schlecht.

    Megan: Was meinen Sie Jonas.

    Jonas: O, ich habe gerade mit meiner inneren Stimme gesprochen.

    Megan: Aha, und was sagt sie.

    Jonas: Daß ich von jetzt ab Ihr Leibwächter bin. Gonzo kriegt Urlaub und kann sich anderweitig vergnügen. Alte Frauen erschrecken, Kleinkinder beißen, Schnuller wegnehmen, Nasebohren, na Gonzo ist das ein Angebot.

    Gonzo: Du forderst Gonzo heraus, Fremder?

    Jonas: Tu ich das.

    Megan: Das müssen Sie, Jonas. Wer den Rang eines anderen will, muß ihn zum Zweikampf fordern, und töten.

    Gonzo: So will es die geheiligte Sitte der Väter.

    Jonas: Na dann komm Gonzo, bringen wir's hinter uns.

    Gonzo: Nicht so Fremder, wir kämpfen wie das Gesetz es befielt. Nach dreimaliger Herausforderung binnen Wochenfrist in der Halle der Zweikämpfe. Vor seiner brutalen Erhabenheit Häuptling Conan und dem ganze Clan.

    Jonas: Tja, weißt du Gonzo mein Freund, so viel Zeit hab ich leider nicht, und darum, und jetzt abwärts.

    Jonas: Ich steckte ihm kurz den Kopf in den Hexenkessel, das lenkte ihn ab und ich konnte ihn aus dem Fenster schieben. Nicht gerade fair, das gebe ich zu, aber wer oder was war in diesem Fall schon fair zu Jonas.

    Megan: Wie’s scheint, habe ich einen neuen Leibwächter. Ich bin beeindruckt, Jonas.

    Jonas: Jeder für sich, hilf dir selbst, ich hab mich nur nach dem gerichtet, was hier üblich ist.

    Megan: Gut. Stammheim, was hat er vor, erzählen Sie.

    Jonas: Als ich fertig, war, fing Megan Alcatraz an im Zimmer herumzuwandern. Sie wirkte nachdenklich. Irgendwie unentschlossen.

    Megan: Seit gestern bin ich am Überlegen, Jonas, seit unserer Begegnung vor der Schleuse. Ob ich mit Ihnen die Kolonie verlassen oder bleiben soll.

    Jonas: Ist das Ihr Ernst?

    Megan: Sicher, es geht mir gut. Ich bin Großhexe. Der Clan respektiert mich, Häuptling Conan tut was ich sage. Das Leben ist primitiv, zugegeben, aber dafür ist es aufregend, dunkler, einfach lebendiger als in Babylon. Wissen Sie, Jonas, schon als Kind wollte ich Hexe werden, nach der Schule bin ich auf die Akademie für Esoterik gegangen, ich habe einen Abschluß in fortgeschrittener Hexerei, und in weißer und schwarzer Magie mit Auszeichnung.

    Jonas: Und warum sind Sie nicht dabei geblieben.

    Megan: Die Berufsaussichten waren schlecht, viel zu viel Hexen in meinem Lager, ich war vernünftig und ließ mich umschulen für den höheren Staatsdienst. Auch gut. Aber was eine Justizangestellte kann, ist hier in der Strafkolonie nicht gefragt. Also fing ich wieder an zu hexen. Zora, die Zauberin war da Großhexe bei den Barbaren, ich hab sie herausgefordert, ihr einen Herzinfarkt angehext, ihre Stellung übernommen. Und all das soll ich aufgeben, für einen Schreibtisch in Babylon?

    Jonas: Dann eben für Alonso Stammheim, der gibt sich mächtig Mühe, Sie zurückzuholen, haben Sie denn keine Sehnsucht nach ihm?

    Megan: Sehnsucht nach Stammheim? Ich? Tot will ich ihn sehen, diesen Drecksack, er hat mich aufs Kreuz gelegt, er hat mich in die Strafkolonie geschickt.

    Jonas: Langsam, jetzt versteh ich überhaupt nichts mehr.

    Megan: Aber Sie haben ja recht, Jonas, ich komm mit Ihnen, seinetwegen, ich will Stammheim fertig machen. Ich will seinen Posten. Chiefcontroller Megan Alctraz. Das hört sich noch besser an als Großhexe.

    Jonas: Megan Alcatraz war ehrgeizig. Stammheim, ihr Chef, blockierte seit Jahren ihre Beförderung. Sie versuchte Material gegen ihn in die Hand zu kriegen, sie hatte Glück, sie knackte den Geheimcode für Stammheims private Datei, sie wurde fündig. Alonso Stammheim ließ sich bestechen in großem Stil, von der US-Firma Highsec, die war sehr daran interessiert, im europäischen Strafvollzug Fuß zu fassen. Highsec machte einen Deal mit Stammheim. Privollzug sollte die Lizenz zum Betrieb der Strafkolonie verlieren, dafür wollte Stammheim sorgen, und dafür, daß die Lizenz dann an Highsec ging, für eine halbe Million Euros. Bar unterm Tisch. Alcatraz kopierte den Deal und versteckte die Kopie. Im Archivsystem des Justizministeriums. Dann konfrontierte sie ihren Chef: Beförderung sofort, oder die Sache wird veröffentlicht.

    Megan: Stammheim versprach alles, was ich wollte. Und als ich abends nach Hause kam, wurde ich verhaftet. Von Auto-Cops. Einen Tag später war die Verhandlung, falls man das so kennen kann. Ich wurde zur Strafkolonie verurteilt.

    Jonas: Also eins ist mir nicht klar, Megan. Sie sind in der Strafkolonie. Stammheim ist Sie los. Sie können ihm nichts mehr tun, weshalb schickt er mich, um Sie rauszuholen, das ist doch widersinnig.

    Megan: Und wie ich ihm was tun kann, das glaubt er jedenfalls. Ich hab's ihm geschrieben.

    Jonas: Geschrieben, von hier aus?

    Megan: Ja.

    Jonas: Das ist doch nicht drin. Es gibt keine Verbindung zwischen der Strafkolonie und der Außenwelt.

    Megan: Sagt man. Aber mir ist was eingefallen. Einmal die Woche fliegt ein Satellit des Justizministeriums über die Kolonie und schießt Holographie, zur Kontrolle, die Bilder landen auf Stammheims Schreibtisch. Genau zum Satellitentermin habe ich einen großen Zauber veranstaltet, oben auf dem Dach, ein paar hundert Barbaren mußten sich so aufstellen, daß sie magische Zeichen und Figuren bildeten.

    Jonas: Buchstaben.

    Megan: Und Zahlen, deutlich von oben zu lesen.

    Jonas: Gute Idee. Und was stand da?

    Megan: Rausholen, sonst Deal automatisch publik 15.8. Megan. So was.

    Jonas: Stimmt das?

    Megan: Daß das Material am 15. automatisch freigeben wird und an die Medien geht, nö, das war ein Bluff. Aber Stammheim weiß das nicht, darum hat er reagiert.

    Jonas: Und Jonas geschickt.

    Megan: Sie sehen Jonas, wir haben beide wenig Grund, Stammheim zu lieben.

    Jonas: Was wird er tun, wenn wir rauskommen, was meinen Sie, Megan.

    Megan: Nichts Gutes. Er wird versuchen, mir das versteckte Material abzunehmen, mit allen Mitteln, und Sie, Jonas, Sie wird er wohl gleich umbringen, weil er Sie nicht mehr braucht.

    Sam: Sie irrt, die barbarisch blau bezottelte Hexe.

    Jonas: Sammy, schön, daß du mal wieder was von dir hören läßt.

    Sam: Und wie Superfiesling Stammheim meinen Meister noch braucht. Denn siehe des güldenen Geldes die Menge ist es ihm wert.

    Jonas: Moment, Sammy, wer ist wem was wert.

    Sam: Hirnsklerotiker. Dem p. p. Stammheim. Eine halbe Million Euros.

    Jonas: Du redest Blech, Sam.

    Sam: Jedoch nur als tote Leiche.

    Megan: Haben Sie was, Jonas, ist Ihnen nicht gut?

    Jonas: Seien Sie mal einen Moment still, meine innere Stimme hat mir was zu sagen. Also Sam, was ist los.

    Sam: Schwere chronische Verstopfung, Herr Medizinalrat, in dero Dumpfheit sogenannten Gehirn.

    Jonas: Paß auf, Sam, wenn mir erst mal draußen sind und ich dich abschalten kann.

    Sam: Und Humor hat er auch kein Stück, der Sauerkopf. Doch was soll's. Er ist mein Jonas, ich muß ihn nehmen wir er kommt.

    Jonas: Komm du endlich und zwar zu Potte.

    Sam: Subito Signore. Oder auch pronto. Piep. Stammheim kriegt eine halbe Million Euros, wenn Privollzug die Lizenz für die Strafkolonie loswird. Klar? Wann verliert eine Firma die Lizenz zum Betreiben der Strafvollzugsanstalt. Häh? Wenn die Anstalt nicht mehr sicher ist, wenn z.B. ein Insasse auskneift, klar, ein möglichst gefährlicher. Klar. Ein Gewaltverbrecher, Räuber, Mörder, ist das klar.

    Jonas: Klar, Sammy, Stammheim bring Jonas um, die Leiche wird entdeckt.

    Sam: Allgemeiner Aufschrei, Verurteilter aus Strafkolonie getürmt, Privollzug wird Lizenz entzogen. Auf der Stelle.

    Jonas: High Sec übernimmt. Stammheim wird's schon richten.

    Sam: Ja, und wenn ein toter Jonas nicht reicht, hat der listenreiche Stammheim noch eine tote Alcatraz anzubieten, etwas später wenn er ihr die Würmer aus der Nase geleiert hat, das mein ich damit, sprich das versteckte Belastungsmaterial.

    Jonas: Das heißt Stammheim schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Megan Alcatraz ist er los.

    Sam: Und er kriegt ne halbe Million. Friede Freude Eierkuchen im Hause Stammheim.

    Jonas: Das mußte verhindert werden. Ich informierte Megan. Sie kannte Stammheim und sah die Gefahr, aber bevor wir die Situation abschätzen und einplanen konnten, wurden wir gestört. Ein junge Lehrhexe kam ins Zimmer, mit einem tiefen Knicks und einem Auftrag.

    Botin: O zaubermächtige Großhexe Megan, die magische, seine brutale Erhabenheit Häuptling Conan sendet dir durch meinen Mund eine Botschaft.

    Megan: Sprich Griselda.

    Botin: Unsere Kundschafter melden, daß sich Arier, Amazonen und Knochenbrecher wider den hochedlen Clan der Barbaren verbündet haben.

    Megan: Unsere Nachbarn. Weiter Griselda.

    Botin: Sie haben eine große Wurfmaschine gebaut. Damit werden sie in drei Tagen unser Haus bestürmen.

    Megan: Und ich soll was dagegen unternehmen.

    Botin: So ist es, zaubermächtige Großhexe. Seine brutale Erhabenheit läßt dieses sagen: mache einen Zauber, einen großen Zauber, verwirre den Geister unserer Feinde, zerstöre ihre Maschine, mache zunichte ihren Plan.

    Jonas: Na das paßt doch wie die Faust aufs Kinn, Megan. Sie machen wieder mal einen großen Zauber. Aber nicht auf dem Dach sondern

    Megan: Draußen an der Schleuse, morgen um Mitternacht. Ich allein, nur mein neuer Leibwächter wird mich begleiten. Morgen mittag brechen wir auf.

    Jonas: Einen Tag später, 1. August 2013, kurz vor Mitternacht an der Schleuse: In der Zwischenzeit waren wir, Megan und ich uns nähergekommen: Sie hatte mich in die vielfältigen Pflichten eines Leibwächters eingeführt. Und ich hatte ihr mein großes Geheimnis verraten: Sam. Sam, den geschwätzeigen Backenzahn, zu dritt hatten wir überlegt und geplant, bis wir zu dritt durch die Kolonie zur Schleuse zogen. Jetzt waren wir da. Vom grauen Klotz des Schleusenbunkers sahen wir nur eine Hälfte, die andere lag draußen, hinter dem Schutzschirm, unsichtbar. In wenigen Sekunden würde sich die massive Tür in der Front zu öffnen. Hoffentlich. Alles schien ruhig. Zu ruhig, meinte Megan, sie war mißtrauisch. Da ein Geräusch, die Tür, sie fing an sich zu bewegen.

    Sam: Na, was ist, noch nie ne offene Tür gesehen, steht nicht rum wie Ochs und Kuh vorm Scheunentor. In 20 Sekunden ist das Loch wieder zu. Countdown läuft. Piep.

    Jonas: Komm Megan.

    Megan: Adios Strafkolonie.

    Bluträcher: Halt. Das Blut unseres Clanbruders scheit nach Rache.

    Jonas: Plötzlich waren sie da, schwarzes Leder, Nieten, Eisenstangen, Blut in den Augen, Rache im Herzen, Eisenärsche, an die zwanzig, zu viel für Jonas, aber Jonas war nicht allein, Megan war bei ihm, und Megan konnte hexen, sie fixiert die Bluträcher, hob feierlich die Hände, rote Blitze zuckten aus ihren Fingerspitzen.

    Megan: Asrael und aller Dämonen... Steht still und starr und stumm, laßt die Waffen fallen, rührt euch nicht.

    Jonas: Es wirkt, Megan, wie machst du das, Hypnose.

    Megan: Hahaha, Hexerei, Jonas. Komm Jonas, schnell.

    Sam: Alehopp.

    Megan: Komm Jonas, schnell.

    Jonas: Die Tür war zu und wir waren drinnen im Schleusenbunker, nichts und niemand nahm uns zur Kenntnis, die automatischen Scanner blieben inaktiv, die Killer auch. Stammheim hatte an ihren Programmen gefummelt, wie versprochen. An der offenen Hintertür wartete die Pneumakapsel.

    Sam: Zum pneumatischen Express nach Babylon bitte einsteigen und die Türen schließen. Der Zug fährt sofort ab.

    Jonas: Augenblick noch, Sammy, hast du die Programm so umgestellt wie wir es besprochen haben.

    Sam: Na klar Chef, alles im Griff.

    Jonas: Was sieht Stammheim?

    Sam: Nichts, Chef, null Komma nichts, total leere Schleuse.

    Jonas: Und die Kapsel.

    Sam: Flutscht nicht zum Justizministerium, sondern an der Gabelung rechts Zielbahnhof Privollzug. Abfahrt.

    Jonas: Die kleine Station unter dem Privollzughochhaus war vollautomatisch, kein Mensch weit und breit. Gut, einerseits, Jonas und Megan waren praktisch nicht vorhanden, die Sicherheitssensoren hatte Sam außer Gefecht gesetzt. Andererseits schlecht. Wir brauchten Menschen, zwei vorzugsweise.

    Sam: Blaue Zottel, Graue Kittel, Plastik, so kommt ihr beiden Süßen nie in die Chefetage, bestenfalls in den Abfallcontainer.

    Jonas: Wir müssen uns was zum Anziehen besorgen, Megan, was unauffälliges. Manager-Outfit oder so was.

    Megan: Uniformen vom Privollzugwerkschutz.

    Jonas: Das ist gut. Wir warten bis zum Morgen, Sammy schlägt Alarm.

    Sam: O ja, großer Meister, Alarm, und wie, das die Wände wackeln.

    Jonas: Das möchtest du wohl. Kleiner Alarm. Wasserschaden, Ratte im Kabelschacht, diese Preisklasse.

    Sam: Oh, Spielverderber.

    Jonas: Zwei Typen vom Werkschutz kommen nachkucken, die treten immer zu zweit auf. Wir machen kurzen Prozeß.

    Megan: Und wir ziehen uns um.

    Jonas: Null Problemo. Gegen halb 10 standen wir im Chefzimmer von Vizepräsident Pierre Cayenne, den kannte Megan aus ihrer Zeit im Justizministerium. Jonas stellte sich an die Wand, die rechte Hand am Neurofreezer, Sam spazierte durchs Sicherheitssystem und blockierte ein paar Verbindungen. Megan ging zum Schreibtisch, nahm die Mütze ab, schüttelte ihr Haar aus. Cayenne war irritiert.

    Cayenne: Was soll das, was erlauben Sie sich. Gehen Sie zurück auf Ihren Posten.

    Megan: Erkennen Sie mich nicht, Pierre?

    Cayenne: Megan, Megan Alcatraz? Aber, aber Sie sind doch in der Strafkolonie.

    Megan: Ich bin hier Pierre, in ihrem Zimmer, das sehen Sie doch. Drücken Sie ruhig auf den Alarmknopf, das bringt nichts. Aber kommen Sie nicht auf die Idee aufzustehen und zur Tür zu gehen. Mein Partner würde Sie neurofreezen.

    Jonas: Würd ich. Sofort.

    Cayenne: Was wollen Sie Megan?

    Megan: Sie warnen, Pierre, ihren einen Tip geben, falls Privollzug Wert darauf legt, die Lizenz für die Strafkolonie zu behalten.

    Jonas: Pierre Cayenne war ein vernünftiger Mann, und Megan Alcatraz war eine vernünftige Frau, das wußte er, darum glaubte er unsere Geschichte. Aber es fiel ihm nicht leicht.

    Cayenne: Beweise. Ohne Beweise kann ich nichts gegen Stammheim unternehmen. Geben Sie mir Beweise, Megan, rufen Sie Ihr verstecktes Material ab.

    Megan: O nein, Pierre. Das Material bleibt vorerst da, wo es ist, ich will Sie nicht in Versuchung führen, wenn Sie mein Material haben, können Sie Stammheim problemlos allein erledigen. Und dann kämen Sie womöglich auf den unschönen Einfall mich und meinen Partner Jonas zu eliminieren. Sie würden an das Wohl von Privollzug denken, immerhin sind wir aus der Strafkolonie ausgebrochen, aus Ihrer Obhut.

    Cayenne: Trauen Sie mir nicht, Megan.

    Megan: Ich wäre dumm, wenn ich's täte, Pierre. Hören Sie zu. Sie kriegen ihre Beweise, aber anders.

    Jonas: Stammheim wird sich selbst überführen, er wird sich stellen, er wird alles zugeben.

    Cayenne: Ich verstehe. Soll ich Sie mit einem versteckten Sender ausrüsten.

    Jonas: Nicht nötig. Den haben wir schon. Ich geb Ihnen die Frequenz. Sie werden mithören.

    Megan: Sie und die Medien. Die Sache muß an die Öffentlichkeit. Wir wollen voll rehabilitiert werden. Von einem Deal unter der Hand zwischen Stammheim und Ihnen haben wir beide gar nichts.

    Cayenne: Aber sowas würde ich doch nie

    Megan: Natürlich nicht, Pierre.

    Jonas: Wenn's brenzlig wird, greifen Sie ein, Cayenne.

    Cayenne: In Ordnung, Werkschutz. Kripo auch wenn Sie wollen.

    Jonas: Aber keine Auto-Cops.

    Jonas: Rund 14 Stunden später, 3. August 2013, 0 Uhr 20, tief unter dem Justizministerium. Eine Pneumakapsel kam zum Stehen, die Klappe ging auf, Megan Alcatraz und Jonas, wieder in ihrer Koloniekluft, stiegen aus und wurden sofort in Bodybags gestopft, von Auto-Cops. Alonso Stammheim sah gutgelaunt zu.

    Stammheim: So läßt es sich doch viel angenehmer plaudern, nicht wahr. Sie haben es also geschafft, Jonas, wenn auch erst im zweiten Anlauf. Eigentlich hatte ich Sie schon gestern erwartet. Na Ende gut alles gut. Megan, meine Teure, glänzend sehen Sie aus. Ein wenig extravagant aber glänzend. Verraten Sie mir, wo Sie die Daten über meinen Deal mit Highsec haben. Und den Abrufcode natürlich auch.

    Megan: Sie glauben doch nicht ernsthaft, daß ich Ihnen das sage, Stammheim, Sie Ratte.

    Stammheim: Nun ja, vielleicht nicht sofort, liebste Megan, aber wenn Sie erst in der Autotortur.

    Megan: Oh.

    Stammheim: Damit haben Sie nicht gerechtet, was, ha, die automatische Folterkammer ist fertig, mein Lieblingsprojekt, Sie wissen ja, Sie geschätzte Kollegin werden die Ehre haben als Versuchskaninchen zu agieren. Sie sind eine starke Frau, wie lange werden Sie wohl durchhalten, 10 Minuten, eine halbe Stunde oder gar länger. Wir werden sehen, hören, erleben, genießen.

    Jonas: Kommen Sie mal wieder runter, Stammheim. Sie ja schon am durchdrehen bevor es losgeht.

    Sam: Ejakulatio presskopf sagt der Experte.

    Stammheim: Herr Jonas, entschuldigen Sie, Sie sind ja auch noch da. Die Autotortur, wissen Sie, ein Thema bei dem ich immer alles andere vergesse. Ja, was mach ich mit Ihnen, es war vorgesehen, Sie schnell zu töten, aber wenn ich es mir recht überlege, sind zwei Kaninchen besser als eins. Wie Ihre Leiche aussieht, ist schließlich egal, Hauptsache man kann Sie identifizieren als ausgebrochenen Strafkolonisten. Ha, zwei mal Autotortur, eine halbe Million Euros. O happy day! Schafft die beiden in die Autotortur.

    Jonas: Es wurde Zeit. Zeit daß Sammy was tat. Der hatte es sich im Autojustiz-Systems bequem gemacht. Megan hatte ihn mit den Geheimcodes versorgt, noch aus ihrer Zeit im Justizministerium. Aber jetzt trat Sam in Aktion. Zuerst knackte er die Schlösser an unseren Bodybags. Dann gab er den Auto-Cops neue Befehle. Priorität eins a. Sie hörten nicht mehr auf Stammheim. Sie hören überhaupt nicht, sie zogen ihre Knüppel und fingen an, aufeinander einzudreschen. Mit lobenswertem Eifer.

    Stammheim: Aufhören, Schluß damit. Ihr sollt aufhören, hab ich gesagt.

    Megan: Warst du das Jonas, hast du Stammheim in Starrkrampf versetzt. Haha. Sag bloß, du kannst auch hexen.

    Jonas: Iwo, Neurofreezer, den hatte ich mir bei Privollzug unters Hemd gesteckt. So. Die Auto-Cops sind im Eimer. Was machen wir mit unserem Freund Stammheim.

    Megan: Autotortur schlage ich vor. Soll er sein Lieblingsprojekt selbst testen. Bin gespannt, wie lang er durchhält. Ah er schwitzt Jonas, sieh mal.

    Jonas: Die Hosen hat er auch voll.

    Cayenne: Halten Sie aus, gleich sind wir bei Ihnen.

    Jonas: Die Kavallerie. Zu spät, wie immer.

    Megan: Zu früh, keine Autotortur für dich Stammheim, schade.

    Jonas: Statt dessen kam er vor den Auto-Judex. Megan und ich sahen zu. Durch einen Einwegspiegel in der Wand.

    Auto-Judex: Stammheim Alonso, wird verurteilt, sein weiteres Leben in der Straf-kolonie zu verbringen, der Beklagte nimmt das Urteil an, das Urteil ist rechtskräftig.

    Stammheim: Nein, nein, nicht in die Strafkolonie, bitte, bitte, ich tu's auch nie wieder. Gnade.

    Megan: Wie's ihm da wohl gehen wird.

    Jonas: Gutes Eunuchenmaterial.

    Megan: Ja? Also ich hoffe, die Kannibalen kriegen das Schwein.

    Jonas: Schalt ab, Megan, er ist so laut.

    Megan: Was ich dir noch sagen wollte, Jonas. Ich hab seinen Job.

    Jonas: Chiefcontroller.

    Megan: Hm.

    Jonas: Gratuliere Megan.

    Megan: Wollen wir das nicht feiern, wir zwei, vielleicht gleich hier im Kasino. Das Essen ist allerdings nicht berühmt.

    Jonas: Gehen wir lieber ins Casablanca. Da ist das Essen auch mies, aber dafür der Whisky noch mieser, und die Atmosphäre unbeschreiblich. Wüah.

    Megan: Einverstanden. Wann?

    Jonas: Sagen wir in zwei Stunden. Ich hab vorher noch was zu erledigen. Beim Autodentisten.

    Sam: Nein, Sammy will in seinem Meister bleiben, ganz eng, ganz nah, ganz innig, von nun an bis in Ewigkeit.

    Jonas: Das könnte dir so passen. Du kommst raus.

    Sam: Liebt mein Jonas denn seinen Sam gar nicht mehr.

    Jonas: Merk dir Sammy. Die wahre Liebe blüht in der Distanz.

    Sam: Ach? Hat das Goethe gesagt?

    Jonas: Zu mir nicht.

    Sam: Zu mir auch nicht.

    Das war Strafkolonie. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Außerdem wirkten mit: Kerstin de Ahna, Karl Friedrich, Achim Höppner und viele andere (Werner Klein, Michael Schneider, Ilse Neubauer, Michael Vogtmann, Detlef Kügow, Ernst Wilhelm Lenik, Dorothee Hartinger, Pascale Schulze, Marc Schulze, Urs Schaudinn, Andreas Wohlrab, Eva Windisch). Ton und Technik: Günter Heß, Christine Koller und Monika Graul. Regieassistenz: Holger Buck, Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1994). Redaktion: Erwin Weigel.

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:47 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Nachtcafe

    Jonas: Sie wimmelten um uns herum, kratzten an der Plexikuppel, drückten sich die verschorften Nasen platt, stierten auf unseren Tisch, unsere Teller. Steaks. Echtes Rindfleisch. Unbezahlbar. Sie zeigten uns ihre dürren Rippen, ihre aufgetriebenen Bäuche, ihre offenen Wunden, ihre Eiterbeulen. Und sie schrieen. Sie schrieen vor Hunger. Sie schrieen nach unseren Abfällen. Der bullige Typ neben mir warf ihnen was zu. Einen abgenagten Knochen. Durch die elektronisch gesicherte Klappe. Sie stürzen sich drauf, fielen übereinander her, schlugen sich blutig.

    Lumbago: Hahahaha! Das macht Laune und Appetit. Hunger ist der beste Koch. Sagten schon Opa und Oma im guten alten 20. Jahrhundert. Na, ihr Klappergestelle, noch ein Stück? Kusch, später, vielleicht, wenn ihr uns bei Laune haltet. Na, bietet uns mal was. Allehopp!

    Jonas: Das Lokal hieß Drittwelt. Ein Schuppen für Superreiche. Man tafelte in Plastikkuppeln. Dahinter Horden halbverhungerter Drittweltler. Der Besitzer ließ sie an der Grenze einsammeln. Da gab's mehr als genug. Frischer Nachschub. Jede Nacht.

    Lumbago: Super Idee. Der letzte Schrei. Erlebnisgastronomie mit Pfiff. Sie essen ja gar nicht Jonas. Hauen Sie doch rein. Die Chefin zahlt.

    Jonas: Sie haben mich hierher bestellt, sagen Sie, worum es geht. Ich höre zu. Aber vorher drücken Sie auf den Knopf.

    Lumbago: Sie meinen Ton weg, Kuppel undurchsichtig? Aber wieso denn, die Hungerleider sind doch gerade der Witz hier.

    Krug: Tun Sie uns den Gefallen, Lumbago, stellen Sie das da draußen ab.

    Jonas: Sie war Kassandra Krug: Albin Krugs einzige Tochter, die reichste Erbin in Babylon, vielleicht in ganz Europa, trotzdem tat sie mir leid, sie war so klein, einsdreißig - höchstens. Und ihre Augen hatten den gleichen traurigen Blick wie die Augen der armen Schweine hinter dem Plexiglas. Ihretwegen blieb ich, der Mann bei ihr war weniger mein Fall.

    Jonas: Lumbago.

    Lumbago: Ja, so heiße ich. Tayfun Lumbago, Dr. Lumbago, Dr. der äh...

    Krug: Kunstgeschichte.

    Jonas: Doktor.

    Lumbago: Was dagegen?

    Jonas: Genau so hab ich mir einen Doktor der Kunstgeschichte vorgestellt, zwei Meter im Quadrat, Nasenknick, Blumenkohlohren.

    Lumbago: Nur kein Neid, Freundchen.

    Krug: Dr. Lumbago betreut die Kunstsammlung meines Vaters. Deshalb ist er mitgekommen. Verstehen Sie?

    Jonas: Kein Wort. Vielleicht fangen Sie mal an mir zu erklären was Sie von mir wollen.

    Lumbago: Van Gogh. Schon mal gehört den Namen?

    Jonas: Maler vor 100 Jahren. Nicht ganz dicht, hat sich was abgeschnitten, Ohr, richtig, krieg ich jetzt den Preis.

    Krug: Mehr wissen Sie nicht?

    Jonas: Wozu?

    Krug: Nachtcafe, Jonas, sagt Ihnen das was?

    Jonas: Ist das ne Kneipe? Kenn ich nicht.

    Lumbago: Na wissen Sie Freundchen, mit ihrer Bildung sieht's eher mickrig aus.

    Jonas: Im Gegenteil, Freundchen, meine Bildung ist gewaltig, und ich habe sie immer bei mir, in der Tasche. Bitte, mein Computer, spricht viel, weiß alles. Hast du zugehört, Sam.

    Sam: Ja natür... haben wir Chef. Doch doch doch mit einem Öhrchen, na ja warum. Nicht gerade anregend das Gesülze.

    Jonas: Van Gogh, Sammy, Nachtcafe, leg los, mach Eindruck, zeig den Herrschaften, was Bildung ist.

    Sam: Aber immer, Meister, auf die Plätze fertig los, Piep. Vincent van Gogh, 1853 bis 1890, zu Lebzeiten ein bettelarmer, völlig erfolgloser, gänzlich unbekannter Maler, wurde nach seinem allzufrühen Tod anerkannt und gefeiert als einer der genialsten Künstler, welche je auf Erden wandelten. Bereits im 20. Jahrhundert erzielten seine Gemälde Rekorderlöse –heute sind sie so gut wie unerschwinglich.

    Jonas: Das wußte sogar Jonas, und er wußte auch warum. Weil es kaum noch echte van Goghs gab, die meisten waren in den letzten Jahren draufgegangen, als Holland und Belgien überflutet wurden, als beim Erdbeben von Tokio die Großbanken mitsamt ihren Tresoren ins Meer rutschten, als im 2. amerikanischen Bürgerkrieg die Museen in Flammen aufgingen.

    Sam: Nachtcafe ist der Titel eines Gemäldes, welches van Gogh im September 1888 zu Arles in Südfrankreich schuf.

    Jonas: Ach so. Ein Bild ist das.

    Sam: Was denn sonst du hirnamputierte Beutelmaus. Nachtcafe, vordem im Besitz der Yale University, wurde im Dezember 2012 von Albin Krug, dem bekannten babylonischen Multimillionär und Multimilliardär für seine Sammlung erworben, Kostenpunkt 500 Millionen Euros.

    Jonas: Eine halbe Milliarde.

    Sam: Ja.

    Jonas: Für ein Bild.

    Sam: Ja.

    Krug: So ist es Jonas. Und jetzt hat mein Vater erklärt, daß er Nachtcafe mitnehmen will.

    Jonas: Mitnehmen, wohin.

    Lumbago: In die Hölle vermutlich. Verzeihung, Kassandra.

    Krug: Schon gut, Lumbago. In den Sarg, ins Krematorium. Wenn er tot ist.

    Lumbago: Und das wird nicht mehr lange dauern. Immerhin ist Albin Krug an die 120.

    Krug: 121 Jahre und 4 Monate.

    Jonas: Moment, ihr Vater will ein Bild für eine halbe Milliarde verbrennen. Warum?

    Krug: So ist er, Jonas, wenn es ihn nicht mehr gibt, soll es auch Nachtcafe von van Gogh nicht mehr geben.

    Lumbago: Ja, und darum haben wir Sie kommen lassen, Jonas.

    Krug: Sie sollen verhindern, daß mein Vater seinen Plan ausführt.

    Lumbago: Sie sollen Kassandras wichtigstes und wertvollstes Erbstück sichern und der Welt ein einmaliges Kunstwerk erhalten.

    Jonas: Ich verstehe, Sie brauchen keinen Detektiv, Sie brauchen einen Dieb.

    Lumbago: Jacke wie Hose Jonas.

    Krug: Bitte, Jonas, retten Sie Nachtcafe, für mich.

    Sam: Gut wir retten Nachtcafe.

    Jonas: Sie sah mich an, schräg von unten, mit großen traurigen Augen. Deshalb blieb ich. Jonas war nicht in Form. Jonas hatte keinen Bock. Jonas wollte kein Detektiv mehr sein. Letzter, vorletzter, allerletzter. Egal. Jonas wollte was ganz anderes tun, was kreatives. Töpfern, Klavierspielen, Midlifecrisis nennt man so was. Und ein Bild klauen, das hat ja auch was kreatives. Irgendwie. Was künstlerisches.

    Lumbago: Auf jeden Fall ist es eine ganz einfache Kiste Jonas. Sie gehen zu Krugs Haus, gleich nebenan, durch den bewachten Park, 10 Minuten zu Fuß. Sie gehen ins Haus, durchs Foyer und dann rechts in den Bildersaal, immer gerade aus, Nachtcafe hängt an der hinteren Wand, nicht zu verfehlen. Sie nehmen das Bild ab, klemmen es unter den Arm, kommen zurück.

    Jonas: Nicht so schnell, Lumbago.

    Lumbago: Dr. Lumbago.

    Jonas: Wollen Sie mir erzählen, daß Haus und Bild überhaupt nicht gesichert sind?

    Lumbago: Natürlich sind sie gesichert, und wie, aber das ist nicht Ihr Problem. Kassandra?

    Krug: Hier, Jonas, eine Generalsupersicherheitsscheibe.

    Lumbago: Damit legen Sie das komplette Schutzsystem im Hause Krug lahm.

    Jonas: Kein Personal.

    Lumbago: Die Menschen haben Ausgang, die Automaten schaltet ihre Schreibe ab.

    Jonas: Und Albin Krug selbst.

    Krug: Wird Sie nicht stören, Papi hält sich in seinem Spezialambiente auf, tief unter dem Haus.

    Lumbago: Ja, Sie sehen Jonas, ein Kinderspiel. Mit dem Bild kommen Sie hier her zurück, dafür kriegen Sie 500 Euros.

    Jonas: 500. Für ein Bild, das 1.000.000 mal soviel wert ist.

    Lumbago: Na, sagen wir 1000, aber mehr ist nicht drin.

    Krug: Pappi hält mich kurz.

    Lumbago: Alles klar Jonas.

    Jonas: Noch nicht ganz, wenn die Sache so leicht ist, wozu brauchen Sie mich. Warum klauen Sie Nachtcafe nicht einfach selbst.

    Lumbago: Schwer von Begriff ist er auch noch. Albin Krug wird natürlich Kassandra verdächtigen.

    Krug: Sie auch Lumbago.

    Lumbago: Und darum brauchen wir ein Alibi. Wir sitzen hier in der Drittwelt, ganz gemütlich. Und derweil reißt sich ein Außenstehender das Bild unter den Nagel, einer den Krug nicht kennt. Der mit Kunst nichts am Hut hat und der sich dabei nicht allzu dämlich anstellt hoffentlich. Uhrenvergleich. Es ist jetzt.

    Sam: 22 Uhr 17 Minuten und 9 Sekunden. Piep.

    Lumbago: Spätestens um 11 sind Sie wieder hier, Jonas. Mit Nachtcafe, eingewickelt natürlich, Decken und Packpapier finden Sie im Bildersaal auf dem Tisch rechts von der Tür.

    Krug: Viel Glück Jonas. Wir sehen uns.

    Sam: Tschüß.

    Jonas: Jonas war schon oft danebengewesen, aber noch nie so daneben wie an diesem 2. Juli 2013. Midlifecrisis wie gesagt und große Zwergenaugen. Wie auch immer, Jonas ging klauen. Krugs Haus war kein Haus, eine Residenz, eine Palast, eine gigantische Schatzkammer, gesichert und bewacht von allem was gut und teuer war. Schleusen und Scanner jeder Art, Robodogs und Robokiller, Monitore, Fallen, Alarmanlagen, aber damit hatte Jonas keine Probleme. Jonas war unsichtbar, seine Superscheibe bahnte ihm den Weg durch die Dornenhecke ins Dornröschenschloß. In den Bildersaal, was heißt Bildersaal, ins Museum. Überall gerahmte Kunst, groß, klein, bunt, einfarbig. Soweit so gut. Wo war Nachtcafe?

    Sam: Sperr die Schweinslitzen auf Genosse, hier, direkt vor dero hochwürdigstem Riechorgan.

    Jonas: Das Bild da, das kleine Ding?

    Sam: Ja, 70 mal 90 cm. Klein, aber oho. Wie Miß Kassandra die Krügin.

    Jonas: Na, weißt du, Sammy. Giftgrün, Blutrot, Eitergelb, und mittendrin ein schiefer Billardtisch. Also mir gefällt's nicht.

    Sam: Och, wer fragt dich denn, du Banause, merke 500 Milliarden Euros können nicht irren.

    Jonas: Bißchen Ästhetik hätte ich dir einprogrammieren sollen.

    Sam: Nachtcafe ist eines der häßlichsten Bilder, die ich geschaffen habe, sagte Vincent van Gogh, der Meister höchstpersönlich.

    Jonas: Ja, der sollte es wissen.

    Sam: Und ferner sprach er: Ich habe versucht, die finsteren Nächte in einer gemeinen Kneipe darzustellen, und das in einer Atmosphäre fahl und schweflig wie ein Höllenofen.

    Jonas: Interessanter Aspekt, Sammy.

    Sam: Also so geht’s nicht, Chef, sind wir hier, um das Bild zu betrachten, zu interpretieren, kritisch zu werten? Hä? Mitnichten, geklaut soll es werden das Bild, also dann mal los, du Schnarchsack, bißchen plötzlich.

    Jonas: 10 Minuten später war ich draußen. Auf der Straße. Unter dem Arm ein flaches Paket, rechteckig, 70 mal 90, in einer Decke, im Bauch ein ungutes Gefühl. Und in der Tasche ein Computer, dem die Geschichte auch nicht gefiel. Und der das sagte, laut und deutlich.

    Sam: Da kommt eine Zwergin mit einem merkwürdigen Doktor der Kunstgeschichte und einer noch merkwürdigeren Story, und was tut mein Meister, er geht hin und klaut einen van Gogh. Wahnsinn!

    Jonas: Für einen guten Zweck, Sammy.

    Sam: Ach ja, also wenn du das glaubst, du Knallfrosch, dann muß dir einer ins Hirn genotdurftet haben. Was, genotdurftet, ach was geschissen.

    Jonas: Vorsicht Sam, du weißt, man kann dich abschalten.

    Sam: Apropos abschalten. Die Sicherheitssysteme im Hause Krug

    Jonas: Waren abgeschaltet durch meine Superscheibe. Oder nicht.

    Sam: Doch doch doch doch, irgendwie schon. Einerseits.

    Jonas: Was heißt das?

    Sam: Naja, schwer zu erklären, euer Unempfänglichkeit, da war noch mehr hinter dem Sicherheitssystemen, verdeckt, verborgen, Elektronik zu Hauf.

    Jonas: Bist du sicher Sam.

    Sam: Mein Gott Jupiter Merkur, was was ich, was heißt sicher, ist eher eine Art schleichende Ahnung, ungewiß oder unabweisbar, ein Gefühl.

    Jonas: Du hast keine Gefühle, Sammy.

    Sam: Was kein Gefühl.

    Jonas: OK. Was schlägst du vor.

    Sam: Folgendes Herr Kollege, Bevor uns nicht gewisse Aufklärung über Grund, Sinn und Zweck der Affäre Nachtcafe zu teil wird, liefern wir das Gemälde nicht ab. Wir halten es zurück, verstecken es, als Pfand, na ja non capito, als Sicherheit.

    Jonas: Keine schlechte Idee, und Jonas wußte auch wo er das Bild unterstellen konnte: Bei Joana, einer alten Freundin, Besitzerin der kleinen Kunstgalerie Picassos Pinsel in der Palmettostraße, nicht weit, nur um die Ecke. Joana ist eine tüchtige Geschäftsfrau, die Galerie war noch auf. Abends kurz vor 11. Tja, wir Freiberufler, immer im Dienst.

    Joana: Sieh mal wer da kommt, Jonas, Jonas der letzte Detektiv. Welch seltene Ehre, Tusch Herr Kapellmeister.

    Sam: Tätätätä, Jonas und Sam. Der Treueste der Treuen, wie sprichwortet doch das Volk. Je später der Abend.

    Joana: Halt den Rand Sammy. Gerade wollt ich abschließen und ins Bett gehen, allein, aber jetzt.

    Jonas: Laß dich nicht aufhalten Joana, ich muß gleich weiter. Kannst du das hier für mich aufheben.

    Joana: Ein Bild? Seit wann interessierst du dich für Kunst, Jonas?

    Jonas: Laß es eingewickelt, tu es in deinen Tresor, morgen hol ich es wieder ab.

    Joana: Was ist los Jonas, worum geht's? Ein Fall.

    Jonas: Keine Zeit, Joana, morgen, und was ich noch sagen wollte, danke.

    Jonas: Punkt 11 kam ich in der Drittwelt an. Wie besprochen, aber Kassandra Krug und Lumbago waren nicht da.

    Kellner: Die Herrschaften lassen sich entschuldigen, eine unvorhergesehene Abhaltung. Sie werden sich in wenigen Minuten einfinden. Sie, Herr...

    Jonas: Jonas.

    Kellner: Ach ja, ganz recht, Sie werden ersucht zu warten, Herr Jonas, hier an der Bar, wenn’s beliebt.

    Jonas: Es beliebte. Auch wenn Jonas leicht säuerlich war. Wozu hatte ich mich so beeilt. Egal. Ich saß an der Bar, weit ab von den heulenden Drittweltlern, trank mit Andacht einen echten Single Malt Whisky und wartete. Ein paar Minuten vergingen, dann machte es puff, in meiner Jackentasche, ich faßte rein, nichts drin, auch nicht Kassandra Krugs Superscheibe, die eben noch dringewesen war. Anscheinend ein Autodestruktions- und Evapourationsmechanismus, schweres Wort, hab ich von Sam. Als ich gerade anfing, mich zu wundern, piekte mich plötzlich ein Zeigefinger ins Kreuz, ein amtlicher Zeigefinger. Und eine amtliche Stimme flüstere mir was ins Ohr.

    Brock: Sie sind festgenommen Jonas.

    Jonas: Chefinspektor Brock, warum flüstern Sie, haben Sie ihre Dienstmarke verschluckt?

    Brock: Rücksicht ist das, weil wir in der Drittwelt sind, und weil hier der Polizeipräsident verkehrt, die Bürgermeisterin, Milliardäre, Industriekapitäne und -innen, bessere Leute, die wollen das exotische Ambiente in Ruhe genießen und sich beim Speisen nicht durch polizeiliche Maßnahmen stören lassen.

    Jonas: Was für polizeiliche Maßnahmen, Bröckchen?

    Brock: Sie sind festgenommen, Jonas.

    Jonas: Ach was. Warum.

    Brock: Das erfahren Sie auf dem Revier. Kommen Sie jetzt mit.

    Jonas: Ich denke nicht daran. Den Grund der Festnahme müssen Sie mir sofort sagen und dann müssen Sie Ihren Spruch ableiern. Alles was Sie aussagen kann vor Gericht usw. Ist Gesetz.

    Brock: Können Sie haben, Jonas, ich pfeife, meine Leute kommen rein, wir nehmen Sie fest, mit allen Schikanen, wie es im Gesetzbuch steht.

    Jonas: Das wird dem Herrn Polizeipräsidenten gar nicht gefallen.

    Brock: Ihren aber auch nicht, Jonas. Es könne nämlich passieren, daß Sie dabei unter Umständen ein kleines bißchen beschädigt werden. Aber ganz wie Sie wollen. Soll ich pfeifen?

    Jonas: Säuseln Sie lieber weiter, Bröckchen, das ist zwar auch nicht schön, aber ausgesprochen selten.

    Brock: Gut so. Stehen Sie auf, langsam, unauffällig. Gehen Sie voraus.

    Jonas: Auf dem Revier gab's keine besseren Leute, wir waren unter uns. Unter uns normalen, sofern man Bullen und private Schnüffler aus Normal bezeichnen kann. Chefinspektor Brock war wieder der alte, laut ruppig, harte Schale, und nicht ganz so harter Kern, womöglich, jedenfalls spendierte er mir einen Sojakaff. Und dann sagte er mir, warum ich festgenommen war.

    Brock: Diebstahl in Verbindung mit Einbruch. Sie haben ein Gemälde aus Albin Krugs Sammlung gestohlen, Wert eine halbe Milliarde. Die Beweislage ist eindeutig. Beim Begehen der Straftat wurden Sie holografisch erfaßt und aufgenommen.

    Jonas: Das also waren Sammy elektronische Ahnungen.

    Brock: Bestreiten Sie das Ihnen zur Last gelegte Verbrechen, Jonas.

    Jonas: Ja, das heißt nein, sagen wir nicht direkt. Ich kann alles erklären, das heißt Kassandra Krug kann, Albins Tochter, fragen Sie sie Brock.

    Brock: Nicht nötig, Kassandra Krug hat Sie angezeigt Jonas und uns das Holoband vorgelegt.

    Jonas: Das ist doch nicht wahr.

    Brock: Rufen Sie sie an. Sie wissen ja: einen Anruf haben Sie. Das ist Gesetz.

    Jonas: Das Bild, das ich, ich meine um das es geht, ist das versichert.

    Brock: Klar.

    Jonas: Bei wem?

    Brock: Moment, steht alles im Protokoll. Hier. Vereinigte Kosmos.

    Jonas: Kenn ich. Fall Supernova. OK Brock, machen Sie mir eine Fonverbindung.

    Brock: Mit Kassandra Krug?

    Jonas: Nein, mit der Versicherung. Jonas war dabei wieder Dampf aufzunehmen. Agieren, nicht reagieren hieß die Parole. Der Vereinigten Kosmos schlug ich ein Geschäft vor, ich bot an, Nachtcafe zurückzugeben, morgen, wenn ich sofort aus der Haft entlassen würde, vorläufig, gegen Kaution. Jonas mußte raus. So schnell wie möglich, um festzustellen, was gespielt wurde, von wem und warum. Gegen zwei Uhr nachts war ich draußen und machte mich sofort auf den Weg zur Palmettostraße. Da wartete die nächste Überraschung auf Jonas, ungewöhnliche Aktivität. Feuerwehrsirenen, Leitern, Schläuche, rote Glut, schwarze Trümmer. Die Galerie Picassos Pinsel war ausgebrannt, Joana stand vor den Resten. Sie schrie nicht, sie raufte sich nicht die Haare. Sie war sauer. Auf Jonas.

    Joana: Willkommen großer Detektiv, willkommen zum festlichen Feuerzauber. Sieh es dir an, Jonas, siehs dir ganz genau an. Das wirst du mir alles ersetzen. Meine Galerie, meine Wohnung, meine Objekte, meine Bilder. Alles.

    Jonas: Ich. Wieso ich.

    Joana: Weil du mir vorhin dieses Bild gebracht hast, Jonas, deshalb.

    Jonas: Versteh ich nicht.

    Joana: Das Bild ist explodiert mit einer Stichflamme, die hat die Wandbehänge in Brand gesetzt, usw. s' ging ganz schnell.

    Jonas: Explodiert. Wann.

    Joana: Genau um 11. Hatte es abgestellt, wollte gerade den Tresor aufschließen.

    Jonas: Punkt elf. Ein Autodistrukt mit Zeitschaltung. Wie der bei Scheibe. Mein Gott das Bild, Joana, was ist mit Nachtcafe.

    Joana: Was soll sein. Explodiert. Verbrannt. Hinüber.

    Jonas: Verbrannt. Ein echter van Gogh. 500 Millionen Euros.

    Joana: Unsinn. Eine Kopie, gutgemacht, aber doch nur eine Kopie. Nicht mehr wert als 100 Euros.

    Jonas: Bist du sicher.

    Joana: Ich hab's mir angekuckt dein Bild. Ausgewickelt und angekuckt. Wollt doch wissen, was Jonas bei mir abstellt. Van Goghs Nachtcafe. Kopie in Originalgröße.

    Jonas: Eine billige Kopie. Ich hab ne Kopie geklaut. Joana ich brauch dich. Komm mit.

    Joana: Darauf kannst du dich verlassen Jonas, daß ich mitkomme und dich nicht aus den Augen lasse. Nicht weil ich dich brauche. Ich brauch ein Bett und Schadensersatz. Rat und Hilfe sowieso.

    Jonas: Auch Jonas brauchte Rat und Hilfe. Es war höchste Zeit für eine Konferenz. Eine Stunde saßen wir in meinem Büroapartment zusammen. Joana, Jonas und Sam natürlich. Nur daß der nicht saß sondern lag. Auf dem Schreibtisch, was seinen Redefluß keineswegs einschränkte. Im Gegenteil.

    Sam: Im Namen der Logik, des Intellekts und des heiligen Geistes, lasset uns rekapitulieren liebwerte Gemeinde.

    Joana: Von mir aus.

    Jonas: Nur zu, Sammy. Erstens.

    Sam: Niemals. Punktum Römisch I. Fraktur.

    Jonas: Ist uns auch recht, was Joana.

    Sam: Römisch I. Alldieweil Sintimalen und was maßen unserem hochwertgeschätzten Anbefohlen namens Jonas nur Jonas zubenamset der letzte Detektiv von Seiten einer gewissen Kassandra Krug die Aufgabe zu teil wart, ein ölfarbbedecktes Stück Leinewand vulgo Nachtcafe aus ihres Herrn Vaters hochkünstlerischer Sammlung heimlichst zu entfernen, äh entfernen, sintinmalen zu entfernen, sinti... wo war

    Jonas: Na Sammy, verhaspelt, weißt du nicht weiter.

    Sam: Piep. Zwo. Jonas klaut Bild, wird dabei ohne sein Wissen elektronisch beobachtet, und aufgezeichnet. Drei. Kassandra Krug zeigt Jonas wegen Diebstahls an. Vier. Supersicherheitsscheibe wird durch Selbstzerstörungsmechanismus vernichtet.

    Jonas: Und damit verliere ich meinen einzigen Beweis, daß ich für Kassandra Krug gearbeitet habe.

    Sam: Bitte den Vortragenden nicht zu unterbrechen. Fünf. Vernichtet wird gleichermaßen das gestohlene Bild, welches sich zu allem Überfluß Punkt sechs als Kopie erweist.

    Jonas: Erwies, Sammy, erwies.

    Sam: Bzw. bewies. In dem das.

    Jonas: Alldieweil und sintimalen.

    Sam: In dem das Alldieweil und sintimalen Punkt sieben besagtes Bild nicht mehr existiert ebenfalls dank eines Autodistruktmechanismus, durch welches Faktum dem Paktum des p.p. Jonas der Versicherungsgesellschaft zur Gänze die Basis entzogen wurde. Fuu äh Korrektur Uff.

    Jonas: Das heißt Jonas muß in den Knast. Punkt 8.

    Sam: Fazit Jonas nur Jonas der letzte Detektiv belieben sich in einer keinesfalls als beneidenswert zu bezeichnenden Situation zu befinden.

    Jonas: Vulgo in der Scheiße. Bis zum Hals.

    Joana: Und ich. Geht's mir etwa gut?

    Sam: Irrelefant meine Gnädigste. Denn merke: Sam ist ein persönlicher Computer. Sams Person ist Jonas. Zufällig zugelaufene Wesen weiblichen Geschlechts gehören nicht in Sams Aufgabeparameter.

    Joana: Blas dich nicht so auf du eifersüchtige Blechbüchse.

    Sam: Unsachliche Unterstellungen großmütig ignorierend, kommen wir nunmehr zum Schluß, liebwerte Gemeinde, wieder einmal ist Jonas, nur Jonas der letzte Detektiv Objekt und Opfer in einem üblen Spiels, welches mit ihm getrieben wird.

    Jonas: Scheiß Spiel.

    Sam: Ja.

    Jonas: Getrieben von wem. Wer steckt dahinter.

    Sam: Ach armer Jonas, die alte alte Frage und ist doch ewig neu.

    Jonas: Is ja gut Sammy, und deine Antwort.

    Sam: Unzureichende Daten, o Wiederstein der Weltaltswonnen.

    Jonas: Die alte alte Antwort also.

    Joana: Kassandra Krug, wer denn sonst.

    Jonas: Vielleicht auch dieser Dr. Lumbago, der Leiter von Albin Krugs Sammlung.

    Joana: Augenblick, Jonas, was soll dieser Dr. Dingsbums sein.

    Jonas: Lumbago, Leiter von Krugs Kunstsammlung.

    Joana: Nie im Leben. Der Leiter ist Professor Asmus, ich kenn ihn persönlich.

    Jonas: Wie sieht er aus.

    Joana: Ein alter Herr, klein, zierlich, trägt nur schwarz, drückt sich sehr gewählt aus.

    Sam: Hm, hört sich ganz und gar nicht an wie unser Freund Tayfun Lumbago. Was Chef.

    Joana: Ein interessanter Mann, Asmus mein ich, früher mal vor 30, 40 Jahren recht bekannter Maler, Pseudoexpressionist, Neoabstracter, Fotorealist.

    Jonas: Hast du seine Fonnummer, Joana.

    Joana: Moment.

    Joana: In meinem Computer.

    Sam: Was, anderer Computer? Nein, Sammy eifersüchtig, nicht anderer Computer.

    Jonas: Prof. Asmus ging nicht ans Fon, aber Joana hatte seine Adresse. Racivilweg, Südbabylon, das alte Künstlerviertel, eine Dachwohnung, fast ein Penthouse, unproblematisches Türschloß, dahinter ein riesengroßer Raum, Schlaf- und Wohnzimmer plus Atelier, ein überdimensionales Fenster, Nordlicht, zwischen Bett und Staffelei ein hochkünstlerisches Chaos. Zeichencomputer, Pinsel und Farben, auf einem echten alten Holztisch vollgekritzelte Blätter, über- und durcheinander.

    Joana: Skizzen, Entwürfe, Studien, und alle zu einem Thema, zu einem Bild.

    Jonas: Sag's nicht, Joana, laß mich raten, blutrot eitergelb giftgrün, Billardtisch, Nachtcafe. Van Gogh.

    Joana: Kopie von Prof. Asmus.

    Jonas: Das heißt, die Kopie, die Jonas im Hause Krug gestohlen und dann dir übergeben hat Joana.

    Joana: Und die bei mir in die Luft geflogen ist, mitsamt der ganzen Galerie.

    Jonas: Diese Kopie hat Asmus produziert, Professor Asmus, Maler und Leiter von Krugs Kunstsammlung.

    Joana: Das gibt doch keinen Sinn, Jonas, außer, Moment, außer Asmus ist der große Unbekannte, der Drahtzieher im Hintergrund.

    Jonas: Nein, Joana, das ist er nicht.

    Joana: Wieso nicht?

    Jonas: Asmus trägt immer schwarz, hast du gesagt.

    Joana: Ja, warum?

    Jonas: Darum. Unter dem Bett sah ein Fuß hervor, in schwarzem Schuh und schwarzer Socke. Ich faßte zu und zog. Zum Vorschein kam ein kleiner alter Mann in schwarz. Ein toter Mann. Mit verdrehtem Kopf und gebrochenem Genick, noch warm.

    Joana: Professor Asmus, das ist er.

    Jonas: Das war er. Jemand hat ihn umgebracht.

    Joana: Der Unbekannte, der Drahtzieher.

    Jonas: Sieht so aus.

    Joana: Drahtzieherin Kassandra Krug.

    Jonas: Ich weiß nicht, Joana. Irgendwie traue ich ihr sowas nicht zu.

    Sam: Jaja, strenger Vater, kleine Tochter, große Augen. Armes Kind. Ein Sentimentalinski ist mein Jonas. Hört das Fon ihr läuten, was hat's denn zu bedeuten?

    Jonas: Blöde Frage, Sammy, irgendwer ruft bei Asmus an.

    Joana: Wer kann das sein, Jonas?

    Jonas: Werden wir gleich hören. Hallo?

    Krug: Das wurde auch Zeit. Meine Tochter, schnell.

    Jonas: Hier ist das Atelier von Professor Asmus.

    Krug: Weiß ich. Ich bin Albin Krug. Persönlich. Ich warte nicht gern. Geben Sie mir meine Tochter. Wer immer Sie sind, ich weiß daß sie da ist.

    Jonas: Ich zittere Herr Krug vor Angst und Ehrerbietung, aber Kassandra ist momentan unanwesend, leider, ich hätte sie auch gern gesprochen.

    Krug: Das können Sie haben, Jonas, hier bin ich. Legen Sie das Fon hin, heben Sie die Arme und drehen Sie sich zum Fenster, langsam. Ein Laserstrahler schießt auch durch Glas, und wir haben drei.

    Jonas: Sie waren auf dem Dach hinter dem Atelierfenster. Kassandra die bedauernswerte Kleine, immer noch klein, aber nicht mehr bedauernswert. Neben ihr Lumbago, und neben Lumbago sein Ebenbild, genauso groß, genauso breit, genauso häßlich. Der Fall wurde immer undurchsichtiger. Eins war allerdings klar. Die drei am Fenster hatten schußbereite Laser, und damit hatten sie uns. Im Sack. Um ihn zuzumachen, stiegen sie durch den offenen Flügel, das heißt Kassandra und Lumbago stiegen, das Ebenbild krachte voll durch die Scheibe.

    Lumbago: Doch nicht so, Atlas.

    Atlas: Hu, Fenster putt.

    Lumbago: Da siehst du. Und deine Hand.

    Atlas: Blut. Aua.

    Lumbago: Lecks ab. Mein Bruder Atlas ist ein bißchen impulsiv, Jonas.

    Jonas: So ihr Bruder, Lumbago, auch Doktor? Der Philosophie oder der Metaphysik?

    Lumbago: Unter uns, Jonas, mein Bruder Atlas ist möglicherweise nicht ganz so intelligent wie ich, aber er hat seine Qualitäten. Was Atlas?

    Atlas: Die da, totmachen?

    Jonas: Tayfun und Atlas, die zwei Lumbagos, eine echte Clownnummer, ausgefuchst, eingespielt, und richtig komisch, schade daß Jonas so gar nicht darüber lachen konnte, die arme Joana auch nicht.

    Atlas: Totmachen, ja, bitte, bitte, totmachen.

    Krug: Halten Sie ihn noch einen Augenblick an der Leine Lumbago. Hallo Papi, Kassi hier, Asmus? Erledigt, Papilein, abgehackt. Wie besprochen. Auf deine Kassi kannst du doch verlassen, das weißt du doch. Eben am Fon? Das war Jonas, der Detektiv, genau, der Trottel, der die Kopie gestohlen hat, Atlas wird sich gleich um ihn kümmern. Was? Aber Papischatz wozu denn das hält doch nur auf, ja, na gut, Papilein, ganz wie du willst, wir sind gleich bei dir. Küßchen Papi.

    Lumbago: Alles klar Kassandra.

    Atlas: Jetzt totmachen ja?

    Krug: Tut mir leid, Atlas.

    Atlas: Nix totmachen?

    Krug: Nix totmachen Atlas, Pappi will das nicht.

    Lumbago: Er hat sich doch so darauf gefreut, ich versteh das nicht, Kassandra, es war doch abgemacht, daß Jonas über die Wupper geht.

    Krug: Und dabei bleibt's auch, Lumbago, nur daß Papi die Sache selbst in die Hand nehmen wird. Sie kennen ihn doch, er ist Romantiker, Genußmensch. Mit Jonas will er sich ein Fest machen. Zuhause. In aller Ruhe.

    Lumbago: Also ex und hopp auf die schnelle wär mir lieber Kassandra.

    Krug: Mir auch, Lumbago, mir auch, aber Papis Wille geschehe. Kommen Sie Jonas, und Sie auch Herzchen. Ich weiß nicht wer Sie sind.

    Joana: Joana ist mein Name.

    Krug: Ich will's auch gar nicht wissen, mitgefangen, mitgehangen. Los.

    Jonas: Auf dem Dach, hinter einem dicken Schornstein, wartete ein Minihelikopter. Mit Platz für zwei. Tayfun Lumbago steuerte, Atlas nahm Kassandra auf den Schoß. Joana und Jonas banden sie außen an. Ein dröhnender atemberaubender Luftsprung zum Dach des Hauses Krug. Da stiegen wir um in einen Lift, abwärts in den Keller und weiter abwärts, noch ein gutes Stück, schließlich Endstation. Alles aussteigen. Es war kalt. Sehr kalt. Arktisch kalt. Und arktisch sah er auch aus, der große Raum tief unter dem Haus. Boden und Wände klinisch weiß gefliest und kahl, in der Mitte ein Bett, darauf eine zerknüllte weiße Decke, davor eine große Konsole, halbrund, voll mit Schaltern, Tasten, Bildschirmen, Signalleuchten. An der rechten Wand, in einem abgedichtetem Plexikasten, ein buntes Bild.

    Joana: Nachtcafe, das Original!

    Krug: Selbstverständlich das Original. Ein echter van Gogh, meine Herrschaften. 500 Millionen Euros.

    Jonas: Ein Ofen wäre mir lieber, ich, ich glaube ich habe noch nie in meinem Leben so gefroren wie jetzt.

    Sam: Irrtum, Meister, denke zurücke, November 2011 vor anderthalb Jahren, Fall Schneewittchen, der Kühlraum im Hafenspeicher, ja, da ist's auch kalt gwen.

    Jonas: Weißt du, Sammy, der alte Philip Marlowe hatte es besser, er mußte nie in die Kälte.

    Sam: Aber ins Treibhaus, du Frostbeule.

    Jonas: Kein Vergleich, Sam, kein Vergleich.

    Krug: Sie frieren, Herr Jonas, das tut mir leid. Ich bin Ihnen entgegengekommen, auf Minus 30 Grad, die normale Temperatur hier beträgt Minus 70 Grad.

    Sam: Ei höllisch.

    Jonas: Was da sprach, war die Decke auf dem Bett. Keine Decke, ein Mensch, ein Mann, klein, uralt, faltig, verschrumpelt und schneeweiß. Haar, Bart, Haut, Kleidung, alles weiß. Albin Krug, am Leben gehalten durch das Wunder der Kryonik, extreme Kälte verlangsamte und schonte die Funktionen seines verbrauchten Körpers.

    Krug: Ein guter Rat, Herr Jonas, halten Sie sich kühl, dann werden Sie alt, 120 Jahre und älter.

    Jonas: Sie erinnern mich an die gleichnamige Champagnermarke, Herr Krug, vor Gebrauch gut kühlen.

    Krug: Witzig. Fesseln, ihn und die Frau.

    Atlas: Auch knebeln, Boß?

    Krug: Nicht doch, sie sollen sich ausdrücken können. Bitten, betteln, schreien, um Hilfe, vor Angst, vor Schmerzen. O, nur fesseln.

    Jonas: Das klang nicht gut. Joana und Jonas wurden verschnürt, mit Biofesseln, die speziell auf große Kälte eingestellt waren. Das verriet uns Albin Krug, und dann verriet er uns die Hintergründe im Fall Nachtcafe.

    Krug: Wissen Sie, etwas großes zu tun, reicht nicht, man muß es auch kund tun. Sie Herr Jonas und ihre Freundin sind ein ideales Publikum.

    Jonas: Klar, wir können nicht gehen wenn es langweilig wird.

    Krug: Aus zwei Gründen. Sie haben in der Affäre mitgewirkt, in nicht unwichtigen Funktionen, und Sie werden das, was Sie erfahren, nicht weitergeben können.

    Krug: Papiliebling, beeil dich ein bißchen, du weißt, die hohe Temperatur tut dir nicht gut.

    Krug: Sorg um deinen Papi, wie immer Kassi mein Herz, damit es schneller geht, du mir ab und zu helfen.

    Krug: O wie gern Papilein.

    Krug: Gut. Ich beginne. Als ich vor nicht allzulanger Zeit bekannt gab, ich wolle meinen kostbaren van Gogh ins Grab mitnehmen, in einem vorübergehenden Anfall von

    Krug: Von Morbidität, da gab's in der sogenannten Kulturszene ein großes Gezeter.

    Krug: Da war schön, das hat Spaß gemacht.

    Krug: Aber das war nicht genug. Papi Liebling fiel was besseres ein. Nachtcafe stehlen lassen und doch behalten, die Versicherung übers Ohr hauen.

    Jonas: OK, Herr Krug, aber wozu, bei Ihrem Vermögen kann doch eine halbe Milliarde keine große Rolle spielen.

    Krug: Das Geld interessiert mich nicht, Herr Jonas.

    Jonas: Sondern?

    Krug: Noch niemals Herr Jonas hatte ich ein Verbrechen begangen.

    Jonas: Ach wirklich, Sie Albin Krug, Multimilliardär und Wirtschaftskapitän.

    Krug: Mein Gott, Wirtschaftsvergehen, Geschäftsusancen, am Rande der Legalität, das...

    Krug: Das zählt nicht. Papilein meint richtige Verbrechen, Kapitalverbrechen.

    Krug: Betrug, Diebstahl, Mord, eine neue Herausforderung, Herr Jonas, neue Erfahrungen, ganz neuer Spaß. Natürlich brauchte ich Unterstützung durch Kassi, die späte Frucht meiner Lenden und von einem gekauften Ei, nicht groß aber effektiv.

    Krug: Ich tu alles für dich Papilein.

    Krug: Und die beiden Lumbagos fürs Grobe. Ich machte einen Plan, und wir suchten einen...

    Krug: Einen Dummen. Jonas, einen Dieb und Sündenbock, einigermaßen brauchbar mußte er sein, ehrlich, ein bißchen sentimental, nicht sehr klug, und wir fanden...

    Jonas: Jonas. Jonas, den letzten Detektiv.

    Krug: Eine geradezu ideale Besetzung. Asmus wurde beauftragt, eine Kopie von Nachtcafe anzufertigen, und diese Kopie haben Sie brav gestohlen, Herr Jonas.

    Krug: In ihr befand sich ein Autodestrukt, eingestellt auf 11 Uhr. Die gestohlene Kopie verschwand für immer, der überführte Dieb wurde verhaftet, die Versicherung muß zahlen.

    Jonas: Und damit Asmus keine Schwierigkeiten macht, hat Kassi ihn kurzerhand umgebracht.

    Krug: Also genaugenommen war's Atlas.

    Atlas: Totgemacht. Hals umgedreht.

    Krug: Brav, Altlas, Guter Mann.

    Jonas: Mord, Versicherungsbetrug in 3stelliger Millionenhöhe, Anstiftung zu Einbruch und Diebstahl. Eine runde Sache, Herr Krug, wie fühlt man sich so als Schwerverbrecher? Zufrieden?

    Krug: Noch nicht, Herr Jonas, noch fehlt der Höhepunkt in Albin Krugs krimineller Karriere. Albin Krug wird einen Mord begehen, persönlich.

    Krug: Zwei Morde, Papischatz.

    Krug: Einen Doppelmord. Eigenhändig. Langsam. Mit Genuß. Mit Hingabe und Raffinesse.

    Atlas: Ja, Boß, totmachen.

    Krug: Kann ich solange rausgehen Papilein?

    Jonas: Zart besaitet, Kassandra.

    Krug: Unsinn, mir ist kalt.

    Lumbago: Mir auch.

    Krug: Atlas solltest du hierbehalten, Papi, als Leibwächter und Handlanger falls du einen brauchst.

    Jonas: Kassandra und Lumbago gingen sich aufwärmen, Atlas blieb bei Krug. Der mußte offenbar eine kurze Pause einlegen. Jedenfalls war es ein paar Minuten still im Raum, zu hören war nur das leise Summen der Kühlaggregate hinter den Wänden. Das brachte Jonas auf einen Gedanken. Sam, in meiner Brusttasche, ich ließ den Kopf sinken und nahm Kontakt auf. So leise wie möglich.

    Sam: Alles vernommen, Meister. Leb wohl, leb wohl auf ewig, Sammy wird um dich trauern und dir Blumen ans Grab bringen.

    Jonas: Blumen gibt's schon lange nicht mehr, Sam.

    Sam: Ne?

    Jonas: Und mit der Trauer wartest du besser, bis Jonas wirklich im...

    Sam: Ist gut.

    Joana: Das wirst du bald Jonas und ich dazu wenn dir nicht schnellstens was einfällt.

    Jonas: Mir, ich bin nur ein kleiner Privatdetektiv, Joana, ein nützlicher Idiot, nicht sehr klug, hast du ja gehört, für Einfälle ist Sam zuständig. Sam ist der Computer, der Rechner, der Denker, na los, Sammy, denk uns hier raus.

    Sam: Ist viel zu kalt, Meister, viel zu kalt. Viel zu kalt. Ist aus Kiß me Kalt, kennst du.

    Jonas: Dann muß ich dir wohl ein bißchen auf die Sprünge helfen, Sammy, das Summen, hör doch mal.

    Sam: Na und? Kälteaggregate. Um Albin Krug schön kühl zu halten, damit er nicht verdirbt, gleich hinter der Wand.

    Jonas: Elektronisch gesteuert?

    Sam: Na ja was denn sonst? Aha, Ach so. Ja so.

    Jonas: Sam hatte kapiert und machte sich an die Arbeit. Als Maulwurf im Steuersystem von Krugs Kühlanlage. Es dauerte ein bißchen, ein paar Sicherungen gibt es, die kann nicht mal Sam auf die Schnelle knacken. Aber dann war er durch. Langsam, ganz langsam stieg die Temperatur, wurden die Aggregate lauter. Albin Krug merkte nichts. Er suhlte sich voller Wonne in Killerphantasien.

    Krug: Wie soll ich sie töten, welche Todesart verspricht höchsten Genuß?

    Jonas: Das ist die Frage, wie ein gewisser Hamlet mal gesagt hat.

    Krug: Soll ich die Raumtemperatur allmählich zurückdrehen, und beobachten, wie sie ganz langsam erfrieren, nein, das ist zu einfach, zu wenig raffiniert.

    Jonas: Phantasielos.

    Krug: Unser guter Atlas könnte ihnen die Haut in Streifen vom Leib schneiden.

    Atlas: O ja Boss, totmachen, Haut abziehen.

    Krug: Ich weiß nicht. Ach, meine lieben kleinen Autodistruktbömbchen, immer zur Hand auf meiner Konsole. Wie wär's denn damit. Atlas drückt ihnen die Nase zu uns zwingt sie so einen niedlichen Knallfrosch herunterzuschlucken. Oder wir führen ihnen ein paar Ladungen in andere sehr viel empfindlichere Körperöffnungen ein.

    Joana: Nein.

    Krug: Auf welchen Zeitpunkt ich die Bomben eingestellt habe, das wird nicht verraten, das bleibt mein kleines Geheimnis, schwitzen werden sie vor Angst, sich bemachen, winseln, heulen, zähneklappern, und plötzlich werde ich sagen, in einer Minute explodiert ihr Magen, ihr Darm, was immer, aber vielleicht ist es gar nicht wahr, ein wunderbares Spiel, tausend Tode werden sie sterben, zehntausend, hunderttausend.

    Atlas: Oh, heiß Boß, Atlas muß schwitzen.

    Jonas: Recht hatte er. Die Temperatur war in tropische Höhen geklettert. Genau das richtige Ambiente für einen Gorilla, aber nicht für einen überalterten eiskalten Greis.

    Krug: Was, was ist das? Hilfe! Ich sterbe. Ich schmelze. Ich löse mich auf. Oh...

    Atlas: Boss? Boss tot, Boß tot.

    Jonas: Die Hitze schmolz unsere Biofesseln, und auch Albin Krug war dahingeschmolzen. Vor unseren Augen hatte er sich aufgelöst. In Zeitraffer, bei lebendigem Leibes verwest. Jetzt war von ihm nichts mehr übrig als eine schmutzig-graue Pfütze auf dem Bett, eine dicke Blase stieg an die Oberfläche und zerplatzte. Es roch nicht gut. Atlas glotzte, er zitterte und war so verstört, daß Jonas ihm problemlos den Laser aus der Hand nehmen und über den Scheitel ziehen konnte.

    Sam: Das wär's Leute, hochverpupptes Ehrlichkeit, liebe Kinder, ja, ist das nicht ganz exquisit gelaufen? Hm? O welche Wonne wie Eis an der Sonne schmolz er dahin. Jetzt ist er ne Pfütze, zu nichts mehr nütze, das war der Sinn.

    Jonas: Der Krug geht so lange zu Wasser bis er schmilzt.

    Joana: Schrecklich. Ich will raus.

    Jonas: Zu. Abgeschlossen. Von außen. Elektronisch, Sammy?

    Sam: Ach was. Mechanisch, Uraltmodisches Türschloß. Mit sowas gibt sich unser eins gar nicht erst ab.

    Joana: Du hast doch den Laserstrahler, Jonas.

    Jonas: Mit dem Laser krieg ich die Tür nicht auf.

    Joana: Und mit einem Autodistrukt.

    Jonas: Das ginge. Und was machen wir, wenn die Tür auf ist.

    Sam: Shot out, Partner. Raus mit dem Laser.

    Jonas: Ein einzelner Jonas gegen Kassi und Lumbago, riskant.

    Joana: Vielleicht sollten wir verhandeln.

    Jonas: Vielleicht. Kassandra Krug macht einen ganz vernünftigen Eindruck. Na bitte. Hallo?

    Krug: Bist du das Atlas?

    Jonas: Unser gemeinsamer Freund Atlas ist leider verhindert.

    Krug: Jonas? Was ist passiert?

    Jonas: Tja, wie soll ich mich ausdrücken, vielleicht so: Seit ein paar Minuten sind Sie Kassandra Krug, die reichste Person in Babylon.

    Krug: Papilein?

    Jonas: Exakt.

    Jonas: Wissen Sie, es war so kalt, daher haben wir die Temperatur erhöht, das ist Papi gar nicht gut bekommen. So sieht's aus, Kassandra. Papi tot, wir drinnen, Sie draußen. Patt.

    Krug: Matt, Jonas, Sie, wir brauchen nur zu warten, bis Sie anfangen sich vor Hunger aufzufressen.

    Jonas: Sie vergessen was, Kassandra. Wir haben Nachtcafe und ein paar Autodistruktladungen, vom Laser ganz zu schweigen. Es wäre doch schade um ein einmaliges Kunstwerk, ihr wertvollstes Erbstück, Kassandra.

    Krug: Was verlangen Sie?

    Jonas: Freien Abzug, Schmerzensgeld.

    Joana: Für mich auch.

    Jonas: Schadensersatz für Joana.

    Joana: 100.00 Euros. Mindestens.

    Jonas: Und Nachtcafe.

    Krug: Was? Kommt nicht in Frage.

    Jonas: Sie kriegen das gute Stück ja wieder Kassandra von der Vereinigten Kosmos. Da muß ich es abliefern. Damit die Anklage gegen mich zurückgezogen wird.

    Krug: Und was kriege ich?

    Jonas: Einen Ärger, mit der Versicherung, mit der Polizei wegen Asmus, und Papis Milliarden natürlich.

    Krug: Einverstanden, kommen Sie raus.

    Jonas: Ich hatte es ja gesagt, Kassandra Krug war ein kluges Kind, unser Abmarsch ging glatt, vielleicht weil Jonas den Finger am Abzug des Lasers hatte, und die Mündung an Nachtcafe. Sicher ist sicher.

    Sam: Happy End und Sonnenschein. Es ist so schön so klein zu sein.

    Jonas: Darauf sollten wir was trinken, Joana, im Casablanca. Oder bei mir.

    Sam: Oder bei mir.

    Joana: Kein Zeit Jonas, ein andermal, ich muß mich ums Geschäft kümmern. Wir sehen uns.

    Sam: Tschüß.

    Jonas: Wir sahen uns. Wochen später bei der Eröffnung von Joanas neuer Galerie: Nicht mehr Picassos Pinsel. Ars nova, protzig und teuer, in bester Lage am Markgrafenboulevard. Adeba Asmus, ein unbekannter Klassiker, so hieß die große Verkaufsausstellung. Gleich nach unserem Nachtcafeabenteuer hatte Joana angefangen, Bilder von Asmus aufzukaufen, bevor sein Tod bekannt wurde, für ein paar Euros, jetzt kosteten sie das Vielfache. Nicht van Gogh Klasse aber immerhin. So ist das. Ein toter Maler lebt nicht schlecht. Vielleicht sollte ich mich umschulen lassen.

    Sam: Hast wohl zu viel Nachtcafe gesoffen du Hirnsklerotiker, merke, immer noch besser ein lebendiger Jonas als ein toter Van Gogh gelle oder wie oder was?

    Das war Nachtcafe. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Außerdem wirkten mit: Diana Körner, Simone Rethel, Ulrich Beiger, Dirk Galuba, Martin Semmelrogge und viele andere (Claudius Zimmermann, Klaus Neumann, Pascale Schulze, Marc Schulze, Urs Schaudinn, Andreas Wohlrab, Eva Windisch). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Regieassistenz: Holger Buck. Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1994). Redaktion: Erwin Weigel.

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:41 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Pharao

    Jonas: Das Ministerium für Kultur war noch das selbe schäbige Gebäude. Nicht weit vom Van-Dusen-Platz. Aber hinter dem schäbigen Schreibtisch im schäbigen Büro saß nicht mehr Dr. Gödel Escherbach, Gott hab ihn selig. Jetzt saß da eine Frau wie eine Stahlfeder: grau, hart, dünn, gespannt.

    Schrödinger: Cornelia Schrödinger, M.A., Dezernentin für Museen und kulturellen Austausch. Setzen Sie sich, Herr Jonas.

    Jonas: MA?

    Schrödinger: Magister Artium. Ein akademischer Titel. Medienwissenschaft Universität Babylon. Und wo haben Sie studiert, Herr Jonas?

    Jonas: Uni Feuerland. Nahkampf und Guerillatechnik.

    Schrödinger: Der antarktische Krieg. Ich verstehe. Zur Sache, Herr Jonas. Im November 2010, vor rund zweieinhalb Jahren haben Sie für uns einen Auftrag ausgeführt. Sie haben damals ordentliche Arbeit geleistet, Herr Jonas, und vor allem waren Sie recht preiswert. Die Kultur...

    Jonas: Die Kultur hat nie Geld, das ist bekannt. Wenn ich Sie wieder mal besuche, Frau Cornelia Schrödinger MA, Dezernentin für Museen und so weiter, dann bringe ich mein Poesiealbum mit, und Sie können mir ihre gute Meinung schriftlich geben. War das alles?

    Schrödinger: Nehmen Sie wieder Platz, Herr Jonas, das Dezernat hat einen neuen Auftrag für Sie.

    Jonas: So? Aber das sag ich Ihnen gleich, ins wilde Kusbekistan fahr ich nicht noch mal. Eine Todestour ist genug für Jonas.

    Schrödinger: Keine Sorge, Herr Jonas. Sie bleiben in Babylon.

    Jonas: Und?

    Schrödinger: Und was?

    Jonas: Ich bleibe in Babylon und tue was?

    Schrödinger: Eine Kleinigkeit, Herr Jonas. Sie bringen uns Ramses zurück.

    Jonas: Ramses? Welchen Ramses?

    Schrödinger: Den zweiten, Herr Jonas. Ramses den zweiten. Sie wissen doch, wer das ist.

    Sam: Häh, weiß er nicht, wetten, nie was von gehört, keinen blassen Schimmer, hmhm, also dann, alle mal herhören. Kurze Nachhilfe aus Mayers Brockhaus, für historische Nieten und geistig unterbelichtete. Jawohl, genau Sie sind gemeint, Herr von und zu Jonas. Ramses zwo, Ägyptischer Pharao, geb. um 1300 v.Ch. als Sohn des Pharaos Hegit des ersten, kam an die Regierung 1279 v.Ch., starb 1213 v.Ch., bedeutendster Pharao der 19. Dynastie, immense Bautätigkeit, aggressive Außenpolitik, intensives Familienleben, 100 Frauen, weit über 200 Kinder, huiuit nicht schlecht Herr Specht.

    Schrödinger: Was ist das?

    Jonas: Mein Taschencomputer, Samuel heißt er kurz Sam oder auch kurz Sammy.

    Sam: Ich bin der Geist der stets was weiß.

    Jonas: Verbal, wie Sie hören, überverbal möglicherweise, manche meinen, er leidet an verbalem Durchfall.

    Sam: Bitte bitte, Diaröh, wenn schon, ja.

    Jonas: Und diese Dame, Sammy ist Frau Schrödinger.

    Sam: Ma. Alles klar. MA, MB, MC, MC Quadrat, e gleich MC Quadrat. Quod erat demonstrandum.

    Schrödinger: Nett, so klein und so laut. Kann man es abstellen.

    Sam: Wehe, wehe, sage ich euch, und abermals wehe, so ihr euch solches unterfanget wird über euch kommen heulen und zähneschnattern, äh äh zähneflattern, zähneknattern, zähneplattern.

    Jonas: Man kann. So. Wir waren bei Ramses. Hab ich Sie richtig verstanden, Frau Schrödinger MA, ich soll Ihnen einen ägyptischen Pharao zurückbringen, der seit gut 3000 Jahren tot und begraben ist.

    Schrödinger: Nicht begraben, Herr Jonas, darum geht es ja gerade. Um die Mumie von Ramses den zweiten.

    Jonas: Ja und, sagte Jonas. Und die Dame mit dem akademischen Titel erklärte es ihm. Kurz, in einfachen Worten. Readers Digest für Bildungsbanausen. Im Museum für internationale Kulturgeschichte, gleich neben dem Ministerium, war eine Ausstellung gelaufen. Macht und Magie des Pharaonenreiches. Einmalige Stücke, sagte Frau Schrödinger MA, Leihgaben aus Kairo, Glanznummer war die Originalmumie des alten Ramses II. Des größten aller Pharaonen. Zu 100.000en waren sie geströmt die Babylonier, bis vorgestern.

    Schrödinger: Da wurde die Ausstellung geschlossen. Am 6. Juni 2013. Und am nächsten Morgen war die Mumie verschwunden. Zusammen mit ein paar weniger bedeutenden Ausstellungsstücken, Möbel, Schmuck und dergleichen, und zusammen mit dem leitenden Ägyptologen des Museums, Dr. Juniper.

    Jonas: Na so ein Zufall. Was sagst du dazu, Sammy?

    Sam: A-h-a. Aha.

    Jonas: Das denk ich auch. Warum haben Sie sich nicht an die Polizei gewand, Frau Schrödinger MA?

    Schrödinger: Unmöglich Herr Jonas die Affäre darf nicht an die Öffentlichkeit dringen, können Sie sich vorstellen, wie die Ägypter reagieren, wenn sie davon erfahren? Es käme zu außenpolitischen Komplikationen, zu innerpolitischen Konsequenzen.

    Jonas: Stühle wackeln, Köpfe rollen, z.B. der von Cornelia Schrödinger MA Dezernentin.

    Schrödinger: Wir müssen die Sache intern regeln. Aber im Ministerium gibt es natürlich keinen, wie soll ich mich ausdrücken, keinen kriminologischen Experten. Wir brauchen Hilfe von außen. Einen Privatdetektiv.

    Sam: O Babylon, du große Stadt, wo's keine Detektive hat, bloß einen, den meinen.

    Jonas: Den einzigen, den letzten. Jonas heißt er. Nur Jonas. Haben Sie Probleme, rufen Sie Jonas, den letzten Detektiv. Jonas macht alles, im Rahmen. Jonas kennt sich aus im großen Dschungel Babylon. Jonas schlägt sich durch, Jonas gibt sich Mühe.

    Schrödinger: Wir haben uns an Sie erinnert, Herr Jonas. Leidlich effizient, diskret, billig. 90 Euros pro Tag nicht wahr?

    Jonas: 120 plus Spesen. Alles wird teurer, auch ein Privatdetektiv.

    Schrödinger: Nun, Herr Jonas, auch das wird sich unter Umständen erschwingen lassen.

    Jonas: Wie schön. Es scheint, daß ihr Ägyptologe, dieser Dr. Dr. Dr. wie heißt er?

    Sam: Juniper, Juliper, Augustper.

    Jonas: Ruhe. Es scheint, daß dieser Juniper Ihren Ramses geklaut hat. Oder wie sehen Sie das, Frau Schrödinger MA?

    Sam: Ja, wie sehen Sie das?

    Schrödinger: Zwiespältig, Herr Jonas. Einerseits bin ich gezwungen, Ihnen zuzustimmen. Die Sicherungen wurden außer Kraft gesetzt, die Sperren umgangen, die speziell gesicherten Mumienboxen aus Plastiplex problemlos geöffnet, keine Schrammen, keine Einbruchspuren, und Dr. Juniper besaß alle Schlüssel, kannte alle Sicherheitscodes.

    Jonas: Verschwunden ist er auch. Klarer Fall sollte man meinen. Einerseits. Und andererseits, Frau Schrödinger MA?

    Schrödinger: Andererseits, Herr Jonas, kann ich mir beim besten Willen Dr. Juniper nicht als Erpresser vorstellen. Er ist Ägyptologe, lebt nur für die Wissenschaft.

    Jonas: Erpresser, wer sagt was von Erpressung?

    Schrödinger: Das hier, Herr Jonas.

    Jonas: Ein Fax. Kein Absender.

    Schrödinger: Also nicht zurückzuverfolgen. Lesen Sie.

    Jonas: Betrifft Austausch Pharao gegen 100.000 Euros in bar, wann, 8. Juni 2013, 23 Uhr. Heute abend. Wo? Babylon Planquadrat OX 13 BQ.

    Schrödinger: Das ist an der Grenze zum Reservat, wo das Giganthotel steht. Was haben Sie, Herr Jonas?

    Jonas: Judith. Vor einem Jahr war sie umgebracht worden, im Planquadrat OX 13 BQ, und ein paar Tage später hatte Jonas sie gerächt, im Planquadrat OX 13 BQ. Das hatte ich, aber das sagte ich nicht.

    Jonas: Entführung einer Mumie zwecks Lösegelderpressung. Sie wollen darauf eingehen, Frau Schrödinger MA?

    Schrödinger: Ich muß wohl.

    Jonas: Und ich soll den Austausch durchführen.

    Schrödinger: Deshalb hab ich Sie kommen lassen, Herr Jonas.

    Jonas: Versteh ich nicht. Bei einer so einfachen Kiste. Warum nicht einer ihrer Museumswächter, warum ein wie war das, kriminologischer Experte.

    Schrödinger: Es gibt da ein Problem, Herr Jonas, das Geld, die Kultur hat keins, jedenfalls keine 100.000.

    Jonas: Wieviel können Sie locker machen?

    Schrödinger: 10.000 maximal.

    Jonas: Tja, und der Rest.

    Schrödinger: Ihre Sache, Herr Jonas, lassen Sie sich was einfallen.

    Sam: Papier.

    Schrödinger: Papier, was heißt Papier?

    Sam: Na was wohl, hochgeschätzter akademisch titulierter Amtsschimmel, Klopapier, Löschpapier, Briefpapier, Buntpapier, mit Nichten und Neffen.

    Jonas: Sondern, Sammy?

    Sam: Altpapier du Pappkopf. Das Ministerium für Kultur ist eine altmodische Institution, das gibt's sowas in Mengen. Nicht wahr, gnädige Frau.

    Jonas: So machen wir es, Frau Schrödinger MA, setzen Sie einen Hilfsknecht an, lassen Sie Altpapier zuschneiden, Euroformat, dann besorgen Sie einen Koffer. Das Papier nach unten, und oben drauf gut sichtbar die echten 10.000.

    Schrödinger: Das schöne Geld. Halten Sie das wirklich für nötig, Herr Jonas?

    Jonas: Ein bißchen müssen Sie schon opfern, Frau Schrödinger MA, für Ihren Ramses und für Ihren Stuhl. Ein Fahrzeug brauch ich auch.

    Schrödinger: Es wird bereitstehen, mit Koffer und Inhalt, im Hof des Ministeriums, heute abend 9 Uhr 30. Seien Sie pünktlich, Herr Jonas.

    Jonas: Ich hätte es mir denken können, das Dienstfahrzeug des Ministeriums war ein altersschwaches E-Motorrad mit Beiwagen, der Koffer war aus Pappe, aber die echten Euros waren drin, und die falschen fielen nicht auf, wenigstens etwas. Nachts, kurz vor 11, Planquadrat OX 13 BQ. Rechts am Horizont der Gipfel des Giganthotels im warmen Schein der Holoprojektionen, links das Reservat, ein unendliches schwarzes Loch, scharfkantige Ruinen, rotierende Nebelspiralen, dunkle Geräusche in der Ferne. Freaks, Nachtmenschen. Ich hatte den Motor abgestellt und wartete unter einer flackernden Straßenlaterne. Sammy sang leise Lili Marlene. Punkt 11 kamen sie. Aus dem Reservat. In einem Panzerwagen. Ein bleicher Riese mit Laserstrahler und eine bucklige Frau. Der Riese sah aus wie ein Klonkiller, er blieb neben dem Wagen stehen, stumm, aufmerksam. Die Frau zog ein längliches Bündel aus der Ladeklappe.

    Jonas: Ramses?

    Igora: Was denken Sie denn, wer da drin ist, die Bürgermeisterin von Babylon? Typisch Kulturministerium, einen echten Vollidioten haben sie uns geschickt, hoffentlich haben Sie das Geld nicht vergessen, Pinke Pinke, verstehen Sie, Euros, 100.000 Euros.

    Jonas: Hier.

    Igora: Aufmachen.

    Jonas: Wollen Sie nachzählen?

    Igora: Wozu? Um uns reinzulegen sind Sie viel zu dämlich. Nehmen Sie sich die Mumie, und grüßen Sie Ihre Chefin schön von meinem Chef, Dr. Frankenstein, und von mir, Igora heiße ich, nicht vergessen.

    Jonas: Sie fuhren, zurück ins Reservat, ich fuhr zurück ins Ministerium, mit Ramses im Beiwagen. Ich hatte ein ungutes Gefühl. Sicher, die Sache war glattgegangen, zu glatt, das machte mir Sorgen. Ich wuchtete die Mumie in Frau Schrödingers Büro, sie war schwer, viel schwerer als ich mir so einen vertrockneten Pharao vorgestellt hatte. Frau Dezernentin wickelte höchstpersönlich die Verpackung ab, und da gab es eine Überraschung. Unter den Bandagen steckte kein toter alter Ägypter, sondern ein toter neuer Ägyptologe.

    Schrödinger: Dr. Juniper. Das ist Dr. Juniper.

    Jonas: Mit durchgeschnittenem Hals. Deshalb war das Paket so schwer.

    Schrödinger: Mehr haben Sie dazu nicht zu sagen, Herr Jonas? Sie lassen sich 10.000 Euros aus meinem Etat abnehmen, bringen mir dafür die Leiche von Dr. Juniper, und jetzt stehen Sie da und zuckeln die Achseln. Haben Sie die Güte sich zu äußern.

    Jonas: Sieht so aus, als ob sie uns reingelegt haben, Frau Schrödinger MA.

    Schrödinger: Uns, Herr Jonas? Sie sind reingelegt worden, Herr Jonas, Sie ganz allein, Herr Jonas, Sie haben versagt, Herr Jonas.

    Jonas: Immer mit der Ruhe, Frau Schrödinger MA, das war nur die erste Runde, die nächste gewinnen wir. Wir wissen jetzt mehr. Dr. Juniper kann nicht der Drahtzieher gewesen sein, diese Igora mit ihrem Klon...

    Schrödinger: Interessiert mich nicht, Herr Jonas, Sie sind gefeuert, Sie Sie Sie kriminologischer Experte für 120 Euros plus Spesen. Wegen krasser Unfähigkeit.

    Sam: Nananana.

    Jonas: Apropos 120 Euros, die hab ich noch zu kriegen.

    Schrödinger: So? Bringen Sie mir Ramses, dann können wir darüber reden, unter Umständen. Die Tür ist gleich hinter Ihnen, Herr Jonas.

    Jonas: Na bitte. Mein ungutes Gefühl. Frau Schrödinger MA hatte Recht, Jonas war aufs Kreuz gelegt worden, die Gegenseite auch, aber das tröstete mich nicht. Ich war sauer. Wenn Jonas sauer wird, dann wird er stur. Ich würde am Ball bleiben, das nahm ich mir fest vor, als ich über den nächtlichen van-Dusen-Platz ging. Nicht wegen den paar Euros, jedenfalls nicht nur. Es galt die professionelle Ehre des Privatdetektivs wiederherzustellen.

    Sam: Wunderschön gesagt Meister aus dem Munde des Poesiealbum. Vor dem großen Tore steht ein Weihnachtsmann, singt von seiner Lore so schön und laut er kann.

    Jonas: Du gehst mir auf die Nerven, Sam, spiel was anders.

    Sam: The Time the goes nun by, das ist was auch mein Ei.

    Jonas: Gefällt mir auch nicht, Schluß mit dem Gedudel, an die Arbeit, Sam, wo steigen wir ein.

    Sam: Ja, a ja, Dr. Juniper, euer Fragwürden, Dr. Juniper selig, blutige Leiche im Postpaket, oder vom Ägyptologen zur Mumie in nur zwei Tagen, Gebrauchsanweisung liegt bei.

    Jonas: Schön wär's. Was wissen wir über Juniper.

    Sam: Melde gehorsamst, wenig, Herr Stabsarzt.

    Jonas: Hab ich dir nicht gesagt du sollst dich im System des Museums mal umsehen.

    Sam: No gewiß doch Sir, hat Sammy auch getan. Brav beflissen und beharrlich.

    Jonas: Und?

    Sam: Besagter Juniper war ein solcher, welcher niemals nicht auffiel und insofern sich datenmäßig wenig niederschlug. Ein Nobody, wie wir Fremdsprachler zu sagen pflegen.

    Jonas: Ein bißchen was wirst du doch gefunden haben.

    Sam: Ein babylonisch Sprichwort kündet: Ein kleiner Hund scheißt kleine Haufen.

    Jonas: Und was das mit Dr. Juniper zu tun.

    Sam: Ganz und gar nichts, Chef, nur so, fiel Sam gerade ein.

    Jonas: Dr. Juniper, Sam, schieß los.

    Sam: Zu Befehl, losschießen. Juniper, Adalbert, Dr. phil., Ägyptologe am Museum für Internationale

    Jonas: Bekannt, Sammy, längst bekannt.

    Sam: Es wird gebeten, den Fluß der Gedanken tunlichst nicht zu unterbrechen.

    Jonas: Gedanken, hab ich Gedanken gehört?

    Sam: Es geht weiter, Damen und Herren, Piep, geb. 22. 2.1963, wohnhaft Museum für internationale Kulturgeschichte.

    Jonas: Irrtum, Sammy, da hat er gearbeitet.

    Sam: Und gewohnt, euer Vorschnelligkeit, in einem Verschlag neben seinem Arbeitszimmer. Ja, Feldbett, Waschzelle, Kleiderständer. Hobbies: keine. Freund-, Lieb- und Partnerschaften: keine. Privatleben: keines. In Worten: keines. Ende der Durchsaga.

    Jonas: Das ist wirklich nicht viel, Sammy.

    Sam: Hab ich's nicht gesagt, Monsignore. Total tote Hose.

    Jonas: Wo soll man da anfangen?

    Nofretete: Zum Beispiel damit. Jeden Freitag verließ Dr. Juniper das Museum kurz vor 10, und kurz vor 11 kam er zurück.

    Jonas: Plötzlich war sie aufgetaucht, aus dem Schatten, geräuschlos, eine junge Frau, apart, irgendwie exotisch, orientalisch, ägyptisch genauer gesagt. Ich beschloß sie Nofretete zu nennen. Irgendwo hatte ich sie schon gesehen, im Planquadrat OX 13 BQ. Vor dem Ministerium? Vielleicht.

    Nofretete: Seit etwa einem Jahr tut er das, Freitag vormittag, 10 bis 11.

    Jonas: Jeden Freitag.

    Nofretete: So gut wie.

    Jonas: Woher wissen Sie das?

    Nofretete: Wir wissen viel, Jonas.

    Jonas: Wissen Sie auch, wohin Juniper gegangen ist? Jeden Freitag 10-11.

    Nofretete: Warum nicht hierher?

    Jonas: Sie zeigte auf ein Türschild an einem der alten Häuser, die rund um den Platz stehen, ein Messingschild, mit altmodischen eckigen Buchstaben: Sammy knipste seine Lampe an, und Jonas las:

    Jonas: Dr. phil. Dr. med. Gloria Zapp, Psychotherapie, Psychologie, Psychogymnastik, alle orthodoxen Schulen, Freud, Jung, Reich, Strunk, bei attestierter Gemeingefährlichkeit staatliche Kostenübernahme möglich.

    Sam: Sowas, ist es nicht zu und zu komisch, Frau Nachbarin.

    Jonas: Was Sammy?

    Sam: Was Sammy, daß die berühmtesten Psychologen nur eine einzige klitzekleine Silbe ihr eigen nennen, namensmäßig betrachtet.

    Jonas: Und?

    Sam: Könnte dies furiose Kaktum Korrektur könnte dies kuriose Faktum nicht gewisse Rückschlüsse auf die von ihnen gewählte Wissenschaft nahelegen.

    Jonas: Halt uns nicht auf. Sie meinen, Juniper ist jeden Freitag zu dieser Psycho... Nofretete? Wo steckt sie denn?

    Sam: Verschwunden. So still und klammheimlich wie sie kam. Mysteriös.

    Jonas: Du sagt es, Sammy. Glauben wir ihr.

    Sam: Da eine erfolgversprechende Möglichkeit uns vorerst mangelt, Exzellenz, folgen wir kühn dem Winke des Schicksals. Duridu didi...

    Jonas: Sammy, Wink mit dem Zaunpfahl meinst du. Ja. Also gut, gleich morgen früh.

    Jonas: Frau Dr. Dr. Zapp hatte ein handfestes Wesen und einen kräftigen Händedruck, außerdem hatte sie viel zu tun. Aber nicht nur deshalb wollte sie Jonas nichts sagen.

    Zapp: Professionelle Diskretion, Herr Jonas. Ärztliche Schweigepflicht. Für Sie Fremdworte, nehm ich an.

    Jonas: Kommen Sie mal wieder runter, Frau Doppeldoktor. Ich will ja gar nicht wissen, was Juniper für Meisen oder Macken hatte, ob er Zwangsneurotiker war, oder Bettnässer, ob er nicht mehr Selbstwertgefühl hatte als äh als...

    Sam: Als eine durchgesessene Klobrille.

    Jonas: Dank dir, Sammy.

    Sam: Bitte.

    Jonas: Ich brauch nichts als einen ganz kleinen Hinweis, damit ich den erwischen kann, der ihn umgebracht hat.

    Zapp: Umgebracht? Dr. Juniper?

    Jonas: Dr. Juniper ist tot, Frau Doppeldoktor Zapp.

    Sam: Zapp Zapp.

    Jonas: Ermordet.

    Zapp: Einen Augenblick, Herr Jonas, ich muß meinem Vorzimmerrobot was sagen. Achtung, Freitag 10-11, Termin kann neu vergeben werden. Was Sie mir da erzählen, Herr Jonas, ändert die Situation.

    Jonas: Na also.

    Zapp: Ein wenig. Lediglich graduell, wenn Sie verstehen was ich meine.

    Jonas: Ist Ihnen in letzter Zeit an Dr. Juniper irgendwas aufgefallen, was besonderes.

    Zapp: Auf Einzelheiten kann ich natürlich nicht eingehen, er hat zwei, dreimal seinen Termin abgesagt.

    Jonas: Warum?

    Zapp: Weil er wichtige Besprechungen hatte, mit einer wichtigen Person, hat er behauptet.

    Jonas: Sonst noch was?

    Zapp: Dr. Juniper war in ausgesprochen guter Stimmung, sehr ungewöhnlich, richtig euphorisch war er.

    Jonas: Weshalb?

    Zapp: Wegen der Schlacht von Kadesh.

    Jonas: Weshalb?

    Sam: Schlacht von Kadesh. Ungebildeter Knochen, im Jahre 1274 v.Ch. Ägypter unter Ramses den zwoten.

    Jonas: Aha.

    Sam: Wider Hetiter unter König Tsatuse, nein falsch, Nuwatali, jawohl der war's, König Nuwatali, mein Gott die hetetischen Namen.

    Jonas: Und wer hat gewonnen? Ramses oder dieser Nuwatali, dieser Hetiter?

    Sam: Dies, o mein wißbegieriger Freund, ist bis zum heutigen Tage unbekannt geblieben. Der genaue Ausgang der Schlacht von Kadesh gilt als eines der größten ungelösten Rätsel der Ägyptologie.

    Zapp: Genau das hat Dr. Juniper auch gesagt. Und dann hat er erklärt, ganz stolz, das Rätsel der Schlacht von Kadesh und ein paar andere würden in nächster Zeit ein für alle mal gelöst werden, und zwar durch ihn, Juniper und seinen persönlichen Einsatz. Der erste Patient. Ihre Zeit ist um, Herr Jonas. Äh, letzten Freitag hat Juniper mir übrigens eine interessante Frage gestellt. Ob zur Förderung der Wissenschaft auch Dinge getan werden dürfen, die ethisch und juristisch womöglich nicht völlig einwandfrei sind.

    Jonas: Und was haben Sie geantwortet, Frau Doppeldoktor?

    Zapp: Nichts, die Frage war zu allgemein, und Dr. Juniper lehnte es ab, sie zu konkretisieren.

    Jonas: Viel war das auch nicht, aber besser als nichts. Stoff zum Nachdenken, zurück zur Basis, sprich 1Zimmer-Büroapartment, klein aber mein. Ich stieg aus dem Lift, ging über den Korridor, dunkel wie immer, ein intensiver Duft nach Schimmel und kaltem Sojakaff. Wie immer. Soweit nichts besonders. Aber dann ging's los, kurz vor meiner Tür, Sammy fing an durchzudrehen, plötzlich heulte er los wie ein meschuggenes Nebelhorn.

    Sam: Verzeih mir Meister, verzeih deinem armen kleinen Sammy.

    Jonas: Was ist los, Sammy?

    Sam: Windet sich vor dir im Staub, o Sultan des Weltalls, in Sackleinwand schleicht er einher, Asche häufelt er auf sein mißratenes Haupt, o bitte Beherrscher der Gläubigen nicht aus dem Fenster schmeißen. Nicht in die Schrottmühle.

    Jonas: Was ist denn, was hast du?

    Sam: Sammy hat, kaum vermag es über die bleichen Lippen zu bringen.

    Jonas: Du hast keine Lippen, Sammy, und kein Haupt, und erst recht kein Grund so Theater zu machen.

    Sam: Großmächtiger. Sammy was vergessen.

    Jonas: Nein.

    Sam: Doch, ein signifikantes Faktum im Fall Juniper, Chef, zur Kenntnis genommen, abgelegt und vergessen.

    Jonas: Hör auf zu heulen und spuck's endlich aus dein Faktum.

    Sam: Hören ist gehorchen, allgewaltiger Schah. So vernimm denn. Es war zu finsterer Mitternacht im Ministerium, da geschäftige Hände jene Mumie enthüllten, welche keine Mumie war, vielmehr die ermordete Leiche des Dr. Juniper.

    Jonas: Sam ist nicht nur eine Heulboje Sam ist auch unter anderem ein Geigerzähler, und der hatte beim Auswickeln was registriert, eine relativ hohe Bequerell-Strahlung aus Bandagen und Leichen. Radioaktivität dieser Größenordnung gibt es in und um Babylon nur an einer Stelle: dem sogenannten Grausektor mitten im Reservat.

    Sam: Wo damals die Taschenatombombe hochging. Bumm.

    Jonas: Im Grausektor war sie die Leiche, und das hast du mir unterschlagen, Sam. Einfach vergessen. Was mach ich mit dir.

    Sam: Wenn Lord Sammy vielleicht ein leckeres Lecithinprogramm erstehen würde.

    Jonas: Was war das?

    Sam: Was war das? Ah, da fiel ein Stuhl in dero Hoheit Residenz.

    Jonas: Da ist jemand, ganz ruhig Sammy... Hände hoch.

    Nofretete: Salemaleikum, Jonas, stecken Sie Ihren Laserstrahler weg.

    Sam: Das ist meiner.

    Nofretete: Ich tu ihnen nichts.

    Jonas: Nofretete in meinem Sessel, entspannt, die schönen Beine übereinanderschlagen, inmitten einer sehr viel weniger schönen Unordnung. Alles war geöffnet, umgestürzt, durchwühlt. Was hatte sie gesucht?

    Nofretete: Ramses den zweiten.

    Jonas: Bei Jonas?

    Nofretete: Warum nicht. Jonas hätte sich die Mumie beim Austausch übergeben lassen und dann für sich behalten können, um dann das Ministerium ein zweites Mal zu erpressen.

    Jonas: Hätte Jonas, hat er aber nicht.

    Nofretete: Davon habe ich mich überzeugt, Jonas. Sie sind sauber.

    Jonas: Zu gütig.

    Nofretete: Und darum habe ich mich entschlossen, Ihnen, wie sagt man hier, sauberen Wein einzugießen.

    Jonas: Gießen Sie los.

    Nofretete: Ich bin Ägypterin.

    Jonas: Hab ich mir gedacht. Wissen Sie, wie ich Sie getauft habe, vorhin auf dem van-Dusen-Platz? Nofretete.

    Nofretete: Danke. Nennen Sie mich ruhig weiter so. Was ist schon ein Name.

    Sam: Schall und Rauch. Knall und Rauch.

    Jonas: Es reicht Sammy.

    Sam: Nein, Schall und Rauch. Shakespeare.

    Nofretete: Ich arbeite für unsere Altertümerverwaltung im verdeckten Außendienst.

    Jonas: Das heißt, Sie sind ägyptische Geheimagentin.

    Nofretete: Wenn Sie es so romantisch ausdrücken wollen, Jonas. Man hat mich nach Babylon geschickt, um auf die Leihgaben für Ihre Ausstellung zu achten, vor allem natürlich auf die Mumie unseres großen König Ramses.

    Jonas: Das hat wohl nicht so recht geklappt.

    Nofretete: Ich habe meinen Auftrag nicht erfüllt. Ich habe versagt. Wie Sie, Jonas. Jetzt haben wir beide das gleiche Ziel, Ramses den zweiten zu finden, ich schlage vor wir tun uns zusammen, wir teilen unsere Informationen und gehen gemeinsam vor.

    Jonas: Einverstanden, teilen wir unsere Informationen.

    Nofretete: Sie fangen an Jonas.

    Jonas: Nicht doch. Jonas ist Kavalier. Nach Ihnen Nofretete.

    Nofretete: Gut. Passen Sie auf. Vor etwa einem viertel Jahr haben Unbekannte versucht, Napoleons Grab im Pariser Invalidendom aufzubrechen, ohne Erfolg.

    Jonas: Was hat das mit unserem Fall zu tun.

    Nofretete: Warten Sie ab. Etwas später hörten wir von mysteriösen nächtlichen Grabungen in Berlin, auf dem Gelände der alten Reichskanzlei, wo heute das gigantische Denkmal der Vereinigung steht.

    Jonas: Sieht aus, als ob jemand tote Herrscher sammelt. Napoleon, Hitler.

    Nofretete: Und jetzt Ramses den zweiten. Interessant nicht wahr. Sie sind dran, Jonas, was haben Sie bei der Psychotherapeutin erfahren.

    Jonas: Ich sagte es ihr, und ich sage ihr auch, was Sammy mir gerade gebeichtet hatte.

    Nofretete: Also in diesen wie hieß das, in diesen Grausektor führt die Spur.

    Sam: Im Grausektor aber ist's fürchterlich, nicht geheuer ist es dort, Geister gibt an jenem Ort.

    Jonas: Wirklich Sam.

    Sam: Ja, radioaktive Geister. Und über ihnen ragt in den verhangenen Himmel dräuend und grausend der Schecken aller Schrecken, Frankensteins Burg. Ua...

    Jonas: Ugarte. Keine schlechte Idee.

    Sam: Keine schlechte Idee. Ha. Bravo Sammy, heißt das, gut gemacht Sammy, Danke, Sammy, was würde ich ohne dich tun, Sammy.

    Jonas: Ugarte. Dr. Victor Ugarte. Vor Jahren eine leuchtende Hoffnung der Wissenschaft, genialer Genetiker und Mikrobiologe, umworben, hofiert, Lehrstuhl an der Uni Babylon mit 20, Aussicht auf den Nobelpreis, und dann war alles vorbei, ganz plötzlich. Ugarte hatte heimlich für die Korporation gearbeitet, das organisierte Verbrechen, organlose Kuriere hatte er geklont und absolut furchtlose Wegwerfkiller. Das kam raus. Ugarte setzte sich ab in den Grausektor, wo sich kein Polizist hintraut, und da saß er immer noch und forschte und klonte in seinem illegalen Labor.

    Sam: Frankensteins Burg heißt sie im Volksmäulchen.

    Jonas: Igora kam aus dem Reservat, mit der Mumie und mit einem Klonkiller, ihr Chef heißt Frankenstein. Hat sie gesagt. Alles paßt zusammen.

    Nofretete: Ugarte hat die Königsmumie gestohlen mit Junipers Hilfe.

    Jonas: Und er hat sie noch. Wozu. Warum.

    Nofretete: Vielleicht ist er Sammler.

    Jonas: Könnte die Sache was mit Gentechnik zutun haben.

    Nofretete: Das wird sich zeigen. Wir werden Frankenstein besuchen, auf seiner Burg.

    Jonas: Einfach so, ein gemütlicher Sparziergang in den Grausektor durchs Reservat.

    Nofretete: Sie kennen sich da doch aus, Jonas. Oder?

    Sam: Und ob er sich auskennt, mein Meister, ein und aus, rein und raus, ja, ein Pfadfinder im Reservat, ein Führer durch die Wildnis, siehe Fall Reservat, siehe Fall Störfalle, siehe Fall Eurodschungel, und so weiter und so fort etc.

    Nofretete: Ja, dann ist ja alles in Ordnung. Zeigen Sie mir den Weg auf der Karte, Jonas, wo liegt der Grausektor.

    Sam: Da drüben an der Ecke wo die Rosentulpen stehen...

    Jonas: Im Südosten von Babylon, mitten in dem großen dunklen Fleck, vor 15 Jahren im Bürgerkrieg ist das ganze Viertel draufgegangen, seitdem existiert es nicht mehr. Offiziell. Inoffiziell ist es das Reservat, eine Wüste aus Stein und Metall, ein Dschungel mit eigenen Gesetzen, wild und gefährlich, am wildesten und gefährlichsten im Grausektor. Ich zeigte Nofretete den Weg durchs Reservat zum Grausektor.

    Nofretete: Wir sollten sofort aufbrechen Jonas.

    Jonas: Augenblick, nicht so schnell, erst helfen Sie mir beim Aufräumen.

    Nofretete: Wenn Sie darauf bestehen, aber vorher sollten wir anstoßen auf das Team Nofretete/Jonas.

    Sam: Und Sammy.

    Nofretete: Gibt's hier was zu trinken.

    Jonas: Bürowhisky, wenn Sie die Flasche nicht ausgekippt haben, o haben Sie nicht, die Gläser sind auch noch ganz, also dann cherio. Auf gute Zusammenarbeit, Nofretete.

    Nofretete: Auf gute Zusammenarbeit, Jonas.

    Jonas: Sie trinken ja gar nicht, Nofretete, warum trinken Sie nicht?

    Jonas: Ich fiel, vom Schreibtisch auf den Fußboden, durch den Boden, tiefer, immer tiefer, bis nichts mehr da war, kein Boden, kein Jonas. Im meinem Kopf tobte die Schlacht von Kadesh. Mal gewannen die Ägypter, mal die Hethiter. Jonas verlor immer, das war nicht fair. Ich machte die Augen auf. Ich lag auf dem Fußboden in meinem Büroapartment. Die Schlacht tobte immer noch. Nur daß es nicht die Schlacht war, es war Sammy.

    Sam: Tatatatä. Erhebet euch ihr Gläubigen, strömet zu Hauf, na los, komm schon endlich hoch du nasser Sack, kikeriki, erwachet, erwachet, er krähte der Hahn, die Sonne betritt ihre güldene Bahn. Kikeriki.

    Jonas: Der Hahn heißt Sam. Und das mit der Sonne stimmt schon gar nicht.

    Sam: Theo gratias, Halleluja. Halleluja.

    Jonas: Wie spät haben wir's?

    Sam: Er ist wieder da, er ist wieder bei sich, er ist wieder bei Sammy, mein Jonasle, Jonas der große, der einzige, der unnachahmliche.

    Jonas: Jajaja wie spät.

    Sam: Höre Jonas laß dir sagen, unsere Uhr hat 6 geschlagen, und äh ja und 7 Minuten und 23 Sekunden.

    Jonas: Abends?

    Sam: Na, Mitternachts wird's sein.

    Jonas: Das heißt ich war fast 8 Stunden abgetreten. O... O Gott. Da hat mir die liebe Nofretete ein Teufelszeug in meinen Whisky gekippt.

    Sam: Gelinkt hat sie meinen Meister, lahmgelegt, kaltgestellt, pfui spinne wat fies, damit sie ihren Ramses ganz allein holen kann.

    Jonas: Viel Glück, das braucht sie.

    Sam: Wie dürfte ich das verstehen, Sir?

    Jonas: Oh, ich hatte so ne Ahnung, und darum hab ihr einen ganz besonders interessanten Weg durchs Reservat gezeigt, über Turkistan, vorbei am Hauptquartier der Straßensamurai und an den Höhlen der Nachtmenschen.

    Sam: Ja, das schafft sie nie, die linke Lola. Clever, und da bist du ganz alleine draufgekommen, du Dünnbrettbohrer.

    Jonas: Wer sich auskennt, kommt problemlos ins Reservat, weil er weiß, wo die Lücken im Dom sind, und die vergessenen Unterführungen, und im Reservat kennt er die versteckten Wege durch die Trümmer. Und wenn er dann noch Glück hat, kommt er durch. Gegen Mitternacht war ich im Grausektor, Radioaktivität bedenklich, aber nicht lebensgefährlich. Sagt Sam. Passendes Wetter, heftiger Regen, Blitz und Donner, die Klimaregulierung spielte verrückt, das tut sie hier immer. Um Jonas graue Hügel, eintönig und unheimlich, und darüber, blitzumzuckt, ein hohes finsteres Gebäude.

    Sam: Frankensteins Burg.

    Jonas: Ugartes Labor, wir sind da.

    Sam: Früher war das mal ein Bezirksgericht, gelle, ja, gebaut im 19. Jahrhundert, daher das gotische Brimborium, Zacken, Zinnen, Türmchen. Ja, so was fanden die geil damals. Beachten Sie vor allem die stilechten Spitzbögen Ladys und Gentlemen.

    Jonas: Ich denke nicht dran.

    Sam: Und woran sofern die Frage erlaubt wäre, denken Eminenz falls überhaupt.

    Jonas: Wie kommen wir rein, daran denke ich.

    Sam: Ja, gute Frage, Kumpel, laß uns mal überlegen.

    Jonas: Türen und Fenster sind out, Sammy.

    Sam: Ja, da scharf bewacht und streng gesichert, daccord Monsieur.

    Jonas: Übers Dach.

    Sam: Hubschrauber weniger zu empfehlen.

    Jonas: Also von unten, durchs Abwasser, wie seinerzeit in Nirwana.

    Sam: Fall Spielwiese. In dem daß die Abwasserleitung hiesigenorts zu ebener Erde verläuft und sich in einem bewachten Zustand befindet. Jedoch.

    Jonas: Sam hatte in eine Idee. Ab und an ist er wirklich zu brauchen. In alter Zeit stand gegenüber vom Gericht das Untersuchungsgefängnis, und dazwischen lief ein unterirdischer Gang, damit die Angeklagten sicher vor den Richter gebracht werden konnten. Sam wußte das. Sam weiß viel. Er wußte auch, welcher Trümmerhaufen das ehemalige Gefängnis war, und wo Jonas im Schutt wühlen mußte, um den Gang zu finden. Eine Stunde später waren wir unter der Erde, es war eng, etwas muffig, aber sauber und hell. Sammy ließ sein Licht leuchten auf glatte Wände, die nur einmal unterbrochen waren, durch eine Metalltür mit einem wohlbekannten Zeichen:

    Jonas: Drei schwarze Speichen im gelben Kreis, hierdurch geht’s ins alte Atomschutzsystem, Sammy. Fall Schneewittchen, weißt du noch.

    Sam: Ah Herr Hofrat, ich bitt Sie, wird Sammy auch nur einen einzigen Fall seines Jonas vergessen.

    Jonas: Vorsicht, Sam, ich sag nur Lecithin.

    Sam: Ja, nur zu, brutaler Folterknecht, dreh an der Schraube, reibs ein, schmier's dem armen Sam aufs Butterbrot, immer und immer wieder, ich werd es ertragen sieben Jahr, ich werd es ertragen.

    Jonas: Tu das Sam. Weißt du, was die Tür bedeutet. Wir haben einen Fluchtweg, schnell und gefahrlos unter dem Reservat direkt nach Babylon. Falls du den Öffnungscode kennst.

    Sam: Ha. Kennt Sammy sein Einmalseins? Sein Alphabet.

    Jonas: OK. Merken für nachher, wir werden's dann vermutlich eilig haben. Weiter.

    Sam: Drei vier. Das Wandern ist das Jonas Lust, das Wandern...

    Jonas: Der Gang endete an einer schmalen Treppe, 30 Stufen steil nach oben, dann ein kleiner Absatz, rechts und links Wände, darin je eine hölzerne Schiebetür. Undeutliche Geräusche hinter der linken Tür. Ich schob sie vorsichtig zurück, kroch durch die Lücke und war in einer Art Kanzel, zwei mal zwei Meter. Unter einer hohen Gewölbedecke. Was war das?

    Ugarte: Gut so. Macht sich, macht sich. Sehr schön.

    Sam: Großer Verhandlungssaal, Herr Vorsitzender.

    Jonas: Und diese Kanzel.

    Sam: Angeklagten.

    Jonas: Ach so. Ob ich mal über den Rand kucke?

    Sam: Vorsicht, euer Ehren, Klavier, piano, pianissimo.

    Jonas: Der Saal war voll. Voll mit Geräten, Maschinen, Apparaten, Instrumenten, Konsolen, Röhren, Gläsern. Retorten. Alles brummte und summte, dampfte und stampfte, tickte, brodelte und kochte, Elektroöfen zischten, bunte Lichter zuckten. Frankensteins Labor. Wie im Kino. Mittendrin zwei Figuren in weißen Kitteln, eine klein und bucklig, Igora. Neben ihr ein Mann, groß, etwas gebückt, fahrige Bewegungen, stechende Augen hinter dicken Brillengläsern, wirre lange Haare, die um seinen Kopf standen wie ein pervertierter Heiligenschein. Das mußte er sein. Frankenstein persönlich, Dr. Victor Ugarte.

    Ugarte: Gut machen sie sich, unsere kleinen Adolfs, Igora.

    Igora: Wundervoll, Herr Doktor, ganz wundervoll.

    Ugarte: Sie blühen, sie gedeihen. Die neuen Nährlösung scheint ihnen besser zu bekommen.

    Igora: Viel besser, Herr Doktor. Viel viel besser.

    Ugarte: Der kleine, dicke hier, ist das nicht ein Prachtexemplar. Kann man nicht schon fast seinen Schnurrbart erkennen?

    Igora: Vollbart, Herr Doktor, Rauschebart.

    Ugarte: Red keinen Unsinn, Igora. Was macht unser Sonderfall, unser Sorgenkind.

    Igora: Herr Doktor meinen den Pharao?

    Ugarte: Wen denn sonst. Ißt er?

    Igora: Jawohl, Herr Doktor, aber sprechen tut er immer noch nicht.

    Ugarte: Ich seh ihn mir mal an.

    Jonas: Beide gingen durch eine Tür, direkt unter meiner Kanzel. Jonas ging auch, das heißt er kroch, zurück durch die Schiebetür, über den Absatz, durch die rechte Schiebetür: Und da war ich wieder auf einer Kanzel, über einem Saal, der kleiner war als der erste. Und in dem es ganz anders aussah.

    Sam: Ägyptisch.

    Jonas: Wenn du das sagt, Sammy.

    Sam: Ja, Thronsaal eines Pharao. Neues Reich, 19. Dynastie.

    Jonas: Glaub ich dir unbesehen. Hier sind sie also gelandet die Stücke aus der Ausstellung. Aber wo ist die Mumie?

    Sam: Ja, wo ist die Mumie? Auf dem Thron.

    Jonas: Nein, Sammy, das ist ein Mensch, eben hat er den Arm bewegt.

    Sam: Ja und?

    Jonas: Ein Mann, groß, mager, dunkelhäutig, mit ausgeprägter Hakennase und einem langen schmalen Kinnbart. Er trug einen Lendeschurz und auf dem Kopf einen hohen runden Aufbau, ein bißchen wie eine Bischofmütze. Und nach Bischof sah auch der kurze Krummstab aus, den er in der Hand hielt. Er saß da, steif und fast regungslos und sah vor sich hin. Auf Ugarte, der vor ihm herumfuchtelte, reagierte er überhaupt nicht.

    Ugarte: Sag mal, Ramses, was soll das, was denkst du dir? Gerade mit dir habe ich mir ganz besondere Mühe gegeben.

    Igora: Und auch hohe Kosten haben Herr Doktor nicht gescheut.

    Ugarte: Sehr richtig, Igora. Kosten Mühen und Zeit. Ich mußte diesen Idioten Juniper kultivieren, sein Vertrauen gewinnen, ihm anvertrauen, daß ich aus der Mumie von Ramses II. eine genuine Kopie des alten Pharao klonen kann.

    Igora: Und wie Herr Doktor das können, phänomenal.

    Ugarte: Ich habe ihm erzählt, daß so eine Kopie ihm alle Fragen über den echten Ramses beantworten kann, wer die Schlacht von Kades gewonnen hat, und was weiß ich noch alles.

    Igora: Und das hat er Herr Doktor wirklich geglaubt?

    Ugarte: Als ob ein Klon die Erinnerungen des Originals behält, ein Trottel, der Mann, keine Ahnung von Genetik. Als er mir die Mumie brachte und merkte, was ich wirklich vorhatte, da machte er mir eine Szene.

    Igora: Eine Frechheit Herr Doktor, eine bodenlose Frechheit.

    Ugarte: Dafür ist er ja auch bestraft worden, Igora, und ich, ich habe die Mumie präpariert und zerlegt, das Genmaterial isoliert, nach der PCR-Methode kopiert und da mir mehr als ausreichend DNA-Substanz zur Verfügung stand, habe ich dich produziert, Ramses. Du bist ein Pharao, ein Autokrat, ein Tyrann, ein blutdürstiger Krieger. Benimm dich gefälligst auch so.

    Igora: Alarm, Herr Doktor.

    Ugarte: Geh ans Fon, Igora, frag die Sicherheitszentrale was es gibt.

    Igora: Ja, was ist los? Aha? Jemand hat versucht, ins Institut einzudringen Herr Dr.

    Ugarte: Wer hat es gewagt. Man bringe ihn zu mir.

    Igora: Sie. Herr Doktor, es ist eine Frau.

    Jonas: Auftritt zwei riesige Klonkiller mit Lasern, zwischen ihnen, Sie haben es erraten, Nofretete, sie hatte es tatsächlich geschafft. Respekt trotz allem. Sie sah sich um, verwirrt zuerst, dann immer stärker beeindruckt. Fast verzückt, riß sich los, lief zum Thron, fiel auf die Knie.

    Nofretete: Majestät, o großer Pharao, sieh gnädig herab auf deine Dienerin.

    Ugarte: Machen Sie sich nicht lächerlich. Das ist nur ein Klon: Ein Produkt. Vor mir sollten Sie knien. Ich hab ihn geschaffen, einen lebendigen Pharao aus einer toten Mumie, und das ist erst der Anfang, wenn erst die vielen kleinen Adolfs reif geworden sind, und bald, sehr bald werde ich in den Osten aufbrechen, ins Eldorado der Tyrannen, Lenin, Stalin, Iwan der Schreckliche, Dschingis Khan. Tamalan. Durch mein Genie werdet ihr zu neuem Leben, neuen Untaten erwachen.

    Igora: Bravo, Herr Doktor, bravissimo.

    Ugarte: Man hat mich verfolgt, man hat mich gedemütigt, meine Karriere hat man vernichtet, mein Leben zerstört, ich werde mich dafür rächen. Babylon, Europa, die ganze Welt wird erfahren, wozu Dr. Victor Ugarte fähig ist. Ich klone Welteroberer, Diktatoren, Tyrannen, Massenmörder, Blutsäufer, es werden mehr werden, immer mehr, viele, und wenn die Zeit gekommen ist, werde ich, Dr. Victor Ugarte, meine schwarzen Heerscharen, meine apokalyptischen Horden auf die Menschheit loslassen. Ein Chaos wird ausbrechen, eine globale Katastrophe, die Greuel der Verwüstung. Heulen und Zähneklappern, Berge von Leichen, Ströme von Blut. Armageddon, Götterdämmerung, Weltuntergang.

    Sam: Total beknackt dieser Klon...

    Ramses: Amun steh mir bei, was für ein melodramatischen Monolog, ein richtiges, verzeihen Sie Dr. Ugarte, ein richtiges Schmierentheater.

    Igora: Ramses, der kann sprechen, Und wie, Herr Doktor, wie ein Buch.

    Sam: Ne, wie ein Computer.

    Ugarte: Wie redest du mit mir, Ramses, du bist mein Geschöpf, was ich befehle führst du aus.

    Ramses: O nein, Dr. Ugarte, rechnen Sie bitte nicht mit mir, ich finde ihr Weltuntergangsszenario abgeschmackt. Makaber, richtig krank. Außerdem kann ich kein Blut sehen.

    Ugarte: Wir müssen den Tatsachen ins Auge blicken, Igora. Ramses ist ein Fehlschlag. Viel zu brav, kein Tyrann, wie wir ihn brauchen. Was über Ramses II. in den Geschichtsbüchern steht, ist offenbar stark übertrieben. Wir werden ohne ihn auskommen müssen. Programm Adolf wird intensiviert. Viel zu tun, viel zu tun.

    Igora: Und die Frau, Herr Doktor, die Einbrecherin?

    Ugarte: Bringen sie um, Igora.

    Igora: Mit meinem kleinen scharfen Messer, Herr Doktor, wie Juniper.

    Ugarte: Genau so, Igora, zeig diesem entarteten Pharao wie Menschenblut aussieht.

    Igora: Komm, komm mein Täubchen, komm zu Igora. Igora wird dir deinen schönen Hals abschneiden von einem Ohr zum andern mit ihrem kleinen scharfen Messer.

    Ramses: Zurück. Ich bin der Pharao, ich werde nicht dulden, daß meiner Dienerin Leid geschieht.

    Igora: Misch du dich nicht ein Ramses, sonst bist du der nächste. Haltet sie fest.

    Sam: Sollten wir einschreiten, mein über den Dingen schwebender Jonas.

    Jonas: Du hast Recht, Sam, es wird Zeit. Laserstrahler. Igora und zwei Klonkiller.

    Jonas: Tot. Alle drei. Meisterschütze Jonas hopste über die Kanzel. Nofretete war keine Amateurin. Sie lief sofort zur Tür, drehte den Schlüssel um. Keine Sekunde zu früh.

    Ugarte: Igora, was ist passiert.

    Nofretete: Nun tun wie uns also doch noch zusammen, Jonas. Teilen wir unsere Ressourcen. Was haben Sie beizusteuern?

    Jonas: Meinen Laser und einen Hinterausgang plus Fluchtweg. Und Sie Nofretete?

    Ugarte: Aufmachen.

    Nofretete: Ich, das hier.

    Jonas: Eine Superminibombe mit einstellbarem Zeitzünder. Sehr gut.

    Nofretete: Zum Glück haben sie mich nicht durchsucht.

    Sam: Die Zeit drängt, verehrte Anwesende. Stell den Knaller ein, eine viertel Stunde sollte reichen, na los versteck ihn und dann ab und durch die Middle.

    Jonas: Und Ramses, nehmen wir ihn mit.

    Nofretete: Mein Pharao. Komm zurück.

    Sam: Ja wo ist er denn.

    Jonas: Ramses schritt zur Tür. Kopf hoch, Arme über der Brust gekreuzt, feierlich, jeder Zoll ein Pharao. Ugarte und seine Klonkiller hatten ein mächtiges Loch in die Füllung geschlagen. Ramses blieb davor stehen, majestätisch hob er den Krummstab.

    Ramses: Im Namen Amuns, in meinem eigenen Namen, ein Gott bin wie er, im Namen aller Götter Ägyptens, fort mit den Waffen, in den Staub, das befiehlt euch Ramses, der Sohn des Rah, der da geliebt wird von Amun, Ramses der große Pharao.

    Jonas: Nofretete, was ist mit der Bombe.

    Nofretete: Eingestellt und versteckt.

    Jonas: Dann los, hier auf die Kanzel, beeilen Sie sich. Auf die Kanzel.

    Nofretete: Armer Ramses. Armer Pharao.

    Jonas: Eine Viertel Stunde später, in einem Gang des unterirdischen Atomschutzsystems Richtung Babylon. Jonas ging voran, dahinter Nofretete, Sammy in meiner Hand leuchtete. Wir hatten es eilig. Aus gutem Grund.

    Sam: Adio Frankensteins Burg. Adios Frankenstein. Alias Dr. Victor Ugarte.

    Jonas: Adios Ramses. Ein Jammer, daß wir ihn nicht retten konnten, Nofretete, und seine Mumie schon gar nicht, aber die hat Ugarte schon vor Tagen zerschnipsle und zu Genmaterial verarbeitet. Nofretete? Nofretete?

    Sam: Nofreretetete? na, verschwunden, die flüchtige, wieder einmal.

    Jonas: Und diesmal für immer. Mir sollte es recht sein. Als ich zuhause war, rief ich Frau Schrödinger M.A. an, wollte ihr erzählen, wie der Fall ausgegangen war, wer dahinter gesteckt hatte und warum. Aber sie wollte es nicht hören.

    Schrödinger: Interessiert mich nicht, Herr Jonas, absolut nicht, das hab ich Ihnen schon mal gesagt. Mich interessiert nur eins. Was ist mit Ramses?

    Jonas: Erschossen, Frau Schrödinger, MA.

    Schrödinger: Was?

    Jonas: Was ist mit meinem Geld?

    Schrödinger: Reichen Sie Ihre Rechnung ein.

    Jonas: Was?

    Schrödinger: Ich habe einen großen Papierkorb.

    Jonas: Natürlich kriegte Jonas keinen Euro. Frau Schrödinger MA kriegte was, einen neuen Posten. Sie wurde nach Albanien versetzt zur Regionalverwaltung historisch wertvoller Zwergkirchen.

    Sam: Und da soll sie bleiben, bis sie schwarz wird, das walte Hugo, Amen Bmen, Batman.

    Das war Pharao. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam Peer Augustinski. Außerdem wirkten mit: Christiane Bachschmidt, Ulrike Kriener, Elisabeth Volkmann, Hans Stetter und viele andere (Elisabeth Endriss, Karl Friedrich). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Regieassistenz: Holger Buck. Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1994). Redaktion: Erwin Weigel.

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:40 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Paranoia

    Sam: Zwei Knaben gingen durch das Korn...

    Jonas: Nicht schon wieder.

    Sam: Der eine bluß das Klappenhorn.

    Jonas: Nein!

    Sam: Doch. Er konnt's zwar nicht gut blasen, doch blus er’s einigermaßen.

    Jonas: Freut euch des Lebens.

    Sam: Ja, wahrlich freuet euch und abermals freuet euch, denn siehe, Großmutter wird mit der Sense rasiert. Ole. Hahaha.

    Jonas: Sam hatte sich einen Virus eingefangen, den berüchtigten Klapphornvirus, weiß der Teufel, wo er sich rumgetrieben hatte. Sam ist mein Computer. Klein, aber laut, eine Nervensäge schon ohne Virus, und mit Virus gar nicht mehr auszuhalten.

    Sam: Und ferner steht geschrieben im Buche des Klapphorns: Zwei Knaben suchten emsiglich am Baum nach einem Apfel. Sie fanden keinen Apfel nicht.

    Jonas: Der Baum, das war ne Pappel. Hallo.

    Koslowski: Was sagten Sie?

    Jonas: Ich sagte Hallo.

    Koslowski: Ach. Herr Jonas?

    Jonas: Nicht ausgeschlossen.

    Koslowski: Der Detektiv?

    Jonas: Könnte sein. Und wer oder was sind Sie?

    Koslowski: Vielleicht eine Klientin. Falls Sie mich heute noch aufsuchen. Hotel Tivoli, Babylon Ost, Löwengrube 28, Zimmer 42.

    Jonas: Heute noch. Wissen Sie, wie spät es ist?

    Koslowski: Selbstverständlich weiß ich, wie spät es ist. 22 Uhr 27. Sie sollten sich beeilen, Herr Jonas.

    Jonas: Kein Name. Hotel Tivoli, Sammy. Fonnummer. Sam!

    Sam: Bitte sehr, bitte gleich der Herr Fonnummer Hotel Tivoli. Piep. 772. A zwei Knaben reisten an den Nil.

    Jonas: Ich schalt dich ab, Sam.

    Sam: Den andern fraß ein Krokodil.

    Jonas: Schluß, Sam. Ende. Punkt.

    Sam: Punkt Punkt Komma Strich.

    Jonas: Strich drunter. Aus. Kein Klapphorn, kein Knabe.

    Sam: Zwei Knaben, Sir. So steht's geschrieben.

    Jonas: Sendeschluß, Sam. Fonnummer Tivoli. Dalli.

    Sam: 772583999.

    Jonas: In Zimmer 42 wohnte keine Dame. In Zimmer 42 wohnte ein einzelner Herr. Babitsch mit Namen. Baris Babitsch. Seltsam. Verdächtig. Ganz und gar nicht astrein. Trotzdem machte Jonas sich auf die Socken. Alles war besser als im Büro zu hocken und Sams Klapphornversen zu lauschen. Die Löwengrube war eine kleine schäbige Straße in einem kleinen schäbigen Viertel. Hotel Tivoli war nicht klein, dafür um so schäbiger. Ich sah’s mir an, von der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich war allein, dachte ich.

    Mann mit Plakat: Das Ende der Welt ist nahe.

    Jonas: Sie sagen mir nichts neues.

    Mann mit Plakat: Bereuet und tut Buße.

    Jonas: Bei Gelegenheit. Gehen Sie weiter, Freund.

    Mann mit Plakat: Das Ende der Welt ist nahe.

    Jonas: Haben Sie schon mal gesagt, außerdem steht’s auf dem Plakat, das Sie um den Hals hängen haben.

    Mann mit Plakat: Dem Untergang geweiht ist unser Raumschiff Erde.

    Jonas: Kein Wunder, der Kapitän ist besoffen.

    Mann mit Plakat: Schon verlassen die Ratten das sinkende Schiff. Sehen Sie, dort drüben, das helle Fenster im 4. Stock. Hotel Tivoli. Zimmer 42.

    Jonas: Da steigt einer aufs Fensterbrett. Der will springen. Halt! Tot. Nichts mehr zu machen. In der Ferne heulten Sirenen. Ich sah mich um. Der Plakatmensch war verschwunden. Gute Idee. Jonas verschwand auch. Es war spät. Und ich hatte keine Lust, mich stundenlang als Zeuge ausquetschen zu lassen. Am nächsten Morgen wollte ich mir Gedanken machen über die anonyme Anruferin, über das Ende der Welt, und über den Selbstmörder in Zimmer 42. Aber ich hatte keine Zeit, weil jemand zu mir kam. Eine Frau, an die 40. Dunkel, wohlgefällig anzuschauen. Sie hieß Lisa Koslowski, sagte sie. Ihre Stimme kam mir bekannt vor. Hatte sie mich gestern abend angerufen?

    Koslowski: Das spielt keine Rolle, Herr Jonas.

    Jonas: Ach, und was spielt eine Rolle, Frau Koslowski?

    Koslowski: Mein Onkel, Herr Jonas.

    Jonas: Sieh mal an, der liebe Onkel. Und die übrige Verwandtschaft alles wohlauf.

    Koslowski: Ihr Ton...

    Jonas: Gefällt Ihnen nicht, ich weiß. Nachdem wir das geklärt haben, sollten wir zur Sache kommen. Warum sind Sie hier, Frau Koslowski?

    Koslowski: Weil ich einen Privatdetektiv brauche natürlich. Aber inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich an der richtigen Adresse bin.

    Jonas: Sie war. Richtiger ging’s gar nicht. Ich bin Privatdetektiv. Der letzte und darum auch der einzige. In Babylon, der großen Stadt, mitten in den Vereinigten Staaten von Europa. Jonas ist mein Name, nur Jonas. Nicht Philip Marlowe, nicht Sam Spade, nicht Nestor Burma. Ein großer Held bin ich nicht. Ich bin ein Nachfolger. Nehmen Sie mich, wie ich bin, dann tu ich für Sie, was ich kann.

    Koslowski: Ich kann es nicht glauben. Onkel Baris hätte so etwas nie gemacht.

    Jonas: Was?

    Koslowski: Selbstmord. Ich versteh das nicht.

    Jonas: Ich verstand es auch nicht. Diese Unterhaltung hatte ich schon mal geführt. Wort für Wort vor 4 Jahren. Mit Judith Delgado. Aber an Judith wollte ich jetzt nicht denken. Judith war tot. Am 19. Juli 2012 hatte man sie erschossen. Vor genau 9 Monaten.

    Koslowski: Onkel Baris ist aus dem Fenster gesprungen, sagt die Polizei, gestern abend.

    Jonas: Kurz vor Mitternacht. Zimmer 42. Hotel Tivoli. Löwengrube 28.

    Koslowski: Korrekt, Herr Jonas.

    Jonas: Sie haben mich gestern angerufen, Frau Koslowski.

    Koslowski: Das ist nicht ihr Problem, Herr Jonas, Ihr Problem ist, was steckt hinter dem angeblichen Selbstmord, wie ist Onkel Baris wirklich umgekommen, das sollten Sie herausfinden, Herr Jonas, das ist ihr Auftrag.

    Jonas: 120 Euros pro Tag und Spesen.

    Koslowski: Einverstanden.

    Jonas: Name?

    Koslowski: Babitsch. Baris Babitsch. 60 Jahre, alleinstehend.

    Jonas: Volksrentner?

    Koslowski: Wo denken Sie hin, Herr Jonas, Onkel Baris ist, war eine Persönlichkeit von Gewicht, der Leitende Direktor von Sanssouci.

    Jonas: Sanssouci. Sorgenfrei. Von wegen Entsorgung. So heißt die Müllkippe von Babylon, draußen vor den Toren, mehr als eine Müllkippe, eine Mülllandschaft. Müllberge. Müllebenen. Müllschluchten von Horizont zu Horizont, viele Quadratkilometer, vollautomatisch gewartet von riesigen Müllmaschinen, Schaufeln und Bagger auf Ketten.

    Koslowski: Und da hat er auch gewohnt, Onkel Baris. In Sanssouci. Im Verwaltungstrakt. Gleich neben seinem Büro.

    Jonas: Nicht im Hotel Tivoli?

    Koslowski: Im Hotel hat er sich erst gestern eingemietet, ganz plötzlich, ohne Gepäck.

    Jonas: Aus welchem Grund?

    Koslowski: Das weiß ich nicht.

    Jonas: Vielleicht sollte ich da ansetzen.

    Koslowski: Im Tivoli können Sie sich später umsehen, Herr Jonas, zuerst fahren Sie raus nach Sanssouci, gleich, so schnell wie möglich. Mieten Sie sich ein E-Mobil.

    Jonas: Das kostet was, Frau Koslowski.

    Koslowski: Auf Spesen natürlich. Brauchen Sie einen Vorschuß?

    Jonas: Den braucht Jonas immer. Außerdem brauchte er Rat. Dringend. Im Fall Babitsch stimmte hinten und vorne nichts. Gab es überhaupt einen Baris Babitsch? Als Lisa Koslowski gegangen war, ließ ich Sam nachsehen.

    Sam: Boris Klapphorn. Piep. Geboren 13.3.1953. Verstorben, Klammer auf, Suizid Klapphorn zu, 22.4.2013, Klapphornnummer 17357

    Jonas: Falls du Bürgernummer meinst, Sammy, die brauchen wir nicht. Funktion.

    Sam: Leitender Direktor der staatlich babylonischen Klapphorndeponie Sanssouci.

    Jonas: Wenn du noch einmal Klapphorn sagst, Sam, nur noch ein einziges Mal, dann fliegst du aus dem Fenster.

    Sam: Aus dem 16. Stock, du Sadist? Da könnte ein Klapphorn leicht Schaden nehmen.

    Jonas: Ich geb’s auf. Hat er eine Nichte namens Koslowski?

    Sam: Der Baris Klapphorn?

    Jonas: Babitsch heißt er, Babitsch, hat er oder hat er nicht?

    Sam: Hat er nicht, euer Unbeherrschlichkeit, weder Koslowski noch überhaupt eine Nichte. Zwei Nichten gingen durch das Korn, die eine hinten die andere vorn, ahahaha.

    Jonas: Sam aus dem Fenster zu werfen, brachte ich nicht übers Herz, ich stellte ihn ab, dann steckte ich ihn ein und ging. Eine Stunde später saß ich im E-Mobil unterwegs nach Sanssouci, durch die Wildnis, immer gerade aus, auf den hohen Verteilerturm zu, der mitten in der Deponie steht, und auch die höchsten Müllberge weit überragt. Kurz vor 3 war ich da, nach Dienstschluß. Das Verwaltungsgebäude war so gut wie leer. Aber als ich die Tür zum Büro des Direktors aufmachte...

    Frank: Nur herein, Jonas, wir warten schon auf Sie.

    Jonas: Oberst Frank!

    Frank: In Lebensgröße. Machen Sie den Mund zu, Jonas, die Tür auch, und nehmen Sie bitte die Hände hoch. Durchsuchen, Rosencrantz.

    Rosencrantz: Zu Befehl, Herr Oberst.

    Jonas: Oberst Frank, Chef des babylonischen Geheimdienstes GD. Früher Terrorpolizei. Ein unangenehmer Zeitgenosse. Zweimal hatte Jonas bisher mit ihm zutun gehabt, Fall Todestour und Fall Inselklau.

    Frank: Auf ein neues, Jonas, in alter Freundschaft.

    Jonas: Passe. Jonas steigt aus.

    Frank: Das können wir nicht zulassen, was meine Herrn. Halten Sie ihn fest.

    Rosencrantz: Zu Befehl, Herr Oberst.

    Jonas: Was wollen Sie von mir?

    Frank: Wir haben einen Hinweis bekommen, einen anonymen Hinweis, daß Sie hier aufkreuzen würden. Aber das war uns sowieso klar, immerhin stecken Sie drin bis über die Halskrause.

    Jonas: Wo stecke ich drin?

    Frank: Aber Jonas, im Fall der sogenannten Selbstmorde natürlich.

    Jonas: Wieso sogenannte, und wieso Selbstmorde? Ich kenne nur einen.

    Frank: Babitsch meinen Sie? Da sollten Sie sich wohl auskennen, Jonas, schließlich haben Sie den Mann um die Ecke gebracht.

    Jonas: Was, ich?

    Frank: Sie waren da, Jonas, Hotel Tivoli, gestern nacht.

    Jonas: Sie sind gut informiert, Frank.

    Frank: Das ist unser Job, Jonas. Jetzt müssen wir nur noch feststellen, für wen Sie arbeiten, obwohl wir das eigentlich auch schon wissen.

    Jonas: Würden Sie es mir verraten?

    Frank: Spielen Sie nur den Idioten, Jonas, Sie machen das nicht schlecht.

    Jonas: Naturtalent, Frank.

    Frank: Aber das hilft Ihnen nicht raus. Ich weiß, daß Sie für die Drittwelt arbeiten, für afrikanische und asiatische Terrorgruppen. Sie erinnern sich doch noch an die Kusbekische Befreiungsfront. Ich weiß, daß die hinter allem steckt, was bei uns passiert, auch hinter den Selbstmorden, und das heißt, hinten Ihnen Jonas.

    Jonas: Sie spinnen, Frank, Sie sind nicht dicht, paranoid, Berufskrankheit nehm ich an.

    Frank: Wir werden uns in Babylon weiter unterhalten, in der Zentrale, da haben wir Experten, die jeden zum Reden bringen, auch Sie, Jonas. Kommen Sie. Rosencrantz, Güldenstern, Sie behalten den Mann im Auge.

    Rosencrantz: Zu Befehl, Herr Oberst.

    Jonas: Jonas kam mit, ruhig, in sein Schicksal ergeben. So sah es aus, aber vor dem Haus riß ich mich los, rannte um die Ecke, nach hinten, wo mein E-Mobil stand, Start, los, nicht zur Straße nach Babylon, weil Frank das erwartete, in die andere Richtung, zur Deponie, in den Müll, das heißt bis zum Rand, da ließ ich den Wagen stehen, weiter ging’s nur zu Fuß, über Müllberg und Mülltal, eine aufreibende Kletterei, ganz abgesehen vom Geruch, aber es gab schlimmeres, Franks Experten zum Beispiel. Also weiter, immer tiefer in den Müll, wo ich sicher war, dachte ich. Ich dachte falsch. Wie so oft. Ein Geräusch hinter mir, ich drehte mich um und fühlte mich auf einmal sehr klein.

    Jonas: Eine Müllmaschine! Sie haben mir eins von diesen Superbaggern nachgeschickt. In 5 Minuten hat er mich, und dann macht er Matsch aus Jonas. Sam, Sammy, ich brauch dich.

    Sam: Jaja, abgestellt, angestellt, hüh und hott, ne, erst beschimpfen und dann bitte bitte, ja, das kennen wir. So ist das Leben, eure dialektische Weltweisheit, ein ewiges auf und ab. Wie spricht das Klapphorn.

    Jonas: Ich laß dich hier, Sammy, ich schmeiß dich auf den Müll.

    Sam: Nicht doch, Freund. Es spricht vergeben und vergessen, das ist Computers Zier. Was steht zu Diensten?

    Jonas: Tu was, Sammy, steig ins Kontrollsystem der Deponie, halt ihn an den Leviatan. Kennst du das Codewort.

    Sam: Das Sesam öffne dich des Sanssouci-Systems, o du mein Ali Baba, aber gewiß doch, es lautet Klapphorn.

    Jonas: So, das reicht, du hast es so gewollt.

    Jonas: Plötzlich sackte der Bagger weg, in ein Loch, eine durch Müll verdeckte Fallgrube, und da kam er nicht mehr raus, draußen im Müll Bewegung, Menschen tauchten auf, graue Gestalten, vom Rand der Grube hakten sie auf die gefangene Maschine ein, mit Stangen und Steinen, wie Neandertaler auf der Mammutjagd. Das mußten Trolle sein. Ich hatte davon gehört. Trolle lebten mitten im Müll, von dem was sich bot, auch von Menschen, wenn sie welche kriegten, sagt man. Jonas blieb in Deckung, vorsichtshalber, bis sie den Bagger kurz und klein geschlagen hatte und mit den Stücken abgezogen waren. Dann zog auch Jonas ab. Es wurde dunkel.

    Sam: Hallo, Augenblick mal, Chef, Sie haben was vergessen.

    Jonas: Nicht das ich wüßte.

    Sam: Sam heißt er. Ein Computer ist er.

    Jonas: Das Klapphorn meinst du, das bleibt hier, auf dem Müll, ich hab keine Verwendung dafür. Du kannst mir viel erzählen. In dieser Nacht wurde geschlichen. Erst durch den Müll, dann durch die Wildnis. Am frühen Morgen war Jonas wieder in Babylon, mit Sam natürlich, unbeschadet, müde, guter Dinge, vor allem wenn ich an Oberst Frank dachte, der stocherte sicher noch im Müll rum, aber als ich die Tür zum Büroapartment aufstieß, verging mir die gute Laune schlagartig. Ich hatte Besuch gehabt.

    Sam: Barbaren, Goten, Skyten, Hunnen, Vandalen.

    Jonas: Alles durchgewühlt, alles auf den Kopf gestellt, den Bürowhisky haben sie ausgetrunken, meine letzte Flasche Old Forrester.

    Sam: Sie ruhe in Frieden. Mein tief empfundnes Beinkleid den durstgeplagten Hinterbliebenen aus ganzem Herzen.

    Jonas: Hast keines, Sammy, trotzdem danke.

    Sam: Bitte.

    Jonas: Deinem Speicher ist zum Glück nichts passiert.

    Sam: Was?

    Jonas: Ja, sie haben’s versucht, aber sie konnten ihn nicht knacken, Sam 1 ist eine Festung.

    Sam: Nichts passiert? Und diese tiefe Wunde, du gefühlslose Tomate?

    Jonas: Ach, das ist nur ein Kratzer, Sam, da schmieren wir bei Gelegenheit ein bißchen Lack drauf. So, fahr mal das Bett aus, Jonas ist müde, aufgeräumt wird später.

    Sam: Geschlafen auch. Tatatata. Der Sammy stößt ins Klappenhorn...

    Jonas: Geht das schon wieder los.

    Sam: Mein Jonas hat hier nicht verloren, er eile flott von dannen, sonst schnappen ihn die Mannen, er eile fix von innen, sonst kriegen ihn die Finnen.

    Jonas: Finnen, was für Finnen?

    Sam: Naja Rinnen, Zinnen, Spinnen, nur des Reimes wegen.

    Jonas: Und wen meinst du in schlichter Prosa, Sam?

    Frank: Uns meint er, Jonas. Wissen Sie, wir hatten keine Lust, stundenlang im Müll zu buddeln, statt dessen haben wir es uns bei ihnen bequem gemacht, wir haben ihr Büro ein bißchen umdekoriert, und wir haben gewartet, für alle Fälle, und Sie haben es tatsächlich geschafft, Jonas, trotz Müllmenschen und Müllmaschinen, Respekt Jonas, guter Mann. Ihr Whisky ist übrigens auch nicht schlecht. Rosencrantz?

    Rosencrantz: Herr Oberst?

    Frank: Verpassen Sie ihm was mit ihrem Neurofreezer, damit er uns nicht noch mal auskneift.

    Rosencrantz: Befehl, Herr Oberst.

    Jonas: Sie hatten nicht nur Neurofreezer, sie hatten auch weiße Mäntel und eine Bahre, auf die legten sie Jonas. Kein Problem, ich war hilflos, steif wie ein Brett. Sie schleppten mich raus, auf die Straße, da parkte eine Ambulanz, aber sie kamen nicht mehr dazu, mich einzuladen, plötzlich war eine große schwarze E-Limousine da, Aufschrift Bestattungsinstitut Moroni, ein Leichenwagen, ein paar Typen in schwarz sprangen raus, fingen sofort an zu schießen, mit Laserstrahlern. Frank und Co hatten keine Chance. Die schwarzen ließen sie liegen. Jonas klaubten sie auf und stopften ihn in den Leichenwagen. Während sie mich in einen Sarg bugsierten, sah ich durch die offene Klappe einen Mann am Straßenrand, einen Mann mit einem Plakat, auf dem stand: Das Ende der Welt ist nahe. Ich war ganz seiner Meinung. Der Wagen hielt, der Sarg wurde rausgehoben, ein Stück getragen, abgesetzt, geöffnet, und geleert, der Neurofrezereffekt ließ allmählich nach, ich konnte den Kopf drehen. Ich sah mich um. Ein hoher Raum. Feierlich. Schwarz ausgeschlagen. Kirchengestühl, eine automatische Orgel, die vor sich hindudelte, es roch irgendwie fromm nach Weihwasser und Weihrauch. Eine Tür ging auf. Eine Frau trat ein. Lisa Koslowski. So hatte sie sich gestern genannt.

    Koslowski: Bleiben wir dabei, Herr Jonas, das ist einfacher. Was ist ein Name.

    Jonas: Wo bin ich?

    Koslowski: Die konventionelle Frage, wie nett, Sie befinden sich im Bestattungsinstitut Moroni, in der babylonischen Zentrale des GGD, des geheimen Geheimdienstes.

    Jonas: Was hab ich mit dem GGD zu tun.

    Koslowski: Der GGD hat sich Ihrer bedient, Jonas, Sie benutzt als Lockvogel. Gewissermaßen.

    Jonas: Heißen Dank.

    Koslowski: Wir haben zu danken, Jonas, durch Sie sind wir ein ganzes Stück weitergekommen. Sehen Sie, seit Monaten macht uns ein Problem zu schaffen: eine Reihe hoher babylonischer Funktionsträger begeht Selbstmord, so scheint es jedenfalls. Zuerst Samson vom Amt für Luftüberwachung und Luftreinhaltung, dann Marschall Medina, der Kommandeur unserer Grenzschutztruppe. Dr. Klaas, Direktor des Rechnungshof, und jetzt Babitsch von der Deponie, eine richtige Epidemie. Es ist uns natürlich klar, daß es sich in Wirklichkeit um Morde handelt und daß der GD dahinter steckt, Frank und seine Leute.

    Jonas: Der babylonische Geheimdienst bringt babylonische Würdenträger rum. Völlig klar wie Kloßbrühe.

    Koslowski: Der GD ist natürlich unterwandert.

    Jonas: Von der Drittwelt.

    Koslowski: Unsinn, vom CIA. Von den Amerikanern.

    Jonas: Von unseren Verbündeten?

    Koslowski: Was heißt das schon? Die USA wollen Europa kleinhalten, verunsichern, destabilisieren.

    Jonas: Und welche Rolle spielt Jonas in diesem Szenario?

    Koslowski: Wir haben alle möglichen Selbstmordkandidaten beobachtet. Als wir den Eindruck hatten, Babitsch sei der nächste, haben wir Sie ins Spiel gebracht, Jonas, als unbekannte Größe, um den GD aufzuspüren, aus dem Rhythmus bringen, mit durchschlagendem Erfolg, das können Sie nicht bestreiten.

    Jonas: Mir schwirrte der Kopf. Das lag nicht am Neurofreezer. Babitsch war nicht ermordet worden, er war aus dem Fenster gesprungen, allein, aus eigenem Antrieb, das hatte ich gesehen, und ich kannte noch einen Selbstmörder aus der Liste. Dr. Klaas, Stammgast im Casablanca. Ich hatte beobachtet, wie er immer verschlossener, immer verstörter wurde, bis er sich erschoß. Zuviel Schlamperei und Korruption in Babylon, zu viel Streß für den obersten Rechnungsprüfer, das stand im Abschiedsbrief, den er dem Casablanca hinterließ, und beim Rest war es sicher ähnlich, alle hatten Jobs mit maximaler Verantwortung und minimalen Erfolgserlebnissen. Die Selbstmorde waren echt, das sagte ich Lisa Koslowski. Aber auf dem Ohr war sie taub.

    Koslowski: Sie haben keine Ahnung, Jonas, Sie sind naiv.

    Jonas: Lieber naiv als paranoid.

    Koslowski: Oder Sie sind ein Provokateur. Sie stecken mit dem GD unter einer Decke. Sie sind ein CIA-Agent.

    Jonas: Klar, deshalb hat Frank mich durch den Müll gescheucht und mich mit dem Neurofreezer kaltgestellt.

    Koslowski: Alles Theater, Jonas, Ablenkungsmanöver, fast wäre ich drauf reingefallen. Sie sind durchschaut, Jonas, packen Sie aus.

    Jonas: Herzlich gerne, wenn ich nur wüßte was.

    Koslowski: Auch der GGD hat Neurofreezer, Jonas. Wenn Sie störrisch bleiben, stecken wir Sie wieder in den Sarg, wir richten ihnen eine ergreifende Trauerfeier aus, und dann ab ins Krematorium, das oder Sie reden. Ich gebe Ihnen Bedenkzeit, eine halbe Stunde. Schafft ihn nach nebenan.

    Jonas: Nebenan war ein langer schmaler Raum ohne Fenster, eine Birne baumelte von der Decke und warf trübes Licht auf 6 Särge, alle belegt.

    Sam: Ein Ambiente wie weiland im Unternehmen Immer und Ewig, erinnert sich mein Herr und Meister.

    Jonas: Fall Requiem. Ich weiß, Sammy. Wann war das? 2009. Interessant.

    Sam: Fall Requiem meinen Herr Oberarchivar?

    Jonas: Ich meine nicht Requiem, ich meine den Toten hier im Sarg, gleich neben der Tür, sieht ein bißchen aus wie Jonas.

    Sam: Laß kucken, Kumpel, hmh, männlich, groß, kräftig, gereift, bildschön, naja von letzterem abgesehen das präzise Ebenbild eines nicht unbekannten babylonischen Privatdetektivs.

    Jonas: Das eröffnet uns gewisse Perspektiven, Sammy?

    Sam: Rollentausch und Kleiderwechsel bzw. Kleidertausch und Rollenwechsel?

    Jonas: Genau das, Sammy. Schwerer Fall. Der Doppelgänger.

    Sam: Armer Yorrik. Und wie der Mensch angezogen ist. Igitt, ein Frack anno 1950 oder noch früher. Pfui Spinne und Spargel, so was willst du deinem edlen Körper zumuten?

    Jonas: Ich wollte nicht, ich mußte, das war die einzige Möglichkeit, heil aus diesem Irrenhaus rauszukommen. Ich zog dem Toten meine Sachen an und setzte ihn ganz hinten in die Ecke. Jonas stieg in den Frack und dann in den Sarg, zog den Deckel zu bis auf einen Spalt und wartete.

    Mann: Bedenkzeit ist um, raus mit ihnen, Jonas, los doch, lassen Sie die Chefin nicht warten, seien Sie vernünftig, machen Sie keine Zicken. OK, dann muß ich Sie eben holen. Sturer Bock.

    Jonas: Er stapfte nach hinten. Jonas machte den Sargdeckel auf, ganz leise und stieg aus, noch leiser, schlich zur Tür, unhörbar, machte sie von außen zu, drehte den Schlüssel um, schlich weiter durch einen Gang, und dann war ich draußen, so einfach ging das. Aber es blieb nicht so einfach. In meinem Frack war ich so unauffällig wie Schimanski in der Damensauna. Jonas mußte in Deckung und Jonas wußte auch wo. An der nächsten Ecke war ein öffentliches Klo. Ich sauste die Treppe runter, durch die Tür mit der Aufschrift Herren, Sicherheit. Für etwa 5 Sekunden. Bis die Tür der hintersten Zelle aufging und ein alter Bekannter rauskam. Das Ende der Welt. Mit Plakat und mit schußbereitem Laserstrahler.

    Mann mit Plakat: Sehr aufmerksam von ihnen, Jonas, Sie kommen freiwillig. Wir brauchen kein Greifkommando auszuschicken. Heben Sie freundlicherweise die Hände. Ja, so danke. Von der Bestattung zum Bedürfnis, ein sozialer Abstieg, könnte man meinen, in Wahrheit ist es genau das Gegenteil. Treten Sie näher, Jonas, durch diese Tür, wenn ich bitten darf, hinter ihr befindet sich keine Toilettenzelle, wie Sie und die Welt vermuten, und vermuten sollen, hinter ihr verbirgt sich die Zentrale des GGGD, des ganz geheimen Geheimdienstes. Kommen Sie, Jonas, nach Ihnen.

    Jonas: Was es nicht alles gab in unserer großen Stadt Babylon, untendrunter bessergesagt. Ein weiter Saal, weißgekachelt, klinisch sauber, desinfiziert, rechts und links Schreibtische, darauf Konsolen, davor fleißige Amtsschimmel, mitten im Saal stand ein Kasten aus glänzendem Chrom, 2 Meter im Geviert. Knöpfe, Skalen, Hebel, ein Kabel lief zu einem summenden Aggregat an der hinteren Wand, obenauf ein Fußball ohne Luft, kahl, schrumpelig, Brillengläser aus Panzerglas, ein Hörrohr und ein horizontaler Schlitz, der sich bewegte. Der Schrumpfkopf konnte sprechen.

    O: Näher, noch näher. Damit ich Sie besser sehen kann. Damit ich Sie besser hören kann.

    Jonas: Damit er mich besser fressen kann.

    Mann: Unser Chef, O, nur O.

    Jonas: Wie Oweh?

    Mann: Sehr witzig.

    Jonas: Der Kasten, in dem er steckt, ist das eine Herzlungenmaschine?

    O: Ein totaler Körperfunktionsautomat, er hält mich am Leben, er ist mein Leben, ich pflege zu sagen, die Kabelschnur ist meine Nabelschnur.

    Mann/O: Hahaha.

    O: Ich muß am Leben bleiben, nicht meinetwegen, für den Dienst, den GGGD.

    Mann: Für Babylon, Chef, für Europa, für die Welt.

    O: So ist es. Ich bin der einzige, der die Welt retten kann. Die beiden anderen sogenannten Dienste, der GD und der GGD sind durch und durch verseucht, unterwühlt, untergraben, unterwandert.

    Jonas: Aha, lassen Sie mich raten. Von der Drittwelt. Vom CIA.

    O: Ganz falsch. Wer so etwas behauptet, ist schwachsinnig, oder böswillig. Es gibt nur einen Feind, die Verkörperung allen Übels, die Ausgeburt Satans.

    Jonas: Und wie heißt er, ihr böser Feind?

    O: Wie können Sie fragen, es ist der rote, wer sonst.

    Mann: Der Russe, der Iwan, der Bolschewik.

    Jonas: Ach was, ich dachte, der kalte Krieg ist vorbei, seit fast einem Viertel Jahrhundert.

    O: Das will man uns einreden, aber es ist nicht wahr. Das sogenannte Ende des sogenannten Ostblocks ist ein gigantisches Täuschungsmanöver.

    Mann: Ein hinterhältiger Trick, um uns ins Sicherheit zu wiegen.

    O: Sie sind zu allem fähig, diese Teufel.

    Mann: Hinter den Selbstmorden stecken sie ja auch.

    O: Den sogenannten Selbstmorden.

    Mann: Selbstverständlich, Chef, verzeihen Sie.

    Jonas: So was hab ich mir gedacht. Dann wäre ja wohl alles geklärt.

    O: Bis auf eines, wer sind Sie?

    Jonas: Ich? Jonas, nur Jonas. Privatdetektiv, der letzte.

    O: Ihre Legende interessiert mich nicht. Wer sind Sie wirklich?

    Jonas: Und wenn ich Ihnen sage, daß ich wirklich Jonas bin, nur Jonas.

    O: Zwecklos, absolut zwecklos.

    Mann: So dumm sind wir nicht, was Chef?

    Jonas: Dann muß ich Ihnen wohl reinen Wein einschenken. Jawohl, ich bin Russe, Jonas Jonasowitz Jonasenko, Oberst im KGB.

    Mann: Ein ganz dicker Fisch.

    Jonas: Ich bin aber noch mehr. Ein Wechselbalg gezeugt von Gorbatschow mit einer Baba Jaga, ein schwarzer Magier, im Dienst der roten Revolution.

    O: Ja, weiter!

    Jonas: Es lebe die Diktatur des Proletariats, es lebe der 1. Parteitag der KPdSU, Bolschewiki, es lebe der 2. Parteitag, es lebe der 3., der 4., es lebe mein Taschenmesser.

    O: Ihr Taschenmesser?

    Jonas: Das habe ich an Ihrer Kabelnabelschnur. Ein kurzer Schnitt.

    O: Nein, bitte nicht, ich tu alles, was Sie wollen.

    Jonas: Das hörte Jonas gern. Als erster wollte er einen Laserstrahler, dann wollte er raus. Das war schwierig. Vorne ging’s nicht, auf der Straße lauerten die Leichenbitter vom GGD.

    Sam: Preisfrage, was tut Meister Lampe, wenn Meister Reinike vor seinem Bau umherstreicht.

    Jonas: Weiß nicht, Sammy, Klapphornblasen?

    Sam: Er geht hinten raus, Karnickel, verschwiegene Establishments pflegen geheime Ausgänge aufzuweisen.

    Jonas: Gute Idee, Sam. Wo ist hier die Hintertür? Na?

    O: Nicht schneiden, bitte nicht! In der Rückwand neben dem Aggregat.

    Jonas: Ich seh nichts.

    O: Das können Sie auch nicht. Wir haben den Ausgang mit einer Holoprojektion der Wand zugedeckt.

    Jonas: Abschalten. Wird’s bald.

    O: Schalten Sie das Holo ab, Agent 07, schnell.

    Sam: Aber hurtig.

    Jonas: Rechts vom Aggregat verschwand ein Stück Kachelwand, dafür erschien eine kleine Tür. Agent O7 alias Ende der Welt schloß sie auf. Jonas ging rückwärts, Laserstrahler in der rechten Hand, die linke am Kabel. Ein kurzer Blick durch die Tür. Ein paar Stufen, unten ein breiter Abwasserkanal, der dritte Mann ließ grüßen, vor der untersten Stufe lag ein Schnellboot.

    O: Das Boot ist aufgeladen und startbereit, falls die Russen uns überrollen.

    Jonas: Seit Jahren haben die nichts anderes im Sinn. Die Schlüssel.

    O: Geben Sie ihm die Bootsschlüssel, O7.

    Jonas: Danke. Den Schlüssel zur Hintertür auch. So, und jetzt bleiben alle ganz brav da, wo sie sind. Keiner rührt sich, sonst stehen morgen in Holotext zwei interessante Anzeigen: Durch Laserstrahl beschädigter Funktionsautomat billig abzugeben wegen Todesfall. Und

    Sam: Beim ganz geheimen Geheimdienst ist die Stelle des Chefs neu zu besetzen. Paranoia Bedingung. Sinilität angenehm.

    Jonas: Ins Schnellboot und weg, mit aufgeblendetem Scheinwerfer und schäumender Bugwelle durch die zähe dunkle Brühe. Sam war Navigator. Sam kannte sich aus in der Unterwelt von Babylon. Sam kennt sich überall aus. Kein Wunder, wenn man sich in praktisch jedes System einklinken kann. Wir fuhren ab von Hauptkanal durch ein Labyrinth kleiner Seitenkanäle, einer davon weitete sich aus, zu einem Teich, da machten wir halt. Zeit für a) Bestandsaufnahme b) Zukunftsplanung.

    Sam: Ein idyllisches Plätzchen, Herr Oberförster.

    Jonas: Für einen Koprophilen Kongreß.

    Sam: Haha, kuck mal, der kann Fremdwörter, der Kakopluile.

    Jonas: Nur kein Neid, Sam, du denkst wohl, du bist der einzige, der große Töne spucken darf.

    Sam: Ruhe im Saal, bitte Ruhe. Die Sitzung ist eröffnet. Thema wie so oft. Was nun. Punkt 1 der Tagesordnung: Wohin oder präziser, welcher Aufenthaltsort verspricht Zuflucht und Sicherheit.

    Jonas: Wenn ich das wüßte.

    Sam: Siehste.

    Jonas: Drei Geheimdienste sind hinter Jonas her. Der GGGD hält mich für einen russischen Spion, der GGD denkt, ich bin vom CIA, und der GD...

    Sam: Ist erledigt, fini, Strich drunter.

    Jonas: Glaub ich nicht, Sammy, sicher, Oberst Frank ist tot.

    Sam: Desgleichen Rosencrantz und Güldenstern.

    Jonas: Na und? Im GD gibt’s noch viel mehr Leute, die haben Jonas auf der Abschußliste als Drittweltagenten.

    Sam: Kurz und knapp. Bis auf weiteres können Exzellenz sich in Babypsilon nicht sehen lassen.

    Jonas: Büro ist out, Casablanca is out.

    Sam: Straßen, Häuser alles out, megaout, outer geht's nicht.

    Jonas: Und hier unten können wir auch nicht ewig bleiben.

    Sam: Warum denn nicht, mein subterraner Robinson, ist doch ganz gemütlich.

    Jonas: Ach, und der Gestank.

    Sam: Hach, stört Sammy überhaupt nicht.

    Jonas: Weil du keine Nase hast, aber vom Duft mal ganz abgesehen, hier unten fehlt einfach alles, was der Mensch so braucht, kein Sauerstoff.

    Sam: Ja gibt's oben auch nicht.

    Jonas: Nichts zu essen, kein Whisky.

    Sam: Keine Geheimdienste mit Verfolgungswahn.

    Jonas: Die werden noch früh genug kommen, apropos, die Typen vom GD, GGD, GGGD sind wirklich paranoid.

    Sam: Jaja total beknackt, absolut bescheuert, echt bekloppt.

    Jonas: Die glauben, was sie sagen, mit Vernunft und gutem Zureden ist da nichts zu machen.

    Sam: Andererseits, werter Kollege und Vorredner, erscheint es als ebenso unmöglich, sich den Verfolgern auf Dauer durch die Flucht zu entziehen.

    Jonas: Jonas will auch nicht mehr weglaufen, Jonas hat die Nase voll.

    Sam: Gut, Debatte beendet, wir schreiten zur Beschlußfassung.

    Jonas: Wir drehen den Spieß um, Sammy, wir kämpfen, wir greifen an.

    Sam: Attacke, jawohl, einstimmig angenommen. Es tönt das Klapphorn laut und froh.

    Jonas: Klapphorn äh Klappe zu, Sam. Fang nicht wieder damit an.

    Sam: Und wie ist es mit halili und hollido?

    Jonas: Alle wollen Jonas in die Pfanne hauen, also

    Sam: Hauen wir sie in die Pfanne. Alle. Ne?

    Jonas: Und ich weiß auch schon, wie wir das hinkriegen, Sammy, du wirst mächtig ackern müssen.

    Sam: Ja, von der Stirn heiß rinnen muß der Schweiß, was wünschen guter Massa, was sollen tun Onkel Tom. Tom? Tom?

    Jonas: Sam erschuf einen Jonas, einen Pseudojonas, ein Phantom, das überall präsent war, in Infobänken, Listen, Dateien, in allen relevanten elektronischen Systemen, nur nicht in der Realität. Dieser falsche Jonas entstieg der Kanalisation, brach auf der Straße zusammen, wurde mit akuter Cholera ins Zentralkrankenhaus eingeliefert, in die Isolierstation, da kam keiner an ihn ran, und er kam nicht raus. Damit waren die Verfolger vorläufig abgelenkt, auf die falsche Spur gesetzt, ruhig gestellt. Soweit Punkt 1. Dann ließ ich Sammy die Zentralen der drei Geheimdienste kontakten. Bestattungsinstitut Moroni, Bedürfnisanstalt in der 71. Straße, und der GD.

    Sam: Steht im Fonbuch, du Tütensuppe.

    Jonas: Dann mal los, Sammy, du kennst deinen Text.

    Sam: Ich kennen Massa. Piep. Hallo? Geheimdienst Europa? Gut, du zuhören, Kollege, ich dir sagen große Geheimnis. Heute zu mittag, wenn Uhr sein Zwölf, dann sich treffen alle geheime Agenten Dritte Welt in Babylon, alle Terroriste, Befreiungsfront Kusbekistan. Wo treffen? No, in Dreck Kollege, in Müll, in Deponie, was heißt Sanssouci, du verstanden Kollege?

    Jonas: Gut so Sammy, jetzt der GGD.

    Sam: OK, Boss.

    Sam: Hi, folks, listen, if you want erwischen all the top agents from the CIA in Europe, the mulls, doubleagents, tripleagents and so on, you must come today to you know what i mean how do you call it, Sanssouci, the groß rubbish dump, big meeting, mitten in the müll, top secret, high noon,12 Uhr mittags, you know, so long folks, good hunting.

    Jonas: Sehr schön, Sammy, absolut echt. Und nun noch der GGGD.

    Sam: Dara dawisch. Hallo? Kommen mit Mann und Maus heute mittag zwölf Uhr Deponie Sanssouci. Mitten in Müll große geheime Versammlung. KGB nebst revolutionäre Zellen. Neue Anweisungen aus Moskau, Kreml. Karaschnovetsnedemil.

    Sam: Werden sie uns den Quatsch wirklich glauben, du hinterfotziges Fliegenmaul?

    Jonas: Sie werden, Sammy, verlaß dich drauf, das paßt genau in ihr Weltbild. Wie spät?

    Sam: Piep. 5 Uhr 39 in der Früh. Morgenstund.

    Jonas: Ist ungesund. 12 Uhr mittags geht sie los, die große Show, die wir nicht verpassen dürfen. Wann müssen wir los?

    Sam: Per Müllförderband nach Sanssouci, euer Gemächlichkeit? Na, sagen wir um 10.

    Jonas: Pause, Sammy, Jonas schläft ein paar Stunden.

    Sam: Ist gut. Von linden Lüften lau umlabert, schlaf mein Prinzchen schlaf ein.

    Jonas: Kein kurzer Weg, aber auch kein schwieriger, unter Sam Leitung, vom Ab-wassersystem zur zentralen Müllerfassung... vollautomatisch natürlich. Und von der Müllerfassung läuft ein unterirdisches Förderband nach Sanssouci, mit allem nicht verwertbaren Müll der großen Stadt Babylon, Jonas fuhr mit, als blinder Passagier, oder als Abfall ehrenhalber. Eine ereignislose Reise. Gleichmäßiges Rattern, Dunkelheit, Gestank, und ein leicht flaues Gefühl im Magen, nicht wegen Gestank und Müll, wegen der Dinge, die da kommen sollten. Nach einer guten Stunde stoppte das Band, weiter ging’s vertikal. Im Müllpaternoster. Viele viele Meter in die Höhe.

    Sam: Zwei Knaben stiegen auf den Turm.

    Jonas: Das paßt, Sammy.

    Sam: Der eine hat nen Band im Wurm.

    Jonas: Wie die Faust aufs Auge.

    Sam: Ja, und der andere frisch und munter ließ sich dran herunter, hehe.

    Jonas: Da oben wird’s hell.

    Sam: Achtung, fertig machen zum Absprung. Ansonsten würde jemand in die Verteilerdüse eingespeist werden, wie all dieser Müll, der uns Gesellschaft leistet, und dann wird er über die Deponie verstreut, der Jemand, in handlichen formschönen Teilchen.

    Jonas: Muß nicht sein, Sammy.

    Sam: Countdown läuft. 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1.

    Jonas: Bei Null sprang Jonas ab, ein paar Schritte, und ich stand auf der Plattform an der Spitze des Verteilerturms, mitten in der Deponie Sanssouci und ganz hoch drüber. Die Aussicht war einmalig, ein bißchen monoton vielleicht. Im Osten Müll, im Westen Müll, im Norden Müll, und im Süden, Sie haben es erraten, Müll. Müll, soweit das Auge reichte, und im Müll krabbelte es wie in einem Ameisenhaufen.

    Sam: Siehe, sie höreten das Wort des Herrn und sie folgeten ihm nach.

    Jonas: Sie sind da, Sammy, sie sind alle da. GD, GGD, GGGD und der Kasten da drüben, das ist O, O vom GGGD, seine Leute haben ihn auf Rollen gesetzt, und ziehen ihn hinter sich her, mit samt Aggregat.

    Sam: Ach, hätten wir doch nur ein Bömbchen, Herr Luftmarschall, oder einen Kessel voll des heißen Öles.

    Jonas: Nicht nötig, Sam, das erledigen die da unten selber, mit ihren Laserstrahlern, Sturmgewehren, Neurofreezern, mit ihren Flammenwerfern und Super-MGs. Was sagt die Uhr, Sam.

    Sam: 5 Minuten vor 12, hohes Gericht. Dies Ire. Dies Illa, Solve seklum, com fanila oder so ähnlich.

    Jonas: Vielleicht eine Nummer zu groß, das dies irae, aber irgendwie angemessen. Die versammelten Geheimdienstler jagten ihren jeweiligen Feindbildern nach und massakrierten sich gegenseitig.

    Sam: Amagedon. Herr Großinquisitor. Apokalypse. Verwüstung.

    Jonas: Das wird mir zu laut, Sammy. Phase 2.

    Sam: Zu Befehl, Phase 2. Zack zack.

    Jonas: Schalt dich ins System der Deponie ein.

    Sam: Auftrag ausgeführt. Zack zack.

    Jonas: Laß die Müllmaschinen los.

    Sam: Müllmaschinen los, marsch. Konzentrischer Angriff. Zack Zack.

    Jonas: Riesenbagger und Superschaufeln rückten vor, unaufhaltsam, unwiderstehlich, sie überrollten das Schlachtfeld, deckten ab, gruben um, planierten, schütteten das ganz Gewusel zu, und falls sich doch einer herausarbeiten konnte, am Rand lauerten die Trolle, mit Messer und Kochgeschirr. Nachmittag. Jonas kam zurück ins Büro und schmiß als erstes den Trauerfrack von sich.

    Sam: In den Müll, hoher Herr.

    Jonas: In den Müll, Sammy. So, und jetzt wollen wir uns mal ans Aufräumen machen. Nein, es ist niemand zu Hause.

    Sam: Na, geh ran, du Knallhorn.

    Jonas: Warum sollte ich.

    Sam: Weil es ein Kunde sein könnte, mit einem ganz normalen Auftrag.

    Jonas: Glaubst du an den Weihnachtsmann, Sammy?

    Sam: Oder eine unverhoffte Erbschaft, oder der Hauptgewinn in der babylonischen Klassenlotterie oder.

    Jonas: Damit du endlich Ruhe gibst. Hallo.

    Stimme am Fon: Guten Tag. Bin ich verbunden mit Herrn Jonas, nur Jonas, seines Zeichens Privatdetektiv.

    Jonas: Sie sind.

    Stimme am Fon: Sehr gut. Gestatten Sie mir, Herr Jonas, Ihnen im Namen meiner Organisation Dank und Anerkennung auszusprechen. Sie, Herr Jonas, haben sich um Babylon, um Europa verdient gemacht, in einer brillanten Aktion haben Sie GD, GGD, und GGGD eliminiert, gründlich und nachhaltig, es war höchste Zeit, Herr Jonas, sonst hätten sie die Erde unterworfen, Herr Jonas, besetzt, Herr Jonas, kolonisiert.

    Jonas: Wer? Die Geheimdienste?

    Stimme am Fon: Und ihre geheimen Lenker und Leiter, die Drahtzieher im Dunkel, Herr Jonas, die Marsmenschen mit ihren Ufos und ihren Todesstrahlen.

    Jonas: Ach ja, und wer sind Sie?

    Stimme am Fon: Hier spricht der GGGGD, Herr Jonas, der ganz und gar geheime Geheimdienst. Leben Sie wohl, Herr Jonas.

    Jonas: Paranoia, Sammy, totale Paranoia.

    Sam: Zwei Knaben schlichen durch die Nacht, der eine still, der andre sacht. Ja, und man konnt sie weder sehen noch hören, wenn sie’s nun gar nicht gewesen wären.

    Jonas und Sam: Freut euch des Leben, Großmutter wird mit der Sense rasiert, alles vergebens, sie war nicht eingeschmiert.

    Sam: Ja wieso denn nicht?

    Das war Paranoia. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam: Peer Augustinski. Außerdem wirkten mit: Johanna Liebeneiner, Hans Jürgen Silbermann, Bernd Stephan, Jochen Striebeck und viele andere (Alois Maria Giani, Detlef Kügow). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Assistenz: Wolfgang Ruhdörfer. Regie: Werner Klein. (Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks) (1991). (Redaktion: Erwin Weigel).

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:40 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Wunderland

    Jonas: Ein Klient kommt ins Büro. Ein ordentlicher Fall bei einem ordentlichen Privatdetektiv fängt so an. So muß es sein. So steht es in den Büchern. Nicht beim letzten Detektiv. Meine Fälle fangen meist woanders an. Im Casablanca zum Beispiel. Dieser Fall fing ordentlich an. In meinem Büro. Nur eins war nicht in Ordnung. Der Klient hätte eine Klientin sein müssen. Wunderschön. Geheimnisvoll. Und möglichst blond.

    Milius: Nett haben Sie es hier, Herr Jonas, so, so übersichtlich.

    Jonas: Schauen Sie, Damen und Herren, staunen Sie, vor Ihnen erstreckt sich in seiner ganzen unfaßbaren Weite von sage und schreibe 22 Quadratmeter das Büroapartment von Jonas, dem letzten Detektiv. So lebt Jonas, Damen und Herren, so arbeitet Jonas, sind Sie hier, um mein Büro zu besichtigen oder haben Sie was auf dem Herzen?

    Milius: Sagen wir, ich habe ein Anliegen, Herr Jonas, oder genauer, ich habe einen Auftrag für Sie.

    Jonas: Ein ordentlicher Klient in ordentlicher Aufmachung, die Hände ordentlich im Schoß gefaltet, die schwarzen Stiefeletten ordentlich nebeneinander. Jedes einzelne der fünf Resthaare ordentlich über den Schädel gelegt. Bloß die Krawatte fiel aus dem ordentlichen Rahmen. Ein holographisches Design von greller Buntheit. Chaotisch.

    Sam: Wahnsinnig. Unsinnig. Tierisch. Obszön. Häßlich. Echt geil Total toll. Jawoll.

    Milius: Man gönnt sich ja sonst nichts.

    Sam: Wo lassen Sie stylen, Genosse?

    Milius: Ich bin nicht hier, um über Krawatten zu diskutieren, nicht mit Ihnen, Herr Jonas, und mit Ihrem Computer schon gar nicht.

    Sam: Ahahah.

    Jonas: Es gibt verschiedene Arten von Klienten: Die einen sagen: Sie haben einen merkwürdigen Computer. Die anderen sagen: Ihr Ton gefällt mir nicht. Manche sagen beides. Dieser Typ sagte weder noch. Eine Rarität. Fast so ausgefallen wie ein überverbaler überdrehter Computer. Ein Computer namens Sam.

    Sam: Soll ich das spielen, Ricci, soll ich das noch mal spielen?

    Jonas: Untersteh dich, Sammy.

    Sam: Spielverderber. Trübe Tasse.

    Milius: Zur Sache, Herr Jonas, mein Name ist Milius, Leo Milius.

    Jonas: Und?

    Sam: Ja und?

    Milius: Ich arbeite im Wunderland.

    Jonas: Gut für Sie.

    Sam: Ja.

    Milius: Als Sicherheitschef, und darum bin ich hier, Herr Jonas, wir haben nämlich ein Problem, ein Sicherheitsproblem.

    Jonas: Und wie heißt ihr Problem, Herr Milius?

    Milius: Sabotage, Herr Jonas, Sabotage im Wunderland. Wissen Sie, was das bedeutet, geschäftlich, meine ich?

    Jonas: Ich konnte es mir denken. Wunderland ist ein großer Vergnügungspark. Nicht weit von Babylon. In der Wildnis. Berühmt für seine elektronisch-holografischen Simulationsprogramme. Eine Art Super-Kino zum Mitmachen. Kino gab’s, als ich jung war. Heute ist es überholt, wie 2D-TV, wie Bücher. Wunderland ist nicht überholt, Wunderland ist sehr beliebt, hab ich mir sagen lassen. Simulation ist nicht mein Bier. Sabotage schon eher.

    Milius: Bisher weiß nur die Führungsspitze im Wunderland Bescheid, Herr Jonas, wir haben den Deckel draufgehalten, aber lange wird das nicht mehr möglich sein, immerhin hat der Ärger schon vor zwei Wochen angefangen.

    Jonas: Einzelheiten, Herr Milius, was, wann, wie...

    Sam: Wohin, woher, wozu, wofern, woholofern.

    Jonas: Sei still, Sam. Schießen Sie los.

    Milius: Also der erste Vorfall, der war am 21. Februar.

    Sam: In diesem unserem Jahr des Herrn 2013. Immer präzise, gelle Mister.

    Jonas: Was ist da passiert?

    Milius: Das Wetter in SA 9.

    Jonas: Moment. Wer oder was ist SA 9?

    Milius: Simulationsareal 9. Exotische Abenteuer. Es lief gerade das Programm Hurra die Legion. Uralt, aber ständig ausgebucht, Herr Jonas. Die Kunden marschierten durch die Sahara als Fremdenlegionäre anno 1900. Die Sonne brannte, ihr Ziel, Fort Zinderneuf war noch viele Meilen entfernt. Ja wollen Sie sich denn keine Notizen machen, Herr Jonas?

    Jonas: Nicht nötig, mein Computer hört zu und merkt sich alles. Nicht wahr, Sammy?

    Sam: Schnarch...

    Jonas: Sam?

    Sam: Häh? Is was Chef?

    Jonas: Du hast doch nicht etwa geschlafen?

    Sam: Niemals! Stets auf den Pisten und den Posten, Monsieur Capitäne.

    Jonas: Das will ich hoffen. Weiter, Herr Milius, die Leute latschten durch die Wüste.

    Milius: Und da, Herr Jonas, fing es plötzlich an zu regnen. Ein richtiger Wolkenbruch, Herr Jonas, es regnete und regnete und hörte nicht auf.

    Sam: Wenn der Regen, der Regen...

    Milius: Das Wettersystem war verstellt und blockiert. Wir mußten die Legion abblasen, die Kunden entschädigen, und die Sahara mit einem speziellen Fönprogramm trocknen.

    Sam: Hehehe.

    Milius: Ein paar Tage später Vorfall Nummer zwei. In SA 4, die Welt, aus der wir kommen: Römer, Ritter, Recken, Programm Kampf mit dem Drachen. Der Robodrach, ein 10meter hohes Monstrum, fiel schwer aus der Rolle. Statt Feuer zu speien und markerschütternd zu brüllen, fehlte er um Gnade, er heulte, faltete die Tatzen, sagte was von einer todkranken Frau und 12 unmündigen Kinder. Sehr frustrierend für die tapferen Drachentöter in den Plastikrüstungen. Und erst gestern, Herr Jonas, ist eine Stripperin im Kinderprogramm aufgetaucht. Freddy Krüger, Schrecken der Elmstreet, der Renner bei unseren kleinen Besuchern, Sie können sich nicht vorstellen, Herr Jonas, was die Eltern gesagt haben, vor allem die Neopuritaner. Schmutziger Sex in einem gesunden harmlosen Horrorprogramm.

    Jonas: Empörend, Herr Milius.

    Sam: Ja, ein böser Streich, ein wahres Bubenstück.

    Milius: Wir tun, was wir können, Herr Jonas, aber wir kommen nicht weiter. Er ist nicht zu fassen, der Verbrecher, der Saboteur.

    Sam: Witzbold, Scherzkeks, Schabernackedei.

    Milius: Er kennt sich im Wunderland offenbar bestens aus, weiß im voraus, was wir planen, wo wir unsere Fahnder postieren, ja, und darum bin ich auf die Idee gekommen, einen Außenseiter einzusetzen, einen unorthodoxen Mann, der neue Wege geht.

    Jonas: Jonas heißt er, 120 Euros pro Tag und Spesen.

    Milius: Sie übernehmen den Auftrag?

    Jonas: Sieht ganz so aus. Sabotage im Wunderland könnte interessant sein. Wer meinen Sie, steckt dahinter, Herr Milius, die Konkurrenz?

    Milius: Nicht ausgeschlossen, Herr Jonas, sehen Sie, das muß aber unter uns bleiben.

    Sam: Natürlich.

    Milius: Ein japanisches Unternehmen ist an Wunderland interessiert und hat erst kürzlich ernsthafte Fühler ausgestreckt.

    Jonas: Und? Wollen die Denverschwerstern verkaufen?

    Milius: Teils teils, Herr Jonas. Glen Denver will. Gwen will nicht. Unter uns, Glen wird sich durchsetzen. Glen setzt sich immer durch.

    Sam: Sammy auch.

    Jonas: Und bevor sie in die Verhandlungen einsteigen, könnten die Japaner versuchen, den Wert von Wunderland zu drücken, aha, durchaus möglich.

    Milius: Denken Sie darüber nach, Herr Jonas, und seien Sie morgen früh in meinem Büro.

    Jonas: Wo?

    Milius: Ja Wunderland natürlich. Ich gebe am Haupteingang Bescheid. Moment mal, Sie können natürlich nicht als Jonas der letzte Detektiv im Wunderland auftreten, Sie sind, sagen wir...

    Jonas: Researcher, für eine geplante Holosendung.

    Milius: Einverstanden, und Sie heißen...

    Sam: Er heißt Jon, Jan, Janik, Josua, Jason, Jonathan, Junius, Julius, Augustus, piep letztes bitte streichen.

    Jonas: Janus, nur Janus.

    Sam: Ja, der römische Gott des Eingangs und des Ausgangs, des Anfangs und des Endes, mysteriös, zwiegesichtig, janusköpfig.

    Milius: Morgen früh um 10 bei mir, Herr Janus, nehmen Sie den Shuttle vom Heliport.

    Sam: Und Ihren Fuß von meinem Kopf.

    Jonas: Mitten im Wunderland steht ein hoher künstlicher Berg. Hier sind die Verwaltungsräume untergebracht, die Werkstätten, die Steuerzentren. Milius Büro lag hoch oben, nicht weit vom Büro der Direktorin, direkt unter dem Paradies, dem Gipfelrestaurant mit der berühmten Aussicht auf ganz Wunderland. Und darüber lag nur noch das Doppelpenthouse der Denverschwestern. Milius war nicht allein, als ich in sein Büro kam, 10 nach 10. Ein Detektiv, der auf sich hält, darf nicht zu pünktlich sein. Eine Frau stand am Fenster, unscheinbar angezogen, mein Alter, ein Gesicht, das Geschichten zu erzählen hatte. Sekretärin? So sah sie nicht aus.

    Milius: Da sind Sie ja endlich, Herr äh...

    Jonas: Janus.

    Milius: Richtig, Herr Janus. Unsere Fedora hier wird sich um Sie kümmern. Fedora ist bei uns so eine Art Mädchen für alles. Sie wird Sie herumführen, Ihnen zeigen, was Sie sehen wollen, Ihre Fragen beantworten. Mich müssen Sie entschuldigen. Machen Sie sich am besten selbst bekannt.

    Jonas: Gute Idee. Im Paradies, bei einem Drink?

    Fedora: Wie Sie wollen, Herr Janus, ich stehe zu Ihrer Verfügung.

    Jonas: Fedora war mir sympathisch. Sie hieß nur Fedora. Das sprach für sie. Und sie hatte was: Haltung. Stil. Intelligenz. Zu viel für ein schlichtes Faktotum.

    Fedora: Das war ich auch nicht immer, Herr Janus.

    Jonas: Nur Janus, den Herrn lassen Sie weg, ich bin keiner. Was haben Sie früher gemacht, Fedora?

    Fedora: Ich war Autorin, Chefautorin im Wunderland. Die meisten Simulationsprogramme hab ich entworfen und ausgearbeitet, jahrelang, bis man keine Autoren mehr brauchte, weil sie überholt waren, weil jetzt Computer ihre Arbeit machen. Nicht besser, aber billiger. Weil sie die alten Programme immer wieder verwenden, meine Programme, Janus, und nur ein paar Variationen einbauen. Mich haben sie damals hier behalten, wegen meiner Verdienste um Wunderland, damit ich nicht nur von der Volkshilfe leben muß. Ich mach, was anfällt. Was man mir sagt.

    Jonas: Bärenführer für Holoresearcher, zum Beispiel.

    Fedora: Das ist nicht das Schlimmste.

    Jonas: Danke. Was trinkt man hier?

    Fedora: Wunderland Special natürlich. Waren Sie denn noch nie im Paradies Janus?

    Jonas: Noch nie.

    Fedora: Aber doch im Wunderland.

    Jonas: Auch nicht.

    Fedora: Ach, kommen Sie mit, Janus.

    Jonas: Wohin?

    Fedora: Zum großen Panaromafenster, ich werde Ihnen Wunderland vorstellen.

    Jonas: Ein Park. Schön. Wie gemalt. Hügel, Wiesen, Teiche, Bäume, Büsche, Blumen. Synthetisch. Natürlich. Aber das merkte man nur an der ordentlichen Ausrichtung, und an den zu stark leuchtenden Farben. Dazwischen ein paar Gebäude. Blockhäuser, Burgruinen, afrikanische Strohhütten, ein schräger Miniwolkenkratzer, und das Colloseum, in Kopie.

    Fedora: Das ist die Arena, für Roboturniere und Corridas, Autocorridas, sehr beliebt, fast immer ausverkauft. Außerdem haben wir hier Stimgames, Einarmbanditen, 4D-Roulette.

    Jonas: Und die Simulationen, die berühmten Wunderlandsimulationen, wo sind die?

    Fedora: Unter dem Park, wo sonst, oben liegen nur die Eingänge. Die Palmengruppe da drüben, da geht’s runter in SA 9.

    Jonas: Exotische Abenteuer.

    Fedora: Richtig. Und ein Stück weiter rechts das Segelschiff auf dem Teich, das ist der Zugang zu SA 5, Blue Deep, Piraten, Taucher, Riesenkraken.

    Jonas: Aha, und daneben der schiefe Turm von Babylon.

    Fedora: Das ist ein amerikanisches Hochhaus aus dem 20. Jahrhundert, verkleinert, da kommen Sie zu SA 7, Metropolis, unser Citykrimiareal, Gangster, Detektive und so weiter.

    Jonas: Ach, Detektive haben Sie auch?

    Fedora: Ja, Sherlock Holmes, Professor van Dusen, Kommissar Maigret, und die schwarze Serie, ein nostalgisches Private Eye Programm, streng stilisiert mit allen klassischen Zutaten, vielleicht das beste Programm, das ich je geschrieben habe, leider läuft es nur noch sehr selten.

    Jonas: Würde ich mir gern mal ansehen, dachte ich, später vielleicht. Erst die Arbeit. Ich ließ mir von Fedora die Simulationen erklären. Wie die Besucher vorbereitet und ausgerüstet wurden, wie alles in einander griff, Holoprojektionen, elektronisch gesteuerte Modelle, Besucher im Rollenspiel, wie die Simulationsprogramme abschnurrten.

    Fedora: Wie ein Uhrwerk. Jedenfalls soll es so sein. Aber wenn mal was schiefgeht...

    Jonas: Hier kann doch nichts schiefgehen. Wunderland ist Super-High-Tech.

    Fedora: Eben drum, Janus. Wenn Sie in einem Programm nur eine Kleinigkeit, eine winzige Kleinigkeit verstellen, dann ist gleich der Teufel los, dann drehen sie durch, diese tollen Computer, dann spielen sie verrückt, dann brechen sie zusammen. Wissen Sie, was vor ein paar Tagen passiert ist?

    Jonas: Sie erzählte mir das, was ich von Milius gehört hatte, die kuriosen Katastrophen in SA 9, 5 und 13, von denen angeblich nur die Führungsspitze im Wunderland etwas wußte. Sie erzählte sehr ausführlich und mit keineswegs klammheimlicher Freude. Das gab mir zu denken. Ich entschuldigte mich. Auf dem Klo holte ich Sam aus der Tasche. Nicht, um ihn reinzuschmeißen. Es war Zeit, Zeit für eine Konferenz unter vier Augen. Nur daß Sam keine Augen hatte. Sehen konnte er trotzdem, und hören und reden und kombinieren.

    Sam: Ja, nicht daß ein hochgeistiger Computer in dieser Angelegenheit viel zu kombinieren hätte, der Fall ist klar, mein lieber Watson. Glasklar. Kristallklar. Aschklar. Die gesuchte Saboteuse ist die Dame Fedora.

    Jonas: Da bin ich mir nicht ganz sicher, Sammy. OK, sie kennt die Vorfälle, ganz genau sogar, und die hat sie Jonas erzählt, obwohl der Janus ist, Holoresearcher das heißt die Öffentlichkeit.

    Sam: Gerade weil, du Flaschenkürbis.

    Jonas: Du meinst, sie will die Sachen publik machen und sie amüsiert sich darüber, kann sein. Aber das muß noch lange nicht heißen, daß sie die Dinger selbst gedreht hat. Gibt’s zu, Sammy, du hast was gegen Fedora, weil sie Computer nicht ausstehen kann.

    Sam: O Vorurteil, dein Name ist Mensch. Computer sind objektiv. Computer sind emotionslos.

    Jonas: Ganz was neues, Sammy.

    Sam: Daß besagte Dame unverständlicher weise Computer nicht mag, nimmt Sam zur Kenntnis, ohne sich davon auch nur im geringsten beeindrucken oder gar beeinflussen zu lassen. Mit kühlem Gleichmut, mit überlegenem Lächeln. Soll sie doch die törichte trigepieselige Pute, schwachsinnige Schwalbe, holzköpfiges Huhn.

    Jonas: Hör schon auf, Sam. Fakten.

    Sam: Fakten, der Herr, bitte sehr. Soeben von einer elektronischen Kurzexkursion durchs Wunderland Zentralsystem zurückgekehrt, beehren wir uns, ihrer geschätzten Aufmerksamkeit folgende Fakten zu unterbr... Korrektur, zu unterbreiten. Erstens. Ach was. Die Angestellten im Wunderland sind, ob an festen oder an variablen Arbeitsplätzen datenmäßig stets erfaßt und kontrolliert. Gemäß Ausweis der gespeicherten Informationen hielt sich keiner von ihnen bei allen drei Sabotageakten in der Nähe der entsprechenden Steuerungsanlagen auf, kann demnach diese auch nicht manipuliert haben. Nun muß aber in Anbetracht der hierorts waltenden strikten Sicherheitsvorkehrungen der Täter zum Personal gehören.

    Jonas: Moment, Sammy, das geht nicht.

    Sam: Wieso denn nicht.

    Jonas: Wenn alle Angestellten ständig kontrolliert werden.

    Sam: Ach, wer sagt denn alle, du Bildungslücke. Eine im Wunderland beschäftige Person gilt als so gering, so unbedeutend, daß sie der Pflicht des regelmäßigen Uhrenstechens nicht unterworfen ist. Ein Mädchen für alles, von Kollegen wie Vorgesetzten kaum beachtet, ein Aschenbrödel, eine Cinderella.

    Jonas: Fedora.

    Sam: Ja. Die Computerhasserin. Ebendiese. Faktum Nr. 2: Die drei sabotierten Programme entsprangen sämtlich der Feder Fedoras. Sie kannte sie also in und auswendig, war informiert über die Codierung, und wußte präzis wo und wie der gewünschte Effekt am besten zu bewirken war. Langer Rede kurzer und gewichtiger Sinn, die Täterin heißt Fedora. Quod erat demonstrationsforum et dimonstrandum. Dixi. How, ich habe gesprochen.

    Jonas: Ich sagte es ihr auf den Kopf zu. Sie war verblüfft, beeindruckt, und sie gab es zu. Auf der Stelle, ohne Ausflüchte, und ganz und gar nicht schuldbewußt.

    Fedora: Stolz bin ich allerdings auch nicht darauf, Janus, es war kindisch, ein dummer Streich, wenn Sie wollen, aber es mußte sein, der Frust hatte sich in mir aufgestaut über viele Jahre. Ich mußte was tun, und unter uns, es hat Spaß gemacht.

    Jonas: Ich kann’s Ihnen nachfühlen.

    Fedora: Dann behalten Sie’s für sich, Janus. Wer das bißchen Unfug im Wunderland angestellt hat, wird Ihre Auftraggeber ja auch kaum interessieren.

    Jonas: Im Gegenteil, Fedora.

    Fedora: Wieso? Was soll Holo-TV...

    Jonas: Ich habe nichts zutun mit Holo-TV, Fedora. Ich heiße Jonas, nur Jonas. Ich bin Privatdetektiv, der letzte, und mein Auftraggeber ist sehr an Ihnen interessiert.

    Fedora: Milius?

    Jonas: Milius. Kommen Sie, Fedora.

    Jonas: Ganz wohl war mir nicht, aber wenn Jonas einen Auftrag angenommen hat, dann zieht er ihn durch, auch wenn er ihm nicht gefällt. Fall Wunderland war kein Ruhmesblatt für Jonas. Sehr kurz war er auch, dachte ich. Aber das war ein Irrtum. Der Fall fing erst an. Milius war begeistert, als ich mit Fedora bei ihm aufkreuzte. Er präsentierte uns gleich seiner Chefin, Direktorin Palafox. Die war offenbar nicht ganz so begeistert.

    Palafox: Einen Privatdetektiv haben Sie eingeschaltet, Milius, dazu waren Sie nicht autorisiert.

    Milius: Ich bin Ihr Sicherheitschef, Frau Palafox, wie ich meine Aufgaben durchführe.

    Palafox: Sagt Ihnen die Direktion, das heißt ich. Darüber unterhalten wir uns noch, Milius.

    Milius: Von mir aus, das wichtigste ist doch, daß unser Problem jetzt bereinigt ist, der Saboteur ist gefaßt.

    Palafox: Augenblick. Palafox. Ja, die ist hier. Was? Wann? Wo? Ausschalten. Absperren. Sofort. Nein, warten Sie auf meine Anweisungen. Glen Denver ist tot, vermutlich ermordet.

    Milius: Im Wunderland?

    Palafox: SA 8.

    Milius: Gaslighttheater, bei laufendem Programm?

    Palafox: In der 11 Uhr Matinee.

    Milius: Jack the Rippershow, ich versteh.

    Palafox: Sie nehmen die Sache selbst in die Hand, Milius, allererste Priorität.

    Milius: Selbstverständlich, Frau Palafox. Und Fedora?

    Palafox: Jetzt nicht, Milius, Fedora muß warten. Nehmen Sie sie mit, halten Sie sie fest, in der Zelle neben Ihrem Büro. Ich werd mich später um sie kümmern. Und Sie...

    Sam: He, sie meint dich.

    Palafox: Ja, Sie meine ich, den Privatdetektiv.

    Jonas: Mein Name ist Jonas, nur Jonas.

    Palafox: Mir völlig egal, wie Sie heißen. Sie können gehen. Ihr Honorar kriegen Sie überwiesen. Nehmen Sie den Personallift ganz nach unten, ein Minimobil bringt Sie dann durch einen der Servicetunnel zum Heliport.

    Jonas: Wunderland hatte es ja mächtig eilig, Jonas loszuwerden. Aber Jonas war noch nicht fertig mit Wunderland. Es waren noch zu viele Fragen offen. Was würde aus Fedora werden? Wer hatte Glen Denver ermordet. Glen Denver, die an die Japaner verkaufen wollte, gegen den Willen ihrer Schwester Glen. Sollte ich mir das Simulationsprogramm Schwarze Serie zu Gemüte führen bei nächster Gelegenheit? Darüber dachte ich nach, als ich Ausschau nach einem Minimobil hielt, im Servicetunnel, tief unter Wunderland. Plötzlich ging das Licht aus, ich blieb stehen, versuchte mich zu orientieren. Da ging es wieder an, noch plötzlicher, in meinem Kopf. Eine Explosion. Feuerwerk. Sonne, Mond und Sterne. Vor allem Sterne. Dann nichts mehr. Zuerst Schmerzen, heftige Kopfschmerzen, dann der Geruch, vertraut, nostalgisch, aus der Jugendzeit, Samstag abend, Vaters Wagen, Benzin. Ich träumte von Benzinautos, ich mußte träumen, Benzinautos gab’s in Babylon schon lange nicht mehr. Aber ich träumte nicht. Ich war wach. Ich saß in einem Benzinauto. Am Fahrersitz festgeschnallt. Das Auto stand in einem dunklen Raum, voller Schatten. Plötzlich Action. Ein Tor klappte auf. Licht, hell, unerträglich, das erwartungsvolle Röhren einer großen Menge. Eine Gestalt sprang aufs Trittbrett, griff durchs Fenster, drückte mein rechtes Knie nach unten aufs Gaspedal, der Wagen machte einen gewaltigen Satz durchs Tor, in das Geschrei, ins Licht.

    Sam: Wach auf, Tränendrüse. Nimm das Steuer.

    Jonas: Sammy, wenn alle mich verlassen.

    Sam: Sam bleibt dir treu. Bis daß der Tod uns scheidet, und das wird er sehr bald tun, du Saftsack. Reiß dich zusammen. Kuppeln, Schalten, Lenken.

    Jonas: Wo sind wir?

    Sam: Wunderland Arena.

    Jonas: Autocorrida?

    Sam: Drinnen Senior Torero, und siehe, dort nahen die Toreros. Ole.

    Jonas: Zwei riesige Trucks rollten ein, Ballonreifen, Chrom und schwarzer Lack, an den massiven Stoßstangen meterlange Hörner, auf die wollten sie Jonas nehmen, das heißt seinen Wagen, einen Jeep, anno Golfkrieg, klein, wendig, mit einem Fahrer, der tat, was er konnte, und Jonas konnte fahren. Aber das reichte nicht. Zwei Trucks waren auf Dauer zu viel.

    Sam: O O Ole. Was tut uns kund des Volkes Mund?

    Jonas: Sammy, ich fahr um mein Leben, und du kommst mir mit Sprichworten.

    Sam: Eben drum, Blödmann. Steht’s schlecht im Kriege, mach eine Fliege oder auch Fliege.

    Jonas: Wie stellst du dir das vor? Soll ich aussteigen und mich eingraben oder über die 10meter Barriere springen?

    Sam: Wie gekommen, so entronnen.

    Jonas: Schlechter Reim, Sammy.

    Sam: Doch guter Rat.

    Jonas: Du meinst, zurück durchs Tor.

    Sam: Jawohl, und weiter durch den Tunnel.

    Jonas: Hoffentlich gibt’s einen.

    Sam: Muß. Auf welchem Wege, euer Kurzschlüssigkeit, kämen die Fahrzeuge sonst hier her?

    Jonas: Voll überzeugt war ich nicht, aber ich hatte keine Wahl. Ich schlug einen Haken, ansatzlos, und war draußen. Im Bereitstellungsraum. Scheinwerfer an. Sam hatte recht. Sam hat meistens recht. Es gab einen Tunnel. Hoch und dunkel und kurz. Und am Ende...

    Sam: Oh, ein Tor.

    Jonas: Und das ist zu. Was nun?

    Sam: Auch nicht eben ein meisterhafter Reim, du Westentaschen. Augen zu und durch.

    Jonas: Bist du sicher, Sammy?

    Sam: Sicher bin ich sicher, das ist nur Plastik. Da bretterst du durch, eiskalt. Ole.

    Jonas: Ole. Es krachte und knirschte, und der Jeep war durch, unter freiem Himmel, in der Wildnis, ich fuhr weiter, über Stock und Stein, so schnell es ging, bloß weg von Wunderland, da hatten sie was gegen Jonas. Aber auch hier draußen ließen sie ihn nicht in Ruhe. Ich hörte was. Sah mich um. Die beiden Trucks waren hinter mir her. Und sie kamen immer näher.

    Sam: Gib, gib Gas, lahme Ente.

    Jonas: Tu ich ja, Sammy, mein rechter Fuß schrammt schon fast am Boden. Die Karre ist nun mal nicht schneller. Sie schwärmen aus, die wollen uns in die Zange nehmen, Sammy. Von beiden Seiten und dann...

    Sam: Machen sie dich platt.

    Jonas: Dich aber auch, Sam.

    Sam: Frage: Wollen wir uns das bieten lassen, Freund meiner digitalen Seele.

    Jonas: Möglichst nicht, Sammy, jetzt sind sie auf gleicher Höhe, rechts und links, die ziehen nach innen.

    Sam: Gas, oh du mein rasender Jonas.

    Jonas: Im Gegenteil, Bremse.

    Jonas: Die Trucks krachten seitlich aufeinander, in voller Fahrt, direkt vor meinem Jeep, ihre beiden Tanks explodieren in einem einzigen gewaltigen Feuerball. Ende der Jagd. Ich holte tief Luft, startete den Jeep, fuhr los, Richtung Babylon. Ich ging nicht zurück ins Büro, vielleicht warteten sie da schon auf mich. Trucker, geheimnisvolle Unbekannte, die was von Jonas wollten. Ich ging ins Casablanca zwecks Energiezufuhr. Dringend nötig nach den Aufregungen der letzten Stunden. Da saß ich also vor Jacobs Whisky und vor seinem in ganz Babylon gefürchteten Sojasteak, und dachte nach. Es war still. Nur der Holoset brabbelte vor sich hin.

    Holo: In der vergangenen Nacht ist es wieder einer Gruppe von Drittweltlern gelungen, die Sperranlagen zu durchbrechen und in den Grenzbezirk Süd der VSE einzudringen. Dort wurden sie von starken Schutzverbänden gestellt und eliminiert. Babylon. Mord im Wunderland aufgeklärt...

    Jonas: Jacob, stell den Holo lauter.

    Holo: Glen Denver, Besitzerin von Wunderland, wurde heute vormittag kurz nach 11 Uhr im Wunderland ermordet. Wie Wunderlanddirektorin Palafox erklärte, ist die Täterin bereits gefaßt. Es handelt sich um eine ehemalige Autorin der Firma, die in den vergangenen Tagen bereits mehrmals versucht hatte, Vorstellungen im Wunderland durch Sabotageakte zu stören. Zur Zeit befindet sie sich im Gewahrsam der Wunderland Sicherheitskräfte. Wie Direktorin Palafox ferner bekannt gab, ist wegen des tragischen Todesfalls das Wunderland bis auf weiteres für das Publikum geschlossen. Vatikan Stadt. Der greise Papst Johannes Paul der zweite hat seine Absicht erklärt...

    Jonas: Stell das Ding ab, Jacob.

    Holo: Demnächst die Marsstation der UNO zu besuchen.

    Jonas: Abstellen, Jacob.

    Jacob: Weiß ich doch.

    Jonas: Fedora, hast du gehört, Sammy, den Mord an Glen Denver wollen sie Fedora anhängen.

    Sam: So hat es den Anschein, Sir.

    Jonas: Das stimmt nicht, das stimmt hinten und vorne nicht. Heute vormittag um 11 war Fedora im Restaurant Paradies, zusammen mit Jonas.

    Sam: Selbigen Jonas, welchen man später aufs Haupt geschlagen und in die lebensgefährliche Autocorrida verbracht hat, auf daß er dort versterbe.

    Jonas: Du meinst, da besteht ein Zusammenhang?

    Sam: Ja was denn sonst, du mein zum Himmel schreiender Bildungsnotstand.

    Jonas: Damit ich Fedora kein Alibi geben kann.

    Sam: Ach, wie könnte Jonas das. Ist er doch in der Wildnis verschollen, zu Tode gehetzt von tödlichen Truckern.

    Jonas: Jedenfalls denken die das, wer immer die sind. Moment, Sammy, da gibt’s noch einen, der weiß, wo Fedora zur Mordzeit war.

    Sam: Genosse Milius. Milius, der Ordentliche. Milius mit der umwerfenden Krawatte.

    Jonas: Genau, los Sammy, zurück ins Wunderland. Wir greifen uns Milius, wir holen Fedora raus und wir stellen fest, was gespielt wird. Wer Glen Denver wirklich umgebracht hat.

    Sam: Horrido, Herr Forstadjunkt. Auf auf zum fröhlichen jagen.

    Jonas: Problem, Sammy, Problem, wie kommen wir rein. Wunderland ist geschlossen.

    Sam: Ja, aber nicht zu. Es gibt doch ein gewisses defektes Plastiktor, mit Zugang zum Servicetunnelsystem.

    Jonas: Das Tor war noch nicht repariert. Sie hatten einen Wächter davor gestellt. Einen von der Wunderlandsicherheitstruppe in seiner blaurotgestreiften Uniform. Er sah müde aus. Ich schickte ihn ins Bett. Mit dem Griff meiner Smith & Wesson, dann längerer Schleichmarsch durch den Untergrund, keine besonderen Vorkommnisse. Milius Büro war leer. Auf den ersten Blick. Auf den zweiten war er da. Hinter seinem Schreibtisch auf dem Fußboden. Seine Krawatte war nicht mehr bunt, sie war nur noch rot.

    Sam: Auauau. Rot wie Blut. Also vorhin gefiel sie mir besser.

    Jonas: Erstochen mit seinem Brieföffner.

    Sam: Siehste.

    Jonas: Damit ist der zweite Alibizeuge für Fedora ausgeschaltet. Apropos Fedora, wo steckt sie?

    Sam: In der Zelle neben diesem Büro. Hat Direktorin Polarfuchs, Korrektur Palafox gesagt. Such, Fido, such.

    Jonas: Ein belüftetes Loch hinter dem Waschraum für Randalierer, Taschendiebe, was im Wunderland so anfiel. Diesmal saß Fedora drin. Ich machte auf. Milius hatte die Paßscheibe in der Tasche. Fedora wollte nicht rausgeholt werden. Schon gar nicht von Jonas. Das änderte sich, als ich ihr sagte, was los war.

    Fedora: Ich soll Glen Denver ermordet haben?

    Jonas: Behauptet Palafox.

    Fedora: Die lügt. Ich kann sie gar nicht ermordet haben. Wissen Sie, wie sie umgekommen ist, Jonas?

    Jonas: Ich weiß nur wo. SA 8 Gaslightheater, Jack the ripper show.

    Fedora: Ja, da ging sie regelmäßig hin, jeden Sonntag zur 11 Uhr Matinee, um sich ermorden zu lassen.

    Jonas: Ein ausgefallenes Sonntagsvergnügen.

    Fedora: Das war ihre große Leidenschaft. Sie spielte dann die Prostituierte. London 1888. Jack lockt sie in einen dunkeln Hinterhof, schneidet ihr die Kehle durch, schlitzt sie auf, mit einer Messeratrappe.

    Jonas: Jeden Sonntag.

    Fedora: Nur heute nicht, da hatte Jack ein richtiges Messer mit scharfer Klinge. Jack ist ein Modell, lebensecht, elektronisch programmiert, er zog sein Programm ab wie immer.

    Jonas: Und Glen Denver wurde ermordet, diesmal wirklich und endgültig.

    Fedora: Ich frage mich, was sie in ihren letzten Sekunden gedacht hat, ob sie Angst hatte, oder ob es das war, was sie im Grunde immer gesucht hat.

    Jonas: Ich frage mich, wer die Messer vertauscht hat, und wann.

    Fedora: Wann? Das kann ich Ihnen genau sagen, Jonas, zwischen halb 11 und 11. Die Jack-the-Ripper-Show dauert anderthalb Stunden und läuft mehrmals am Tag. In der 9 Uhr Vorstellung, als Glen noch nicht dabei war, war alles in Ordnung.

    Jonas: Zwischen halb und 11 waren wir zusammen, Fedora, im Paradies.

    Sam: Jaja, machen wir’s kurz. Schlunz, funz, alles klar, Fedora ist unschuldig, obwohl sie keine Computer mag. Jetzt weg, raus hier, Wunderland ist gefährlich, nicht geheuer, wer zu viel weiß, wird abgemurkst, wiedersehen, alles Gute, tschüß, servus, arrivederci. Feierabend, aus die Maus.

    Jonas: Also Rückzug durch den Tunnel Richtung Plastiktor, und dabei stellten wir fest, daß wir wirklich viel wußten, wir wußten alles, auch wer Glen Denver umgebracht hat.

    Fedora: Palafox. Es kann nur Palafox gewesen sein.

    Jonas: Wegen der Japaner.

    Fedora: Natürlich, die hätten ihre eigenen Spitzenmanager mitgebracht. Das machen die immer so.

    Jonas: Und Direktorin Palafox hätte ihren lukrativen Job verloren.

    Fedora: Deshalb hat sie auch Milius ermordet.

    Jonas: Und Jonas in die Corrida eingeschmuggelt.

    Fedora: Niemand sollte mir ein Alibi geben können.

    Jonas: Wissen Sie, Fedora, eigentlich haben Sie Palafox einen großen Gefallen getan mit Ihrer Sabotageserie, damit haben Sie sie auf die Idee gebracht, und Sie haben ihr eine maßgeschneiderte Mörderin geliefert, frei Haus, auf dem Tablett. Sie brauchte es nur so aussehen zu lassen, als gehöre der Mord an Glen Denver dazu als viertes und letztes Glied der Kette.

    Fedora: Woher sollte ich denn ahnen...

    Jonas: Pst! Sehen Sie, da vorne...

    Fedora: Blaurote Uniformen.

    Jonas: Sicherheitstypen, jede Menge und bewaffnet. Vor dem Ausgang. Hier kamen wir nicht durch. Wir gingen zurück und überlegten.

    Fedora: Es gibt ja noch eine Denverschwester. Gwen. Die sollten Sie kontakten.

    Jonas: Wird sie uns glauben? Ist sie überhaupt zu erreichen?

    Sam: Sie ist, Magni- und Minifizenz.

    Jonas: Woher willst du das wissen, Sam?

    Sam: Haben wir etwa die kleinen Schweinchen gehütet, Madam?

    Jonas: Sei nicht albern, Sam, das Wunderland Zentralsystem...

    Sam: Hat keine Geheimnisse vor Sam, Sam dem Biegsamen, dem Geschmeidigen, dem Gewieften, dem Gewitzten und Verschmitzen, Sam Dampf in allen Schaltkreisen.

    Fedora: Respekt, Herr von und zu Samuel.

    Sam: Ein Blick ins System, und Sammy weiß, daß die Dame Glen Fiddich, Korrektur Glen Denver sich in ihrem Penthouse aufhält, zum Bleistift, auf dem Gipfel hoch über Wunderland, und daß ein paar Stockwerke tiefer im Steuerzentrum Direktorin Palafox die Fahndung leitet.

    Palafox: Achtung, hier spricht Direktorin Palafox, an alle Sicherheitskräfte im Wunderland. Großfahndung. Unterstützt von einem auswärtigen Kriminellen ist Fedora, die Mörderin unserer verehrten Glen Denver aus dem Gewahrsam ausgebrochen.

    Sam: Siehste?

    Palafox: Dabei hat sie euren Chef, meinen Freund, Leo Milius ermordet. Fedora und ihr Begleiter sind bewaffnet und äußerst gefährlich. Alle Sicherheitskräfte werden ermächtigt, bei ihrem Anblick sofort und ohne Warnung scharf zu schießen.

    Sam: Tschüß.

    Jonas: Wir versteckten uns in einem Seitentunnel und überlegten weiter. Es sah nicht gut aus für uns.

    Fedora: Raus kommen wir nicht, Jonas, und wenn sie anfangen, alles durchzukämmen, können wir uns nicht lange halten.

    Sam: Agieren, nicht reagieren.

    Jonas: Sagt Klausewitz. Sehr richtig, Sammy. Hör mal zu, du kennst dich doch im Wunderland Zentralcomputer bestens aus.

    Sam: Wie ein Fisch im Wasser. Wie Jonas im Babypsilon.

    Jonas: Wenn wir da nur wären.

    Fedora: Jonas, ich hab eine Idee, warum verlagern wir die Auseinandersetzung mit Palafox und ihren Leuten nicht auf ein für uns günstigeres Terrain.

    Jonas: SA 7 Metropolis. Schwarze Serie.

    Fedora: Genau. Ich hab das Programm geschrieben, ich kenne jede Einzelheit, und Sie, Jonas.

    Jonas: Jonas ist Nostalgiker, Fedora, Marlowe-Fan, Bogie-Fan.

    Sam: Sammy-Fan.

    Jonas: In einer nostalgischen Detektivsimulation werde ich mich wie zuhause fühlen. Besser. Bringen Sie uns hin, Fedora. Sammy wird das Programm einschalten.

    Fedora: Augenblick, Jonas. Palafox ist in der Steuerzentrale. Wenn in SA 7 ein Programm startet, merkt sie das sofort.

    Jonas: Das soll sie auch. Sammy wird ihren Befehlstand abblocken, sie neutralisieren, dann kann sie uns nicht abschalten und ihren Leuten keine Anweisungen geben. Wenn sie uns fassen will, muß sie runterkommen, ins Programm einsteigen, mitspielen.

    Fedora: Das wird sie, Palafox ist eine Spielerin.

    Jonas: Bestens. Und wenn Gwen Denver auch gern mal spielt.

    Fedora: Tut sie. Wie ihre Schwester. Was haben Sie vor, Jonas?

    Sam: Das wirste schon sehen.

    Jonas: Die Stadt hatte viele Namen. Metropolis, Gotham City, Poisonville, oder einfach die Stadt. Über der Stadt lag Nacht. Es lag immer Nacht über der Stadt. Und es regnete. In der Stadt regnete es immer. Nervös weißes Neonlicht spiegelte sich in dunklen Pfützen und schwarzglänzendem Asphalt. Irgendwo wurde geschossen. In der Stadt wurde immer geschossen... Schritte... Leise vorsichtige Schritte. Zwei Gestalten traten aus einem dunklen Torweg auf die schwarz glänzende Straße. Sie blieben stehen. Zwischen einem Hydranten und einer verbeulten grauen Mülltonne.

    Fedora: Das ist sie, Jonas, die schwarze Stadt der schwarzen Serie.

    Jonas: Gefällt mir. Dunkel. Gefährlich.

    Fedora: Die Aura des Bösen.

    Jonas: Sie sagen es, Fedora. Vorsicht!

    Holo1: Hände hoch!

    Fedora: Jonas, keine Angst, die Figur in der Mülltonne ist nur ein Hologramm.

    Jonas: Warum sagen Sie das nicht vorher?

    Fedora: Das nächste Mal, versprochen.

    Sam: Hoffentlich.

    Jonas: Ich tauchte hinter dem Hydranten auf und steckte die Smith & Wesson weg, dann schlug ich den Kragen hoch, zog den Hut ins Gesicht, und führte eine kurze Unterhaltung mit meiner Manteltasche.

    Sam: Alles geritzt, Boss.

    Jonas: Palafox weiß Bescheid, Sam?

    Sam: Na klar, Boss.

    Jonas: Hast du ihre Befehlsleitung blockiert?

    Sam: Aber immer, Boss.

    Jonas: Und die Sache mit Glen Denver.

    Sam: Ist angeleiert, Boss. Aktion Schwarze Serie läuft, Boss, bestens.

    Jonas: OK, Sammy, aber du bist auf dem falschen Dampfer.

    Sam: Wieso?

    Jonas: Jonas ist nicht der Gangsterboß in der schwarzen Serie.

    Sam: Aha.

    Jonas: Jonas ist der Detektiv, Private Eye, lonesome Gun, pausenlos unterwegs im Dienst der Gerechtigkeit, unermüdlich tätig, um die Stadt zu säubern, um die Chefin der Unterwelt, die berüchtigte Polly Fox unschädlich zu machen.

    Sam: Hoch klingt das Lied vom braven Mann, hoch auf dem gelben Wangen.

    Fedora: Und ich bin die Freundin, die Frau an seiner Seite, Veronica Lake, Lauren Bacall, ein bißchen wild, aber loyal, durch und durch.

    Sam: Na, ich weiß nicht.

    Fedora: Häh?

    Jonas: Wir hatten uns passend eingekleidet, in der Garderobe von SA 7. Fedora trug ein enges Abendkleid aus Silberlame, darunter nur schwarze Seidenstrümpfe, darüber einen platingrauen Chinchillamantel, erstklassiges Imitat. Jonas hatte sich einen hellen Trenchcoat zum Smoking gegriffen und einen Filzhut aufgesetzt, schwarz, mit breiter Krempe.

    Fedora: Hey, steht Ihnen, Jonas, steht Ihnen ausgezeichnet.

    Sam: Und auch Gnädigste sehen heute abend hinreißend aus, charmo charmant küß die Hand.

    Fedora: Danke, Herr Sam, ich mag zwar keine Computer, aber bei Ihnen könnte ich glatt eine Ausnahme machen.

    Sam: Och, sag Sam zu mir, ja, sag du.

    Jonas: Setzen Sie Sammy bloß keine Rosinen in den Kopf, Fedora. Schwarze Limousine von links, Holo nehm ich an.

    Fedora: Nein, Jonas, das sind Sicherheits...

    Jonas: Deckung, zurück in den Torweg!

    Sam: Aua!

    Jonas: Ein schlechter Schütze, der Beifahrer mit der altmodischen MP. Wir standen auf, klopften uns ab, und zuckten zusammen. Ein Streifenwagen raste an uns vorbei, mit heulender Sirene.

    Fedora: Das war nun wieder eine Holoprojektion.

    Sam: Achtung, melde gehorsamst, soeben ist Direktorin Palafox in laufendes Programm schwarze Serie eingetreten. Sie hat Rolle von Gangsterchefin Polyphon, Korrektur Polly Fox übernommen.

    Jonas: Wie geplant. Wunderbar. Übergang zur Phase zwei. Sie kennen den Weg, Fedora.

    Fedora: Zum Nachtklub.

    Jonas: Und zur Telefonzelle.

    Fedora: Richtig. Kommen Sie.

    Jonas: Wir liefen durch die nassen schwarzglänzenden Straßen, ab und zu Autos, manchmal fiel ein Mensch vom Dach und schlug vor uns aufs Pflaster, oder wir traten auf eine Leiche, Eispickel im Genick, Loch in der Schläfe. Wir bogen um eine Ecke und waren da, an der Telefonzelle.

    Holo1: Hallo?

    Fedora: Hey, die zwei Figuren, die Polly sucht, sind im Blackoutclub, sag ihr das.

    Holo1: Wer spricht?

    Fedora: Eine Freundin.

    Jonas: Der Club lag direkt gegenüber. Zuckende Neonröhren buchstabierten Blackout. Ein zerschlissener Baldachin, darunter eine Tür, keine Klinke. Dafür ein Guckloch. Wir klopften.

    Holo1: Privat. Nur für Mitglieder.

    Fedora: Wir sind Mitglieder, Schätzchen.

    Holo1: Ach ja? Zeigen Sie mal Ihren Ausweis.

    Jonas: Er nahm die 10-Dollarnote und machte uns auf. Drinnen war es fast so dunkel wie draußen. Ein niedriger Saal, nur wenige Gäste, halbseidene Typen im Smoking. Nachtschwalben in Arbeitskleidung. Kellnerinnen mit Beinen bis zum Hals. Vorn ein kleines Podium, ein Klavierspieler spielte Klavier, eine Sängerin sang. Wir setzten uns, an einen Tisch, ganz hinten.

    Holo2: Pink Lady für die Lady.

    Fedora: Danke.

    Holo2: Und für Sie, Sir, Scotch on the Rocks. Haben Sie sonst noch Wünsche? Heroin, Kokain, Perversionen?

    Jonas: Danke. Nicht viel los bei Ihnen.

    Holo2: Die Nacht ist noch jung, Sir.

    Sam: Sammy auch.

    Jonas: Holo?

    Fedora: Alles hier drin ist Holo, Jonas, die Bedienung, die Gäste, die Künstler, alle, mit einer Ausnahme.

    Jonas: Hoffentlich. Ich frage mich, wer von den...

    Palafox: Ruhe! Alle an die Wand. Kein Laut, keine Bewegung!

    Sam: Aua!

    Jonas: Direktorin Palafox alias Polly Fox. In einem schwarzen Herrenanzug, mit Weste und Krawatte, und MP, sehr schick, sehr verrucht. Ihre Gangster hatte sie mitgebracht, die sahen allerdings verdächtig nach Wunderlandsicherheit aus, blaurote Uniformen, Laserstrahler, ein schwerer Stilbruch. Aber das störte Palafox nicht. Sie hatte erreicht, was sie wollte.

    Palafox: Da ist sie ja, unsere liebe Fedora, mit ihrem Kavalier, diesem Privatdetektiv.

    Jonas: Jonas ist der Name, nur Jonas.

    Palafox: Nur zu. Sie werden bald keinen Namen mehr brauchen. Fesselt die beiden und dann raus mit euch, wartet vor der Tür, ich hab noch ne Kleinigkeit zu erledigen.

    Jonas: Fünf Minuten später waren wir unter uns. Palafox, Fedora, Jonas. Die Holofiguren an den Wänden zählten nicht. Oder doch?

    Palafox: So, jetzt müßte ich Ihnen Betonschuhe verpassen und Sie damit auf den Grund des Eastrivers schicken, aber ich glaube nicht, daß wir hier irgendwo Beton haben, und den Eastriver haben wir schon gar nicht. Wir werden uns mit dieser Waffe begnügen müssen, keine Attrappe, kein Hologramm, eine echte Antiquität. Thomygun sagte man damals dazu.

    Jonas: Sie wollen uns umbringen.

    Palafox: Ja. Offenbar sind Sie ein ganz besonders schlauer Privatdetektiv, ja, ich will sie umbringen.

    Fedora: Hören Sie, Frau Palafox.

    Palafox: Polly bitte, Polly Fox, Sie fallen aus der Rolle, Fedora.

    Fedora: Also, Polly, warum wollen Sie uns töten, Polly?

    Palafox: Das wissen Sie doch.

    Fedora: Sagen Sie es uns trotzdem, Polly, bitte.

    Palafox: Na, Sie haben recht, am Schluß wird reiner Tisch gemacht, so ist es in den alten Büchern und in den Filmen, OK, packen wir aus. Ich habe Glen Denver ermordet, weil sie an die Japaner verkaufen wollte, und die hätten mich rausgesetzt.

    Fedora: Das ist ein Grund.

    Palafox: Nicht wahr? Es sollte so aussehen, als gehörten Mord und Sabotage zusammen, aber dann hat Milius sich eingemischt, und Sie, Sie Privatdetektiv, Sie haben Fedora als Saboteurin entlarvt und ihr gleichzeitig für den Mord ein Alibi gegeben, zusammen mit Milius. Darum mußte ich auch Milius umbringen. Bei Ihnen hat’s nicht ganz geklappt, leider, aber das holen wir jetzt nach.

    Jonas: Na bitte, wir hatten Palafox dazu gebracht, ein Geständnis abzulegen. Wie geplant. Während Sie redete, bewegte sich was hinter ihr, eine Holofigur löste sich von der Wand, kam näher, eine Frau, nicht mehr jung, aufgedonnert, Schlitz im superkurzen Kleid, Ausschnitt bis zum Bauchnabel, hinter Palafox blieb sie stehen, holte einen Laserstrahler aus ihrer Handtasche und bohrte ihn Palafox in den Rücken.

    Gwen Denver: Lassen Sie die Maschinenpistole fallen, Palafox.

    Palafox: Kusch, zurück an die Wand, übernimm dich nicht, du bist nur eine Holoprojektion.

    Gwen Denver: Meinen Sie, Palafox? Erkennen Sie mich nicht? Vielleicht habe ich mir etwas zu viel Make-up aufgekleistert, sehen Sie mich nur richtig an.

    Palafox: Mein Gott, Gwen, Gwen Denver, wie kommen Sie hierher?

    Jonas: Wir haben sie kontaket, über meinen Computer.

    Fedora: Und weil sie uns nicht ohne weiteres glauben wollte, haben wir sie aufgefordert, sich in die schwarze Serie einzuschleusen, als unauffällige Holofigur.

    Gwen Denver: Und das hab ich getan, mit großem Vergnügen. Aber wenn ich an meine arme Schwester denke, die Sie auf dem Gewissen haben, Palafox, Waffe weg!

    Palafox: Ah!

    Jonas: Palafox ließ die MP fallen und hielt sich die rechte Hand. Sie war geschlagen und sie wußte es. Gwen Denver band uns los, dann informierte sie die Sicherheitstypen, gab ihnen neue Befehle, ließ sie abrücken, mit Palafox.

    Gwen Denver: Alles erledigt. Wir können das Programm beenden.

    Jonas: Sammy?

    Sam: Was wünscht mein Herr und Meister?

    Jonas: Schalt die Schwarze Serie ab.

    Sam: So sei es, Sahib.

    Gwen Denver: Schicken Sie mir Ihre Rechnung, Herr Jonas. Fedora, kommen Sie mit.

    Fedora: Ja. Auf Wiedersehen, Jonas, und... Danke.

    Jonas: Das ist also das Simulationsareal. Die Wirklichkeit. Eine kahle Scheune. Rohre. Ein paar Drähte. Traurig.

    Sam: Ach, mach dir nichts draus, Kumpel, sieh mal, Babylon ist doch auch was, ne, auch duster, auch gefährlich, naja vielleicht nicht sehr romantisch, aber mondieu, was willst du mit Romantik? Kannst dir nichts dafür kaufen. Weißt du was, Alter, wenn dir die Wirklichkeit mal zu sehr auf den Wecker fällt, dann, ja dann gehst du ins Wunderland und buchst einmal schwarze Serie, nicht, ja.

    Das war Wunderland. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam: Peer Augustinski. Außerdem wirkten mit: Ilona Grübel, Ilse Neubauer, Karl Heinz Vietsch und viele andere (Helga Fellerer, Udo Wachtveitl, Julia Fischer). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Assistenz: Wolfgang Ruhdörfer. Regie: Werner Klein. (Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks) (1991). (Redaktion: Erwin Weigel).

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