Wednesday, 09 March 2016 11:44

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  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:40 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Wunderland

    Jonas: Ein Klient kommt ins Büro. Ein ordentlicher Fall bei einem ordentlichen Privatdetektiv fängt so an. So muß es sein. So steht es in den Büchern. Nicht beim letzten Detektiv. Meine Fälle fangen meist woanders an. Im Casablanca zum Beispiel. Dieser Fall fing ordentlich an. In meinem Büro. Nur eins war nicht in Ordnung. Der Klient hätte eine Klientin sein müssen. Wunderschön. Geheimnisvoll. Und möglichst blond.

    Milius: Nett haben Sie es hier, Herr Jonas, so, so übersichtlich.

    Jonas: Schauen Sie, Damen und Herren, staunen Sie, vor Ihnen erstreckt sich in seiner ganzen unfaßbaren Weite von sage und schreibe 22 Quadratmeter das Büroapartment von Jonas, dem letzten Detektiv. So lebt Jonas, Damen und Herren, so arbeitet Jonas, sind Sie hier, um mein Büro zu besichtigen oder haben Sie was auf dem Herzen?

    Milius: Sagen wir, ich habe ein Anliegen, Herr Jonas, oder genauer, ich habe einen Auftrag für Sie.

    Jonas: Ein ordentlicher Klient in ordentlicher Aufmachung, die Hände ordentlich im Schoß gefaltet, die schwarzen Stiefeletten ordentlich nebeneinander. Jedes einzelne der fünf Resthaare ordentlich über den Schädel gelegt. Bloß die Krawatte fiel aus dem ordentlichen Rahmen. Ein holographisches Design von greller Buntheit. Chaotisch.

    Sam: Wahnsinnig. Unsinnig. Tierisch. Obszön. Häßlich. Echt geil Total toll. Jawoll.

    Milius: Man gönnt sich ja sonst nichts.

    Sam: Wo lassen Sie stylen, Genosse?

    Milius: Ich bin nicht hier, um über Krawatten zu diskutieren, nicht mit Ihnen, Herr Jonas, und mit Ihrem Computer schon gar nicht.

    Sam: Ahahah.

    Jonas: Es gibt verschiedene Arten von Klienten: Die einen sagen: Sie haben einen merkwürdigen Computer. Die anderen sagen: Ihr Ton gefällt mir nicht. Manche sagen beides. Dieser Typ sagte weder noch. Eine Rarität. Fast so ausgefallen wie ein überverbaler überdrehter Computer. Ein Computer namens Sam.

    Sam: Soll ich das spielen, Ricci, soll ich das noch mal spielen?

    Jonas: Untersteh dich, Sammy.

    Sam: Spielverderber. Trübe Tasse.

    Milius: Zur Sache, Herr Jonas, mein Name ist Milius, Leo Milius.

    Jonas: Und?

    Sam: Ja und?

    Milius: Ich arbeite im Wunderland.

    Jonas: Gut für Sie.

    Sam: Ja.

    Milius: Als Sicherheitschef, und darum bin ich hier, Herr Jonas, wir haben nämlich ein Problem, ein Sicherheitsproblem.

    Jonas: Und wie heißt ihr Problem, Herr Milius?

    Milius: Sabotage, Herr Jonas, Sabotage im Wunderland. Wissen Sie, was das bedeutet, geschäftlich, meine ich?

    Jonas: Ich konnte es mir denken. Wunderland ist ein großer Vergnügungspark. Nicht weit von Babylon. In der Wildnis. Berühmt für seine elektronisch-holografischen Simulationsprogramme. Eine Art Super-Kino zum Mitmachen. Kino gab’s, als ich jung war. Heute ist es überholt, wie 2D-TV, wie Bücher. Wunderland ist nicht überholt, Wunderland ist sehr beliebt, hab ich mir sagen lassen. Simulation ist nicht mein Bier. Sabotage schon eher.

    Milius: Bisher weiß nur die Führungsspitze im Wunderland Bescheid, Herr Jonas, wir haben den Deckel draufgehalten, aber lange wird das nicht mehr möglich sein, immerhin hat der Ärger schon vor zwei Wochen angefangen.

    Jonas: Einzelheiten, Herr Milius, was, wann, wie...

    Sam: Wohin, woher, wozu, wofern, woholofern.

    Jonas: Sei still, Sam. Schießen Sie los.

    Milius: Also der erste Vorfall, der war am 21. Februar.

    Sam: In diesem unserem Jahr des Herrn 2013. Immer präzise, gelle Mister.

    Jonas: Was ist da passiert?

    Milius: Das Wetter in SA 9.

    Jonas: Moment. Wer oder was ist SA 9?

    Milius: Simulationsareal 9. Exotische Abenteuer. Es lief gerade das Programm Hurra die Legion. Uralt, aber ständig ausgebucht, Herr Jonas. Die Kunden marschierten durch die Sahara als Fremdenlegionäre anno 1900. Die Sonne brannte, ihr Ziel, Fort Zinderneuf war noch viele Meilen entfernt. Ja wollen Sie sich denn keine Notizen machen, Herr Jonas?

    Jonas: Nicht nötig, mein Computer hört zu und merkt sich alles. Nicht wahr, Sammy?

    Sam: Schnarch...

    Jonas: Sam?

    Sam: Häh? Is was Chef?

    Jonas: Du hast doch nicht etwa geschlafen?

    Sam: Niemals! Stets auf den Pisten und den Posten, Monsieur Capitäne.

    Jonas: Das will ich hoffen. Weiter, Herr Milius, die Leute latschten durch die Wüste.

    Milius: Und da, Herr Jonas, fing es plötzlich an zu regnen. Ein richtiger Wolkenbruch, Herr Jonas, es regnete und regnete und hörte nicht auf.

    Sam: Wenn der Regen, der Regen...

    Milius: Das Wettersystem war verstellt und blockiert. Wir mußten die Legion abblasen, die Kunden entschädigen, und die Sahara mit einem speziellen Fönprogramm trocknen.

    Sam: Hehehe.

    Milius: Ein paar Tage später Vorfall Nummer zwei. In SA 4, die Welt, aus der wir kommen: Römer, Ritter, Recken, Programm Kampf mit dem Drachen. Der Robodrach, ein 10meter hohes Monstrum, fiel schwer aus der Rolle. Statt Feuer zu speien und markerschütternd zu brüllen, fehlte er um Gnade, er heulte, faltete die Tatzen, sagte was von einer todkranken Frau und 12 unmündigen Kinder. Sehr frustrierend für die tapferen Drachentöter in den Plastikrüstungen. Und erst gestern, Herr Jonas, ist eine Stripperin im Kinderprogramm aufgetaucht. Freddy Krüger, Schrecken der Elmstreet, der Renner bei unseren kleinen Besuchern, Sie können sich nicht vorstellen, Herr Jonas, was die Eltern gesagt haben, vor allem die Neopuritaner. Schmutziger Sex in einem gesunden harmlosen Horrorprogramm.

    Jonas: Empörend, Herr Milius.

    Sam: Ja, ein böser Streich, ein wahres Bubenstück.

    Milius: Wir tun, was wir können, Herr Jonas, aber wir kommen nicht weiter. Er ist nicht zu fassen, der Verbrecher, der Saboteur.

    Sam: Witzbold, Scherzkeks, Schabernackedei.

    Milius: Er kennt sich im Wunderland offenbar bestens aus, weiß im voraus, was wir planen, wo wir unsere Fahnder postieren, ja, und darum bin ich auf die Idee gekommen, einen Außenseiter einzusetzen, einen unorthodoxen Mann, der neue Wege geht.

    Jonas: Jonas heißt er, 120 Euros pro Tag und Spesen.

    Milius: Sie übernehmen den Auftrag?

    Jonas: Sieht ganz so aus. Sabotage im Wunderland könnte interessant sein. Wer meinen Sie, steckt dahinter, Herr Milius, die Konkurrenz?

    Milius: Nicht ausgeschlossen, Herr Jonas, sehen Sie, das muß aber unter uns bleiben.

    Sam: Natürlich.

    Milius: Ein japanisches Unternehmen ist an Wunderland interessiert und hat erst kürzlich ernsthafte Fühler ausgestreckt.

    Jonas: Und? Wollen die Denverschwerstern verkaufen?

    Milius: Teils teils, Herr Jonas. Glen Denver will. Gwen will nicht. Unter uns, Glen wird sich durchsetzen. Glen setzt sich immer durch.

    Sam: Sammy auch.

    Jonas: Und bevor sie in die Verhandlungen einsteigen, könnten die Japaner versuchen, den Wert von Wunderland zu drücken, aha, durchaus möglich.

    Milius: Denken Sie darüber nach, Herr Jonas, und seien Sie morgen früh in meinem Büro.

    Jonas: Wo?

    Milius: Ja Wunderland natürlich. Ich gebe am Haupteingang Bescheid. Moment mal, Sie können natürlich nicht als Jonas der letzte Detektiv im Wunderland auftreten, Sie sind, sagen wir...

    Jonas: Researcher, für eine geplante Holosendung.

    Milius: Einverstanden, und Sie heißen...

    Sam: Er heißt Jon, Jan, Janik, Josua, Jason, Jonathan, Junius, Julius, Augustus, piep letztes bitte streichen.

    Jonas: Janus, nur Janus.

    Sam: Ja, der römische Gott des Eingangs und des Ausgangs, des Anfangs und des Endes, mysteriös, zwiegesichtig, janusköpfig.

    Milius: Morgen früh um 10 bei mir, Herr Janus, nehmen Sie den Shuttle vom Heliport.

    Sam: Und Ihren Fuß von meinem Kopf.

    Jonas: Mitten im Wunderland steht ein hoher künstlicher Berg. Hier sind die Verwaltungsräume untergebracht, die Werkstätten, die Steuerzentren. Milius Büro lag hoch oben, nicht weit vom Büro der Direktorin, direkt unter dem Paradies, dem Gipfelrestaurant mit der berühmten Aussicht auf ganz Wunderland. Und darüber lag nur noch das Doppelpenthouse der Denverschwestern. Milius war nicht allein, als ich in sein Büro kam, 10 nach 10. Ein Detektiv, der auf sich hält, darf nicht zu pünktlich sein. Eine Frau stand am Fenster, unscheinbar angezogen, mein Alter, ein Gesicht, das Geschichten zu erzählen hatte. Sekretärin? So sah sie nicht aus.

    Milius: Da sind Sie ja endlich, Herr äh...

    Jonas: Janus.

    Milius: Richtig, Herr Janus. Unsere Fedora hier wird sich um Sie kümmern. Fedora ist bei uns so eine Art Mädchen für alles. Sie wird Sie herumführen, Ihnen zeigen, was Sie sehen wollen, Ihre Fragen beantworten. Mich müssen Sie entschuldigen. Machen Sie sich am besten selbst bekannt.

    Jonas: Gute Idee. Im Paradies, bei einem Drink?

    Fedora: Wie Sie wollen, Herr Janus, ich stehe zu Ihrer Verfügung.

    Jonas: Fedora war mir sympathisch. Sie hieß nur Fedora. Das sprach für sie. Und sie hatte was: Haltung. Stil. Intelligenz. Zu viel für ein schlichtes Faktotum.

    Fedora: Das war ich auch nicht immer, Herr Janus.

    Jonas: Nur Janus, den Herrn lassen Sie weg, ich bin keiner. Was haben Sie früher gemacht, Fedora?

    Fedora: Ich war Autorin, Chefautorin im Wunderland. Die meisten Simulationsprogramme hab ich entworfen und ausgearbeitet, jahrelang, bis man keine Autoren mehr brauchte, weil sie überholt waren, weil jetzt Computer ihre Arbeit machen. Nicht besser, aber billiger. Weil sie die alten Programme immer wieder verwenden, meine Programme, Janus, und nur ein paar Variationen einbauen. Mich haben sie damals hier behalten, wegen meiner Verdienste um Wunderland, damit ich nicht nur von der Volkshilfe leben muß. Ich mach, was anfällt. Was man mir sagt.

    Jonas: Bärenführer für Holoresearcher, zum Beispiel.

    Fedora: Das ist nicht das Schlimmste.

    Jonas: Danke. Was trinkt man hier?

    Fedora: Wunderland Special natürlich. Waren Sie denn noch nie im Paradies Janus?

    Jonas: Noch nie.

    Fedora: Aber doch im Wunderland.

    Jonas: Auch nicht.

    Fedora: Ach, kommen Sie mit, Janus.

    Jonas: Wohin?

    Fedora: Zum großen Panaromafenster, ich werde Ihnen Wunderland vorstellen.

    Jonas: Ein Park. Schön. Wie gemalt. Hügel, Wiesen, Teiche, Bäume, Büsche, Blumen. Synthetisch. Natürlich. Aber das merkte man nur an der ordentlichen Ausrichtung, und an den zu stark leuchtenden Farben. Dazwischen ein paar Gebäude. Blockhäuser, Burgruinen, afrikanische Strohhütten, ein schräger Miniwolkenkratzer, und das Colloseum, in Kopie.

    Fedora: Das ist die Arena, für Roboturniere und Corridas, Autocorridas, sehr beliebt, fast immer ausverkauft. Außerdem haben wir hier Stimgames, Einarmbanditen, 4D-Roulette.

    Jonas: Und die Simulationen, die berühmten Wunderlandsimulationen, wo sind die?

    Fedora: Unter dem Park, wo sonst, oben liegen nur die Eingänge. Die Palmengruppe da drüben, da geht’s runter in SA 9.

    Jonas: Exotische Abenteuer.

    Fedora: Richtig. Und ein Stück weiter rechts das Segelschiff auf dem Teich, das ist der Zugang zu SA 5, Blue Deep, Piraten, Taucher, Riesenkraken.

    Jonas: Aha, und daneben der schiefe Turm von Babylon.

    Fedora: Das ist ein amerikanisches Hochhaus aus dem 20. Jahrhundert, verkleinert, da kommen Sie zu SA 7, Metropolis, unser Citykrimiareal, Gangster, Detektive und so weiter.

    Jonas: Ach, Detektive haben Sie auch?

    Fedora: Ja, Sherlock Holmes, Professor van Dusen, Kommissar Maigret, und die schwarze Serie, ein nostalgisches Private Eye Programm, streng stilisiert mit allen klassischen Zutaten, vielleicht das beste Programm, das ich je geschrieben habe, leider läuft es nur noch sehr selten.

    Jonas: Würde ich mir gern mal ansehen, dachte ich, später vielleicht. Erst die Arbeit. Ich ließ mir von Fedora die Simulationen erklären. Wie die Besucher vorbereitet und ausgerüstet wurden, wie alles in einander griff, Holoprojektionen, elektronisch gesteuerte Modelle, Besucher im Rollenspiel, wie die Simulationsprogramme abschnurrten.

    Fedora: Wie ein Uhrwerk. Jedenfalls soll es so sein. Aber wenn mal was schiefgeht...

    Jonas: Hier kann doch nichts schiefgehen. Wunderland ist Super-High-Tech.

    Fedora: Eben drum, Janus. Wenn Sie in einem Programm nur eine Kleinigkeit, eine winzige Kleinigkeit verstellen, dann ist gleich der Teufel los, dann drehen sie durch, diese tollen Computer, dann spielen sie verrückt, dann brechen sie zusammen. Wissen Sie, was vor ein paar Tagen passiert ist?

    Jonas: Sie erzählte mir das, was ich von Milius gehört hatte, die kuriosen Katastrophen in SA 9, 5 und 13, von denen angeblich nur die Führungsspitze im Wunderland etwas wußte. Sie erzählte sehr ausführlich und mit keineswegs klammheimlicher Freude. Das gab mir zu denken. Ich entschuldigte mich. Auf dem Klo holte ich Sam aus der Tasche. Nicht, um ihn reinzuschmeißen. Es war Zeit, Zeit für eine Konferenz unter vier Augen. Nur daß Sam keine Augen hatte. Sehen konnte er trotzdem, und hören und reden und kombinieren.

    Sam: Ja, nicht daß ein hochgeistiger Computer in dieser Angelegenheit viel zu kombinieren hätte, der Fall ist klar, mein lieber Watson. Glasklar. Kristallklar. Aschklar. Die gesuchte Saboteuse ist die Dame Fedora.

    Jonas: Da bin ich mir nicht ganz sicher, Sammy. OK, sie kennt die Vorfälle, ganz genau sogar, und die hat sie Jonas erzählt, obwohl der Janus ist, Holoresearcher das heißt die Öffentlichkeit.

    Sam: Gerade weil, du Flaschenkürbis.

    Jonas: Du meinst, sie will die Sachen publik machen und sie amüsiert sich darüber, kann sein. Aber das muß noch lange nicht heißen, daß sie die Dinger selbst gedreht hat. Gibt’s zu, Sammy, du hast was gegen Fedora, weil sie Computer nicht ausstehen kann.

    Sam: O Vorurteil, dein Name ist Mensch. Computer sind objektiv. Computer sind emotionslos.

    Jonas: Ganz was neues, Sammy.

    Sam: Daß besagte Dame unverständlicher weise Computer nicht mag, nimmt Sam zur Kenntnis, ohne sich davon auch nur im geringsten beeindrucken oder gar beeinflussen zu lassen. Mit kühlem Gleichmut, mit überlegenem Lächeln. Soll sie doch die törichte trigepieselige Pute, schwachsinnige Schwalbe, holzköpfiges Huhn.

    Jonas: Hör schon auf, Sam. Fakten.

    Sam: Fakten, der Herr, bitte sehr. Soeben von einer elektronischen Kurzexkursion durchs Wunderland Zentralsystem zurückgekehrt, beehren wir uns, ihrer geschätzten Aufmerksamkeit folgende Fakten zu unterbr... Korrektur, zu unterbreiten. Erstens. Ach was. Die Angestellten im Wunderland sind, ob an festen oder an variablen Arbeitsplätzen datenmäßig stets erfaßt und kontrolliert. Gemäß Ausweis der gespeicherten Informationen hielt sich keiner von ihnen bei allen drei Sabotageakten in der Nähe der entsprechenden Steuerungsanlagen auf, kann demnach diese auch nicht manipuliert haben. Nun muß aber in Anbetracht der hierorts waltenden strikten Sicherheitsvorkehrungen der Täter zum Personal gehören.

    Jonas: Moment, Sammy, das geht nicht.

    Sam: Wieso denn nicht.

    Jonas: Wenn alle Angestellten ständig kontrolliert werden.

    Sam: Ach, wer sagt denn alle, du Bildungslücke. Eine im Wunderland beschäftige Person gilt als so gering, so unbedeutend, daß sie der Pflicht des regelmäßigen Uhrenstechens nicht unterworfen ist. Ein Mädchen für alles, von Kollegen wie Vorgesetzten kaum beachtet, ein Aschenbrödel, eine Cinderella.

    Jonas: Fedora.

    Sam: Ja. Die Computerhasserin. Ebendiese. Faktum Nr. 2: Die drei sabotierten Programme entsprangen sämtlich der Feder Fedoras. Sie kannte sie also in und auswendig, war informiert über die Codierung, und wußte präzis wo und wie der gewünschte Effekt am besten zu bewirken war. Langer Rede kurzer und gewichtiger Sinn, die Täterin heißt Fedora. Quod erat demonstrationsforum et dimonstrandum. Dixi. How, ich habe gesprochen.

    Jonas: Ich sagte es ihr auf den Kopf zu. Sie war verblüfft, beeindruckt, und sie gab es zu. Auf der Stelle, ohne Ausflüchte, und ganz und gar nicht schuldbewußt.

    Fedora: Stolz bin ich allerdings auch nicht darauf, Janus, es war kindisch, ein dummer Streich, wenn Sie wollen, aber es mußte sein, der Frust hatte sich in mir aufgestaut über viele Jahre. Ich mußte was tun, und unter uns, es hat Spaß gemacht.

    Jonas: Ich kann’s Ihnen nachfühlen.

    Fedora: Dann behalten Sie’s für sich, Janus. Wer das bißchen Unfug im Wunderland angestellt hat, wird Ihre Auftraggeber ja auch kaum interessieren.

    Jonas: Im Gegenteil, Fedora.

    Fedora: Wieso? Was soll Holo-TV...

    Jonas: Ich habe nichts zutun mit Holo-TV, Fedora. Ich heiße Jonas, nur Jonas. Ich bin Privatdetektiv, der letzte, und mein Auftraggeber ist sehr an Ihnen interessiert.

    Fedora: Milius?

    Jonas: Milius. Kommen Sie, Fedora.

    Jonas: Ganz wohl war mir nicht, aber wenn Jonas einen Auftrag angenommen hat, dann zieht er ihn durch, auch wenn er ihm nicht gefällt. Fall Wunderland war kein Ruhmesblatt für Jonas. Sehr kurz war er auch, dachte ich. Aber das war ein Irrtum. Der Fall fing erst an. Milius war begeistert, als ich mit Fedora bei ihm aufkreuzte. Er präsentierte uns gleich seiner Chefin, Direktorin Palafox. Die war offenbar nicht ganz so begeistert.

    Palafox: Einen Privatdetektiv haben Sie eingeschaltet, Milius, dazu waren Sie nicht autorisiert.

    Milius: Ich bin Ihr Sicherheitschef, Frau Palafox, wie ich meine Aufgaben durchführe.

    Palafox: Sagt Ihnen die Direktion, das heißt ich. Darüber unterhalten wir uns noch, Milius.

    Milius: Von mir aus, das wichtigste ist doch, daß unser Problem jetzt bereinigt ist, der Saboteur ist gefaßt.

    Palafox: Augenblick. Palafox. Ja, die ist hier. Was? Wann? Wo? Ausschalten. Absperren. Sofort. Nein, warten Sie auf meine Anweisungen. Glen Denver ist tot, vermutlich ermordet.

    Milius: Im Wunderland?

    Palafox: SA 8.

    Milius: Gaslighttheater, bei laufendem Programm?

    Palafox: In der 11 Uhr Matinee.

    Milius: Jack the Rippershow, ich versteh.

    Palafox: Sie nehmen die Sache selbst in die Hand, Milius, allererste Priorität.

    Milius: Selbstverständlich, Frau Palafox. Und Fedora?

    Palafox: Jetzt nicht, Milius, Fedora muß warten. Nehmen Sie sie mit, halten Sie sie fest, in der Zelle neben Ihrem Büro. Ich werd mich später um sie kümmern. Und Sie...

    Sam: He, sie meint dich.

    Palafox: Ja, Sie meine ich, den Privatdetektiv.

    Jonas: Mein Name ist Jonas, nur Jonas.

    Palafox: Mir völlig egal, wie Sie heißen. Sie können gehen. Ihr Honorar kriegen Sie überwiesen. Nehmen Sie den Personallift ganz nach unten, ein Minimobil bringt Sie dann durch einen der Servicetunnel zum Heliport.

    Jonas: Wunderland hatte es ja mächtig eilig, Jonas loszuwerden. Aber Jonas war noch nicht fertig mit Wunderland. Es waren noch zu viele Fragen offen. Was würde aus Fedora werden? Wer hatte Glen Denver ermordet. Glen Denver, die an die Japaner verkaufen wollte, gegen den Willen ihrer Schwester Glen. Sollte ich mir das Simulationsprogramm Schwarze Serie zu Gemüte führen bei nächster Gelegenheit? Darüber dachte ich nach, als ich Ausschau nach einem Minimobil hielt, im Servicetunnel, tief unter Wunderland. Plötzlich ging das Licht aus, ich blieb stehen, versuchte mich zu orientieren. Da ging es wieder an, noch plötzlicher, in meinem Kopf. Eine Explosion. Feuerwerk. Sonne, Mond und Sterne. Vor allem Sterne. Dann nichts mehr. Zuerst Schmerzen, heftige Kopfschmerzen, dann der Geruch, vertraut, nostalgisch, aus der Jugendzeit, Samstag abend, Vaters Wagen, Benzin. Ich träumte von Benzinautos, ich mußte träumen, Benzinautos gab’s in Babylon schon lange nicht mehr. Aber ich träumte nicht. Ich war wach. Ich saß in einem Benzinauto. Am Fahrersitz festgeschnallt. Das Auto stand in einem dunklen Raum, voller Schatten. Plötzlich Action. Ein Tor klappte auf. Licht, hell, unerträglich, das erwartungsvolle Röhren einer großen Menge. Eine Gestalt sprang aufs Trittbrett, griff durchs Fenster, drückte mein rechtes Knie nach unten aufs Gaspedal, der Wagen machte einen gewaltigen Satz durchs Tor, in das Geschrei, ins Licht.

    Sam: Wach auf, Tränendrüse. Nimm das Steuer.

    Jonas: Sammy, wenn alle mich verlassen.

    Sam: Sam bleibt dir treu. Bis daß der Tod uns scheidet, und das wird er sehr bald tun, du Saftsack. Reiß dich zusammen. Kuppeln, Schalten, Lenken.

    Jonas: Wo sind wir?

    Sam: Wunderland Arena.

    Jonas: Autocorrida?

    Sam: Drinnen Senior Torero, und siehe, dort nahen die Toreros. Ole.

    Jonas: Zwei riesige Trucks rollten ein, Ballonreifen, Chrom und schwarzer Lack, an den massiven Stoßstangen meterlange Hörner, auf die wollten sie Jonas nehmen, das heißt seinen Wagen, einen Jeep, anno Golfkrieg, klein, wendig, mit einem Fahrer, der tat, was er konnte, und Jonas konnte fahren. Aber das reichte nicht. Zwei Trucks waren auf Dauer zu viel.

    Sam: O O Ole. Was tut uns kund des Volkes Mund?

    Jonas: Sammy, ich fahr um mein Leben, und du kommst mir mit Sprichworten.

    Sam: Eben drum, Blödmann. Steht’s schlecht im Kriege, mach eine Fliege oder auch Fliege.

    Jonas: Wie stellst du dir das vor? Soll ich aussteigen und mich eingraben oder über die 10meter Barriere springen?

    Sam: Wie gekommen, so entronnen.

    Jonas: Schlechter Reim, Sammy.

    Sam: Doch guter Rat.

    Jonas: Du meinst, zurück durchs Tor.

    Sam: Jawohl, und weiter durch den Tunnel.

    Jonas: Hoffentlich gibt’s einen.

    Sam: Muß. Auf welchem Wege, euer Kurzschlüssigkeit, kämen die Fahrzeuge sonst hier her?

    Jonas: Voll überzeugt war ich nicht, aber ich hatte keine Wahl. Ich schlug einen Haken, ansatzlos, und war draußen. Im Bereitstellungsraum. Scheinwerfer an. Sam hatte recht. Sam hat meistens recht. Es gab einen Tunnel. Hoch und dunkel und kurz. Und am Ende...

    Sam: Oh, ein Tor.

    Jonas: Und das ist zu. Was nun?

    Sam: Auch nicht eben ein meisterhafter Reim, du Westentaschen. Augen zu und durch.

    Jonas: Bist du sicher, Sammy?

    Sam: Sicher bin ich sicher, das ist nur Plastik. Da bretterst du durch, eiskalt. Ole.

    Jonas: Ole. Es krachte und knirschte, und der Jeep war durch, unter freiem Himmel, in der Wildnis, ich fuhr weiter, über Stock und Stein, so schnell es ging, bloß weg von Wunderland, da hatten sie was gegen Jonas. Aber auch hier draußen ließen sie ihn nicht in Ruhe. Ich hörte was. Sah mich um. Die beiden Trucks waren hinter mir her. Und sie kamen immer näher.

    Sam: Gib, gib Gas, lahme Ente.

    Jonas: Tu ich ja, Sammy, mein rechter Fuß schrammt schon fast am Boden. Die Karre ist nun mal nicht schneller. Sie schwärmen aus, die wollen uns in die Zange nehmen, Sammy. Von beiden Seiten und dann...

    Sam: Machen sie dich platt.

    Jonas: Dich aber auch, Sam.

    Sam: Frage: Wollen wir uns das bieten lassen, Freund meiner digitalen Seele.

    Jonas: Möglichst nicht, Sammy, jetzt sind sie auf gleicher Höhe, rechts und links, die ziehen nach innen.

    Sam: Gas, oh du mein rasender Jonas.

    Jonas: Im Gegenteil, Bremse.

    Jonas: Die Trucks krachten seitlich aufeinander, in voller Fahrt, direkt vor meinem Jeep, ihre beiden Tanks explodieren in einem einzigen gewaltigen Feuerball. Ende der Jagd. Ich holte tief Luft, startete den Jeep, fuhr los, Richtung Babylon. Ich ging nicht zurück ins Büro, vielleicht warteten sie da schon auf mich. Trucker, geheimnisvolle Unbekannte, die was von Jonas wollten. Ich ging ins Casablanca zwecks Energiezufuhr. Dringend nötig nach den Aufregungen der letzten Stunden. Da saß ich also vor Jacobs Whisky und vor seinem in ganz Babylon gefürchteten Sojasteak, und dachte nach. Es war still. Nur der Holoset brabbelte vor sich hin.

    Holo: In der vergangenen Nacht ist es wieder einer Gruppe von Drittweltlern gelungen, die Sperranlagen zu durchbrechen und in den Grenzbezirk Süd der VSE einzudringen. Dort wurden sie von starken Schutzverbänden gestellt und eliminiert. Babylon. Mord im Wunderland aufgeklärt...

    Jonas: Jacob, stell den Holo lauter.

    Holo: Glen Denver, Besitzerin von Wunderland, wurde heute vormittag kurz nach 11 Uhr im Wunderland ermordet. Wie Wunderlanddirektorin Palafox erklärte, ist die Täterin bereits gefaßt. Es handelt sich um eine ehemalige Autorin der Firma, die in den vergangenen Tagen bereits mehrmals versucht hatte, Vorstellungen im Wunderland durch Sabotageakte zu stören. Zur Zeit befindet sie sich im Gewahrsam der Wunderland Sicherheitskräfte. Wie Direktorin Palafox ferner bekannt gab, ist wegen des tragischen Todesfalls das Wunderland bis auf weiteres für das Publikum geschlossen. Vatikan Stadt. Der greise Papst Johannes Paul der zweite hat seine Absicht erklärt...

    Jonas: Stell das Ding ab, Jacob.

    Holo: Demnächst die Marsstation der UNO zu besuchen.

    Jonas: Abstellen, Jacob.

    Jacob: Weiß ich doch.

    Jonas: Fedora, hast du gehört, Sammy, den Mord an Glen Denver wollen sie Fedora anhängen.

    Sam: So hat es den Anschein, Sir.

    Jonas: Das stimmt nicht, das stimmt hinten und vorne nicht. Heute vormittag um 11 war Fedora im Restaurant Paradies, zusammen mit Jonas.

    Sam: Selbigen Jonas, welchen man später aufs Haupt geschlagen und in die lebensgefährliche Autocorrida verbracht hat, auf daß er dort versterbe.

    Jonas: Du meinst, da besteht ein Zusammenhang?

    Sam: Ja was denn sonst, du mein zum Himmel schreiender Bildungsnotstand.

    Jonas: Damit ich Fedora kein Alibi geben kann.

    Sam: Ach, wie könnte Jonas das. Ist er doch in der Wildnis verschollen, zu Tode gehetzt von tödlichen Truckern.

    Jonas: Jedenfalls denken die das, wer immer die sind. Moment, Sammy, da gibt’s noch einen, der weiß, wo Fedora zur Mordzeit war.

    Sam: Genosse Milius. Milius, der Ordentliche. Milius mit der umwerfenden Krawatte.

    Jonas: Genau, los Sammy, zurück ins Wunderland. Wir greifen uns Milius, wir holen Fedora raus und wir stellen fest, was gespielt wird. Wer Glen Denver wirklich umgebracht hat.

    Sam: Horrido, Herr Forstadjunkt. Auf auf zum fröhlichen jagen.

    Jonas: Problem, Sammy, Problem, wie kommen wir rein. Wunderland ist geschlossen.

    Sam: Ja, aber nicht zu. Es gibt doch ein gewisses defektes Plastiktor, mit Zugang zum Servicetunnelsystem.

    Jonas: Das Tor war noch nicht repariert. Sie hatten einen Wächter davor gestellt. Einen von der Wunderlandsicherheitstruppe in seiner blaurotgestreiften Uniform. Er sah müde aus. Ich schickte ihn ins Bett. Mit dem Griff meiner Smith & Wesson, dann längerer Schleichmarsch durch den Untergrund, keine besonderen Vorkommnisse. Milius Büro war leer. Auf den ersten Blick. Auf den zweiten war er da. Hinter seinem Schreibtisch auf dem Fußboden. Seine Krawatte war nicht mehr bunt, sie war nur noch rot.

    Sam: Auauau. Rot wie Blut. Also vorhin gefiel sie mir besser.

    Jonas: Erstochen mit seinem Brieföffner.

    Sam: Siehste.

    Jonas: Damit ist der zweite Alibizeuge für Fedora ausgeschaltet. Apropos Fedora, wo steckt sie?

    Sam: In der Zelle neben diesem Büro. Hat Direktorin Polarfuchs, Korrektur Palafox gesagt. Such, Fido, such.

    Jonas: Ein belüftetes Loch hinter dem Waschraum für Randalierer, Taschendiebe, was im Wunderland so anfiel. Diesmal saß Fedora drin. Ich machte auf. Milius hatte die Paßscheibe in der Tasche. Fedora wollte nicht rausgeholt werden. Schon gar nicht von Jonas. Das änderte sich, als ich ihr sagte, was los war.

    Fedora: Ich soll Glen Denver ermordet haben?

    Jonas: Behauptet Palafox.

    Fedora: Die lügt. Ich kann sie gar nicht ermordet haben. Wissen Sie, wie sie umgekommen ist, Jonas?

    Jonas: Ich weiß nur wo. SA 8 Gaslightheater, Jack the ripper show.

    Fedora: Ja, da ging sie regelmäßig hin, jeden Sonntag zur 11 Uhr Matinee, um sich ermorden zu lassen.

    Jonas: Ein ausgefallenes Sonntagsvergnügen.

    Fedora: Das war ihre große Leidenschaft. Sie spielte dann die Prostituierte. London 1888. Jack lockt sie in einen dunkeln Hinterhof, schneidet ihr die Kehle durch, schlitzt sie auf, mit einer Messeratrappe.

    Jonas: Jeden Sonntag.

    Fedora: Nur heute nicht, da hatte Jack ein richtiges Messer mit scharfer Klinge. Jack ist ein Modell, lebensecht, elektronisch programmiert, er zog sein Programm ab wie immer.

    Jonas: Und Glen Denver wurde ermordet, diesmal wirklich und endgültig.

    Fedora: Ich frage mich, was sie in ihren letzten Sekunden gedacht hat, ob sie Angst hatte, oder ob es das war, was sie im Grunde immer gesucht hat.

    Jonas: Ich frage mich, wer die Messer vertauscht hat, und wann.

    Fedora: Wann? Das kann ich Ihnen genau sagen, Jonas, zwischen halb 11 und 11. Die Jack-the-Ripper-Show dauert anderthalb Stunden und läuft mehrmals am Tag. In der 9 Uhr Vorstellung, als Glen noch nicht dabei war, war alles in Ordnung.

    Jonas: Zwischen halb und 11 waren wir zusammen, Fedora, im Paradies.

    Sam: Jaja, machen wir’s kurz. Schlunz, funz, alles klar, Fedora ist unschuldig, obwohl sie keine Computer mag. Jetzt weg, raus hier, Wunderland ist gefährlich, nicht geheuer, wer zu viel weiß, wird abgemurkst, wiedersehen, alles Gute, tschüß, servus, arrivederci. Feierabend, aus die Maus.

    Jonas: Also Rückzug durch den Tunnel Richtung Plastiktor, und dabei stellten wir fest, daß wir wirklich viel wußten, wir wußten alles, auch wer Glen Denver umgebracht hat.

    Fedora: Palafox. Es kann nur Palafox gewesen sein.

    Jonas: Wegen der Japaner.

    Fedora: Natürlich, die hätten ihre eigenen Spitzenmanager mitgebracht. Das machen die immer so.

    Jonas: Und Direktorin Palafox hätte ihren lukrativen Job verloren.

    Fedora: Deshalb hat sie auch Milius ermordet.

    Jonas: Und Jonas in die Corrida eingeschmuggelt.

    Fedora: Niemand sollte mir ein Alibi geben können.

    Jonas: Wissen Sie, Fedora, eigentlich haben Sie Palafox einen großen Gefallen getan mit Ihrer Sabotageserie, damit haben Sie sie auf die Idee gebracht, und Sie haben ihr eine maßgeschneiderte Mörderin geliefert, frei Haus, auf dem Tablett. Sie brauchte es nur so aussehen zu lassen, als gehöre der Mord an Glen Denver dazu als viertes und letztes Glied der Kette.

    Fedora: Woher sollte ich denn ahnen...

    Jonas: Pst! Sehen Sie, da vorne...

    Fedora: Blaurote Uniformen.

    Jonas: Sicherheitstypen, jede Menge und bewaffnet. Vor dem Ausgang. Hier kamen wir nicht durch. Wir gingen zurück und überlegten.

    Fedora: Es gibt ja noch eine Denverschwester. Gwen. Die sollten Sie kontakten.

    Jonas: Wird sie uns glauben? Ist sie überhaupt zu erreichen?

    Sam: Sie ist, Magni- und Minifizenz.

    Jonas: Woher willst du das wissen, Sam?

    Sam: Haben wir etwa die kleinen Schweinchen gehütet, Madam?

    Jonas: Sei nicht albern, Sam, das Wunderland Zentralsystem...

    Sam: Hat keine Geheimnisse vor Sam, Sam dem Biegsamen, dem Geschmeidigen, dem Gewieften, dem Gewitzten und Verschmitzen, Sam Dampf in allen Schaltkreisen.

    Fedora: Respekt, Herr von und zu Samuel.

    Sam: Ein Blick ins System, und Sammy weiß, daß die Dame Glen Fiddich, Korrektur Glen Denver sich in ihrem Penthouse aufhält, zum Bleistift, auf dem Gipfel hoch über Wunderland, und daß ein paar Stockwerke tiefer im Steuerzentrum Direktorin Palafox die Fahndung leitet.

    Palafox: Achtung, hier spricht Direktorin Palafox, an alle Sicherheitskräfte im Wunderland. Großfahndung. Unterstützt von einem auswärtigen Kriminellen ist Fedora, die Mörderin unserer verehrten Glen Denver aus dem Gewahrsam ausgebrochen.

    Sam: Siehste?

    Palafox: Dabei hat sie euren Chef, meinen Freund, Leo Milius ermordet. Fedora und ihr Begleiter sind bewaffnet und äußerst gefährlich. Alle Sicherheitskräfte werden ermächtigt, bei ihrem Anblick sofort und ohne Warnung scharf zu schießen.

    Sam: Tschüß.

    Jonas: Wir versteckten uns in einem Seitentunnel und überlegten weiter. Es sah nicht gut aus für uns.

    Fedora: Raus kommen wir nicht, Jonas, und wenn sie anfangen, alles durchzukämmen, können wir uns nicht lange halten.

    Sam: Agieren, nicht reagieren.

    Jonas: Sagt Klausewitz. Sehr richtig, Sammy. Hör mal zu, du kennst dich doch im Wunderland Zentralcomputer bestens aus.

    Sam: Wie ein Fisch im Wasser. Wie Jonas im Babypsilon.

    Jonas: Wenn wir da nur wären.

    Fedora: Jonas, ich hab eine Idee, warum verlagern wir die Auseinandersetzung mit Palafox und ihren Leuten nicht auf ein für uns günstigeres Terrain.

    Jonas: SA 7 Metropolis. Schwarze Serie.

    Fedora: Genau. Ich hab das Programm geschrieben, ich kenne jede Einzelheit, und Sie, Jonas.

    Jonas: Jonas ist Nostalgiker, Fedora, Marlowe-Fan, Bogie-Fan.

    Sam: Sammy-Fan.

    Jonas: In einer nostalgischen Detektivsimulation werde ich mich wie zuhause fühlen. Besser. Bringen Sie uns hin, Fedora. Sammy wird das Programm einschalten.

    Fedora: Augenblick, Jonas. Palafox ist in der Steuerzentrale. Wenn in SA 7 ein Programm startet, merkt sie das sofort.

    Jonas: Das soll sie auch. Sammy wird ihren Befehlstand abblocken, sie neutralisieren, dann kann sie uns nicht abschalten und ihren Leuten keine Anweisungen geben. Wenn sie uns fassen will, muß sie runterkommen, ins Programm einsteigen, mitspielen.

    Fedora: Das wird sie, Palafox ist eine Spielerin.

    Jonas: Bestens. Und wenn Gwen Denver auch gern mal spielt.

    Fedora: Tut sie. Wie ihre Schwester. Was haben Sie vor, Jonas?

    Sam: Das wirste schon sehen.

    Jonas: Die Stadt hatte viele Namen. Metropolis, Gotham City, Poisonville, oder einfach die Stadt. Über der Stadt lag Nacht. Es lag immer Nacht über der Stadt. Und es regnete. In der Stadt regnete es immer. Nervös weißes Neonlicht spiegelte sich in dunklen Pfützen und schwarzglänzendem Asphalt. Irgendwo wurde geschossen. In der Stadt wurde immer geschossen... Schritte... Leise vorsichtige Schritte. Zwei Gestalten traten aus einem dunklen Torweg auf die schwarz glänzende Straße. Sie blieben stehen. Zwischen einem Hydranten und einer verbeulten grauen Mülltonne.

    Fedora: Das ist sie, Jonas, die schwarze Stadt der schwarzen Serie.

    Jonas: Gefällt mir. Dunkel. Gefährlich.

    Fedora: Die Aura des Bösen.

    Jonas: Sie sagen es, Fedora. Vorsicht!

    Holo1: Hände hoch!

    Fedora: Jonas, keine Angst, die Figur in der Mülltonne ist nur ein Hologramm.

    Jonas: Warum sagen Sie das nicht vorher?

    Fedora: Das nächste Mal, versprochen.

    Sam: Hoffentlich.

    Jonas: Ich tauchte hinter dem Hydranten auf und steckte die Smith & Wesson weg, dann schlug ich den Kragen hoch, zog den Hut ins Gesicht, und führte eine kurze Unterhaltung mit meiner Manteltasche.

    Sam: Alles geritzt, Boss.

    Jonas: Palafox weiß Bescheid, Sam?

    Sam: Na klar, Boss.

    Jonas: Hast du ihre Befehlsleitung blockiert?

    Sam: Aber immer, Boss.

    Jonas: Und die Sache mit Glen Denver.

    Sam: Ist angeleiert, Boss. Aktion Schwarze Serie läuft, Boss, bestens.

    Jonas: OK, Sammy, aber du bist auf dem falschen Dampfer.

    Sam: Wieso?

    Jonas: Jonas ist nicht der Gangsterboß in der schwarzen Serie.

    Sam: Aha.

    Jonas: Jonas ist der Detektiv, Private Eye, lonesome Gun, pausenlos unterwegs im Dienst der Gerechtigkeit, unermüdlich tätig, um die Stadt zu säubern, um die Chefin der Unterwelt, die berüchtigte Polly Fox unschädlich zu machen.

    Sam: Hoch klingt das Lied vom braven Mann, hoch auf dem gelben Wangen.

    Fedora: Und ich bin die Freundin, die Frau an seiner Seite, Veronica Lake, Lauren Bacall, ein bißchen wild, aber loyal, durch und durch.

    Sam: Na, ich weiß nicht.

    Fedora: Häh?

    Jonas: Wir hatten uns passend eingekleidet, in der Garderobe von SA 7. Fedora trug ein enges Abendkleid aus Silberlame, darunter nur schwarze Seidenstrümpfe, darüber einen platingrauen Chinchillamantel, erstklassiges Imitat. Jonas hatte sich einen hellen Trenchcoat zum Smoking gegriffen und einen Filzhut aufgesetzt, schwarz, mit breiter Krempe.

    Fedora: Hey, steht Ihnen, Jonas, steht Ihnen ausgezeichnet.

    Sam: Und auch Gnädigste sehen heute abend hinreißend aus, charmo charmant küß die Hand.

    Fedora: Danke, Herr Sam, ich mag zwar keine Computer, aber bei Ihnen könnte ich glatt eine Ausnahme machen.

    Sam: Och, sag Sam zu mir, ja, sag du.

    Jonas: Setzen Sie Sammy bloß keine Rosinen in den Kopf, Fedora. Schwarze Limousine von links, Holo nehm ich an.

    Fedora: Nein, Jonas, das sind Sicherheits...

    Jonas: Deckung, zurück in den Torweg!

    Sam: Aua!

    Jonas: Ein schlechter Schütze, der Beifahrer mit der altmodischen MP. Wir standen auf, klopften uns ab, und zuckten zusammen. Ein Streifenwagen raste an uns vorbei, mit heulender Sirene.

    Fedora: Das war nun wieder eine Holoprojektion.

    Sam: Achtung, melde gehorsamst, soeben ist Direktorin Palafox in laufendes Programm schwarze Serie eingetreten. Sie hat Rolle von Gangsterchefin Polyphon, Korrektur Polly Fox übernommen.

    Jonas: Wie geplant. Wunderbar. Übergang zur Phase zwei. Sie kennen den Weg, Fedora.

    Fedora: Zum Nachtklub.

    Jonas: Und zur Telefonzelle.

    Fedora: Richtig. Kommen Sie.

    Jonas: Wir liefen durch die nassen schwarzglänzenden Straßen, ab und zu Autos, manchmal fiel ein Mensch vom Dach und schlug vor uns aufs Pflaster, oder wir traten auf eine Leiche, Eispickel im Genick, Loch in der Schläfe. Wir bogen um eine Ecke und waren da, an der Telefonzelle.

    Holo1: Hallo?

    Fedora: Hey, die zwei Figuren, die Polly sucht, sind im Blackoutclub, sag ihr das.

    Holo1: Wer spricht?

    Fedora: Eine Freundin.

    Jonas: Der Club lag direkt gegenüber. Zuckende Neonröhren buchstabierten Blackout. Ein zerschlissener Baldachin, darunter eine Tür, keine Klinke. Dafür ein Guckloch. Wir klopften.

    Holo1: Privat. Nur für Mitglieder.

    Fedora: Wir sind Mitglieder, Schätzchen.

    Holo1: Ach ja? Zeigen Sie mal Ihren Ausweis.

    Jonas: Er nahm die 10-Dollarnote und machte uns auf. Drinnen war es fast so dunkel wie draußen. Ein niedriger Saal, nur wenige Gäste, halbseidene Typen im Smoking. Nachtschwalben in Arbeitskleidung. Kellnerinnen mit Beinen bis zum Hals. Vorn ein kleines Podium, ein Klavierspieler spielte Klavier, eine Sängerin sang. Wir setzten uns, an einen Tisch, ganz hinten.

    Holo2: Pink Lady für die Lady.

    Fedora: Danke.

    Holo2: Und für Sie, Sir, Scotch on the Rocks. Haben Sie sonst noch Wünsche? Heroin, Kokain, Perversionen?

    Jonas: Danke. Nicht viel los bei Ihnen.

    Holo2: Die Nacht ist noch jung, Sir.

    Sam: Sammy auch.

    Jonas: Holo?

    Fedora: Alles hier drin ist Holo, Jonas, die Bedienung, die Gäste, die Künstler, alle, mit einer Ausnahme.

    Jonas: Hoffentlich. Ich frage mich, wer von den...

    Palafox: Ruhe! Alle an die Wand. Kein Laut, keine Bewegung!

    Sam: Aua!

    Jonas: Direktorin Palafox alias Polly Fox. In einem schwarzen Herrenanzug, mit Weste und Krawatte, und MP, sehr schick, sehr verrucht. Ihre Gangster hatte sie mitgebracht, die sahen allerdings verdächtig nach Wunderlandsicherheit aus, blaurote Uniformen, Laserstrahler, ein schwerer Stilbruch. Aber das störte Palafox nicht. Sie hatte erreicht, was sie wollte.

    Palafox: Da ist sie ja, unsere liebe Fedora, mit ihrem Kavalier, diesem Privatdetektiv.

    Jonas: Jonas ist der Name, nur Jonas.

    Palafox: Nur zu. Sie werden bald keinen Namen mehr brauchen. Fesselt die beiden und dann raus mit euch, wartet vor der Tür, ich hab noch ne Kleinigkeit zu erledigen.

    Jonas: Fünf Minuten später waren wir unter uns. Palafox, Fedora, Jonas. Die Holofiguren an den Wänden zählten nicht. Oder doch?

    Palafox: So, jetzt müßte ich Ihnen Betonschuhe verpassen und Sie damit auf den Grund des Eastrivers schicken, aber ich glaube nicht, daß wir hier irgendwo Beton haben, und den Eastriver haben wir schon gar nicht. Wir werden uns mit dieser Waffe begnügen müssen, keine Attrappe, kein Hologramm, eine echte Antiquität. Thomygun sagte man damals dazu.

    Jonas: Sie wollen uns umbringen.

    Palafox: Ja. Offenbar sind Sie ein ganz besonders schlauer Privatdetektiv, ja, ich will sie umbringen.

    Fedora: Hören Sie, Frau Palafox.

    Palafox: Polly bitte, Polly Fox, Sie fallen aus der Rolle, Fedora.

    Fedora: Also, Polly, warum wollen Sie uns töten, Polly?

    Palafox: Das wissen Sie doch.

    Fedora: Sagen Sie es uns trotzdem, Polly, bitte.

    Palafox: Na, Sie haben recht, am Schluß wird reiner Tisch gemacht, so ist es in den alten Büchern und in den Filmen, OK, packen wir aus. Ich habe Glen Denver ermordet, weil sie an die Japaner verkaufen wollte, und die hätten mich rausgesetzt.

    Fedora: Das ist ein Grund.

    Palafox: Nicht wahr? Es sollte so aussehen, als gehörten Mord und Sabotage zusammen, aber dann hat Milius sich eingemischt, und Sie, Sie Privatdetektiv, Sie haben Fedora als Saboteurin entlarvt und ihr gleichzeitig für den Mord ein Alibi gegeben, zusammen mit Milius. Darum mußte ich auch Milius umbringen. Bei Ihnen hat’s nicht ganz geklappt, leider, aber das holen wir jetzt nach.

    Jonas: Na bitte, wir hatten Palafox dazu gebracht, ein Geständnis abzulegen. Wie geplant. Während Sie redete, bewegte sich was hinter ihr, eine Holofigur löste sich von der Wand, kam näher, eine Frau, nicht mehr jung, aufgedonnert, Schlitz im superkurzen Kleid, Ausschnitt bis zum Bauchnabel, hinter Palafox blieb sie stehen, holte einen Laserstrahler aus ihrer Handtasche und bohrte ihn Palafox in den Rücken.

    Gwen Denver: Lassen Sie die Maschinenpistole fallen, Palafox.

    Palafox: Kusch, zurück an die Wand, übernimm dich nicht, du bist nur eine Holoprojektion.

    Gwen Denver: Meinen Sie, Palafox? Erkennen Sie mich nicht? Vielleicht habe ich mir etwas zu viel Make-up aufgekleistert, sehen Sie mich nur richtig an.

    Palafox: Mein Gott, Gwen, Gwen Denver, wie kommen Sie hierher?

    Jonas: Wir haben sie kontaket, über meinen Computer.

    Fedora: Und weil sie uns nicht ohne weiteres glauben wollte, haben wir sie aufgefordert, sich in die schwarze Serie einzuschleusen, als unauffällige Holofigur.

    Gwen Denver: Und das hab ich getan, mit großem Vergnügen. Aber wenn ich an meine arme Schwester denke, die Sie auf dem Gewissen haben, Palafox, Waffe weg!

    Palafox: Ah!

    Jonas: Palafox ließ die MP fallen und hielt sich die rechte Hand. Sie war geschlagen und sie wußte es. Gwen Denver band uns los, dann informierte sie die Sicherheitstypen, gab ihnen neue Befehle, ließ sie abrücken, mit Palafox.

    Gwen Denver: Alles erledigt. Wir können das Programm beenden.

    Jonas: Sammy?

    Sam: Was wünscht mein Herr und Meister?

    Jonas: Schalt die Schwarze Serie ab.

    Sam: So sei es, Sahib.

    Gwen Denver: Schicken Sie mir Ihre Rechnung, Herr Jonas. Fedora, kommen Sie mit.

    Fedora: Ja. Auf Wiedersehen, Jonas, und... Danke.

    Jonas: Das ist also das Simulationsareal. Die Wirklichkeit. Eine kahle Scheune. Rohre. Ein paar Drähte. Traurig.

    Sam: Ach, mach dir nichts draus, Kumpel, sieh mal, Babylon ist doch auch was, ne, auch duster, auch gefährlich, naja vielleicht nicht sehr romantisch, aber mondieu, was willst du mit Romantik? Kannst dir nichts dafür kaufen. Weißt du was, Alter, wenn dir die Wirklichkeit mal zu sehr auf den Wecker fällt, dann, ja dann gehst du ins Wunderland und buchst einmal schwarze Serie, nicht, ja.

    Das war Wunderland. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam: Peer Augustinski. Außerdem wirkten mit: Ilona Grübel, Ilse Neubauer, Karl Heinz Vietsch und viele andere (Helga Fellerer, Udo Wachtveitl, Julia Fischer). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Assistenz: Wolfgang Ruhdörfer. Regie: Werner Klein. (Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks) (1991). (Redaktion: Erwin Weigel).

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:39 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Westfront

    Jacob: Was ist los mit dir, Jonas? Du sitzt da, sagst nichts, machst ein Gesicht wie Chefinspektor Brock im Spätdienst, trinken tust du auch nicht. Was hast du?

    Jonas: Ich mach mir Gedanken, Jacob.

    Jacob: Ach was? Worüber?

    Jonas: Über Philip Marlowe. Warum er immer im Trenchcoat rumgelaufen ist. In Kalifornien. Wo es nie geregnet hat. Damals. Im 20. Jahrhundert.

    Jacob: Ich sag dir was, Jonas. Du bist von der Rolle.

    Jonas: Sah ganz so aus. Vielleicht lag’s daran, daß Judith gerade ein viertel Jahr tot war. Oder daß mein letzter Fall schon zwei Monate zurücklag. Wie auch immer. Mit Jonas war nicht viel los. Mit dem Casablanca auch nicht. Außer Jonas nur zwei Gäste. Alter Mann. Junge Frau. Hinten in der Nische.

    Jacob: Weißt du, was ich glaube, Jonas? Ich glaube, du wirst alt. Kein Schwung mehr, kein Pep, du hast es schon hinter dir.

    Jonas: So, glaubst du, Jacob, das wollen wir doch mal sehen. Hören Sie, ja, Sie meine ich, und Sie auch. Haben Sie Probleme? Brauchen Sie einen Privatdetektiv? Völlig umsonst, kostet Sie keinen Euro. Einmaliges Sonderangebot.

    Baltasar: Belästigen Sie uns nicht, junger Mann.

    Ophelia: Augenblick, Baltasar. Ein Privatdetektiv, das ist doch keine schlechte Idee. Falls Sie wirklich einer sind, Herr...

    Jonas: Jonas. Nur Jonas. Und Jonas war wirklich einer. Genauer gesagt der. Der Privatdetektiv. Der einzige. Und der letzte. In Babylon und Umgebung.

    Baltasar: Gesellen Sie sich zu uns, Herr Jonas, nehmen Sie Platz, ich darf mich vorstellen, Baltasar, Schauspieldirektor.

    Jonas: Sie haben ein Theater.

    Ophelia: Nein, nein wir sind Amateure.

    Baltasar: Aber gut, Herr Jonas, ein hervorragendes Ensemble.

    Jonas: Wenn Sie das sagen. Wo kneift die Hose?

    Baltasar: Bitte?

    Jonas: Wo brennt's wo piekts, wo drückt der Schuh.

    Baltasar: Ich verstehe. Lassen Sie mich ein wenig ausholen, Herr Jonas, seit einigen Wochen proben wir ein Stück: Hamlet. Prinz von Dänemark, von William Shakespeare. Womöglich ist es Ihnen bekannt.

    Jonas: Sein oder nicht sein.

    Baltasar: Das ist hier die Frage, ganz recht, Herr Jonas.

    Sam: Was ist uns Hamlet und was sind wir ihm daß wir um ihn sollen weinen.

    Ophelia: O, was ist denn das?

    Jonas: Mein Taschencomputer. Sam mit Namen. Verbal. Ungeheuer verbal und ungeheuer gebildet. Hamlet ist für ihn ein Klacks. Ungeheuer eingebildet ist er auch. Dazu undiszipliniert, vorlaut und absolut unentbehrlich. Was würde ich machen ohne Sam.

    Sam: Dir zur Abwechslung mal selber was einfallen lassen du Kleinsthirn. Das ist ein Witz. Haha.

    Jonas: Und nochmal ha. Zurück zu Hamlet.

    Sam: Hahahamlet. Ha-ha-kotelett. Hammelkotelett.

    Jonas: Ruhe. Wo liegt Ihr Problem, Herr Baltasar.

    Baltasar: Kurz gesagt, Herr Jonas, Hamlet ist uns abhanden gekommen, unser Hauptdarsteller, seit drei Tagen ist er nicht zu den Proben erschienen.

    Ophelia: Und zu Hause ist er auch nicht.

    Baltasar: Niemand weiß, wo er sich aufhält, er ist, so hat es den Anschein, vom Erdboden verschwunden.

    Jonas: Und ich soll ihn für ihn suchen.

    Ophelia: Oh ja bitte.

    Baltasar: Ohne ihn sehen wir uns außerstande, unsere künstlerische Arbeit erfolgreich fortzuführen.

    Jonas: Wie heißt er?

    Domenico Dellasandro.

    Jonas: Wirklich?

    Baltasar: Das ist sein Künstlername, eigentlich heißt er Dalles.

    Ophelia: Dieter Dallas.

    Jonas: Kein sehr schöner Name, Dieter Dallas und der andere ist mir zu lang, ich bleibe bei Hamlet. Haben sie ein Bild vor ihm?

    Ophelia: Ja hier, ein Foto von der Probe.

    Sam: Ach herrje.

    Jonas: Hamlet war jung, dunkel, gutaussehend, sehr intensiv. Er wirkte, als wolle er sich aufschwingen, hoch über die abgelatschten Bretter der Hinterhofbühne, hoch über Babylon. Neben ihm das war sie, Ophelia, ihren richtigen Namen habe ich vergessen.

    Sam: Was ist ein Name. Schall und Rauch.

    Jonas: Für mich sind Sie Ophelia. Weil es steht Ihnen. Wo wohnt Ihr Hamlet.

    Ophelia: Ich bring Sie hin, ich habe einen Schlüssel, wir sind befreundet, und ich wohne im gleichen Haus.

    Sam: Haha, vielleicht auch nur im Zelt.

    Jonas: Ein Quader, auf die Schmalseite gestellt, vergraut, ausgefranst, 60 Stockwerke, in jedem Stockwerk 100 Cubics, von Cubiculum, sagt Sam, das ist lateinisch und heißt Zimmer, ein Cubic ist kein Zimmer, ein Cubic ist ein Wohnloch, für alleinstehende Volksrentner und -innen ohne Zusatzeinkommen, 2 mal 2 mal 3 Meter, alles was der Mensch braucht, und kein Millimeter mehr.

    Ophelia: Ich warte vor der Tür.

    Jonas: Das müssen Sie wohl. Liege, Waschbecken, Holoschirm, Stauraum, leer, nein hier ist was, Bücher, ha, drei Musketiere, König Salomos Diamanten, durchs wilde Kurdistan.

    Ophelia: Seine Bücher. Er hat sie immer wieder gelesen und sich begeistert an Abenteuern und Heldentaten, an Gefahr und Risiko. An allem was er nicht hatte und wonach er sich sehnte.

    Jonas: Ich verstehe, ich verstehe sehr gut.

    Sam: Wie ekel schal und flach und unersprießlich scheint ihm das ganze Treiben der Welt.

    Jonas: Du sagt es, Sammy.

    Sam: Nicht ich, Blödmann unliterarischer, Shakespeare Williamsbirne.

    Jonas: Auch gut. Er war also Nostalgiker, unser Hamlet.

    Ophelia: Er war unzufrieden, das Leben langweilte ihn, deshalb ist er zu uns gekommen, zu Baltasars Truppe, aber die Schauspielerei reichte ihm nicht. Er wollte

    Jonas: Na bitte, in Büchern findet ein Detektiv manchmal recht interessante Dinge, nicht wahr Sammy.

    Sam: Erlaube mir ergebenst Herrn Diplombibliotheksrat an Fall Sündenbock zu erinnern. Zwei Jahre sind seitdem ins Land gegangen, zwei lange Jahre oder mehr.

    Jonas: Shakespeare.

    Sam: Sam, Sam der Poet, Sam der Dichter, Sam der Reimer, Sam der Rammler.

    Jonas: Sam der Quatschkopf. Einen getürkten Notizzettel haben wir damals gefunden. In einem Krimi. Und heute

    Sam: Kopie einer Holotextseite.

    Ophelia: Vom 21. Oktober 2012, einen Tag, bevor er verschwunden ist.

    Jonas: Anzeigen, nur Anzeigen, eine ist eingekringelt.

    Ophelia: Enttäuscht, unzufrieden, auf der Suche, das Leben hat mehr zu bieten als Plan und Programm, als Volksrente und Alltagsfrust, leben Sie riskant, leben Sie gefährlich, leben Sie sinnvoll, machen Sie einen neuen Anfang, wir sagen Ihnen wie, fonieren Sie...

    Jonas: Ein guter Detektiv erkennt eine Spur auf Anhieb, besonders wenn sie ihm auf dem Tablett serviert wird. Ich fonierte und wurde für den nächsten Morgen zu einer Adresse im Zentrum bestellt, in eins der vielen lackierten Hochhäuser um den Ernst-August-Platz. Die Firma A wie Abenteuer residierte im 21. Stock, viel Platz, viel Geld, ein großzügiger Empfangsraum, Ledersessel, die fast echt aussahen, Tierfelle und alte Waffen unter Glas, unbezahlbare Antiquitäten. Hinter dem englischen Kapitänstisch eine perfekt gestylte Abenteuerin, Sonnenbräune, Safarikostüm aus Naturleinen, ein Lächeln so offen wie die Prärie und so gefährlich wie der Dschungel.

    Angestellte: Sie fühlen sich von unserer Anzeige angesprochen, Herr Jonas.

    Jonas: Ein Freund hat mich darauf aufmerksam gemacht.

    Angestellte: Sie sind enttäuscht, frustriert, unzufrieden.

    Jonas: Dieter Dalles. Er nennt sich auch Domenico Dellasandro.

    Angestellte: Sie sind auf der Suche.

    Jonas: Vor drei Tagen war er bei Ihnen, am 22.

    Angestellte: Durchaus möglich, Herr Jonas. Sie glauben ja nicht wie viel viele Babylonier den Wunsch haben, ihr Leben zu ändern, neu anzufangen und wir sagen

    Jonas: Sie sagen ihnen wie. Siehe Anzeige. Und was?

    Angestellte: Wie meinen Sie, Herr Jonas.

    Jonas: Ich meine was. Was tun Sie? Was tut die Firma A wie Abenteuer.

    Angestellte: Wir helfen, Herr Jonas, wir weisen hin, wir beraten.

    Jonas: Werben Sie Söldner?

    Angestellte: Nicht direkt, Herr Jonas.

    Jonas: Vermitteln Sie Jobs, gefährliche Jobs?

    Angestellte: Das kann man so nicht sagen. Erzählen Sie mir etwas von sich, Herr Jonas.

    Jonas: Ich sagte ihr, ich sei im Krieg gewesen, im antarktischen Krieg, vor 7 Jahren beim 9. Guerillakommando auf Feuerland. Mehrmals verwundet, mehrmals dekoriert. Das hörte sie gern.

    Angestellte: Auszeichnet, Herr Jonas, genau das was wir brauchen, erstklassiges Führungsmaterial. Wenn Sie einen Augenblick nebenan warten würden. Ich muß kurz noch Rücksprache nehmen, bevor ich Ihnen ein Angebot machen kann, das für Sie, dessen bin ich sicher von erheblichem Interesse sein wird. Die Tür rechts Herr Jonas.

    Jonas: Dieter Dallas alias Dallesandro.

    Angestellte: Richtig, Ihr Freund, ich werde nachforschen lassen, ob er uns aufgesucht hat und ob wir ihm weiterhelfen konnten. Ein paar Minuten, Herr Jonas, die Bar im Warteraum steht selbstverständlich zu Ihrer Verfügung.

    Jonas: Danke.

    Jonas: Eine großzügige Bar, jede Menge Flaschen, Whisky natürlich, Cognac, Wodka, aber auch Grappa und Tequila. Jonas ist altmodisch, Jonas ist Nostalgiker, Jonas hielt sich an Whisky. Scotch. Viel Scotch, wenig Wasser. Und beim Trinken machte ich mir Gedanken, über Ophelia, über den abenteuerlustigen Hamlet und über die seltsame Firma A wie Abenteuer. Ich dachte an den Krieg.

    Jonas: Krieg, wieso Krieg, der Krieg ist vorbei.

    Angestellte: Noch nicht, Herr Leutnant, aber es wird nicht mehr lange dauern. Prosit, Herr Leutnant, auf den Sieg unserer Waffen.

    Jonas: Auf den Endsieg. Leutnant. Ich bin nicht Leutnant, ich bin Detektiv. Der letzte Detektiv.

    Angestellte: Ist Ihnen nicht gut, Herr Leutnant, trinken Sie noch einen Schnaps, Herr Leutnant, auf unseren obersten Kriegsherrn seine Majestät Kaiser Wilhelm den zweiten.

    Jonas: Hurra Hurra Hurra. Unsinn, Unsinn, in Babylon gibt's keinen Kaiser, in Babylon gibt's nur eine Bürgermeisterin, und die taugt nichts.

    Angestellte: Wachen Sie auf, Herr Leutnant, Ihr Marschbefehl, Herr Leutnant, an die Westfront, ausgestellt am 10. März 1918, Herr Leutnant.

    Jonas: 1918, das ist nicht wahr. Das ist alles nicht wahr.

    Angestellte: Kommen Sie zu sich, Herr Leutnant, die Pflicht ruft, die Front wartet.

    Jonas: Jawohl.

    Jonas: Ich war wieder bei mir. Ich hatte geträumt, einen Alptraum, von der Zukunft, von einer riesengroßen Stadt namens Babylon, und von einem Detektiv, der so hieß wie ich. Aber jetzt war ich wach, und alles war klar, ich wußte wieder, wer ich war. Leutnant Jonas vom Jägersturmbataillon großherzogliches oldenburgisches Garderegiment zu Fuß, am 18. März 1918 unterwegs zur Westfront.

    Fahrer: Wenn Herr Leutnant gestatten, Herr Leutnant müssen aussteigen.

    Jonas: Sind wir schon da?

    Fahrer: So gut wie, Herr Leutnant. Ab hier müssen Herr Leutnant marschieren.

    Jonas: Welche Richtung.

    Fahrer: Da ist die Front, Herr Leutnant, wo geschossen wird, immer gerade aus durch den Annäherungsgraben. Hals und Bauchschuß, Herr Leutnant.

    Jonas: Ich sah mich um. Das war also die Westfront, tiefer Himmel, graue Wolken, graubraune Bodenwellen, kahl, abgesehen von schwarzen Baumskeletten, am Horizont Ruinen und Rauch, vor mir im diffusen grauen Hell-Dunkel rotes Flackern. Eine unwirkliche Szenerie. Ein Bühnenbild, eine Theaterlandschaft, und dazu passend die dumpfe Musik aus den Schlünden der Artillerie. Ich setzte mich in Marsch durch den Annäherungsgraben, vorbei an einem Flugplatz, an Wagenparks und Munitionsdepots, an Batterien, Feldkanonen, Haubitzen, an Marschkolonnen und Verwundetentransporten. Der Graben wurden tiefer, Quergräben tauchten auf, Unterstände, und dann ging's nicht weiter. Ich war da, in vorderster Linie.

    Major: Da sind Sie ja endlich. Willkommen im Schützengraben, Herr Kamerad. Schluck aus der Pulle?

    Jonas: Danke Herr Major. Leutnant Jonas meldet sich zur Stelle. Mein Marschbefehl.

    Major: Ja ja schon gut, die Fisimatenten können Sie sich sparen. Sie sind an der Front Mann, hier braucht man keine Männchen, hier kneift man den Arsch zusammen, verstanden.

    Jonas: Verstanden Herr Major.

    Major: Damit Sie sich gleich richtig eingewöhnen Herr Kamerad, Sie gehen heut nacht raus.

    Jonas: Raus, Herr Major.

    Major: Raus, rüber auf die andere Seite. Stoßtruppunternehmen. Ein paar Torries einsammeln, damit wir wissen, ob die was wissen.

    Jonas: Wissen, was wissen, Herr Major.

    Major: Na Sie sind gut. Letzte Nacht in der Etappe ordentlich einen draufgemacht was? Unsere Großoffensive Mann, Operation Michael. In den nächsten Tagen geht's los.

    Jonas: Jawohl Herr Major.

    Major: Ich geb Ihnen ein paar gute Leute für Ihren Stoßtrupp. Alte Frontschweine schon jahrelang draußen. Noch'n Schluck.

    Jonas: Danke verbindlichst, Herr Major.

    Major: Schlage vor, Sie peilen gleich mal die Lage, solange es noch hell ist.

    Jonas: Befehl Herr Major.

    Major: Doch nicht so, Mann, steckt der Kerl einfach seine Birne über den Rand. Was schicken die uns bloß für Heinis aus der Heimat. Sie sind vom Jägersturmbatallion.

    Jonas: Jawohl.

    Jonas: Oder vielleicht doch nicht, plötzlich wußte ich es nicht mehr genau. Der Major, der Graben, die Sandsäcke, die Soldaten, der hängende Himmel, alles wurde unscharf, fing an zu verschwimmen.

    Major: Reißen Sie sich zusammen Mann, ist ja nichts passiert. Sehen Sie durchs Scherenfernrohr.

    Jonas: Befehl Herr Major.

    Major: Also der Strich dort hinten etwa 50 Meter, das ist der Feind. Die vorderste Stellung der Tomies, und davor die Drahtverhaue, die MG-Nester, die Erdklumpen und vollgelaufenen Bombentrichter, die Leichen, die Ratten, der Gestank, der Schlamm, dieses hochkünstlerische Stilleben, ist das Niemandsland. Prägen Sie sich alles gut ein, Mann, da müssen Sie heute nacht durch.

    Jonas: Befehl, Herr Major.

    Major: Verdun liegt direkt vor uns. Der abgebrochene Kirchturm am Horizont, rechts fließt die Sonne da wo die verkohlten Weidestümpfe stehen. Die Berge dahinter, Sie können sie gerade noch sehen, das sind die Vogesen.

    Jonas: Irgendwas stimmte nicht, das spürte ich. Ganz deutlich. Irgendwas mit der Westfront, und mit mir. War ich wirklich Leutnant Jonas, wirklich im Jahr 1918, wirklich an der Front. Und was war mit dem rätselhaften Kasten aus irgendeinem harten Material in meiner Hosentasche. Behalten, sagte mir eine innere Stimme, auf gar keinen Fall wegschmeißen.

    Major: Schweres Trommelfeuer, der Tommy kriegt ordentlich Khartum. Wohl bekomm's. Uhrenvergleich, es ist jetzt 22 Uhr 18.

    Jonas: 22 Uhr 18 Herr Major.

    Major: In zwei Minuten rollt die Feuerwalze weiter nach vorn, dann gehen Sie rüber.

    Jonas: Jawohl Herr Major.

    Major: Gewehr und Bajot bleiben hier, nur Handgranaten und Spaten und ihre P08 natürlich. Es ist soweit, machen Sie's gut, Herr Kamerad. Los.

    Jonas: Raus aus dem Graben, mit meinem Trupp, leise und leise arbeiteten wir uns vor, durchs Niemandsland, Richtung feindlicher Graben, plötzlich ein Knall, ein scharfes Zischen, eine Leuchtkugel stieg auf, noch eine, ein ganzer Leuchtschirm, ich preßte mich in die Erde, versuchte mich unsichtbar zu machen, zwecklos, schweres MG-Feuer setzte ein, ich spürte einen Schlag gegen die Stirn, dann nichts mehr, gar nichts, jemand hatte die Welt abgestellt. Ich kam zu mir, Stille, Dämmerung, es wurde dunkler. Abend. Offenbar hatte ich eine ganze Nacht und einen ganzen Tag im Niemandsland gelegen, im Schlamm. In einem Granattrichter. In Gesellschaft diverser Gliedmaßen, Eingeweide, Uniformenfetzen. Jonas war noch ganz, abgesehen von der Schramme an der Stirn, wo mich ein Splitter getroffen hatte. Ich hatte Hunger und Durst. Feldflasche und eiserne Ration hatte ich verloren. Außerdem hatte ich ein Problem. Ich war Jonas. Nur Jonas. Der letzte Detektiv. Tätig zu Babylon Vereinigte Staaten von Europa im frühen 21. Jahrhundert, das wußte ich, das stand fest. Warum lag Jonas dann in feldgrau im der Westfront des 1. Weltkriegs herum, fast ein Jahrhundert vor seiner Zeit, das war mein Problem. In meiner Tasche war ein Ding, das Probleme lösen konnte. Ein Kästchen namens Sam. Ich holte es raus und drückte den Aktivierungsknopf.

    Sam: Leipzig, Rostock, Dresden, Halle Halleluja. Sammy ist auferstanden von den Toten. Auferstanden aus Ruinen und der Kuhzunft zugewandt. Jawohl, und er ist wieder bei seinem Jonas mit dem ist er wieder vereinigt. Theo gracias. In dulci jubilo.

    Jonas: Jubeln kannst du später, Sammy, jetzt wird gearbeitet. Wo sind wir.

    Sam: In der Wildnis, ehrfürchtigster Großmufti, nicht allzuweit von Babypsilon.

    Jonas: Was ist passiert, ich war bei dieser Firma A wie Abenteuer im Warteraum an der Bar. Der Whisky.

    Sam: Der Whisky, o du mein halt- und zuchtloser Dipsomane, gepanscht, versetzt mit einer Bewußtseinsdroge, Blow your mind.

    Jonas: Und Detektiv Jonas verwandelte sich in Leutnant Jonas, im Jahr 1918. Fall Spielwiese, weißt du noch Sammy, da war's ganz ähnlich. Wie hieß das Zeug Luzi.

    Sam: Luzinon du Franzenhirn.

    Jonas: So was muß im Whisky gewesen sein.

    Sam: Nicht nur im Whisky, Speis und Trank an dieser sogenannten Westfront.

    Jonas: Aber ja, Sammy, und weil ich fast 24 Stunden nichts gegessen und getrunken habe.

    Sam: Bist du wieder klar, Kumpel. Halleluja.

    Jonas: Halleluja, Sammy. Also, irgend jemand hat sich hier draußen in der Wildnis.

    Sam: Wo weder Recht gilt noch Gesetz.

    Jonas: Genau, da hat sich jemand ein Stück Westfront aus dem 1. Weltkrieg nach-gebaut, über Anzeigen besorgt er sich Rekruten, ihr Bewußtsein wird manipuliert.

    Sam: Durch schnöden Trank aus mitternächtgen Kraut, dreimal vom Fluche Hekates betaut. Shakespeare.

    Jonas: Apropos. Hamlet. Ich habe ihn nicht gesehen. Vielleicht ist er drüben bei den Tommies oder hier.

    Sam: Dies Stücklein Arm, dies Endchen Darm.

    Jonas: Hoffen wir das beste, Sammy. Weiter. Wie bin ich von Babylon hierhergekommen.

    Sam: Mittels E-Laster, euer Unbewußtheit, durch die Wildnis, durch ein Tor.

    Jonas: Ja Sammy. Und?

    Sam: Ja und da verließen sie ihn, das heißt mich. In jenem Tore nämlich, kaum vermag ich's über meine unschuldvollen Lippen zu bringen.

    Jonas: Du hast keine Lippen Sam. Was war mit dem Tor.

    Sam: Elektronische Barriere, ein gar hundwürdig Ding, so jedweden Computer, der es passiert, zum Absturz wohl mag bringen.

    Jonas: Aber du bist doch nicht abgestürzt, Sam.

    Sam: Nein und nimmer mehr, hat doch mein Herr in seiner übervollen Güte erst unlängst seinem Sammy was spendiert.

    Jonas: Richtig, spezielle Abstürzsicherung, nicht gerade billig.

    Sam: Doch lohnend Milord Knieckebein. Sam ist nicht abgestürzt, Sam wurde lediglich deaktiviert. Und nun.

    Jonas: Hab ich dich wieder aktiviert. OK dann sei mal ein bißchen aktiver, was hier gespielt wird.

    Sam: Klären wir später, wenn wir mehr Daten unser eigen nennen. Jetzt heißt's Parole Heimat, ab dafür, soweit die Füße tragen.

    Jonas: Einverstanden. Leutnant Jonas desertiert. Frage wie.

    Sam: Frage wie, so schnell wie möglich, trübe Tasse.

    Jonas: Weiß ich selber, wie Sammy.

    Sam: Fluchplatz. Gestern Fluchzeug.

    Jonas: Der klapprige Doppeldecker. Das Museumsstück. So was soll ich fliegen.

    Sam: Missio Marquis, wer im 21. Jahrhundert Helikopter steuert, der wird wohl doch keine Angst haben von einer Fokker D7 anno 1918.

    Jonas: Klar, alles ein Kinderspiel, sich durch die Linien schleichen, den Flugplatz finden, die Wache ins Bett schicken mit dem Griff meiner Luga P 08, die Maschine starten und hochziehen, im Dunkel, sowas macht Jonas jeden Tag, mit links. Ich war in der Luft, hoch über der Westfont. Kein sehr großes Gelände, drum herum eine beleuchtete Mauer, nur unterbrochen von einem zweistöckigen Torhaus. Seltsam, von unten wirkte der Horizont weit und endlos.

    Sam: Illusionsholos, du Blindschleierich, ringsum an der Mauer. An der Mauer auf der Lauer liegt ne kleine Tante.

    Jonas: Nicht viel los dahinten.

    Sam: Indeed Sir. All quiet an der Westfront.

    Jonas: Leuchtkugeln und MGs. Die schießen auf uns.

    Sam: Nur zu, da lacht er Hohn, der rote Baron.

    Jonas: Jonas ist nicht der rote Baron, Sammy, und du bist nicht Snopy.

    Sam: Na ja.

    Jonas: Die Maschine ist getroffen, Sam.

    Sam: Jedoch sie hält sich noch. Flieg zu.

    Jonas: Wohin?

    Sam: Dorthin mein Freund, wo fern im Westen ein Widerschein den Horizont erhellt.

    Jonas: Babylon?

    Sam: Babylon, Heimat, süße Heimat.

    Jonas: Schaffen wir nicht, Sammy, der Motor setzt aus.

    Sam: Keine Panik, flieg weiter so lang die Füße tagen.

    Jonas: Und dann?

    Sam: Steigst du aus.

    Jonas: Einfach so.

    Sam: Kannst machen wir du willst, du Knallkopf, du kannst aber auch den Fallschirm nehmen unter dem Sitz. Hals und Leisterbruch.

    Jonas: Am nächsten Tag in Babylon, zu Hause, in meinem Büroapartment. Heimkehrer Jonas war noch etwas mitgenommen, aber schon weitgehend aufgefrischt, und der Zukunft zugewandt.

    Sam: Hein ist der Seemann, hein vonne See. Und der Jäger heim aus der Berge.

    Jonas: Shakespeare?

    Sam: Halt, euer Unbilden, Robert Louis Stevenson.

    Jonas: Wer immer das ist oder war.

    Fonrobot: Hallöchen, tut uns ganz ganz furchtbar leid, unter der Nummer kriegst du keinen Anschluß mehr, die lieben Menschen von A wie Abenteuer sind nicht mehr da, die ganze Firma ist weg, tatü, A wie aufgelöst. Hallöchen tut uns ganz ganz...

    Jonas: Aufgelöst.

    Sam: Aufschlußreich.

    Jonas: Aber nicht hilfreich.

    Sam: Mein Gott, Walter, mußt du denn in einer Tour hetzen, jachern und wulackern. Mach mal Pause, leg die Beine hoch, trink gemütlich eine Tasse Sojakaff.

    Jonas: Sammy, da draußen sterben Menschen. Da wird gebombt und geschossen.

    Sam: Well, life is no cherrypicking.

    Jonas: Das muß aufhören, Sam. Darum muß Jonas wissen, was da los ist, wer dahinter steckt und die Fäden zieht.

    Sam: Lobenswert euer Wohlmeinen.

    Jonas: Außerdem hat Jonas einen Auftrag.

    Sam: Ach Gott, Auftrag für noth für nix und wieder nix.

    Jonas: Das spielt keine Rolle, Sammy, Auftrag ist Auftrag. Also, Machen wir einen Plan. A wie Abenteuer ist untergetaucht. Wir müssen woanders einhaken, zurück zum Kriegsschauplatz in die Wildnis.

    Sam: Ohne neue Daten, wohl Lebensmüde, was. Da ist kein Plan, du Pappnase, das ist Schrott.

    Jonas: So Schrott, weiß du was Schrott ist, Sammy, ein gewisser Computer veraltet verdreht.

    Sam: Verbumdielt.

    Jonas: Genau. Der ist Schrott, Sam.

    Sam: Als ob du dir was besseres leisten könntest, korinthenkackende Kirchenmaus.

    Jonas: Tusche. Hast du einen besseren Vorschlag.

    Sam: Aber immer. Bohren du Bumsprägen, stochern.

    Jonas: Das Boot zum Schaukeln bringen.

    Sam: Vorausgesetzt, Oberbootsmann Smart bleiben stets der Tatsache eingedenk, daß er selbst einen Insassen besagten Bootes bildet.

    Jonas: Schon gut, Sammy, was da draußen abläuft ist der 1. Weltkrieg, in komprimierter Form sozusagen, maßstäblich verkleinert. Wer ist Experte.

    Sam: Für Weltkrieg 1, mein Herr und Meister.

    Sam: Nur einen einzigen gibt's in Babylon, sein Name Professor Morell, historisches Institut, Philosophische Fakultät, Universität von Babylon.

    Jonas: Professor Morell war in seinem Arbeitszimmer im Institut. Er war bereit Jonas zu empfangen und sich anzuhören, was Jonas zu erzählen hatte.

    Morell: Eine fantastische Geschichte, Herr...

    Jonas: Jonas, nur Jonas.

    Morell: Sind Sie sicher, daß es sich nicht um einen Traum handelt oder eine Halluzination womöglich. Pflegen Sie Solipsin zu sich zu nehmen, Plastikiff. Kleiner Fehlgriff bei der Dosierung und Sie erleben die unwahrscheinlichsten Dinge im Kopf.

    Jonas: Das ist nicht die Frage, Professor.

    Morell: Nein? Und was ist, wenn ich fragen darf, die Frage?

    Jonas: Entspricht das was ich erlebt habe der historischen Realität des 1. Weltkriegs.

    Morell: Teils teils, Herr Jonas, Waffen, Gerätschaften scheinen, soweit ich das nach Ihrer Schilderung beurteilen kann, historisch zu sein, die Chronologie des gleichen. Diskrepanzen sehe ich vor allem in der Topographie. Zwischen der Sonne und den Vogesen liegen gut 300 km.

    Jonas: Ich bin also nicht ins Jahr 1918 zurückversetzt worden.

    Morell: Sie meinen durch eine Zeitmaschine oder dergleichen, mein lieber Herr Jonas, so was gibt es nur in Sciencefiction-Romanen. Ich glaube sie haben geträumt.

    Jonas: Zurück ins Büro. Feierabend für heute. Es wurde schon dunkel. Hatte mein Besuch bei Morell das Boot zum Schaukeln gebracht. Ich war nicht sicher, aber dann als ich meine Bürotür aufschloß war ich sicher. Ein Schlag, ein plötzlicher heftiger Schlag auf den Kopf, Stärke 12 auf der nach oben offenen Richterskala. Mindestens. Ich war Richthofen, der rote Baron, ich ritt auf meinem Albator D 2 durch die Wolken und schoß den Feind daher so wie es mir gefiel. Und dann wachte ich auf, in meinem Büro, auf dem Fußboden, Hände auf den Rücken gefesselt, Füße zusammengebunden.

    Alk: Hey, Kutte, mach hin.

    Kutte: Nicht nervös werden, Alk, Spaß muß sein, wir warten, bis die dumme Sau richtig wach ist, und dann sagen wir dem Arsch, was wir mit ihm machen, Schnellkleber ins Maul und in den Rüssel, und dann bescheißt er sich vor Angst.

    Alk: Ey scharf, Kutte.

    Kutte: Und dann hältst du ihm die Birne fest, Alk, und ich schmier ihn zu, und dann läßt du ihn los, und dann würgt er und hopst rum, wie angestochen.

    Alk: Ey geil, Kutte.

    Kutte: Und Stielaugen macht er und den Boden kratzt er auf und das Blut zischt ihm nur so aus den Lauschern. Und schön blau wird er.

    Alk: Ey super Kutte.

    Jonas: Zwei Youngster, rote Gesichter, Stoppelhaarschnitt, Goldringe in den Ohren, Hools, Hooligans, ein Killerkommando, ohne Laserstrahler, ohne Revolver, mit einer Plastikflasche Schnellkleber, billig und effizient. Ausgesprochen lebensgefährlich, aber Jonas war auf sowas vorbereitet. Ich stöhnte und rutschte ein bißchen zur Seite. So, jetzt stand er richtig, der Wortführer mit der Leimflache, an meinen Füßen direkt vor dem Fenster.

    Alk: Hey Kutte, der Arsch ist wach.

    Jonas: Sam.

    Sam: Monsignore wünschen.

    Jonas: Notfallplan B und F.

    Sam: Zu Befehl Herr Leutnant.

    Kutte: Scheißeeeeeeeeeeee!

    Alk: Hey Kutte, was ist Kutte.

    Jonas: Was war passiert. Sammy der das Leitsystem des Büro kennt wie seine nicht vorhanden Westentasche, hatte das Licht aus und das Fenster auf gemacht, und Jonas hatte die Knie angezogen und Killer Kutte in den Bauch getreten, worauf der rücklings aus dem Fenster flog. Nicht ganz so elegant wie der rote Baron, vielleicht lag's daran, daß er kein Flugzeug hatte. Kumpel Alk tapste herum, wußte nicht, was er tun sollte. Sam half ihm, mit seiner bekanten und beliebten Imitation einer Polizeisirene.

    Alk: Ey Scheiße, die Bullen.

    Jonas: Kannst aufhören, Sammy, die Luft ist rein und mach das Licht wieder an.

    Sam: Ja.

    Jonas: Die Fesseln sind wir los. Amateure.

    Sam: Zur Gänze die meinige Meinung, Meister aller Klassen, blutige Dilltunten.

    Jonas: Was sich auf die schnelle so auftreiben ließ. Ich bin mir ganz sicher, Sammy, kaum war Jonas raus, hat Morell sich ans Fon gehängt und den großen Hintermann angerufen.

    Sam: Warum nicht Hinterfrau, alter Chauvi.

    Jonas: Sagen wir Hinterperson, und die hat uns gleich die beiden Hools auf den Hals gehetzt als Schnellschuß. Die nächsten Killer sind bestimmt schon unterwegs, echte Profis, da geh ich jede Wette ein.

    Sam: Nun denn und wohl, brechen wir im Zorn und stoßen wir was.

    Jonas: Was.

    Sam: Korrektur stoßen wir ins Horn und brechen wir auf.

    Jonas: OK. Wohin Casablanca?

    Sam: Da als Schlupfloch meines Jonas weithin bekannt weniger empfehlenswert.

    Jonas: Der arme Schlucker.

    Sam: Dito Dösbackel.

    Jonas: Mit fällt was ein, Sam. Hamlets Cubic ist frei.

    Sam: Hehe, und die Dame Ophelia hat den Rüssel Korrektur Schlüssel.

    Jonas: Die Dame Ophelia war gar nicht mal sehr ungehalten, als Jonas sie zu später Stunde herausklingelte. Vielleicht hätte sie mir gern mehr gegeben als nur den Schlüssel zu Hamlets Cubic. Aber dafür war keine Zeit. Das Boot schaukelte kräftig und durfte nicht zur Ruhe kommen.

    Sam: Babylon Korrektur Babypsilon West, am Schwanensee 1 9 sprich 19.

    Jonas: Unmöglich, Sammy, viel zu feine Gegend.

    Sam: Naja.

    Ophelia: Am Schwanensee wohnen die Reichen und Prominenten, Holostars, Unternehmer.

    Jonas: Wie Martin Sesam, Produzent von Zierzwergen. Weißt du noch Sammy.

    Ophelia: Aber keine Professoren. Ihr Computer muß sich irren.

    Sam: Ohohohoho, Sam wiederholt: Privatadresse Professor Morell: Babylon West Am Schwanensee 19. Ende der Durchsage. Keine Diskussion.

    Ophelia: Ah, ist er jetzt beleidigt.

    Jonas: Das macht nichts, Ophelia, Sammy wird sich schnell wieder bekrabbeln.

    Sam: Wird er nicht. Das macht nichts Ophelia. Kannalie kaltschnäuzige.

    Jonas: Bis ich am Schwanssee bin kannst du in der Tasche vor dich hinschmollen. Danke für den Schlüssel, Ophelia, Sie hören von mir.

    Ophelia: Ja, ich, ich würde sehr gerne mitkommen, Jonas.

    Sam: Nein.

    Jonas: Ruhe da unten auf den billigen Plätzen, kommen Sie, Ophelia.

    Sam: Kommen Sie Ophelia. Kommen Sie. Sei still Computer klage nicht und zeig kein lächelnde Gesicht. Doch wies da drinnen aussieht, geht niemand was an.

    Jonas: In dem Haus hätten 20 Privatdetektive leben können, aber hier wohnte nur ein Professor, allein, keine Frau, kein Mann, kein Kind, keine Beziehung. Allein in einem Luxusambiente, das 20 Detektive sich nie hätten leisten könnten. Echtholzmöbel, Echtölbilder, Echtglasvitrinen voll Echtporzellan. Echtwollteppiche. Echt antik.

    Ophelia: Vielleicht hat er echt geerbt.

    Sam: Echt hat er nicht echt echt.

    Jonas: Schön daß du wieder bei uns bist, Sammy.

    Sam: Bin ich schon lange du Blockkop. Ihr wärt gar nicht ins Haus gekommen, hätte Sam euch nicht das Sicherheitssystem aus dem Weg geräumt.

    Jonas: Nett von dir.

    Sam: Die Servorobots hab ich auch gleich lahmgelegt.

    Jonas: Wunderbar. Dann haben wir’s nur mit Morell zu tun.

    Sam: Hier schläft er, der Schnarchsack, hinter dieser Tür.

    Ophelia: Wecken wir ihn auf, Jonas.

    Jonas: Das macht Sammy. Los Trompete von Jericho.

    Sam: Äh Attacke.

    Jonas: Auch Morells Nachtgewand war vermutlich echt antik, aus dem 1. Weltkrieg, lang, weiß mit Rüschen. Sein Träger war ernst verwirrt, dann empört, darunter lag Angst und ein ausgesprochen schlechtes Gewissen.

    Morell: Sie Sie mit Ihren fixen Ideen, lassen Sie mich in Frieden. Wie sind Sie überhaupt hier rein gekommen.

    Jonas: Das ist nicht die Frage, Professor Morell, die Frage ist, was wissen Sie über die Pseudowestfront draußen in der Wildnis?

    Morell: Verlassen Sie mein Haus, Sie und dieses Weibstück, auf der Stelle.

    Jonas: Sie wollen also nicht reden, Professor. Gut, wir steigen um, auf Boxhandschuhe und harte Bandagen.

    Morell: Sie, Sie dürfen mir nichts tun, Sie sind nicht die Polizei. Sie sind nur Privatdetektiv.

    Jonas: Ach ja, hören Sie mal zu, Morell, wenn die Kripo Sie ins Gesicht haut, ist das legal, wenn ich Sie ins Gesicht haue, ist das.

    Morell: Illegal, absolut illegal.

    Jonas: Jawohl illegal, aber es tut genauso weh, vielleicht noch mehr, und mich stört es nicht, Jonas ist ein ziemlich illegaler Typ.

    Morell: Ich sage nichts, kein Wort und wenn Sie mich totschlagen.

    Sam: Warum nicht.

    Jonas: Morell übertrieb, totschlagen wollte ich ihn nicht, foltern auch nicht, obwohl Sammy mir ein paar raffinierte Methoden vorschlug. Es ging auch anders. Bringt Gewalt gegen Personen Sie nicht zum Erfolg, so empfiehlt sich in manchen Fällen Gewalt gegen Sachen, sagt das kleine Handbuch für Privatdetektive und solche, die es werden wollen. Gewalt gegen Sachen, schöne Sachen, teure Sachen, echt antike Sachen.

    Sam: Herr Brandkassenobergutachter könnten ein Ölschinken ankokeln oder den Perser zu dero liebwerten Füßen.

    Jonas: Macht auf Sie alles keinen Eindruck, Morell. Wenn ich mir die komischen Porzellanmännchen vornehme, hier in der Glasvitrine.

    Morell: Um Gotteswillen.

    Jonas: Na bitte, direkt ins Schwarze.

    Morell: Meine Meißen Sammlung. Mein Gott, das war ein echter Kandler.

    Sam: Weiter so.

    Morell: Aufhören, bitte hören Sie auf, ich sage Ihnen, was Sie wissen wollen.

    Sam: Aber ausführlich.

    Jonas: Und das tat er. Ausführlich. Mit allen Einzelheiten. Wenn er mal zu lange Pause machte, brauchte Jonas nur nach einer Porzellanfigur zu greifen. Dann lief's wieder. Die Westfront, sagte Morell, war ein Spielbrett, an dem zwei Spieler ein Kriegsspiel spielten, mit scharfen Waffen und lebenden Soldaten. Zwei Superreiche und Supermächtige.

    Morell: Frau Astoria Waldorf.

    Jonas: Chefin der Multifirma Multipharm, kennen wir, kennen wir gut, was Sammy.

    Sam: Hmh. Fall Spielwiese, o Herrscher aller Fakten.

    Morell: Und Herr Adolf Beringer.

    Sam: Besitzer und Präsident von Supermedia.

    Jonas: Supermedia kennen wir doch auch, wenigstens indirekt.

    Sam: Siehe Fall Megastar. Juli 2011.

    Jonas: Weiter Morell, Sie sind doch wohl nicht müde.

    Morell: Nein nein, also beide haben das Gelände erworben und ausgebaut, schon vor ein paar Jahren, von Frau Waldorf stammt die Droge, die Droge die das Bewußtsein der Spielfiguren beeinflußt, wenn ich mal so sagen darf.

    Jonas: Luzinon. Hab ich mir doch gleich gedacht.

    Sam: Was denn du Dumpfhirn?

    Morell: Beringer stellt die medientechnische Ausstattung, die fernlenkbaren Mikrocams, die den Krieg aufnehmen, Bild und Ton, und in den zentralen Gefechtsstand übertragen und die Leitung von der Zentrale zu den Kommandeuren unten.

    Jonas: Da kommt also der Befehl von oben, und unten wird angegriffen, und verteidigt, geschossen, gesiegt und verloren. Trommelfeuer, Grabenkampf, Tote, Verwundete. Warum gerade der 1. Weltkrieg, Professor?

    Morell: Meine Idee, Herr Jonas, der 1. Weltkrieg, das war noch ein Krieg, Herr Jonas. Der Krieg der Kriege. Extreme Bewährung, Mann gegen Mann. Opfer Frontgeist.

    Jonas: Dreck, Blut, Angst.

    Morell: Genau Herr Jonas, wissen Sie, Waldorf und Beringer haben beide einen gewissen Hang zum nun ja Primitiven, Atavistischen, sie wissen, daß sie Wirtschaft und Politik in Babylon, in ganz Europa entscheidend mitbestimmen, aber dieses Wissen genügt ihnen nicht, sie wollen ihre Macht spüren, direkt, sie auskosten, physisch erleben, sehen, schmecken, berühren.

    Jonas: Und Sie Morell, was ist Ihre Rolle in diesem Spiel.

    Morell: Nein, nicht. Die Herrschaften haben mich als historischen Berater engagiert, als Gutachter und Schiedsrichter.

    Jonas: Einträglicher Job wie man sieht. Wo ist der zentrale Gefechtsstand. Na?

    Morell: Draußen, direkt am Kriegsschauplatz im Torhaus.

    Jonas: Aha. Na dann wollen wir mal.

    Ophelia: Und was machen wir mit ihm, Jonas?

    Jonas: Morell nehmen wir mit. Sonst ist er gleich am Fon und warnt seine Brötchengeber. Wie heute nachmittag, außerdem kommen wir mit ihm sicher leichter in die Zentrale. Als Berater haben Sie doch wohl eine Paßscheibe, Morell.

    Sam: Er hat noch was, der schäbige Schreibtischtäter. Eine E-Limousine, in der Garage hinterm Haus.

    Jonas: Der zentrale Gefechtsstand war ein weiter fensterloser Raum, ein Raum, der das ganze obere Stockwerk des Torhauses ausfüllte. In der Mitte standen zwei gewaltige Konsolen, mit Mikrophonen, Knöpfen, Reglern, dazwischen erhob sich eine Wand, beidseitig bestückt mit zahllosen Monitoren. An jeder Konsole saß ein Spieler. Angespannt. Konzentriert. Keiner der beiden sah auf, als ich die Tür öffnete und wir leise den Raum betraten. Auch Morell war leise, notgedrungen, er hatte die Mündung meines Laserstrahlers im Rücken.

    Waldorf: So werter Kollege nun sehen Sie mal zu, wie Sie meinen Durchbruch stoppen und noch einen kleinen Gasangriff obendrauf. Grünkreuz werter Kollege.

    Beringer: Um eine Frontbegradigung komme ich da wohl kaum herum, werte Kollegin, aber triumphieren sie nicht zu früh, meine Tanks sind in Kürze einsatzbereit.

    Jonas: Wie schön. Hals und Bauchschuß allerseits.

    Waldorf: Jonas, Sie sind nicht tot?

    Jonas: Wie Sie sehen, Frau Waldorf. Ich habe den 1. Weltkrieg überlebt und Ihre Hooligans auch. Stellen Sie mir Ihren Freund vor.

    Waldorf: Freund, der Herr ist das genaue Gegenteil. Mein alter Feind Adolf Beringer.

    Jonas: So habe ich mir einen obersten Kriegsherr immer vorstellt. Alt, fett, Glatze. Wie läuft's denn so, Herr Beringer.

    Beringer: Danke, mäßig, meine Truppen haben gerade einen kleinen Rückschlag erlitten.

    Morell: Offensive Michael, Herr Beringer, 21. März 1918.

    Ophelia: Dieter. Nein. O Gott. Er ist tot.

    Sam: Na endlich.

    Jonas: Hamlet. Gefallen. Zerrissen von einer Handgranate, und Ophelia hatte zugesehen auf dem Monitor. Damit war mein Auftrag erledigt. Aber noch nicht der Fall. Jonas hatte noch was zu erledigen.

    Waldorf: Kein Grund zum Jammern, meine Liebe, Ihr Freund hat gekriegt was er wollte, ein kurzes intensives Leben, Gefahren, Abenteuer, Risiko.

    Ophelia: Einen schrecklichen Tod.

    Waldorf: Der gehört dazu, zwangsläufig, wenn Sie's nur richtig sehen, haben wir ihm einen Gefallen getan.

    Beringer: Der Gesellschaft übrigens auch, in dem wie sie von Menschen wie ihm befreien, von Störenfrieden, unruhigen Elementen, Nichtangepaßten.

    Jonas: Wahre Wohltäter der Menschheit Sie beide.

    Waldorf: Auf so hohes Lob erheben wir keinen Anspruch, Jonas. Wir sind Spieler.

    Beringer: Wir spielen. Wir frönen unserer Leidenschaft.

    Waldorf: Am Anfang haben wir Schach gegeneinander gespielt, Beringer und ich.

    Beringer: Dann kamen klassische Kriegsspiele im Sandkasten, elektronische Simulationen.

    Waldorf: Gladiatorenkämpfe im Colloseum haben wir veranstaltet, Duelle gesponsert, aber das war alles nicht das wahre.

    Beringer: Es war nur Ersatz, nur als ob.

    Waldorf: Bis wir auf die Idee kamen, richtig Krieg zu spielen, in großem Stil mit ganzen Armeen lebendiger Spielfiguren.

    Beringer: Ein erhabenes, ein ungeheueres Gefühl. Wir spielen Schicksal.

    Waldorf: Wir sagen es werde und es wird.

    Jonas: So ist das. Darf ich mal, das Mikro: Friede. Es werde Friede. Waffenstillstand. Der Krieg ist aus. Ach mach doch die passende Begleitung Sam, du kannst das ja.

    Sam: Ach, darf auch ich mal wieder, na ja dann, mit Wonne o du mein Berthold von Suttner, Ding Dong, Ping Pong, King Kong.

    Jonas: Die Waffen nieder, jetzt spielte Jonas Schicksal und zwar gründlich: Drei Befehle gab ich den Soldaten auf beiden Seiten der Front. Die Kampfhandlungen einstellen. Nichts essen und nichts trinken. Den Kriegsschauplatz verlassen und nach Hause gehen. Ich schaltete die Holos an der Mauer aus und wartete mit Ophelia, mit Waldorf, Beringer, Morell. Stundenlang. Bis sich auf den Monitoren nichts mehr rührte.

    Waldorf: Sie sind ein Spielverderber, Jonas.

    Jonas: Das Spiel ist noch nicht zu Ende, meine Herrschaften, das Spiel geht weiter.

    Sam: Jawoll.

    Beringer: Wie denn. Es sind doch keine Figuren mehr auf dem Feld.

    Jonas: Wir schicken neue raus. Sehen Sie, zu allen Zeiten hatten alle Soldaten einen Traum, daß die die den Krieg wollen und herbeiführen, ihn selbst auszutragen haben

    Sam: Ein Ziel aufs innigste zu wünschen. Shakespeare.

    Waldorf: Sie meinen doch wohl nicht.

    Sam: Doch er meint.

    Jonas: Ich meine. Sie gehen raus, Frau Waldorf, Herr Beringer, und Ihren zahmen Professor nehmen Sie mit.

    Sam: Und zwar hurtig.

    Jonas: Sie wollten natürlich nicht, aber sie mußten. Wir fütterten sie mit Frontrationen aus dem Kommissariat unten im Torhaus, und als die Droge sie ins Jahr 1918 versetzt hatte, trieb ich sie aufs Schlachtfeld, ich machte das Tor hinter ihnen dicht und stellte die Holos wieder an. Viel Vergnügen. Waffen würden sie mehr als genug finden. Wir fuhren zurück nach Babylon. Ophelia war stumm, und traurig. Jonas dachte nach. Ob er sie trösten sollte. Und wie. Und Sammy, der deklamierte.

    Sam: Von Taten fleischlich blutig unnatürlich zufälligen Gerichten blindem Mord, von Toden durch Gewalt und List bewirkt und Plänen die verfehlt zurückgefallen auf der Erfinder Haupt.

    Jonas: Der Rest ist Schweigen.

    Das war Westfront. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam: Peer Augustinski. Außerdem wirkten mit: Ute Willing, Jochen Busse, Harald Dietl, Hans Günter Martens, Horst Sachtleben und viele andere (Monika Woytowicz, Inge Solbrig, Hans Stetter, Udo Wachtveitl, Detlef Kügow, Hans Peder Hermansen, Werner Klein). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Assistenz: Wolfgang Ruhdörfer. Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1991). Redaktion: Erwin Weigel.

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    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Attentat

    Jonas: August 2012. Hochsommer. Brütende Hitze. Die Klimaregulierung war kaputt. Wie immer. Babylon, die große Stadt, stank zum Himmel. Ein gigantischer Misthaufen. Verrottet. Verwest. Verfallen. Und trotzdem begehrt. Manche reißen sich sogar darum. Alle fünf Jahre. Wenn die Wahl zum Bürgermeister ansteht.

    Wahlrobot: Harry Hauer. Nur Harry Hauer. Ihr Kandidat. Neu. Harry Hauer. Wer hat sich hochgearbeitet vom Volksrentner zum Multimilliardär? Harry Hauer. Wen braucht Babylon? Harry Hauer. Wer wird Bürgermeister? Harry Hauer. Harry Hauer Nur Harry Hauer. Harry Hauer. Nur Harry Hauer. Ihr Kandidat. Neu. Unverbraucht. Harry Hauer. Wer hat sich hochgearbeitet vom Volksrentner zum Multimilliardär? Harry Hauer. Wen braucht Babylon? Harry Hauer. Wer wird Bürgermeister? Harry Hauer. Wen wählen Sie? Harry Hauer. Nur Harry Hauer. Harry Hauer. Nur Harry Hauer. Ihr Kandidat. Neu. Unverbraucht. Harry Hauer... Wen wählen Sie?...

    Jonas: Überall Wahlrobots und Slogomaten. Elektronische Pappköpfe mit Lautsprechern, auf Straßen und Plätzen, in der Metro, vor Fenstern und Türen. Keine Ruhe bei Tag und Nacht. Ich setzte mich entnervt ab ins Casablanca. Jacob duldet keine Wahlrobots in seiner Kneipe. Aber die Wahl wurde ich auch hier nicht los.

    Jacob: Und für wen bist du, Jonas?

    Jonas: Für Jonas. Nur für Jonas. Whisky, Jacob, oder was du so nennst.

    Jacob: Weiß ich doch. Ich meine, was wählst du Sonntag.

    Jonas: Meine Ruhe.

    Jacob: Aber wetten wirst du doch wohl oder?

    Jonas: In Babylon wettet jeder, obwohl es verboten ist, oder vielleicht gerade weil. Gemanaged wird das Wettgeschäft von der Korporation, dem organisierten Verbrechen. Und gewettet wird auf alles und jedes, nichts ist zu mies. Nicht mal die Bürgermeisterwahl.

    Jacob: Willst du einen Tip, Jonas.

    Jonas: Brauch ich nicht. 5 zu 4 für Bürgermeisterin Paretzky.

    Jacob: Denkst du, längst überholt. Letzte Woche ist Harry Hauer an die Notschka vorbeigezogen, und weißt du, wer auf ihn gesetzt hat.

    Jonas: Klar, die eigene Partei, muß sie ja wohl.

    Jacob: Aber gleich so hoch, wo alle Umfragen die Paretzky vorne sehen. Sicher, groß ist ihr Vorsprung nicht, aber trotzdem, komisch irgendwie.

    Jonas: Deine Sorgen möcht ich haben, Jacob. Noch einen.

    Jacob: Und gestern, das bleibt aber unter uns, gestern hat einer Millionen darauf gewettet, daß Hauer nicht Bürgermeister wird, Millionen, Jonas.

    Jonas: Wer?

    Jacob: Weiß keiner. Um drei Ecken, über Strohmänner. Also wenn du mich fragst, Jonas.

    Jonas: Ich frag dich aber nicht, Jacob.

    Jacob: Da wird ganz massiv geschoben.

    Jonas: Ist ja nicht zu glauben. Du hast meinen Whisky vergessen Jacob.

    Sam: Typisch, der würde auch seinen Ar... Korrektur der würde auch seinen Arm vergessen, wenn der nicht fest angeklebt wäre. Tätätätät ich bin die Sammy von der Post, vom Himmel hoch da komm ich her und hab nen schön ganz dicken Sack mit.

    Jonas: Was da in meiner Tasche grölte, war natürlich Sam, mein sogenannter Computer. Plastikzwerg und rhetorischer Riese. Vollgestopft mit Nanachips und mit 1001 Sprachprogramm. Schon etwas angestaubt, aber kein bißchen leise, ein verbales Versuchsmodell anno 2005, das keiner haben wollte, außer Jonas, und der auch nur weil's billig war. Man kann sich an alles gewöhnen, sogar an Sam, wenn ich nur wüßte wie.

    Jacob: Bei mir ist das so: wenn Menschen reden, halten Computer die Schnauze.

    Sam: Selber Schnauze, alter Giftmischer. Du hast mir gar nichts zu sagen.

    Jacob: Werd du frech, du elektronischer Lachsack.

    Sam: Wer nichts wird, wird Wirt, so spricht das Volk, ein wahres Wort, Damen und Herren, wie sich soeben.

    Jonas: Ruhe.

    Sam: Lachsack hat er zu mir gesagt, der Gehirntyp.

    Jacob: Muß ich mir das von deiner Taschenwanze bieten lassen.

    Jonas: Ruhe. Reg dich ab Jacob und gieß mir endlich einen ein, dir auch.

    Sam: Und Sammy?

    Jonas: Du sagst mir was los ist. Kurz klar.

    Sam: Kurz klar. Militärisch jawohl zackzack, eine Botschaft über den heißen Draht, Persönliche Dringlichkeitsstufe Eins A.

    Jonas: Meinen Eins A Code kennen nur zwei, eine ist tot. Hallo Darling, wo brennt's.

    Belinda: Ich brauch dich Jonas.

    Sam: Wer nicht.

    Jonas: Juno Belina, genannt Darling. Nicht nur von ihren Freunden. Ich war ein Freund, ein ganz alter noch von der Guerillafachschule her und danach waren wir in Verbindung geblieben, freundschaftlich, aber locker.

    Belinda: Hast du heute abend was vor, Jonas?

    Jonas: Für dich würd ich alles absagen, Darling.

    Belinda: Das ist gut. Ein Aushilfsjob nur für ein paar Stunden.

    Jonas: Ach so.

    Belinda: Komm gleich rüber, du weißt ja wo.

    Jonas: Darling Belinda hatte es zu was gebracht, Besitzerin und Chefin von Safety First, ein kleiner aber effizienter privater Sicherheitsdienst. Einträglich auch, mit einer Adresse am feinen Markgrafenboulevard, im obersten Stock einer atemberaubenden Konstruktion, die höher war als die babylonische Nettoverschuldung.

    Belinda: Leben ist plötzlich ausgefallen.

    Jonas: Herzinfarkt.

    Belinda: Laserstrahler. Ich hab sonst keine frei.

    Jonas: Du brauchst nicht Jonas, Darling, du brauchst einen Sicherheitsexperten.

    Belinda: Wenn ich mich recht erinnere ist Jonas Sicherheitsexperte, einer der besten.

    Jonas: Mag sein, aber eigentlich bin ich Detektiv. Der letzte Detektiv. Ein Philip Marlowe Ableger im falschen Jahrhundert, nicht daß ich nichts zu tun hätte, manchmal mehr als mir lieb ist, ein interessanter Beruf, ab und zu gefährlich, ziemlich einsam, einträglich weniger. Einen echten Holzschreibtisch kann ich mir nicht leisten.

    Belinda: Nur kein Neid Jonas, Du hättest dich mit mir zusammen tun können damals nach dem Krieg, aber du wolltest ja unbedingt frei sein, Einzelgänger, aufrecht, geradlinig, lakonisch, ungebrochen und arm.

    Jonas: Aber glücklich.

    Belinda: Wirklich Jonas? OK. Safety First hat den Sicherheitsdienst für die WORF übernommen, das heißt für Harry Hauer.

    Jonas: Der Teufel soll ihn holen und die Bürgermeisterin und die ganze verdammte Wahl gleich dazu.

    Belinda: Was hast du gegen die Wahl, Jonas, mir bringt sie was ein, und dir auch, wenn du willst.

    Jonas: Bei uns gibt's Leute, die gern auf Politiker schießen. Verrückte, Terroristen, zu kurz gekommene, Zeichensetzer. Und darum müssen Politiker geschützt werden. Bei den regierenden, die’s schon geschafft haben, macht das die Polizei. Nur bei den Regierenden. Die es erst noch schaffen wollen, müssen ihren Schutz selbst organisieren, und bezahlen natürlich. Harry Hauer konnte das mit links, er war ein finanzielles Wunderkind, eins das mit Firmen und Konten spielte wie unsereiner mit der Holo-Fernbedienung. Aber dann wurde ihm das zu langweilig. Angeblich klappte es auch nicht mehr so recht mit dem Milliardenspiel. Jedenfalls ging er in die Politik. Zur Opposition. Zur Partei für Wohlstand, Ordnung, Recht und Freiheit. Kurz WORF.

    Belinda: Heute abend läuft Hauers letzte Wahlveranstaltung im zentralen Parteilokal der WORF, das übliche, großer Auftritt, kleine Rede ans besiegte Volk.

    Jonas: Und da soll ich aufpassen.

    Belinda: Ah, als verantwortlicher Sicherheitschef, 200 Euros.

    Jonas: Einverstanden, aber nicht wegen der Euros, deinetwegen Darling. Aus alter Freundschaft.

    Belinda: Ich bin gerührt.

    Jonas: 250 netto.

    Belinda: Aus alter Freundschaft. In 2 Stunden geht's los, am besten fährst du gleich rüber zum Worflokal, die Technik ist schon aufgebaut.

    Jonas: Sicherheitsschleuse?

    Belinda: Mit Techniker, guter Mann.

    Jonas: Sonst noch jemand von dir da, Darling?

    Belinda: Hauers Bodyguard.

    Jonas: Auch ein guter Mann.

    Belinda: Weiß ich nicht, mir ist er zu grün. Den Job hat er nur gekriegt, weil er in der richtigen Partei ist. Ich bin froh, daß du mitmachst, Jonas, also bis später.

    Jonas: Das Parteilokal der WORF war eine Betonwarze auf dem unendlichen Flach-dach von Harry Hauer Industries, ein niedriger grauer Kasten, etwa 50 mal 50 Meter, vorne eine Lobby, Endstation für den Fahrstuhl, hier war die Sicherheitsschleuse aufgebaut, dann ein kleiner Saal mit Podium, an den Wänden Harry Hauer in Holo, und zwei Türen, Damen und Herren, dahinter ein Durchgang, daran zwei Zimmer, das war's, sicherheitstechnisch ideal, keine Fenster, problemlose Klimaanlage. Nur ein Zugang.

    Heller: Zwei, Herr Jonas.

    Jonas: Zwei, wo ist der zweite?

    Heller: Im rechten Hinterzimmer, ich zeig's Ihnen gleich. Harry Hauers Privatlift. Unser Kandidat kann doch nicht den selben Eingang benutzen wie das normale Volk.

    Jonas: Natürlich nicht, er könnte sich was holen, die Pest, AIDS oder zumindest die Krätze. Wer hat einen Schlüssel?

    Heller: Zum Privatlift? Nur Harry Hauer.

    Jonas: Eigentlich hätte sie sagen müssen: ihr Ton gefällt mir nicht, aber das tat sie nicht, sie war nervös, Streß, vielleicht mehr. Sie war Hauers Wahlkampfmanagerin, Karen Heller, tüchtig, farblos und nervös.

    Heller: Wenn Sie jetzt alles gesehen haben, Herr Jonas.

    Jonas: Augenblick noch, was haben Sie geplant, wie läuft die Geschichte ab.

    Heller: Die Kundgebung, meinen Sie, Herr Jonas, kurz und klassisch.

    Jonas: Das heißt?

    Heller: Tusch, Erheben von den Plätzen, Auftritt Hauer, Beifall.

    Jonas: Nicht enden wollend.

    Heller: Eine Minute.

    Heller: Dann Begrüßung durch den Vorstand des Parteibezirks. Ansprache des Kandidaten, 5 Minuten Pause.

    Jonas: Pinkeln und Prominieren.

    Heller: Der Kandidat will sich hinten kurz ausruhen, bevor er Autogramme gibt und Fragen beantwortet. Babylonische Hymne, Begeisterung, rhythmisches Klatschen, Abgang. Ein simples Szenario.

    Jonas: Ein simples Publikum.

    Heller: Mein Gott, Herr Jonas, das Publikum ist doch nur Staffage, Liveatmosphäre für die Holoübertragung.

    Jonas: Die Staffage strömte, mindestens 50 Mann und Frau natürlich, durch die Sicherheitsschleuse. Alle sauber, kein Wunder, alle waren von der Partei ausgewählt und hatten spezielle Paßscheiben. Sie suchten sich Plätze, rutschten hin und her, redeten leise, gingen aufs Klo, was man so macht bevor's losgeht. Die Holomenschen kamen mit ihren Apparaten, Harry der Große schwebte ein und ging hinten noch mal seine Rede durch. Karen Heller, zusehends nervöser, pendelte zwischen Hinterzimmer und Saal. Im Flur griff ich mir Hauers Bodyguard, der war groß und breit, und mochte mich nicht, trotzdem verriet er mir seinen Namen.

    Moos: Moos. Benno Moos. Sie sind dieser Jonas.

    Jonas: Ich bin Jonas, nur Jonas, Ihr Chef.

    Moos: Aber nur heute abend, hat Frau Belinda gesagt.

    Jonas: Das reicht mir auch. Arme hoch, an die Wand, Beine auseinander.

    Moos: Was soll das?

    Jonas: Sie sind mit Hauer im Privatlift gekommen, nicht durch die Sicherheits-schleuse. Darum. In Ordnung, stehen Sie bequem Moos, Sie haben nur Ihren Dienstlaserstrahler, den können Sie behalten.

    Moos: Klar behalt ich meinen Laser, ich hab einen Waffenschein, ich bin Bodyguard.

    Jonas: Da kommt Ihr Body, Moos, gehen Sie guarden.

    Jonas: Ganz wohl war mir nicht. Moos sah aus wie einer, der wild herumballert, wenn was passiert. Aber sollte passieren, alles lief nach Plan, Applaus, Harry Hauer trat auf, winkte zu, winkte ab, nahm auf dem Podium Platz, rechts neben ihm Karen Heller und Jonas, links Moos und der Bezirksbonze der WORF, ein blasses Wesen, das sich ein paar blasse Sätze abquälte. Dann erhob sich der Kandidat.

    Hauer: Babylonierinnen, Babylonier, Zeit für einen neuen Anfang, Zeit für Harry Hauer, nach zehn Jahren Korruption, Filz, Schlamperei werden wir ihn schaffen...

    Heller: Erst nachher.

    Jonas: Nein Moos!

    Jonas: In der zweiten Reihe war eine Frau aufgestanden, eine Frau im weißen Kleid mit starren Augen und mit einer Waffe in der ausgestreckten Hand, ein Knall, ich warf mich auf Hauer, riß ihn zu Boden, ein Reflex, spektakulär und nutzlos. Ein zweiter Knall ganz nah, Hauer zuckte, bäumte sich auf, lag still. Ich sah hoch, Moos hatte seinen Laser gezogen, zielte auf die Frau in Weiß, drückte ab. Ich stand auf und schob mich durchs geschockte Publikum.

    Jonas: Die Frau ist tot. Kopfschuß.

    Moos: Klar, ein guter Bodyguard ist auch ein guter Schütze.

    Jonas: Ein guter Bodyguard sollte ein bißchen Grips in seiner Bowlingkugel haben.

    Moos: Wieso?

    Jonas: Weil eine tote Attentäterin uns nicht weiter bringt, im Gegenteil.

    Moos: Ist doch sowieso zu spät. Komische Waffe.

    Jonas: Minirakwerfer mit optischem Zielfinder, hier.

    Moos: Kleines Holobild, Harry Hauer.

    Jonas: Die Zielvorgabe. Nach Abschuß steuert die Minirakete die abgebildete Person an und explodiert.

    Moos: In Hauer Schädel.

    Heller: Harry Hauer ist tot.

    Jonas: Sie merken auch alles, Frau Heller, rufen Sie die Kripo.

    Jonas: Merkwürdig, warum eine optische Minirak. Unsicher, veraltet.

    Moos: Schwer zu kriegen ist so ein Ding auch, nicht gerade die ideale Waffe für ein Attentat.

    Jonas: Sie sagen es Moos. Aber das wichtigste haben Sie nicht gesagt.

    Moos: Sagen Sie's Jonas.

    Jonas: Wie ist die Waffe hier reingekommen.

    Moos: Gute Frage.

    Jonas: Es war Mitternacht, als die Kripo uns gehen ließ, nach drei harten Stunden, was danach kam war härter, antreten bei Darling Belinda.

    Belinda: Sicherheitsspezialisten von Safety First hilflose Zuschauer bei Mord an Bürgermeisterkandidaten. Das ist genau die Werbung, auf die ich liebend gern verzichte. Wie konnte das passieren?

    Moos: Fragen Sie doch Jonas, der war der Chef.

    Jonas: Ich habe keine Erklärung, Darling, noch nicht, vorzuwerfen hab ich mir nichts.

    Belinda: Du hattest die Verantwortung.

    Jonas: Und darum werd ich der Sache nachgehen.

    Belinda: Von mir aus, Jonas, aber auf deine Rechnung. Safety First wird eine eigene Untersuchung anstellen, und dafür hab ich genau den richtigen Mann, einen der was gutzumachen hat. Nicht wahr, Moos?

    Moos: Ich hab nächste Woche Urlaub, Chefin, Bangkok, Flug ist schon gebucht.

    Belinda: Bis dahin haben Sie den Fall abgewickelt oder Sie lassen den Flug sausen, Sie haben die Wahl, Moos.

    Jonas: Jonas hatte keine Wahl, ich mußte am Mordfall Hauer arbeiten, auch wenn mich keiner dafür bezahlte. Meine Berufsehre war angeschlagen, reparaturbedürftig. Dringend. Nicht wegen irgendwelcher Negativwerbung, wegen meiner Selbstachtung und weil mir eine leise innere Stimme sagte, an der Sache sei was faul. Eine laute äußere Stimme war der selben Meinung.

    Sam: Faul, Herr Oberentsorgungsrat, oberfaul, stinkfaul, es düftelt streng zum hohen Himmel, welchen beiläufig sei's bemerkt von wegen Smog kein babypsilonisches Auge je erschaut. Aber geben soll's ihn. Fragens bitte Frau Brigitte.

    Jonas: Ich denk nicht dran. Die Waffe Sammy.

    Sam: Indeed Sir, eben die selbige.

    Jonas: Der Minirakwerfer kann nicht im Saal gewesen sein. Eigentlich.

    Sam: War aber. Ätsch. Erkläret mir Graf Oerindur diesen Zwiespalt der Natur.

    Jonas: Wie ist das Ding reingekommen, Sammy.

    Sam: Naja mehrere Möglichkeiten euer Fragwürden, erstens Ding war schon vorher drin. Verstochen.

    Jonas: Ausgeschlossen. Vor der Kundgebung hab ich alles durchsucht, Gründlich. Mit dieser Karen Heller.

    Sam: Aha. Frage: Ist mein Jonas eine Intelligenzbestie. Man erspare mir die Antwort. Nächste Frage. Ist er ein brauchbarer Durchsucher, ja ja und abermals ja. Insofern akzeptiert. Also Möglichkeit zwei. Ein Teilnehmer hat Minirak mitgebracht.

    Jonas: Geht auch nicht, Sammy, alle mußten durch die Sicherheitsschleuse.

    Sam: Und auf die Elektronik ist Verlaß. Ohne wenn und aber, daccord aus vollem Herzen und voller Hose.

    Jonas: Hast du beides nicht, Sammy, weiter.

    Sam: Naja, gestatten Sie eine Zwischenfrage Herr Kollege.

    Sam: Nur zu.

    Jonas: Wollen Sie tatsächlich allen ernstes behaupten, sämtliche Anwesenden hätten die Schleuse passiert.

    Jonas: Moos meinst du? Den hab ich eigenhändig abgecheckt.

    Sam: Sammy meint nicht nur Moos.

    Jonas: Na wen denn noch.

    Sam: Na wen schon, mein geistesschwaches Gummibärchen.

    Jonas: Also

    Sam: Wer hat denn außer Bodyguard Moos den Ort des Geschehens durch die Hintertür betreten, häh?

    Jonas: Du denkst doch wohl nicht an.

    Sam: O doch, genau an den, Harry den Hauer.

    Jonas: Du spinnst, Sam, Harry Hauer ist das Opfer.

    Sam: Hat man alles unmögliche eliminiert, so muß das was übrigbleibt, und sei es auch noch so unwahrscheinlich.

    Jonas: Die Wahrheit sein, Sherlock Holmes ich weiß aber Jonas ist nicht Dr. Watson.

    Sam: Watson.

    Jonas: Jonas ist Jonas, und Jonas bestimmt wo's langgeht. Morgen früh sind wir bei der Kripo.

    Sam: Hören ist gehorchen, o Beherrscher der Ungläubigen, doch merke, die Gedanken sind frei.

    Jonas: Den Fall Hauer hatte ein alter Bekannter. Freund konnte man ihn beim besten Willen nicht nennen, Chefinspektor Brock. Ich erkannte ihn kaum wieder, als ich in seinem Büro aufkreuzte. Weil er mich nicht mit der üblichen Bullenbeißermiene anglupschte. Er grinste, breit und unschön, von einem Blumenkohlohr zum anderen.

    Brock: Sehen Sie mal, wer uns die Ehre gibt, Pauly, der große Sicherheitsexperte höchstpersönlich.

    Sam: Und Sammylein.

    Brock: Was führt Sie in unsere bescheidenen Niederungen, Jonas. Wollen Sie uns was beibringen, wie man sich seinen Schützling vor der Nase abknipsen läßt zum Beispiel?

    Jonas: Ist ja gut, Bröckchen, ich weiß, auf so eine Gelegenheit haben Sie Jahre gewartet.

    Brock: Ich hab's Ihnen schon x-mal gesagt, Jonas, ich bin nicht Ihr Bröckchen.

    Sam: Wär Kotzbrock Ihnen angenehmer allerwertester Chefinspektor?

    Brock: Und Ihrer vorlauten Quackbox sollten Sie endlich ein Anstandsprogramm verpassen oder schmeißen Sie sie doch gleich auf den Schrott. Was wollen Sie?

    Sam: Oh Lustmörder, Tierschänder, Tierquäler, Blaubart, Schreibtischtüte.

    Jonas: Sei still, Sam. Informationen.

    Brock: Über den Fall Hauer? Wozu? Die Sache ist klar. So gut wie abgeschlossen.

    Jonas: Ach wirklich.

    Brock: Attentäterin Susanne Kemp, 37 Jahre, seit 2010 im Zentralkrankenhaus, Psychiatrie, geschlossene Abteilung, paranoid schizophren, sagt Chefarzt Dr. Quaris, hat Stimmen gehört und so.

    Sam: Also bekloppt.

    Brock: Eingestuft als schwierig, aber nicht gefährlich.

    Jonas: Ein Irrtum der Wissenschaft.

    Brock: Soll vorkommen. Gestern früh ist sie ausgerückt.

    Jonas: Wie?

    Brock: Keine Ahnung.

    Jonas: Woher hatte sie die Waffe?

    Brock: Was weiß ich, gefunden, gestohlen...

    Jonas: Sie reißen sich nicht gerade ein Bein aus, Brock.

    Sam: Nicht mal ein kleinen Zeh.

    Brock: Sagen Sie mal Jonas wo leben sie?

    Sam: In Oberbayern.

    Brock: Tja, wenn’s nicht der Kandidat der Opposition wäre, sondern sagen wir Bürgermeisterin Paretzky.

    Sam: Mit Hund Radetzky.

    Jonas: Die Kripo dein Freund und Helfer, ohne Ansehen der Person. Nächste Station Zentralkrankenhaus: Geschlossene Abteilung, ich war schon mal dagewesen, vor dreieinhalb Jahren, Fall Testmarkt, keine gute Erinnerung. Damals hatte ich eine Paßscheibe abgestaubt, und die kam mir zu paß. Chefarzt Dr. Quaris fand ich im Innenhof, nicht weit vom großen Alzheimerkäfig, er hatte es eilig.

    Quaris: Was soll ich Ihnen über Kemp sagen, ich kann Ihnen nicht viel sagen, und was ich sagen kann, habe ich schon der Kripo gesagt.

    Jonas: Aber Sie haben sie doch persönlich verarztet Dr. Quaris.

    Quaris: Wer sagt das.

    Jonas: Der Krankenhauscomputer.

    Quaris: Was heißt schon persönlich. Ich bin Chefarzt, ich habe viele Fälle. Dutzende.

    Jonas: Warum Kemp.

    Quris: Kann ich jetzt nicht mehr sagen, eigentlich ein ganz gewöhnlicher Fall, paranoide Schizophrenie, akustische Halluzinationen.

    Jonas: Stimmen. Was haben sie gesagt.

    Quaris: Darf ich nicht sagen, Schweigepflicht. Datenschutz. Wiedersehen.

    Jonas: In einem der endlosen giftgrünen Korridore hielt mich eine Schwester an, eine kleine dicke mit schiefer Nase. Ich hatte sie schon vorher im Innenhof gesehen.

    Schwester: Sie?

    Jonas: Ja?

    Schwester: Sie haben was verloren.

    Jonas: Das Stück Papier. Gehört mir nicht.

    Sam: Natürlich hast du's verloren, nimm schön und sag der lieben Schwester brav Dankeschön. Und mit solchen Amöben im Geiste muß ein gewitzter Computer sich abgeben.

    Jonas: Auf dem Zettel stand: Susanne Kemp, 50 Euros?

    Sam: Der schiere Wucher. 10.

    Schwester: 20. Aber deshalb tu ich’s nicht. Wegen der Wahrheit. Weil der Allmächtige Ihnen die Hucke vollgelogen hat.

    Jonas: Dr. Quaris.

    Schwester: Klar Quaris, seine Majestät, Mr. Universum, der Größte, dauernd hackt er auf mir rum. Letzte Woche hat er mich runtergestuft um zwei Gehaltsgruppen.

    Jonas: Eine Schande. Warum.

    Schwester: Wegen gar nichts. Ich habe ein paar alte Stänker auf meiner Station gründlich ruhiggestellt. Valumbran Überdosis. Na und, gibt sowieso zu viele Patienten.

    Jonas: Das nennt man Radikalkur.

    Sam: Susanne Kemp.

    Jonas: Susanne Kemp, Sie wollten wir was erzählen.

    Schwester: Ich zeig Ihnen was, kommen Sie mit.

    Jonas: Eine kurze Tour durch die Eingeweide der geschlossenen Abteilung, Gänge, Ecken, Treppen, dann standen wir in einem kleinen Zimmer, ein Bett, ein Schrank, Täfelung mit Platten aus besten Holzimitat, ganz gemütlich, abgesehen von den Gittern vor dem Fenster.

    Schwester: Hier war sie untergebracht die Kemp, seit einem Vierteljahr, verlegt aus dem großen Saal auf Anweisung von Quaris. Als ob sie was besonders wäre, keine scheißnormale Kassenkrücke. Passen Sie auf, ich nehme jetzt die Wandtafel am Kopfende weg. Na, was sehen Sie?

    Jonas: Nichts.

    Schwester: Ja jetzt, da war aber was, ein ferngesteuertes Tonbandgerät mit Lautsprecher.

    Jonas: Ferngesteuert.

    Schwester: Quaris. Vom Chefzimmer aus. Gestern morgen ist die Kemp weggebracht worden, große E-Limousine mit Chauffeur, und danach hat Quaris die Anlage abgebaut, Gottvater selbst mit seinen eigenen manikürten Händen.

    Jonas: Sagen Sie. Ich seh bloß ein Loch in der Wand.

    Schwester: Was ist das?

    Jonas: Eine Kassette.

    Schwester: Ein Beweis ist das. Wieviel.

    Jonas: Wir einigten uns auf 100 Euros. Zu Hause in meinem Büroapartment mußte ich mir erstmal die Hände waschen. Durch Herzenswärme und Selbstverleugnung wird es geprägt, unser medizinisches Personal, sagt der Sozialstadtrat, und der muß es wissen, die Kassette war ein Beweis mir war allerdings noch nicht ganz klar wofür.

    Quaris: Harry Hauer. Harry Hauer hat sich angeeignet, was dir zusteht, Geld, Erfolg, Ansehen.

    Sam: Mann ist der erkältet.

    Quaris: Harry Hauer ist schuld, schuld an deinem Unglück, und an allem Unrecht, was in Babylon geschieht. Harry Hauer muß beseitigt werden.

    Jonas. Ist ja unglaublich.

    Quaris: Du bist zu dieser großen Aufgabe ausersehen, dir ist sie anvertraut.

    Sam: Na denn mal los.

    Quaris: Wenn die Zeit gekommen ist, wirst du diesen Ort verlassen, was du dann tun sollst, wirst du noch erfahren. Du wirst erfahren, wo du das Werkzeug findest, wie und wann du...

    Jonas: Quaris. Die Stimmen, die Susanne Kemp gehört hat, waren keine Halluzinationen, Chefarzt Dr. Quaris hat eine passende Patientin ausgesucht, er hat sie bearbeitet, auf Harry Hauer angesetzt. Warum, warum, Sammy?

    Sam: Weshalb wofür wozu und inwieferne.

    Jonas: Vielleicht steckt Bürgermeister Paretzky dahinter.

    Sam: Quatsch. Quatsch mit Soße und Kartoffeln. Paretsky liegt sowieso vorn, wieso sollte sie ihren Gegenkandidaten umbringen lassen. Die Frau ist doch noch blöd. Die Antwort, edler Freund, findet sich an ganz anderem Ort, genau gegenüber, könnte man sagen.

    Jonas: Was heißt das. Hast du in den Datenbänken was entdeckt.

    Sam: Lange lange hat er suchen müssen der arme Sam, über Stock und Stein ist er getrabt, über Berg und Tal, durch Regen und Wind, Blasen an den Füßen hat er bekommen, Schwielen an den Händen, Narben im Gemüt und müde ist er geworden, so entsetzlich müde.

    Jonas: Willst du dich ausruhen, ich schalt dich sofort ab, du brauchst es nur zu sagen. Laß den Blödsinn, du bist eine Maschine.

    Sam: Wenn man mich sticht blute ich nicht, wenn man mich hetzt erlahme ich nicht?

    Jonas: Nein.

    Sam: Naja denn nicht. Auch gut. Resultat der elektronischen Pilgerfahrt kurz und präzis folgendes. Der verehelichte Dr. Quaris ist eingeschriebenes Mitglied der Partei für Wohlstand, Ordnung, Recht und Freiheit, ein prominentes in höchsten Parteigremien wohlangesehenes Mitglied.

    Jonas: Willst du damit sagen daß die Worf ihren eigenen Kandidaten umgebracht hat

    Sam: Gemacht gemacht, immer langsam mit den jungen Pferde, erinnert euch Hoheit, der vertraulichen Insinuationen jenes von Berufs wegen alkoholisch marinierten Hilfsmenschen namens Jacob, die eigene Partei, so gab er zu verstehen, hat auf Harry Hauer gewettet, hoch, sehr hoch, zu hoch, mein Gott ist das hoch.

    Jonas: Und deshalb läßt sie ihn abschießen, das ist doch paradox.

    Sam: Na und Sherlock Holmes?

    Jonas: Du meinst daß eigentlich nur Hauer selbst die Waffe ins Parteilokal gebracht haben kann.

    Sam: Was heißt eigentlich, du Humpelhirn, es gibt keine andere Möglichkeit, und wenn ich eure geistigen Hartleibigkeit noch eine dritte Reminiszenz abverlangen dürfte. Was sprach Wahlkampfmanagerin Heller im ersten Schreck unmittelbar nach dem Attentüt?

    Jonas: Moment Sam, wie war das. Zu früh, sie sollte erst später. Sie weiß was. Wo wohnt sie?

    Sam: Eine Visite bei Madame Karen Heller zwecks mehr oder weniger peinlicher Befragung, sehr gut, lasset uns eulen.

    Jonas: Ans Fon ging sie nicht, auch nicht zur Tür, als ich klingelte, und als Jonas fachmännisch das Schloß knackte, kam keine Reaktion. Messerscharfe Folgerung, Heller war ausgeflogen. War sie aber nicht.

    Sam: Eine recht ansprechende Behausung, Sir.

    Jonas: Viel Platz, mehr als bei uns zu Hause, was Sammy.

    Sam: Ja das ist ja auch kein Wunder.

    Jonas: Und hier ein richtiges Badezimmer, nicht bloß ne Naßzelle, mit ner echten großen Badewanne. Luxus.

    Sam: Superluxus, denn siehe die Wanne ist bereits gefüllt, und in ihr Tod und Teufel.

    Jonas: In der Badewanne lag Karen Heller, unter Wasser, splitternackt und mausetot. Eine unerwartete Komplikation. Was steckte dahinter.

    Sam: Meditieren kannst du später, Lahmbeutel, tüdelieger.

    Jonas: Pfeife.

    Sam: Ja selber, draußen, empfehle dringend strategische Absetzbewegung. Hier ist es nicht geheuer.

    Kasbek: Ein wahres Wort.

    Sam: Ohohoh. Zu spät, ich rette den Freund nimmer mehr.

    Jonas: Drei Männer kamen aus dem großen Kleiderschrank, Laserstrahler in den Händen. Einen kannte ich, zum Glück nicht persönlich, bis jetzt, Kasbek von der Korporation, oberster Hitmann und Vollstrecker, Spezialist für endgültige Maßnahmen. Jonas nahm die Hände hoch, Jonas ließ sich fesseln, was hätte Jonas sonst auch tun sollen.

    Kasbek: Und nun wäre wohl eine kleine Kopfwäsche angebracht. Als Kavalier haben Sie sicher nichts dagegen die Wanne mit einer Dame zu teilen. Los. So, wer sind Sie.

    Jonas: Jonas, nur Jonas.

    Kasbek: Der letzte Detektiv? Freut mich. Weiter. Sie sind härter im nehmen als die Lady. Wir hatten gar nicht richtig angefangen zu fragen, da ist sie uns schon weggeblieben. Mal sehen wie lange Sie's aushalten. Steckt ihn wieder rein.

    Jonas: Sie machen einen großen Fehler, Kasbek.

    Jonas: Solche Sprüche sage ich ab und zu ganz gern, aus Tradition, aus Spaß diesmal war's mir ernst. Todernst.

    Jonas: Sie kriegen Ärger mit Ihren Chefs, wenn Sie mich ersäufen, mit Krapp, mit Lukrezia Carnevale und und mit Martta Toivonen, die sind Jonas noch was schuldig.

    Sam: Ja, Fall Eurodschungel, Mai 2012.

    Kasbek: Sie können mir viel erzählen, Jonas.

    Jonas: Gehen Sie doch ans Fon, rufen Sie Frau Toivonen an.

    Kasbek: OK, aber wenn Sie mich anscheißen, Jonas, dann nehmen wir uns mit Ihnen viel Zeit, dann sterben Sie lange und sehr unangenehm.

    Sam: Ach du Scheiße.

    Jonas: Als Kasbek vom Fon zurückkam, war er wie umgewandelt, fast menschlich. Jonas wurde losgebunden, ins Zimmer gebracht, aufs Sofa gesetzt.

    Kasbek: Alles in Ordnung, Jonas.

    Jonas: Sehen Sie doch mal nach, Kasbek, ob Sie nicht irgendwo einen Tropfen Whisky für mich auftreiben können. In letzter Zeit habe ich ein bißchen viel Wasser schlucken müssen.

    Kasbek: Übertreiben Sie nicht, Jonas, von Whisky hat Frau Toivonen nichts gesagt, sie hat gesagt, ich soll Sie laufen lassen, und vorher soll ich Ihnen sagen, worum es geht.

    Jonas: Das tat er denn auch. Mir wurde einiges klar, nicht alles, noch lange nicht, aber doch einiges. Hinter dem Attentat auf Hauer steckte die WORF. Wirklich und wahrhaftig. Sollte natürlich kein richtiges Attentat sein, nur ein Dreh, ein Trick. Jemand sollte auf ihren Kandidaten schießen, dann würden ihn mehr Leute wählen, genug, um den knappen Vorsprung von Bürgermeisterin Paretzky aufzuholen, Mitleidseffekt nennt man das. Die WORF war fest überzeugt, daß die Sache klappen würde, so fest, daß sie sich mit der Korporation zusammentat, und viel Geld von ihr borgte, um es auf Hauer zu setzen.

    Kasbek: Das ist jetzt weg. Weil Hauer wirklich umgebracht wurde. Das war nicht vorgesehen. Wir haben der Partei eine Minirak mit optischer Zielfindung besorgt, und ein Zielholo von Hauers Nebenmann eingegeben, ein kleiner Bonze, Bezirkschef oder so, absolut entbehrlich hat man uns gesagt, den sollte es treffen. Harry Hauer sollte wie durch ein Wunder davon kommen und zum Bürgermeister gewählt werden.

    Jonas: Aber das ist schiefgegangen.

    Kasbek: Und wie. Diese Irre hat zu früh geschossen, nicht in der zweiten Hälfte, wie’s geplant war, damit Hauer erst seine Rede ungestört abliefern konnte, und sie hat Hauer getroffen, nicht den anderen.

    Jonas: Weil jemand die Minirak mit Hauers Holo gefüttert hat.

    Kasbek: Was das schlimmste ist: Kurz vor dem Attentat hat jemand gewaltige Summen darauf gesetzt, daß Hauer nicht gewählt wird, und jetzt müssen wir zahlen.

    Jonas: Derselbe jemand?

    Kasbek: Kann gut sein. Wer das war, wissen wir noch nicht. Aber wir haben einen Verdacht und da bohren wir nach. Die Korporation hat nämlich was gegen Verluste.

    Jonas: Verständlich. Karin Heller?

    Kasbek: Karin Heller. Sie war Hauers Wahlkampfmanagerin und von Anfang an in den Attentatsplan eingeweiht. Hauer hat die Waffe eingeschmuggelt.

    Sam: Ja bitte, three cheers for Mr. Sherlock Holmes. Hipp Hipp

    Jonas: Hurra.

    Kasbek: Sherlock Holmes, wieso Sherlock Holmes.

    Jonas: Verstehen Sie doch nicht, Kasbek, machen Sie nur weiter.

    Kasbek: Ich soll Sie nicht anrühren, hat Frau Toivonen gesagt. Ihr Glück Jonas. Heller hat die Waffe übernommen und an die Irre weitergeben.

    Jonas: Wie und wo.

    Kasbek: Im Klo für Damen, dabei hätte die Heller die Minirak umprogrammieren können oder die Attentäterin.

    Jonas: Warum hätte sie das tun sollen?

    Kasbek: Na, Euros, was sonst. Wenn sie hinter den hohen Wetten auf Hauers Wahlverlust steckt, danach wollten wir sie fragen, aber jetzt...

    Jonas: Jetzt stehen Sie da und machen ein noch blöderes Gesicht als sonst.

    Kasbek: Konnt ich ahnen, daß die Dame so empfindlich ist. Frau Toivonen hat noch was gesagt, Jonas. Wenn Sie in der Sache was rauskriegen, und Sie sind gut im rauskriegen, hat Frau Toivonen gesagt, dann geben Sie uns Bescheid.

    Jonas: Glauben Sie.

    Kasbek: Ich bin ganz sicher. Badewannen gibt's auch woanders. Und wenn wir durch Sie wieder zu unserem Geld kommen, dann kriegen Sie einen anständigen Finderlohn, hat Frau Toivonen gesagt.

    Jonas: Tja, wenn das so ist, dann fangen wir doch gleich mal an mit dem Rauskriegen. Sam.

    Sam: Bei der Arbeit. Was befiehlt mein Mensch und Meister.

    Jonas: Siehst du den Kollegen auf dem Schreibtisch, was hältst du von ihm?

    Sam: Na es geht, ganz nett für einen nichtverbalen Computer. Na komm putputput. Das ist ein anders Stück. Sicherung ganz ordentlich.

    Jonas: Kommst du rein oder nicht.

    Sam: In Anbetracht aller Umstände, Weiterungen, Ingredienzien sowie Parafernalien dürfte sich dieses weitestgehend ohne allzu gravierende Probleme bewerkstelligen lassen. Im großen und Ganzen.

    Jonas: Dann los, rein.

    Sam: Jetzt gleich.

    Jonas: Sofort.

    Sam: Mein Gott sind wir mal wieder hektisch, eiagor eiagor umgekehrt okay okay.

    Jonas: Von seinem Ausflug in Karen Hellers Computer brachte Sam drei interessante Ergebnisse mit: Was Kasbek mir erzählt hatte, stimmte, soweit es die WORF betraf und das falsche Attentat. Was Karen Heller betraf, stimmte es nicht. Sie hatte loyal für die Partei und für Hauer gearbeitet. Sie war unschuldig. Pech, sagte Kasbek.

    Kasbek: Pech für uns. Wer hat unser Geld und wie kriegen wir es wieder.

    Jonas: Sie sind ein wahrer Gemütsmensch, Kasbek. Sonst noch was, Sammy.

    Sam: Ja. Folgendes nicht gänzlich insignifikante Detail fand sich in den Protokollen der WORF-Präsidiumssitzungen: Die Idee durch ein Pseudoattentat den Mitleidseffekt zu aktivieren, stammt von Herrn Harry Hauer höchst selbst. Er hat die Sache ausgedacht, angeregt durchgesetzt und in allen Einzelheiten ausgearbeitet.

    Jonas: Hauer selber. Aber das heißt.

    Sam: Das heißt, er war zu clever, und das ist gar nicht gut. Ein weiser Rat fürs Poesiealbum, hör gut zu du meine mentale Mogelpackung, und beherzige ihn wohl, sei niemals zu clever nicht, fällt dir was ein dann halte dicht. So, ja so. And now we go home zu Heia, mama oma, basta.

    Jonas: Ein Licht war mir aufgegangen ganz plötzlich. Jetzt wußte ich alles, dachte ich. Aber das stimme nicht. Das wichtigste fehlte immer noch, aber das wurde mir erst später klar. Beweise fehlten auch, darum schickte ich Sam wieder auf Tour, als wir zu Hause waren, durch die elektronische Unterwelt von Babylon, da wo gewettet wird, wo illegale Gelder verbucht und abgehoben werden. Niemand laviert so elegant durch diesen Dschungel wie Sam oder so erfolgreich.

    Sam: Ha, endlich daheim, Home sweet home. Naja, singe, wem Gesang gegeben, Sammy war ganz schön daneben. Na gut. Man reiche Sam heimischen Mutterboden auf daß er ihn küsse wie weiland Karloja äh Pontifex zu Rom, desweiteren reiche man ihm Cocktail, Pfeife und Pantoffeln, naja und ein Teddybär zum knuddeln wäre auch nicht schlecht.

    Jonas: Ich werd dich knuddeln daß dir hören und sehen vergeht.

    Sam: So nicht.

    Jonas: Und vor allem das dämlich quatschen. Was ist, wer hat die hohen Wetten gegen Hauer abgeschlossen?

    Sam: Er derselbige.

    Jonas: Harry Hauer.

    Sam: Harry Hauer. Versteckt hat er sich der Listenreiche, hinter Zweigfirmen, Schein-firmen, Tarnfirmen, Tochterfirmen, Schwiegertochterfirmen, Schwiegermutterfirmen.

    Jonas: Das reicht Sammy.

    Sam: Nein noch lange nicht, hinter Strohmännern, Strohfrauen, Strohwitwen, Strohweisen, Strohpuppen, Strohköpfen, Strohrum. Prost.

    Jonas: Und so weiter. Schluß.

    Sam: Zu Befehl Schlunz äh Schluß. Wünscht eure großmächtige Jonasität eine Liste.

    Jonas: Später Sammy, halt sie in Bereitschaft und druck sie aus, wenn wir sie brauchen. Weiter. Wie sieht’s aus mit Hauer Industries und den anderen Hauerkonzernen?

    Sam: Danke der Nachfrage, Herr Pastor. Mies.

    Jonas: Dann ist also was dran an den Gerüchten?

    Sam: Was heißt was dran. Noch viel viel schlimmer ist die Wirklichkeit als die Fama uns vermeldet, gar greulich und grauselig. Alle Konten sind ausgefüllt, ratzekahl leer, das ganze große Hauerimperium wackelt wie ein Schwammerlenz, Schlemmerwanz, Lämmerschwanz.

    Jonas: Es paßt, Sammy, es paßt alles zusammen. Hauers Finanzen sind am Zusammenbrechen, Hauer hat Unsummen gegen den eigenen Wahlsieg gesetzt, Hauer hat sich den Wahltrick mit dem Attentat ausgedacht, und weil Karen Heller es nicht wahr, kann nur Hauer die Waffe umprogrammiert haben, vom vorgesehenen Opfer auf sich selbst.

    Brock: Kripo. Chefinspektor Brock.

    Jonas: Eine Frage Brock.

    Brock: Glaub ich nicht, Jonas, Sie sind Supersicherheitsspezialist Nr. 1, Sie können alles und wissen alles, Sie haben kein Fragen.

    Jonas: Machen Sie nur ihre lahmen Witzchen Brock nichts dagegen aber bitte später. Hatte der tote Harry Hauer ein Holobild in der Tasche, rund, ca. 3 cm Durchmesser.

    Brock: Mit dem Bezirksvorsitzenden der WORF, ja, warum wollen Sie das wissen.

    Jonas: Danke Brock. Harry Hauer.

    Sam: Ja, kein Zweifel, my dear Watson. Hauer hat das Attentat umfunktioniert. Er ist Opfer und Täter zugleich.

    Jonas: Warum Sammy? Selbstmord hab ich zuerst gedacht, auf besonders spektakuläre Weise, aber das ist unmöglich. Ein Mensch, der alle seine Konten plündert, der hohe Wetten abschließt mit todsicherer Gewinnchance, der will nicht sterben, der will leben und seinen zusammengerafften Reichtum genießen, vielleicht nicht in Babylon, da wo’s warm ist, wo man reichen Leuten keine Fragen stellt, in der dritten Welt.

    Sam: Hmh. In Bangkok zum Beispiel.

    Jonas: Bangkok. Harry Hauer hat das Attentat überlebt, Sam.

    Sam: Und Sammy weiß auch wie.

    Jonas: Jonas wußte auch. Ihm war zum zweiten Mal ein helles Licht aufgegangen. Double hieß das Stichwort. Kopie. Simulakrum, Replik, Klon. Genzwilling. So einen genetischen Doppelgänger kann man sich in Japan bauen lassen. Nur in Japan, weil die Japaner am meisten davon verstehen, und weil es in allen anderen Ländern strengstens verboten ist, teuer ist es übrigens auch.

    Sam: Das ist er, liebe Gemeinde, hochgeschätzte Trauerversammlung, der casus knacksus, der archimedische Punkt, von welchem sich der gesamte Fall aus den Angel heben bzw. aufräufeln läßt.

    Jonas: Hauer hat sich in Japan einen genetischen Doppelgänger schneidern lassen, er hat ihn nach Babylon geschmuggelt, er hat ihn äußerlich ein bißchen verändert, er hat ihm einen Namen gegeben, und eine Geschichte, und er hat ihm Arbeit besorgt.

    Sam: Eine Arbeit, wohlgemerkt, die den Zwilling in Hauers unmittelbarer Umgebung festigt.

    Jonas: Aus gutem Grund, Sammy.

    Belinda: Safety First, Juno Belinda am Apparat.

    Jonas: Jonas.

    Belinda: Ah.

    Jonas: Seit wann arbeitet Benno Moos bei dir?

    Belinda: Ähm. Ein Viertel Jahr ungefähr.

    Jonas: Wie hast du ihn eingestellt, Darling. Hat er sich bei dir beworben oder.

    Belinda: Hauer hat ihn empfohlen, weil er in seiner Partei ist. Er hat ihn sich selbst als Bodyguard ausgesucht, gegen meinen Rat.

    Jonas: So hab ich's mir vorgestellt. Tu mir einen Gefallen, Darling, nein zwei.

    Belinda: Soviel du willst Jonas, du brauchst es nur zu sagen.

    Jonas: Fax mir das Bild von Moos rüber, aus seiner Akte, und dann brauch ich seinen genetischen Fingerabdruck, einen neuen von heute. Hat du da was.

    Belinda: Ja wart mal, ja, ja einen Filzschreiber, den hat er benutzt, als er vorhin bei mir war.

    Jonas: Gut, den schickst du ans Zentrallabor, analysieren und mit Harry Hauers genetischem Fingerabdruck vergleich. Ergebnis an Jonas. So schnell wie möglich Dringlichkeitsstufe 1a.

    Jonas: Ein Holoporträt von Hauer aufzutreiben war kein Problem. Sam glich die Größen an und legte sie auf dem Monitor übereinander. Benno Moos und Harry Hauer.

    Sam: Und siehe, sie sind völlig gleich. Identisch.

    Jonas: In den Dingen, auf dies ankommt. Gesichtsschnitt, Knochenbau, Hauttextur, der Rest

    Sam: Ist Maske, Herr Spielleiter. Moos hat wenig Haare.

    Jonas: Hauer um so mehr.

    Sam: Perücke.

    Jonas: Hauer ist rasiert, Moos trägt Schnauzbart.

    Sam: Falsch.

    Jonas: Englischer Maßanzug für Hauer, Overall von der Stange für Moos.

    Sam: Verkleidung. Harry Hauer, daran dürfte nunmehr auch nicht der klitzekleinste Zweifel bestehen, hochehrwürdiges Kardinalskollegium, Harry Hauer ist Benno Moos bzw. Benno Moos ist Harry Hauer oder auch Harry Moos ist Benno Hauer und schließlich Benno Hauer

    Jonas: Ist Harry Moos, von mir aus Sammy. Einen ganz gerissenen Coup hat er sich da ausgedacht der Kerl. Er tauscht den Platz mit seinem Klon, der wird als Harry Hauer umgebracht, und Harry Hauer lebt weiter, als Benno Moos, abgetaucht in Bangkok und anderswo, mit sehr viel Geld. Der Zusammenbruch des Hauerimperium tangiert ihn nicht, er ist Moos, Hauer ist tot.

    Sam: Ja, eine schlüssige Rekonstruktion, Herr Phantombaurat. So hat es Hauer geplant, so sollte es ablaufen, aber ob es wirklich so abgelaufen ist.

    Jonas: Wieso nicht, Sam. Was stört dich.

    Sam: Der prostituierte Platzhirsch, Korrektur der postulierte Platztausch, du Spekulatius, wann hätte er stattfinden sollen und wie.

    Jonas: Ja, herein.

    Moos: Eilige Sendung für Herrn Jonas vom Zentrallabor.

    Jonas: Aber die sollten das doch über Sam schicken, Dringlichkeit 1a.

    Moos: Hände hoch. Zurück, an die Wand!

    Jonas: Benno Moos mit Laserstrahler, und bösen Absichten, er hatte Belindas Fon abgehört, sagte er, und wollte reinen Tisch machen. Jonas wußte ihm zuviel.

    Jonas: Daß sie Harry Hauer sind zum Beispiel.

    Moos: Ich Harry Hauer? Sie sind auf dem falschen Dampfer, Jonas.

    Sam: Heidewitzka, Herr Kapitän, o und recht hat er auch noch.

    Jonas: Was?

    Sam: Soeben erreicht uns eine Botschaft vom Zentrallabor, Dringlichkeitsstufe 1a. Piep. Überstellter genetischer Fingerabdruck ist identisch mit dem von Herrn Harry Hauer, bis auf eine Kleinigkeit, er ist markiert.

    Jonas: Markiert?

    Sam: Ja. Made in Japan. Wie bei allen in diesem Lande produzierten Waren gesetzlich vorgeschrieben. Unser Besucher ist nicht Harry Hauer, und er ist genaugenommen auch nicht Benno Moos, weil Benno Moos nicht existiert, er ist ein Klon, wenn sie wissen was ich meine, euer Tiefwürden, ein technisches Produkt.

    Moos: Wie du, Bruder Computer.

    Sam: Keine Vertraulichkeiten bitte.

    Jonas: Jetzt versteh ich überhaupt nichts mehr.

    Moos: So schwer ist das doch gar nicht, Jonas, Hauer hat mich in Auftrag gegeben, um mich als Opfer zu benutzen, aber dabei hat er was übersehen, daß sein Klon auch seine Eigenschaften hat nämlich, ich bin wie mein Original, klug, clever, gerissen.

    Sam: Hm ja und hinterfotzig und gemein.

    Moos: Gott, das ist eine Frage der Perspektive, jedenfalls hab ich ihn durchschaut, und bin hinter seinen Plan gekommen, und ich hab ihn ein bißchen geändert, eine Kleinigkeit, ich hab dafür gesorgt, daß das Attentat gleich am Anfang über die Bühne ging, nicht wie geplant in der zweiten Hälfte der Kundgebung.

    Jonas: Wie haben Sie das gemacht?

    Moos: Ich hab der Kemp gesagt, daß sich was verschiebt, als Hauer sie aus dem Krankenhaus abholen und in seiner Firma kurz auf Eislegen ließ mit schönen Grüßen von oben, in der Pause wollte Hauer mit mir die Rollen wechseln, ein Rendezvous hat er mir erzählt. Ich soll ihn im Saal vertreten, er hat mich für blöd gehalten.

    Sam: Recht hat er.

    Moos: Kurz bevor die Rakete in seinem Kopf explodierte, muß ihm klargeworden sein, wer von uns beiden der Idiot ist, ich hab jetzt das Geld, ich fahr morgen nach Bangkok.

    Jonas: Warum nicht schon gestern.

    Moos: Weil ich abwarten wollte, was sie zustande bringen, Jonas, damit ich sie ausschalten kann, falls es nötig wird, und jetzt ist es nötig. Sie sind fällig Jonas, und ihr Computer auch.

    Sam: Nicht doch Bruder.

    Moos: Keine Vertraulichkeiten, du Blechbüchse, mit dir fang ich an.

    Kasbek: Darf man eintreten.

    Sam: Nur zü, bei Jonas ist heut Tag der offenen Tür.

    Jonas: Diesmal war es Kasbek. Kasbek von der Korporation und seine Gorillas. Moos war außer Gefecht. Zwei Schüsse, linke Hand, rechtes Knie.

    Kasbek: Gut, daß Sie uns so schnell informiert haben, Jonas.

    Jonas: Ach hab ich das.

    Kasbek: Klar. Über Ihren Computer.

    Sam: Siehste.

    Kasbek: Ist das der Mann, ich meine der Klon, oder sagt man das Klon.

    Jonas: Sie nahmen ihn mit, und 3 Tage später fand Jonas was vor seiner Tür, einen dicken Umschlag mit 1000 Euros in bar und einem Zettel: Finderlohn.

    Jonas: Die Korporation hat also ihr Geld zurück. Möchte nicht wissen wie.

    Sam: Kriegen Millionen und zahlen nur tausend. Knickrig, knausrig.

    Jonas: Und was mach ich damit.

    Sam: Na was, behalten du Dummskopf.

    Jonas: Ich weiß nicht, Sammy, es ist so was wie Blutgeld.

    Sam: Sag mal Jonas was bist du eigentlich, ein blutiger Idiot, ein blutiger Anfänger, oder ein blutarmer Detektiv, na ja wohl mehr das letztere, der ein paar Euros dringend nötig hat. Merke: Einem geschenkten Schein schaut man nicht in Darm hinein. So, und jetzt gehst und kaufst Sammy ein schönes neues Programm.

    Das war Attentat. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam: Peer Augustinski. Außerdem wirkten mit: Veronika Faber, Sabine von Maydell, Rainer Basedow, Hartmut Becker und viele andere (Claudius Zimmermann, Helmut Pick, Christine Merthan, Hans Stetter, Julia Fischer). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz, Assistenz: Wolfgang Ruhdörfer. Regie: Werner Klein. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1991). Redaktion: Erwin Weigel.

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:39 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Euroblues

    Jonas: Judith ist tot. Damit sollte ich anfangen. Aber das kann ich nicht. Ich fange an mit dem 20. Juni 2012. Dem Tag, an dem ich Judith zum letzten Mal lebend gesehen habe, bei mir, in meinem Büroapartment.

    Sam: Wir schreiben das 21. Jahrhundert. Eine Zeit der Pläne und Grenzen, der Rahmen und Programme. In dieser Zeit lebte ein Mann, der anders ist als die anderen, der in keinen Rahmen paßt und in kein Programm, der seinen Weg geht. Einsam. Integer. Furchtlos. Es ist, Tusch, Majestro, please, Jonas. Jonas, the last detective, hahaha.

    Judith: Bravo! Du solltest dir angewöhnen, deine Tür abzuschließen, Jonas.

    Jonas: Judith! Bist du sicher, daß du zu mir willst?

    Judith: Stör ich? Ich hab das Gefühl, ich bin hier in eine Sitzung des Vereins für gegenseitige Beweihräucherung geraten.

    Jonas: Sammy spielt nur ein bißchen Dampfradio. Er hat neues Material gekriegt. Amerikanische Rundfunkserien aus dem frühen 20. Jahrhundert. Lone Ranger. The Shadow. Superman.

    Sam: Da, am Himmel: Ein Vogel. Ein Flugzeug? Nein, es ist Superman.

    Jonas: Nicht, daß Sam neues Material brauchte. Er hat schon mehr als genug. Er ist mit Worten voll bis an die Kiemen. Nur daß er keine Kiemen hat. Er hat Mikrochips. Und einen Vokoder. Sam ist mein Computer. Wo Jonas hingeht, da geht er mit. In der Tasche. Hilfreich. Geschwätzig. Innervierend. Unentbehrlich.

    Sam: Schneller als ein Geschoß. Stärker als eine Lokomotive.

    Judith: Es lebe die Nostalgie.

    Jonas: Dreimal hoch. Was willst du?

    Judith: Ja, ich brauch deine Hilfe, Jonas.

    Jonas: Das ist nicht wahr. Du bist Judith Delgado, Sicherheitsdirektorin. Ein ganz hohes Tier in der Polizeiführung. Und ich bin Jonas. Nur Jonas. Freischaffender Privatdetektiv. Ein armes Schwein. Niemand.

    Judith: Du schuldest mir etwas, Jonas.

    Jonas: Wie man’s nimmt. Judith und Jonas. Das war eine lange Geschichte. Angefangen hatte sie mit einer sehr intensiven Beziehung, die nach anderthalb Jahren in die Brüche ging, weil Judith auf Jonas Knochen Karriere machte, zuletzt in der Sache Mustermann, alias Schneewittchen. Ohne mich wäre sie nie Sicherheitsdirektorin geworden, und ohne sie wäre ich tot, siehe Fall Eurodschungel.

    Sam: Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen verlautet, werden Sicherheitsdirektorin Delgado hervorragende Chancen eingeräumt, die Nachfolge von Sicherheitspräsident Henning anzutreten, wenn dieser am 1. Juli 2012 in den wohlverdienten Ruhestand tritt. Wir gratulieren.

    Jonas: Ist das wahr, Judith, du wirst Polizeichefin von Babylon?

    Judith: Vielleicht, Jonas, darüber wollte ich mit dir reden.

    Jonas: Mit mir? Was verstehe ich von höherer Sicherheitspolitik?

    Judith: Gerade deshalb, Jonas, du bist Außenseiter, und ein guter Detektiv bist du auch.

    Jonas: Willst du mich anheuern?

    Judith: Wenn du nicht zu viel verlangst.

    Jonas: 100 Euros pro Tag und Spesen.

    Judith: Einverstanden. Und, was sagst du?

    Jonas: Auch einverstanden. Wenn du ein paar Tage warten kannst. Morgen fliege ich in den Orient, nach Merdistan.

    Judith: Kannst du das nicht verschieben?

    Jonas: Unmöglich. Ich melde mich bei dir, sobald ich wieder in Babylon bin. Worum geht’s?

    Judith: Das erzähle ich dir, wenn du zurück bist. Aber einen Tip geb ich dir schon jetzt, weil du dich so für alte amerikanische Geschichten interessierst. Es war glaub ich 1980, da wurde ein gewisser Reagan zum Präsidenten der USA gewählt.

    Sam: Richtig.

    Judith: Und vor dieser Wahl liefen ein paar sehr merkwürdige Dinge. Erinnerst du dich?

    Jonas: Nein. Damals war ich 13 und hatte anderes im Kopf. So wie jetzt. Judith ging. Und Jonas flog nach Merdistan, wo er länger zu tun hatte als vorgesehen war, und dann saß er in Afrika fest, Fall Eurobaby und Fall Euromüll. Zurück kam ich erst Ende Juli, und da war es zu spät.

    Sam: Home, sweet home.

    Jonas: 22 Quadratmeter, und Aussicht auf die langweiligste Brandmauer in ganz Babylon.

    Sam: Der schönste Platz, rums rums, das sag ich dir mein Sohn, ist dein Büro im schönen Babylon.

    Jonas: Also auf ins Casablanca.

    Sam: Moment, euer Voreilen. Vor den Whisky haben die Götter die Pflicht gestellt. Anrufbeantworter.

    Jonas: Wenn du meinst, Sammy.

    Judith: Wo steckst du Jonas? Ich warte auf deinen Anruf. Judith. Piep!

    Judith: Du müßtest doch längst wieder hier sein. Was ist los? Warum meldest du dich nicht, du hast es versprochen. Piep!

    Judith: Bitte, Jonas, ruf an, sofort, wenn du mich nicht erreichst, dann Chefinspektor Brock, der weiß Bescheid. Du mußt mir helfen, Jonas, bitte.

    Jonas: Judith war nicht zu Hause. Auch in ihrem Büro ging niemand ans Fon. Also rief ich Chefinspektor Brock an, meinen geschätzten alten Feind.

    Brock: Jonas? Was wollen Sie?

    Jonas: Judith Delgado. Was ist mit ihr? Wo steckt sie?

    Brock: Auf dem Zentralfriedhof.

    Jonas: Was?

    Brock: Sicherheitsdirektorin Delgado ist tot, Jonas. Räusper. Am Abend des 19. Juli fiel sie beim Sturmangriff der babylonischen Sicherheitskräfte auf die Bastion der terroristischen Stadtguerilla im sogenannten Reservat. Beim feierlichen Staatsbegräbnis betonte Leo Costa, der neuernannte Präsident der obersten Sicherheitsverwaltung in seiner Trauerrede, Frau Delgado habe ihr Leben den ewigen Werten von Recht und Ordnung geopfert, und werde daher allen Mitgliedern der Sicherheitsbehörde stets als Vorbild für...

    Jonas: Hören Sie auf mit dem Gelaber.

    Brock: Für Einsatz, Hingabe und Pflichterfüllung dienen. Ferner betonte Sicherheitspräsident Costa...

    Jonas: Judith ist tot. Schuld ich ihr was, Sammy?

    Sam: Was? Nein, nichts schuldet ihr mein Meister, gar nichts, absolut nichts, total überhaupt nichts, null Komma nichts, kein Fitzelchen, auch nicht das aller aller...

    Jonas: Ich stelle Sam ab, ich steckte mir einen Laserstrahler ein und meinen alten Smith & Wesson Revolver. Dann ging ich zur Zentralen Sicherheitsverwaltung am Europaplatz. Ich wollte in den 20. Stock zu Chefinspektor Brock. Aber die Frau, die nach mir in den Lift stieg, hatte was dagegen. Sie drückte den untersten Knopf. Tiefkeller. Abstellräume. Notaggregate. Zugang zur Unterwelt.

    Killerin: Jonas? Nur Jonas, der letzte Detektiv?

    Jonas: Und wer sind Sie?

    Killerin: Spielt keine Rolle.

    Jonas: Dann muß ich raten. Dünne graue Haare. Altmodisches schwarzes Business Outfit. Klobige schwarze Schuhe. Pensionierte Gerichtsvollzieherin. Verkehrspolizistin?

    Jonas: Nur der Aktenkoffer paßte nicht. Zu neu, zu teuer, zu High-Tech. Weil er nämlich gar kein Aktenkoffer war, sondern ein spezial Security case. Um eine MP. Typ Keckler und Hoch, SW7. Die Waffe der besseren Bodyguards und der konservativen Profikiller.

    Killerin: Ein besonders aufmerksamer Detektiv sind Sie nicht, Jonas, Sie haben nicht gemerkt, daß ich Sie verfolge, seit Sie Ihr Büro verlassen haben. Machen Sie sich nichts daraus, ich hab trotzdem einen Auftrag für Sie. Sie sollen verschwinden.

    Jonas: Aus Babylon?

    Killerin: Weiter. Viel weiter. Sie sollen sterben. Und weil ich ein sehr mißtrauischer Mensch bin, werde ich mich persönlich davon überzeugen, daß Sie es auch wirklich tun.

    Jonas: Sie sind übrigens auch nicht gerade aufmerksam. Sie halten ihre Kofferknarre falsch rum, und Sie wissen wohl auch nicht, daß die Mündung verklebt ist, sieht aus wie Kaugummi.

    Jonas: Das stimmte nicht, aber sie sah trotzdem nach und war einen Augenblick nicht voll bei der Sache. Das reichte. Ein Tritt gegen die Hand, sie ließ den Koffer fallen. Ein harter Schlag an den Hals, es knirschte und knackte. Sie fiel um und blieb liegen. Wenn man ihn umbringen will, wird Jonas eigen. Der Lift hielt, die Tür ging auf, davor stand der männliche Zwilling meiner Begleiterin. Ältlich, schwarz, mit Aktenkoffer. Killer treten meist im Duo auf. Ich war vorbereitet und schoß als erster. Dann legte ich beide pietätvoll im Keller aus und fuhr in den 20. Stock.

    Brock: Sie?

    Jonas: Man wollte mich umbringen, Brock, hier in der Sicherheitszentrale.

    Brock: Gute Idee. Wollen Sie Anzeige erstatten?

    Jonas: Ich will wissen, was mit Judith passiert ist.

    Brock: Das hab ich Ihnen schon am Fon gesagt.

    Jonas: Gar nichts haben Sie gesagt. Sie haben die offizielle Verlautbarung runtergeleiert.

    Brock: Na und? Was wollen Sie denn noch?

    Jonas: Alles. Die ganze Geschichte. Jede Einzelheit. Das bin ich ihr schuldig.

    Brock: Gehen Sie mir nicht auf die Nerven, halten Sie sich raus, hauen Sie ab. Wenn Sie was für Frau Delgado tun wollen, dann gehen Sie ins Casablanca, und halten da eine private Totenfeier, im irischen Stil, mit viel Whisky.

    Jonas: So nicht, Brock!

    Brock: Doch, Jonas, genau so. Raus!

    Jonas: Brock spielte mal wieder den wilden Bullen. Aber mit dem Casablanca hatte er gar nicht so unrecht. Jonas setzte sich in Bewegung, aufmerksam, auf der Hut, Blick zurück in Vorsicht. Nichts schwarzes mit Koffer. Dafür was graues mit Plastiktüte direkt vor dem Casablanca. Ein Penner. Ein Berber. Einer von denen, die nichts haben und alles wissen. Eine von Jonas Ratten.

    Penner: Na, Jonas, wie tickt’s denn so?

    Jonas: Immer richtig.

    Penner: Moment, Jonas, ich weiß was.

    Jonas: So?

    Penner: Falsch, das heißt nicht so, das heißt, ich geb dir was. 10 Euros?

    Jonas: Einer recht.

    Penner: Fünf.

    Jonas: Drei.

    Penner: OK, gib her.

    Jonas: So, jetzt bist du dran, pfeif mir was.

    Penner: Großalarm, gesucht wird ein gewisser Jonas.

    Jonas: Tot oder lebendig?

    Penner: Ne, nur tot.

    Jonas: Die Bullen?

    Penner: Ne, die Todesschwadron.

    Jonas: Die beste und solideste Killerorganisation in Babylon. Zuverlässig. Konservativ. Bestückt mit ehemaligen Sicherheitsleuten, nicht mehr dabei, weil sie zu oft die Hand aufhielten oder zu oft auf den Abzug drückten. Jonas fühlte sich geehrt und verunsichert, weil er nicht die geringste Ahnung hatte, wer ihm die Todesschwadron GmbH und Co KG auf den Hals gehetzt hatte und warum.

    Jonas: Egal. Jacob, einen Whisky.

    Jacob: Hier.

    Jonas: Das ist kein Whisky, Jacob.

    Jacob: Das ist ein Rohrpostbrief. Vor zehn Minuten gekommen. Für dich. Hier steht. Jonas, care of Casablanca. Dringend. Eilig.

    Jonas: Wenn Sie mehr wissen wollen, die ganze Geschichte, jede Einzelheit, Belsatzarstraße 181a, 14.30.

    Jacob: Keine Unterschrift.

    Jonas: Ich weiß, von wem der Brief ist. Wie spät?

    Jacob: Fünf nach zwei. Hey, dein Whisky!

    Jonas: Stell ihn warm.

    Jacob: Weißt du was, Jonas, ich trink ihn selber. Auf dein Wohl. Sieht so aus, als könntest du’s gebrauchen.

    Jonas: Belsatzarstraße 181a war ein Schirmerladen. Voll mit elektronisch super abgeschirmten total abhörsicheren Zellen. Für Leute, die sich mal in Ruhe unterhalten wollten, und sich den Mietpreis leisten konnten. Ich wurde gründlich durchsucht. Sam und die Waffen kamen ins Schließfach. Brock wartete schon in der Zelle.

    Brock: Wurde auch Zeit, Jonas. Ich dachte schon, Sie hätten meinen Brief nicht gekriegt, oder nicht kapiert, das hätte ich Ihnen zugetraut.

    Jonas: Wollen Sie sich mit mir streiten, Brock, oder wollen Sie mir was sagen?

    Brock: Nur wegen Frau Delgado. Die hat nämlich viel von Ihnen gehalten. Weiß der Teufel warum. Und ich hab viel von Frau Delgado gehalten. Darum bin ich hier. Obwohl das gegen alle Dienstvorschriften verstößt.

    Jonas: Und das bringen Sie über Ihr öffentlich bedienstetes Herz. Ich bin gerührt.

    Brock: Sie haben gut reden, Jonas, Sie riskieren nur Ihr Leben, ich riskiere meine Pension.

    Jonas: Aber dann kam er doch noch zur Sache. Zur babylonischen Stadtguerilla. Eine verquere nostalgische Truppe, die sich die klassischen Terroristen des 20. Jahrhunderts zum Vorbild genommen hatte. Eine Frau führte sie an. Sie nannte sich Karla, und sie hatte Ideen. Zum Beispiel die, ein paar prominente Babylonier zu kidnappen und irgendwo im Reservat festzuhalten, in der wilden Ruinenlandschaft, ohne Recht, ohne Gesetz und ohne Sicherheitsverwaltung. Und dann der Verwaltung Forderungen zu stellen.

    Brock: Eine halbe Milliarde Euros, regelmäßige Sendezeiten im Holo. Die Bürgermeisterin sollte live auftreten in Sack und Asche und alle ihre politischen Sünden beichten.

    Jonas: Alle? Das wird ne Endlosserie.

    Brock: Ein Teil der Sicherheitsführung war für Gewalt, ins Reservat einmarschieren, alles kurz und klein schlagen, Oberst Frank von der Terrorpolizei, ein paar andere. Aber sie kamen nicht durch. Der Chef, Sicherheitspräsident Henning, setzte auf Verhandlungen, schon wegen der Geiseln. Ein Sonderstab wurde gebildet, Codename Houdini, und da...

    Jonas: Lassen Sie mich raten, Brock, Judith Delgado.

    Brock: Assistiert von Chefinspektor Brock.

    Jonas: Die Schöne und das Biest.

    Brock: Wollen Sie sich mit mir streiten, Jonas, oder wollen Sie was hören?

    Jonas: Judith nahm Kontakt zu Karla auf, sie traf sich mit ihr, sie verhandelte, sie machte Fortschritte. Das war wichtig, nicht nur für die Geiseln, auch für Sicherheitspräsident Henning, der wollte am 1. Juli in Glanz und Gloria abtreten. Und für Judith. Die wollte Hennings Nachfolgerin werden und brauchte den großen Geiselerfolg, um sich gegen ihren Konkurrenten durchzusetzen, Sicherheitsdirektor Leo Costa, eine eher graue Schreibtischmaus. Leiter des Beschaffungsamts. Zuständig für den Nachschub von Kugelschreibern und von Laserstrahlern. Viel Chancen hatte er nicht. Judith marschierte und verhandelte und stand kurz vor dem erfolgreichen Abschluß.

    Brock: Das war Anfang Juni. Und auf einmal war der Wurm drin. Karla ließ Termine platzen, es gab immer neue Forderungen, die Sache zog sich hin, die Geiseln kamen nicht frei, Henning ging in Pension.

    Jonas: Sein Job kriegte nicht Judith, sondern dieser Costa.

    Brock: Natürlich. Frau Delgado hatte versagt. Sie blieb Leiterin des Sonderstabs, traf sich noch zwei dreimal mit Karla, das letzte Mal am Abend des 19. Juli. Und zur gleichen Zeit rollte der Sturmangriff auf den Schlupfwinkel der Stadtguerilla im Reservat. Kleinbeirut haben sie ihn genannt. Wir vom Sonderstab wußten nichts davon. Chef Costa und Oberst Frank haben die Vorbereitungen geheimgehalten, um die Terroristen zu überraschen. Ein Unternehmen mit allen Schikanen. Helikopter, Tanks, Laserhaubitzen, sogar ein paar Robokiller. Was dabei rausgekommen ist, wissen Sie.

    Jonas: Keine Ahnung, Brock, ich war in Afrika.

    Brock: Alle Terroristen tot, mit einer Ausnahme, fast alle Geisel tot, viele Unbeteiligte tot, ein paar Sicherheitskräfte tot.

    Jonas: Judith Delgado tot.

    Brock: Nicht beim Sturmangriff. Sie traf sich mit Karla. Sie war gar nicht dabei.

    Jonas: Und warum die falsche Verlautbarung?

    Brock: Weil es so einfacher war und sicherheitspolitisch geschickter. Bei so vielen toten Geiseln war es nicht verkehrt, auch in den eigenen Reihen ein hochrangiges Opfer zu haben.

    Jonas: Wie ist Judith umgekommen?

    Brock: Erschossen. Mit einer Keckler und Hoch, SW7. Am nächsten Morgen haben wir sie gefunden, im Osten, an der Grenze zum Reservat. Unter freien Himmel. Nicht weit vom Aquarium und vom Giganthotel.

    Jonas: Wo hat sie sich mit Karla getroffen?

    Brock: Wissen wir nicht, das hat sie für sich behalten.

    Jonas: Sie war allein.

    Brock: Die beiden haben sich immer allein getroffen.

    Jonas: Wer hat Judith umgebracht?

    Brock: Ich weiß nicht.

    Jonas: Karla?

    Brock: Möglich. Sie soll noch am Leben sein, als einziges Mitglied der Stadtguerilla. Untergetaucht. Wo weiß ich nicht. Sonderstab Houdini ist aufgelöst. Ich bin wieder bei der Kripo. Datenkriminalität, Kleinkram...

    Jonas: Wo könnte Karla stecken? Denken Sie nach, Brock. Wo hat Judith Kontakt mit ihr aufgenommen?

    Brock: Keine Ahnung, Jonas, wirklich nicht. Ich hab sie mal gefragt, und da hat sie nur eine unverständliche Bemerkung gemacht.

    Jonas: Über den alten amerikanischen Präsidenten Reagan?

    Brock: Nein, wieso? Über Mao, chinesischer Diktator im vorigen Jahrhundert, über einen Spruch von Mao. Guerillas sind wie Fische im Wasser oder so ähnlich, und dann hat sie gelacht und gesagt, das ist wirklich ein Witz. Frau Delgado hat in den letzten Wochen viel von Ihnen gesprochen, Jonas, Sie haben ihr gefehlt, sie hatte das Gefühl, daß an der Geschichte was nicht stimmt. Jonas würde sich reinknien, hat sie gesagt, Jonas würde es rauskriegen, also dann, kriegen Sie’s raus, ich wünsch es Ihnen und mir und dem Andenken von Judith Delgado. Noch was: Scotland Yard.

    Jonas: Scotland Yard, was soll ich damit?

    Brock: Geben Sie es Ihrem Computer weiter, der ist schlauer als Sie, der kann was damit anfangen. Wir sehen uns Jonas, bald. Bleiben Sie cool.

    Jonas: Weg war er. Aber er ließ mir ein Andenken da: Die Rechnung. 300 Euros für 1 Stunde Schirmerzelle. Jonas zahlte, ungern und ging nach Hause. Wo sich zeigte, daß Sammy tatsächlich was mit Scotland Yard anfangen konnte.

    Sam: Das legendäre Hauptquartier der Metropolitan Police of London, verehrter Assistent Commisioner.

    Jonas: Du wirst es nicht glauben, Sam, das wußte ich.

    Sam: In der Tat, Sir? Es dürfte sich um ein geheimes Codewort handelt, welches mit jedem berechtigtem Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit Zugang zum Zentralcomputer der obersten Sicherheitsverwaltung eröffnet.

    Jonas: Da könntest du recht haben, Sammy.

    Sam: Ja.

    Jonas: OK. Nimm dir das Codewort und geh ein bißchen im Zentralcomputer spazieren. Mal sehen...

    Brock: Sie brauchten sowieso eine neue Tür, Jonas, eine die sich abschließen läßt.

    Jonas: Brock?

    Brock: Chefinspektor Brock, wenn ich bitten darf. Bleiben Sie cool, Jonas.

    Pauly: Aufstehen, Hände hoch, an die Wand, Beine auseinander, bleiben Sie so.

    Brock: Na, dann wollen wir mal. Jonas, nur Jonas, Bürgernummer, geboren, Beruf, blablabla, auf Anordnung des Herrn Präsidenten der Sicherheitsverwaltung von Babylon, Vereinigte Staaten von Europa, sind Sie festgenommen.

    Jonas: Weshalb?

    Brock: Behinderung der Arbeit der Sicherheitskräfte, Betreiben eines nicht entstörten Computers.

    Sam: Ohohohohoh, nur Blut kann sie abwaschen, diese unerhörte Schmach, geben Sie Satisfaction, Pistols, Säbels.

    Pauly: Mit dem Knüppel kannst du was kriegen, du bescheuerte Blechbüchse.

    Sam: Blödmann. Ha, und nochmals Ha. En garde, Wicht.

    Brock: Ruhe. Planung eines schwerwiegenden Datenvergehens, Erregung öffentlichen Ärgernisses.

    Jonas: Das ist alles?

    Brock: Mehr steht hier nicht. Hab ich was vergessen?

    Jonas: Kontoüberziehung im Wiederholungsfall. Spucken auf den Bürgersteig.

    Brock: Haha. Sie werden in kriminalpolizeilichen Gewahrsam genommen und zwecks Aburteilung dem nächstgelegenen Autojudex vorgeführt.

    Jonas: Und, was werd ich kriegen?

    Brock: Tja, zwei Jahre verschärfter Hausarrest mit Elektrofessel, mindestens, Detektivlizenz weg, Computer eingezogen.

    Sam: Niemals! Keine Macht der Welt kann Sammy vom Busen seines innig geliebten Herrn reißen.

    Pauly: Das wirst du schon sehen, wie wir das können, und dann kommst du in den Asservatenkeller, da ist es dunkel und feucht und eklig. Und da wirst du vergammelt und verrotten.

    Sam: Und du kommst mit.

    Brock: Das reicht, Pauly. Sehen Sie sich mal in der Naßzelle um, aber gründlich.

    Pauly: Wird gemacht, Chefinspektor.

    Brock: Hauen Sie ab, Jonas.

    Jonas: Was?

    Brock: Sie sollen fliehen, Sie Idiot, nachdem Sie mich überwältigt haben, natürlich. Los.

    Jonas: Danke Brock.

    Brock: Nur wegen Frau Delgado, Jonas, Gehen Sie nicht ins Casablanca, da schicken wir gleich eine Streife hin.

    Sam: Fein.

    Jonas: Blieb eigentlich nur ein einziger Zufluchtsort. Der arme Schlucker, ein Dipsomat. Lem-/Ecke Strugazkistraße. Wenig geliebt, weithin unbekannt. Wo man sich einen Strohrum ziehen und mit seinem Computer zu raten gehen konnte. Zum Glück hatte ich ein paar Euros in der Tasche.

    Sam: Wieviel?

    Jonas: Zehn, zwanzig, dreißig und ein paar zerklemmte.

    Sam: Naja, nicht eben stupender Reichtum, euer Minderbemitteltheit. Hilft nix, muß erst mal reichen.

    Jonas: Muß nicht, Sammy. Ausnahmsweise hab ich was auf dem Konto. Ich kann bargeldlos zahlen.

    Sam: Hehehe, kannst du nicht, Knirschgetriebe, weil sie dich sofort am Arsch haben, wenn du irgendwo im elektronischen Netz auftauchst. Die Bullen, die Todesschwadronen, alle.

    Jonas: Jonas gegen den Rest der Welt, wie üblich. Apropos Todesschwadronen, Judith ist mit einer Keckler und Hoch erschossen worden und das heißt...

    Sam: Von der Todesschwadron, die auch Jonas auf dem Kicker hat, will sagen, im Visier. Frage: Wer ist der Auftraggeber?

    Jonas: Die Antwort finden wir nicht, wenn wir hier sitzen und Strohrum trinken. Scotland Yard, Sammy.

    Sam: Ach, längst passiert. Während euer Saumseligkeit über Alkohol in seiner entsetzlichsten Gestalt frönten, unternahm Sam, Sam, der Pflichttreue, der Gewissenhafte, der Verantwortungsbewußte, eine Exkursion in die geheimnisvollen Tiefen des Zentralcomputers. Wer wagt es Knappertsmann oder Ritt zu schlauchen in diesen Tunt. Na, wer schon. Na ich, Sam. Unerschrocken, wendig, alle aufgestellten Fallen geschickt umgehend, konzentriert, diszipliniert.

    Jonas: Ist ja gut, Sammy, du bist der größte. Das wissen wir doch. Was hast du entdeckt.

    Sam: Zweierlei, du Nieswurz. Hatschi. Danke. Großfahndung nach Jonas, nur Jonas alle erste Priorität. Sicherheitsapparat auf Hochtouren.

    Jonas: Meinetwegen? Bin ich Jack the Ripper?

    Sam: Unzureichende Daten, mein Jonas.

    Jonas: Und zweitens?

    Sam: Daten über Stadtguerilla und den Tod der Dame Judith nicht zugänglich, auch nicht mit Codewort Scotland Yard. Zusätzlich verschlüsselt und verrammelt und verschottet.

    Jonas: Da kommen wir also nicht weiter, Sam. Neuer Approach. Karla. Wir müssen versuchen, sie aufzutreiben. Wo könnte sie stecken. Kombinieren wir.

    Sam: Wir, my dear Watson?

    Jonas: Wie du willst, Sam, dann kombinier gefälligst du alleine. Dafür hab ich dich. Los, auf der Stelle.

    Sam: Drei vier, Maofisch, Wasserfisch im Wasser. Wo gibt’s so was. Na?

    Jonas: Jedenfalls nicht im Meer oder im See oder im Fluß. Schon lange nicht mehr.

    Sam: Korrekt. Wo dann?

    Jonas: Im Aquarium?

    Sam: Exzellent, mein lieber Jonas. Wo wurde die Dame Judith aufgefunden?

    Jonas: Im Osten an der Grenze zum Reservat, nicht weit vom Giganthotel und vom...

    Sam: Aquarium, Aquarii, neutrum. Quod erat demonstrandum.

    Jonas: Du meinst, Karla ist im Aquarium?

    Sam: Naja, hast du eine bessere Idee, o du mein Wasserkopf, bluber blubber blub.

    Jonas: Ich hätte mich wie Dschango fühlen sollen. Einsamer Wolf. Einsamer Jäger. Einsamer Rächer. Aber als ich durch die Straßen ging, kam ich mir eher vor wie eine Zielscheibe oder wie das Männlein im Walde. Ganz allein auf einem Bein. Und drum herum lauter wilde Tiere, die was von mir wollten. Da hatte ich gar nicht mal unrecht.

    Sam: Achtung, Achtung, wir unterbrechen unser Programm für eine Durchsage. In Sicht sind zwei schwarze Aktenkoffer. Ich wiederhole Aktenkoffer. 300 Meter zurück. Abstand abnehmend.

    Jonas: Da haben sie mich also wieder gefunden. Was machen wir, Sammy, einen Zahn zulegen?

    Sam: Und wenn du wetzt wie Zatopek.

    Jonas: Wie wer?

    Sam: Kennt er nicht. Eine Kugel ist schneller, allemal. So steht es geschrieben.

    Jonas: Ich könnte es mit den beiden ausschießen.

    Sam: Ohohoh. Zwei gegen einen, naja, und gut sind die auch.

    Jonas: Also was dann, Sammy?

    Sam: Was dann? Was deucht euch von der Straße, Eminenz?

    Jonas: Straße? Die hier?

    Sam: Na, den Markgrafenboulevard werd ich meinen. Natürlich die hier.

    Jonas: Was soll mich deuchen. Eine schmale Straße, einsam, tote Lagerhäuser, typisch für Ostbabylon.

    Sam: Nicht eben sauber.

    Jonas: Es geht. Sag mal Sammy, was soll...

    Sam: Müßte mal gereinigt werden.

    Jonas: Ich weiß nicht, das geht doch automatisch. Regelmäßig, zentralgesteuert mit Vorwarnung. Siehst du nicht die Düsen an jeder Ecke rechts und links. Die Düsen!

    Sam: Ach, hat er’s endlich geschnallt unser mentaler Schneckerich. Die Straßenreinigung untersteht der Sicherheitsverwaltung.

    Jonas: Du mogelst dich ins System ein, sagst Scotland Yard, setzt das Normalprogramm außer Betrieb und sorgst dafür, daß dieses Stück Straße mal gründlich sauber gemacht wird außer der Reihe. Achtung, Sammy, hier sind die Düsen, sobald ich vorbei bin.

    Sam: Läuft Aktion sauberer Asphalt. Scotland Yard. Düsen nach hinten. Wasser marsch. Gebläse. Spül weg den Dreck. Hehe.

    Jonas: Das Killerteam segelte von dannen. Sehr schnell. Mit achterlichem Wind. Und Jonas ging weiter. Vorwärts. Immer vorwärts. Jetzt war mir wirklich nach Dschango. Das Aquarium war ein flacher ausladender Bau im Schatten des berghohen Giganthotels, nicht weit vom Reservat, der ausgebrannten Ruinenlandschaft, in der Gesetzlose hausten, Freaks, Terroristen, Mutanten, kannibalische Nachtmenschen. Aber die Trümmer und ihre Bewohner waren nicht zu sehen, weil die gewaltigen Holoprojektoren auf dem Dach des Giganthotels die häßliche Realität mit Illusionen zudeckten. Bunte Parks, gelbe Felder, grüne Wiesen, wunderschön anzusehen, und so echt wie das Ehrenwort eines Politikers. Das Aquarium war geschlossen. Wegen Bauarbeiten. Stand auf dem Schild an der Tür. Kein Problem für Sam und sein magisches Codewort. Vor Scotland Yard öffnen sich alle Pforten.

    Sam: Dank, mein lieber Brock, ich könnt dich herzen und küssen.

    Jonas: Übertreibs nicht, Sammy.

    Sam: Ja.

    Jonas: Und mach dir gefälligst Gedanken, wie’s weitergeht. Wie finden wir Karla, ist sie überhaupt hier, wie sollen wir sie erkennen.

    Sam: Questions over Questions, meine verehrten Damen und Herren, zuhause an den Holoschirmen.

    Jonas: Und keine Antwort, wie es scheint.

    Sam: Stube. Korrektur. Gemach, mein ungläubiger Jonas. Es gibt eine Antwort, und sie stammt von keinem geringerem als dem großen amerikanischen Philosophen Readers Digest. Wie sagt er doch, in einem seiner erhabendsten, seiner profundesten Aphorismen: Es wird sich alles alles finden. Warte nur.

    Jonas. Willst du mich verarschen, Sammy?

    Sam: Und siehe, es hat sich gefunden, das weiterführende Glied in der detektivischen Kette. Ein Weg tut sich auf. Es ertönt die Posaune von Jericho, die Trommel ruft zum Streite. Folge dem Klang, altes Kriegsroß. Wieher!

    Jonas: Jonas folgte durch eine Tür, über einen langen Gang, um eine Ecke, und da wurde es laut. Vor mir lag ein weiter heller Raum, in der Mitte ein Becken voller Wasser, dahinter eine Frau in Deckung. Eine Frau im weißen Kittel, in der Hand einen Laserstrahler. Zwei schwarze Figuren arbeiteten sich zu ihr vor, rechts und links am Beckenrand. Eine der beiden feuerte aus dem bekannten schwarzen Aktenkoffer, die andere hatte keinen Aktenkoffer, sie hatte einen Kanister auf dem Rücken, und in der Hand ein Rohr, aus dem ein Feuerstrahl schlug. Ein Flammen-werfer, ein richtiger altmodischer Flammenwerfer. Typisch Todesschwadron. Ich mischte mich ein, mit meinem Laser.

    Karla: Danke, Fremder. Reine Menschenfreundlichkeit, oder haben Sie einen bestimmten Grund, mir zu helfen?

    Jonas: Die Todesschwadron. Mit der hab ich ein Hühnchen zu rupfen. Ein Riesenhuhn bessergesagt. Und dann möchte ich, daß Sie mir ein paar Fragen beantworten. Sie heißen doch Karla.

    Karla: Sind Sie von der Terrorpolizei?

    Jonas: Sie stand vor mir, wachsam, gespannt, den Zeigerfinger am Drücker ihres Laserstrahlers. Jonas sagte ihr, wer er war, und was er von ihr wollte.

    Karla: Gut, reden wir. Nicht hier. In der Cafeteria. Da ist jetzt kein Mensch. Warten Sie einen Augenblick, ich will mich nur umziehen.

    Jonas: Wo?

    Karla: In meinem Zimmer, ich arbeite hier, in der ichthyologischen Abteilung. Dr. rer. nat. Karla Adamski. Sagen Sie Karla. Moment.

    Jonas: Was tun Sie?

    Karla: Ich laß die Piranhas ins Becken. Damit sie hier reinen Tisch machen. Was bei internen Auseinandersetzungen abfällt, geht andere nichts an. Sehen Sie nur zu, Jonas, sehr lehrreich, und symbolisch. Die kleinen Fische fressen die Großen. Manchmal.

    Jonas: Ich ließ sie gehen. Nicht, weil sie einen Laser hatte. Den hatte ich auch. Ich traute ihr. Und sie kam tatsächlich zurück. In einem unauffälligen brauen Overall. In der Cafeteria zog ich mir einen Sojakaff und einen doppelten Sojaburger. Das hatte ich nötig.

    Karla: Was haben Sie mit Judith Delgado zu tun? Freund. Partner. Beziehung?

    Jonas: Ich bin ihr was schuldig.

    Karla: Geht mich auch nichts an. Sie haben mir geholfen, und deshalb bin ich Ihnen was schuldig. Was wollen Sie wissen?

    Jonas: Wie ist sie umgekommen?

    Karla: Das kann ich Ihnen sagen, ich war dabei, wir waren verabredet zum so und sovielten mal, in der Nähe im Reservat, wie immer, in einem ausgebrannten Haus. Und direkt davor wurde sie erschossen. Vier Schwarze mit Koffern. Kreuzfeuer. Sie war sofort tot.

    Jonas: Und Sie Karla?

    Karla: Ich war vorsichtig und hatte meine kugelsichere Wäsche angezogen. Gleich nach dem ersten Schuß bin ich abgetaucht. Im Reservat kenn ich mich besser aus als die Killer von der Todesschwadron. Sie haben mich verfolgt. Erwischt haben sie mich nicht. Aber sie versuchen es immer wieder. Wie eben.

    Jonas. Warum? Wer steckt dahinter?

    Karla: Ich bin der letzte Name auf der Liste. Alle anderen sind gestrichen, abgehackt, erledigt. Die Genossen sind beim Sturm auf Kleinbeirut gefallen. Und zur gleichen Zeit hat die Todesschwadron auf Delgado angesetzt. Weil ihr klar geworden war, was gespielt wurde. Jetzt bin nur noch ich übrig. Und Sie natürlich, Jonas.

    Jonas: Ich?

    Karla: Sie wühlen und bohren und kommen ihm immer näher.

    Jonas: Ihm? Wem?

    Karla: Ganz nah dran sind Sie offenbar noch nicht. Costa natürlich.

    Jonas: Der Sicherheitschef?

    Karla: Seine Ehren Leo Costa. Präsident der obersten Sicherheitsverwaltung zu Babylon.

    Jonas: Costa hat Judith umbringen lassen.

    Karla: Ja sicher, weil sie ihm auf die Schliche gekommen war.

    Jonas: Als Leiter des Beschaffungsamts hatte Costa die Stadtguerilla mit Waffen versorgt. Über Jahre. Er ließ sich dafür bezahlen. Aber das war nicht sein Hauptgrund. Er war der Meinung, die Sicherheitsbehörde brauchte einen Gegenpart, ein wirkungsvolles Feindbild, eine Rechtfertigung für polizeiliches Hochrüstung und law and order Politik. Darum lieferte er den Terroristen Waffen. Nicht viele, nicht die neuesten, nicht die besten. Gerade soviel, daß sie ab und zu von sich reden machen konnten. Aber dann landete Karla ihren großen Coup, ohne Costa zu informieren. Die Geiselnahme. Und danach lief alles schief für Costa.

    Karla: Wegen Delgado, weil sie als erfolgreiche Senkrechtstarterin schon als künftige Chefin der Sicherheitsverwaltung gehandelt wurde. Den Job hatte sich Costa selbst vorbehalten. Und als Delgado den Auftrag kriegte, mit uns über die Geiseln zu verhandeln, da sah er seine Chance. Er schlug mir einen Deal vor: Ich sollte die Verhandlungen rauszögern, schleppen lassen, bis Henning aufs Altenteil kam, und wenn Costa Sicherheitspräsident geworden war, wollte er uns Waffen liefern. Mehr als bisher, und modernere. Was ähnliches ist mal in Amerika passiert, vor gut 30 Jahren, bei der Wahl zum Präsidenten. Irgendein Staat im Orient hatte damals amerikanische Geißeln festgehalten, und damit der bisherige Präsident nicht mit einem großen Erfolg im Rücken wiedergewählt wurde, soll sein Konkurrent mit diesem Staat vereinbart haben, daß die Geißeln erst später, nach der Wahl losgelassen werden sollten. Gegen Waffen und sehr viel Geld.

    Jonas: Regean.

    Karla. Ja, so hieß er wohl.

    Jonas: Das hat sie also gemeint.

    Karla: Was, wer?

    Jonas: Nicht so wichtig. Erzählen Sie weiter.

    Karla: Da ist nicht mehr viel zu erzählen. Delgado hat offenbar was spitzgekriegt.

    Jonas: Hat sie. Jetzt weiß ich’s.

    Karla: Costa konnte nicht zulassen, daß seine geheimen Abmachungen mit uns rauskamen. Er mußte was unternehmen, und das tat er dann auch. Gründlichst. Generalbereinigung. Großes Aufwaschen.

    Jonas: Sturmangriff auf Kleinbeirut.

    Karla: Richtig. Danach gab’s kein Geiselproblem mehr. Keine Stadtguerilla. Keine Zeugen, die Auspacken konnten. Und zur gleichen Zeit sollten Delgado und ich erledigt werden. Damit beauftragte Costa die Todesschwadron. Gute Kumpel aus alten Sicherheitszeiten. Das war’s Jonas, noch Fragen?

    Jonas: Danke, Karla, Sie waren sehr offen.

    Karla: Ihnen kann ich alles sagen, Jonas, Sie sind nicht gefährlich, nicht mehr. Dafür wird Costa sorgen.

    Jonas: Glauben Sie, Karla?

    Karla: Ich bin sicher. Weil ich ihn nämlich angerufen habe, eben in meinem Zimmer. Ich habe ihm einen letzten Deal angeboten. Er kriegt Sie, Jonas, wenn er mich in Ruhe läßt und die Schwarzen zurückpfeift.

    Jonas: Und er war einverstanden.

    Karla. Natürlich. Ich soll Sie umbringen, hat er gesagt, aber das habe ich abgelehnt. Soll er seine Drecksarbeit selber machen. Sie sind bewaffnet, Jonas, Sie haben eine Chance, eine ganz kleine. Da kommt er! War nett sie kennengelernt zu haben Jonas.

    Jonas: Schade, daß die Bekanntschaft nur kurz war. Hätten wir uns nicht zusammentun können?

    Karla: Daran habe ich auch schon gedacht. Aber das ist mir zu riskant. Sie sind ein sturer Bock, einer, der keine Kompromisse macht, der sich lieber umbringen läßt als aufzugeben. Ein Romantiker. Das ist nichts für mich.

    Jonas: Wo gehen Sie hin, Karla?

    Karla: Ins Reservat. In den Untergrund. Abwarten. Mal sehen, was sich bietet. Ichthyologin mit einschlägiger terroristischer Erfahrung sucht neuen Wirkungskreis. Viel Glück, Jonas.

    Jonas: Aus der untergehenden Sonne kamen zwei Helikopter. Ein kleiner Kommandohubschrauber und ein Transporter. Schwarz. Ohne Markierung. Costa mit der Todesschwadron. In wenigen Sekunden würden sie landen, auf dem großen Platz zwischen Aquarium, Giganthotel und Reservat. Was tun? Sammy hilf!

    Sam: Jajaja, jetzt kommt er angeschissen, mein großer Herr und Meister. Sammy, hilf mir, nachdem ich stundenlang Luft für ihn war, weil er mit diesem Weib herumturteln mußte, dieser Karla, und was hat er davon gehabt, der trottelige Triebmensch, verraten hat sie ihn, schnöde verkauft, kaltschnäuzig verscherbelt für 30 Silberlinge.

    Jonas: Genau das hat mir gefehlt, Sam, dein Zuspruch, deine moralische Aufrüstung. Ich danke dir. Du weißt, was ich jetzt brauche, nicht etwa tatkräftige Unterstützung, nein, Worte Worte Worte.

    Sam: Ja. Worte. So so. Und was ist das?

    Jonas: Was ist was?

    Sam: Da draußen. Guck mal aus dem Fenster.

    Jonas: Der Kommandohubschrauber setzte zur Landung an. Der Transporter flog weiter. Stur gerade aus. Über den Platz. Über das Reservat. Über die Stadtgrenze. Immer weiter. In die Wüste.

    Sam: Bis daß der Sprit alle ist.

    Jonas: Und dann, Sammy?

    Sam: Fällt er runter. Plumps.

    Jonas: Du hast das Steuersystem blockiert.

    Sam: Klar doch. Nur Worte, he? Nimmst du das eventuell zurück?

    Jonas: Später, Sammy. Falls ich noch dazu komme.

    Sam: Dann ist die Sache für mich erledigt.

    Jonas: Der kleine Helikopter ist gelandet.

    Sam: Damit müssen wir uns abfinden, Majestät. Speziell gesichertes System. Auf die schnelle nicht zu knacken.

    Jonas: Ein kleiner Mann in grau steigt aus.

    Sam: Ja. Costa.

    Jonas: Und zwei Schwarze. Mit Maschinenpistolen. Von hier aus kann ich gar nichts machen, Sammy. Der Laser reicht nicht so weit. Der Revolver auch nicht. Costa hat ein Megafon.

    Costa: Jonas, nur Jonas, Ihre Lage ist hoffnungslos. Kommen Sie raus. Langsam, die Hände über dem Kopf.

    Sam: Ja, tu, was er sagt, Lahmgesäß.

    Jonas: Ach ja, damit sie mich in aller Ruhe abknallen können? So nicht, Sammy. Ich komm raus, aber anders. Im Laufschritt, eine Waffe in jeder Hand. Ich mach denen da draußen Feuerwerk.

    Sam: Hehe, wie weiland Butch Cassidy und Sundance Kid.

    Jonas: So hab ich wenigstens eine kleine Chance.

    Sam: Naja, 1 zu 3. Prädikat: Weniger empfehlenswert.

    Jonas: Weißt du was besseres?

    Sam: In der Tat, o leicht getrübte Leuchte des Weltalls. Denn merke: Die Holoprojektoren auf dem Giganthotel werden von einem nicht eben schwierig zu infiltrierendem System gesteuert. Es lebe die Illusion. Vertrau auf Sam.

    Jonas: Muß ich wohl.

    Costa: Kommen Sie raus, Jonas.

    Sam: Der ist ja immer noch da.

    Jonas: Jonas kam, Hände hoch, langsam. Schritt für Schritt. Costa wartete und sah mich an. Zufrieden.

    Costa: Sehr vernünftig, Jonas, so geht es wenigstens schnell. Sie ersparen mir Zeit und sich selbst unnötige Quälerei. Kommen Sie näher. Noch näher. Ich hatte Sie immer im Auge, Jonas, seit Sie zurückgekommen sind. Ich wußte, daß Frau Delgado Sie in Interna der Sicherheitsverwaltung eingeweiht hatte, gegen jede Vorschrift. Darum mußte ich auf dem laufenden sein, was Sie betraf. Wenn irgendwo in meiner Nähe ein Haufen Scheiße rumliegt, dann will ich wissen wo, damit ich nicht reintrete. Kommen Sie näher.

    Jonas: Sie sind schon reingetreten, Costa.

    Costa: Noch näher, Jonas.

    Jonas: Sie stinken zum Himmel.

    Costa: Das genügt. Machen wir ein Ende.

    Jonas: Sammy?

    Sam: Vertrau auf Sam.

    Costa: Jonas? Was ist? Wo sind Sie?

    Jonas: Ich war noch da, an derselben Stelle. Aber Costa sah mich nicht. Er sah ein wogendes Kornfeld unter strahlend blauem Himmel. Eine Holoillusion, die Sam zwischen uns gestellt hatte. Durchsichtig, von meiner Seite, nicht von seiner. Er sah sich um, verwirrt. Seine beiden Trabanten fingen an, in die Gegend zu ballern. Das ging nicht. Zwei Schüsse aus meinem Laserstrahler, und dann war da nur noch Costa. Und Jonas. Und natürlich Sam, der mit den Holoprojektoren spielte.

    Sam: Urwald. Haha.

    Jonas: Voller Begeisterung.

    Sam: Meer. Hahahaha. Wüste. Hahaha. Eine wunderschöne grüne Wiese.

    Costa: Hören Sie auf, Jonas, zeigen Sie sich.

    Sam: Knips ihn ab, Knödelfies, oder willst du ihn laufen lassen?

    Jonas: Nein. Aber erschießen wollte ich ihn auch nicht. Das war zu wenig. Zu leicht. Es war dunkel geworden. Sie waren nicht deutlich zu erkennen. Schattenhafte Bewegungen. Kalkweiße Flecken unter den Ruinen. Nachtmenschen. Der Trubel hatte sie angelockt, die Helikopter. Die Schüsse. Die Projektionen. Sie warteten am Rand, an der Grenze zum Reservat. Sie warteten und lauerten. Hungrig. Voller Gier.

    Jonas: Wir sollten sie nicht enttäuschen, Sammy. Setzen Sie sich in Bewegung, Costa. Los.

    Costa: Nein, nein.

    Sam: Schieß ihm in die Haken.

    Costa: Au.

    Jonas: Das ist die Richtung Costa. Sehr gut. Und noch einen Schritt.

    Costa: Nein.

    Sam: Doch.

    Jonas: Na also. Und noch einer. Für die toten Geiseln und für die Stadtguerilla und für die unschuldigen Opfer. Und jetzt ein großer Schritt für Judith Delgado.

    Costa: Nein, Jonas, bitte.

    Jonas: Und noch ein Schritt für Judith und noch einer und noch einer. Und jetzt der letzte Schritte.

    Costa: Nein. Nein. Au!

    Jonas: Gesegnete Mahlzeit.

    Sam: Mahlzeit Chef. Ob er ihnen wohl bekommen wird?

    Jonas: Nachtmenschen. Sicherheitspräsidenten. Schwarze Killer. Terroristen. Große Fische. Kleine Fische. Fressen und gefressen werden. Sehr lehrreich und symbolisch. Es wurde ruhig. Um uns lag Babylon. Babylon die große Stadt. Unermeßlich. Unerschütterlich. Unbeeindruckt.

    Sam: Durch die Straßen der Stadt dadadadadadada, geht ein einsamer Mann, babababababa, ja das ist der Euroblues, dudidudidudi, der zieht aus die Schuhes, bambobambobam, die Strümpfe dazu, schlaf Judith in ewiger Ruh, babababaa, durch die Straßen der Stadt durch die Straßen Straßen Straßen Straßen geht ein einsamer Mann, ja das ist der Euroblues, badi, schlaf Judith, schlaf in ewiger Ruh.

    Jonas: Gehen wir nach Hause, Sammy.

    Sam: Ok. Ok Ok Ok Ok.

    Das war Euroblues. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam: Peer Augustinski. Es wirkten außerdem mit: Karin Anselm, Ilse Zielstorf, Helmut Stange und viele andere (Claudius Zimmermann, Helga Engel, Eduard Linkers, Hans Stetter, Werner Klein). Ton und Technik: Irene Thielmann und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Werner Klein. (Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks) (1990). (Redaktion: Erwin Weigel).

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:38 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Euromüll

    Stimme: Jonas, hilf mir, Jonas, bitte, bitte hilf mir! Hilf! Jonas! hilf! Jonas, bitte bitte hilf mir! Jonas, bitte. Jonas, bitte hilf mir, Jonas!

    Jonas: Judith ruft mich. Sie ist in Gefahr. Sie braucht Hilfe. Wo ist Sie? Wo bin ich? Ich wachte auf. Ich war in Afrika. Ich hatte geträumt. Aber da rief immer noch jemand.

    Tou-Po 1: Jonas! Hilfe! Hilf mir Jonas. Hilfe! Machen Sie auf, Jonas, schnell!

    Jonas: Nicht Judith. Die war zu Hause in Babylon. Ein Mann.

    Neon: Jonas, laß das, Jonas jetzt steh doch auf! Da ist einer an der Tür!

    Jonas: An der Tür. Vor unserem Bungalow. In der Hotelanlage am Meer. Unter Palmen. Mitten in der Nacht. Ein Radaubruder. Wußte der nicht, daß Jonas Urlaub hatte?

    Tou-Po 1: Jonas! Um Gottes Willen, Hilfe! Hilfe! Ah!

    Jonas: Nein, ich will das nicht, ich hab frei.

    Neon: Was ist Jonas?

    Jonas: Ach, hier liegt einer, Neon, direkt vor der Tür.

    Neon: Tot?

    Jonas: Total.

    Neon: Die haben ihn umgebracht.

    Jonas: Die waren zwei kräftige Männer, die hinten im Schatten verschwanden. Schwarze Haut in himmelblauen Uniformen. Sehr auffällig. Sehr verdächtig.

    Jonas: Die haben ihn nicht umgebracht, Neon, jedenfalls nicht hier und nicht jetzt.

    Neon: Wieso?

    Jonas: Einschuß in der linken Brust.

    Neon: Na bitte.

    Jonas: Und kein Blut, kein einziger Tropfen. Im Nacken Blutergüsse, sogenannte Leichenflecken, der Typ liegt aber auf dem Bauch, außerdem treten Leichenflecken erst Stunden nach dem Tod auf.

    Neon: Hmh.

    Jonas: Jonas ist kein Pathologe, aber ein bißchen Bescheid mit so was muß ein Detektiv wissen, und Jonas ist Detektiv. Der letzte Privatdetektiv. Wohnhaft und tätig zu Babylon, Vereinigte Staaten von Europa, zur Zeit aushäusig in Urlaub und lustlos.

    Neon: Der Mann ist also schon eine ganze Zeit lang tot.

    Jonas: Mit Sicherheit.

    Neon: Dann kann er ja auch nicht gerufen haben.

    Jonas: Sehr gut mein lieber Watson.

    Neon: Aber das Geschrei und der Schuß.

    Jonas: Theater, Neon, alles Theater. Die zwei Himmelblauen haben uns einen toten Mann vor die Tür gelegt, sie haben ein bißchen gebrüllt, gebollert, in die Luft geschossen.

    Neon: Und warum?

    Jonas: Woher soll ich das wissen. Vielleicht hat er die Erklärung bei sich, unser schweigsamer Besucher.

    Neon: Du meinst den Briefumschlag unter seiner linken Hand. Oh, Für dich, Jonas.

    Jonas: Tatsächlich. Da steht Jonas.

    Neon: Und was ist drin?

    Jonas: Nichts. Ein kleiner Schlüssel aus Blech, auf der einen Seite ist eine Zahl eingestanzt, 227.

    Neon: Hm.

    Jonas: Auf der anderen Seite steht: Aerodrom Sabac.

    Neon: Ein Schließfachschlüssel. Schließfach 227 im Flughafen von Sabac.

    Jonas: Vermutlich.

    Neon: Was wirst du tun, Jonas. Fährst du nach Sabac?

    Jonas: Nein. Jonas wollte nicht nach Sabac fahren. Jonas wollte sich erholen mit Neon, der schönen dunkelhäutigen Autorin aus den USA. Wir hatten uns beim Fall Eurobaby kennengelernt und als der glücklich zu Ende gebracht war, hatten wir beschlossen, ein paar Tage Ferien zu machen, in Solaria, dem beliebten afrikanischen Staat, in den so viele Touristen fahren. Weißer Strand, grüne Palmen und relativ saubere Umwelt. Wir wollten für uns bleiben, Neon und ich.

    Jonas: Und jetzt so was. Ärgerlich. Komm wieder ins Bett Neon.

    Neon: Aber wir müssen doch etwas tun, Jonas.

    Jonas: Morgen, Neon, morgen denken wir in Ruhe über alles nach.

    Neon: Und jetzt willst du gar nichts unternehmen?

    Jonas: Doch, den Nachtportier anrufen.

    Portier: Ja bitte?

    Jonas: Jonas Bungalow 12a.

    Portier: Was können wir für Sie tun, Herr Jonas, eine neue Flasche Scotch, frisches Eis?

    Jonas: Keine schlechte Idee, aber deshalb ruf ich nicht an, vor meiner Tür liegt ein Toter.

    Portier: In der Tat, Herr Jonas?

    Jonas: Lassen Sie ihn wegschaffen.

    Portier: Wird sofort erledigt, Herr Jonas.

    Jonas: Am nächsten Morgen hörten wir mehr, wir saßen beim Frühstück, der Nachtportier erschien, sah sich um, kam an unseren Tisch.

    Portier: Die Leiche ist fort, meine Herrschaften.

    Jonas: Haben wir gemerkt.

    Portier: Ganz und gar fort meine ich. Nicht mehr im Hotel. Die Tou-Po hat sie abgeholt.

    Jonas: Tou-Po.

    Portier: Ja, die Tourismuspolizei. Na Sie wissen doch meine Herrschaften, wir in Solaria leben vom Tourismus. Und deshalb gibt’s die Tou-Po, eine Sondertruppe mit Sondervollmachten. Sie untersteht nicht dem Innenministerium wie die normale Polizei, sondern dem Ministerium für Tourismus und Fremdenverkehr.

    Jonas: Ach ja, sagen Sie mal, tragen die Bullen von der Tou-Po vielleicht blaue Uniformen?

    Portier: Jawohl, Herr Jonas, himmelblau. Ich darf Ihnen das eigentlich nicht sagen, Herr Jonas aber Sie sind ein geschätzter Gast unseres Hauses.

    Neon: Soll heißen ein großzügiger Bakschischspender.

    Jonas: Jonas war wieder flüssig. Im ominösen Eurobabyhelikopter hatte ich was gefunden, ein Päckchen Euronoten, aus dem Besitz der Firma Eurimex. Das hatte ich beschlagnahmt. Als Honorar und Schmerzensgeld und als Urlaubskasse.

    Portier: Die Tou-Po war schon mal hier, Herr Jonas, gestern am frühen Morgen, hat sich nach Ihnen erkundigt, ob Sie noch bei uns logieren, wie lange Sie zu bleiben gedenken. Vielen Dank, Herr Jonas. Immer gern zu Diensten.

    Jonas: Das gefiel mir nicht, wie's aussah wurde aus der Geschichte ein Fall, einer der unangenehmen Sorte, kein Klient, kein Honorar, dafür massenhaft Ärger, aber vielleicht kam ich doch noch raus, mit der bewährten Vogelstraußmethode oder mein ich die drei Affen, nichts hören, nichts sehen, Kopf in den Sand, letzteres wortwörtlich, nach dem Frühstück legten wir uns an den Strand. Neon und ich, den Schlüssel nahmen wir mit, Sam auch. Den hätten wir besser zuhause lassen sollen.

    Sam: Völker der Welt, schaut auf diesen Strand, schaut wie ein armer kleiner unschuldiger Computer taktiert wird, wie man ihn mißhundelt, martert, malträtiert, schaut ihn an, brutal in glühend heißen Sand gesteckt. Gnadenlos den brennenden Strahlen der Tropensonne preisgegeben. Einen Sonnenstich könnte ich kriegen.

    Jonas: Den hast du schon, Sammy.

    Sam: Oder einen Sonnenbrand. Oder die ekligen Moskitos pieksen mich zu Tode.

    Jonas: Darüber würde ich mir keine Sorgen machen. Wenn ich in einer Schale aus spezial gehärtetem Kunststoff steckte.

    Sam: Ich bitte Sie Herr Nachbar, das ist äußerlich, rein äußerlich, doch wie's dar rinnen aussieht.

    Jonas: Wollen wir gar nicht wissen, Sam, hör auf zu quengeln.

    Sam: Meine Chips fangen an zu schmoren und mein Hals ganz trocken, ausgedörrt.

    Jonas: Du hast keinen Hals, Sammy.

    Sam: Sei nicht so kleinlich du kaltherziger Korinthenkacker.

    Jonas: Sam ist mein Computer, in Taschenausgabe ständig bei mir. Von wegen Rat und Hilfe. Sam mag keine Sonne. Jonas mag er in maßen. Was er am liebten mag ist reden, schnattern, quasseln, querulieren.

    Jonas: Was spricht der Dichter quäle nie ein Tier mit Schmerz.

    Neon: Du spinnst, Sammy, du bist ein Computer ein Ding aus Metall und Plastik. Schlag- und stoßgesichert und absolut temperaturunabhängig.

    Sam: Ach. Nicht einmal die Gnädigste versteht den armen Sam, naja so muß er denn allein und unverstanden seines Weges ziehen und leiden leiden leiden.

    Jonas: Wenn du unbedingt leiden willst, Sam, dann tu's leise. Neon, da hinten auf der Düne das Fahrzeug.

    Neon: Ein Beachbuggy mit Spiritusantrieb. Toll. Eine echte Antiquität. Also bei uns gibt's so was schon lange nicht mehr.

    Jonas: Bei uns auch nicht, aber ich meinte eher die Insassen.

    Neon: Blau, himmelblaue Uniformen. Tou-Pos.

    Sam: Tou-Pos.

    Jonas: Sie kommen hierher.

    Neon: Jonas was tust du?

    Jonas: Buddeln im Sand, sie dürfen den Schlüssel nicht finden.

    Neon: Sam gräbst du am besten auch gleich ein, damit sie ihn nicht aufbrechen.

    Sam: Im Namen der Menschlichkeit verwahre ich mich auf das entschiedenste.

    Tou-Po 2: Aufstehen, Hände hoch, Beine auseinander.

    Neon: Wer sind Sie?

    Tou-Po 1: Toupo. Sondereinsatz. Los hoch oder wir machen euch Beine.

    Neon: Was wollen Sie von uns, wir sind Touristen, Gäste.

    Tou-Po 2: Halts Maul.

    Jonas: Es folgte eine doppelte Leibesvisitation. Gründlich und ausgesprochen grob. Dann zertrampelten sie unseren Picknickkorb und zogen ab. Gefunden hatten sie nichts. Das wunderte mich. Im Beachbuggy war ein Metalldetektor. Warum hatten sie den nicht eingesetzt. Einen Schlüssel im Sand zu verstecken war schließlich keine so unerhörte Idee. Merkwürdig. Noch merkwürdiger wurde uns als wir zum Bungalow zurückkamen: Hier waren sie auch gewesen und sie hatten alles kaputtgeschlagen was Neon und Jonas gehörte. Ein Chaos.

    Sam: Tohuwabohu. Kraut und Rüben. Grönende Verwüstung. Die spinnen, die Tou-Pos.

    Jonas: Jetzt reicht's. Jonas wird aktiv. Wir besorgen uns einen Mietwagen und fahren nach Sabac. Zum Aerodrom. Wir machen das Schließfach auf und sehen nach was drin ist.

    Neon: Wir, was heißt wir, Jonas?

    Jonas: Willst du nicht mit, Neon?

    Neon: Doch Jonas, nach Sabac fahre ich mit bis zum Präsidentenpalast und da steige ich aus.

    Jonas: Warum?

    Neon: Um ein seit langem abgesprochenen Interview zu machen. Mit Mama Macumba, der Präsidentin von Solaria. Und danach fliege ich nach Hause. Um das Schließfach mußt du dich jetzt schließlich alleine kümmern Jonas. Der Umschlag war für dich, nur für dich, mich geht die Sache nichts an.

    Jonas: Und Eurobaby, Neon, hat du vergessen.

    Neon: Eurobaby war anders Jonas, da steckte ich mittendrin.

    Jonas: Jetzt doch auch.

    Neon: Jetzt kann ich aussteigen, und genau das hab ich vor.

    Jonas: Sabac ist die Hauptstadt von Solaria, 100 km landeinwärts über eine ordentliche Autostraße, rechts und links Steppe, dann hohe Sichtblenden, dahinter unendliche Elendsviertel. Hier hausen Millionen, wie viele genau weiß keiner, keiner kann sie zählen. Schließlich die eigentliche Stadt. Hochhäuser. Verstopfte Straßen. Ich hielt vor dem Präsidentenpalast. Ein ummauerter Gral mit vielen Rundnöten. Sehr afrikanisch.

    Neon: Das ist ihr Stil. Mama Macumba liebt die Tradition.

    Jonas: Einschließlich Kannibalismus.

    Neon: Ach.

    Jonas: Hab ich mir sagen lassen.

    Neon: Das ist doch nur ein Gerücht.

    Jonas: So. Und daß sie eine Medizinfrau ist, daß sie hext und zaubert und Geister beschwört, daß sie mehr als 100 Jahre alt ist und sich durch Affendrüsen jung hält.

    Neon: Alles Gerüchte. Sie ist uralt, das ist wahr. Und sie ist groß, unförmig dick. Eine lebende Legende und eine sehr interessante Frau. Ich freu mich auf das Interview. Die Zeit mit dir war auch sehr interessant, Jonas. Sei vorsichtig.

    Jonas: Im Aerodrom von Sabac war es fast so voll wie auf den Straßen. Bleiche Touristen nach der Landung, braungebrannte vor dem Abflug. Im Schließfach 227 lag nur eine schmale Pappschachtel. Als ich sie einsteckte, spürte ich plötzlich Augen im Nacken. Ich drehte mich um. Mehrere himmelblaue Schlachtschiffe pflügten sich durchs Touristenmeer. In Richtung Jonas. Was tun. Sam wußte Rat.

    Sam: Da hätten wir ja was wir brauchen, ein herrenloser Rucksack, auf demselben Sonnenhut nebst Sonnenbrille, in demselben, darauf verwettet Sam seine letzten Speicherplättchen kurze Hose, buntes Hemde.

    Jonas: Und was soll ich damit?

    Sam: Erbarmung, was ist er doch blöd mein Mensch, schnapp dir das Zeug.

    Jonas: Du meinst ich soll den Rucksack stehlen.

    Sam: Und pingelig ist er auch noch. Was sagt Sokrates der greise, der weise Greis: Not kennt kein Gebot. Klau sonst gehst du tot.

    Jonas: Das ist ein Argument. So, und jetzt.

    Sam: Ja was jetzt, na ab ins nächste öffentliche WC, nach Möglichkeit eins für Herren männlichen Geschlecht, und siehe dorten wird ein gewöhnlicher Sterblicher sich metamorphisieren zu einem Touristen und er wird sich eingliedern in den Strom seiner soeben eingetroffenen Brüder und Schwestern. Und sich in so gewonnener Unsichtbarkeit hinausschwemmen lassen aus dieser Halle.

    Jonas: Bis dahin wo der Bus ins Zentrum abfuhr. Und im Zentrum ging ich ins nächste große Hotel. Ich nahm mir ein Zimmer, ließ mir einen Whisky bringen und was zu essen. Und dann machte ich die Pappschachtel auf.

    Sam: Na Chef, was ist drin. Kokain, Heroin, Solipsin, Diamanten, Brillianten...

    Jonas: Tut mir leid Sammy nichts besonders, zwei Blatt Papier und eine Tonkassette.

    Sam: Papier beschrieben?

    Jonas: Ja bzw. bedruckt.

    Sam: Na lies schon vor, lahmarschige Languste, machs nicht so spannend.

    Jonas: Vorsicht Sammy, sonst schalt ich dich ab und steck dich in den Müllschlucker.

    Sam: Vorlesen o du mein Herr und Gebieter. Bitte bitte.

    Jonas: Na gut. Vertrag. Für zu leistende Dienste, Klammer auf, Spezifizierung wie per Fon besprochen, Klammer zu, erhält Herr Tom Oyama, Minister für Tourismus und Fremdenverkehr der Republik Solaria von der Firma BABtours, Babylon Vereinigte Staaten von Europa, die vereinbarte Summe von EUROS 300.000. Babylon/Sabac, den 13. April 2012. gez. Tom Oyama, Minister usw. usw. gez. Dr. Wellenlin P. Clipp, Generaldirektor BABtours... Na Sammy, was sagt du.

    Sam: Ich, naja auf einem Bein kann man nicht stehen. Volksweisheit. Ersuche um Vorlesung Blatt zwo.

    Jonas: Da ist nichts vorzulesen, Sam. Blatt zwo ist eine Bankquittung.

    Sam: Aha.

    Jonas: Die Bank für Ost- und Zentralafrika bestätigt Einzahlung von 300.000 Euros auf Kontonummer soundsoviel, Tom Oyama privat durch Kontoinhaber am 13. April 2012.

    Sam: Na ja, aller guten Dinge sind drei. Nun steh nicht in der Landschaft rum wie die weithin berühmte Salzstange von Dali.

    Jonas: Die wer?

    Sam: Schieb die Kassette in den hoteleigenen Rekorder. Dalli Dalli.

    Jonas: Wenn ich nicht selber so neugierig wäre, Sammy, ach ne.

    Clipp: Wir sind uns einig, Minister? Alles klar, Dr. Clipp, ich halte in dieser Saison Ihrer Firma die besten Hotels frei, insgesamt 18.000 Betten, und Sie zahlen mir dafür 300.000 Euros. Nicht gerade viel. Erlauben Sie mal, für eine Sache, die Sie nur ein Lächeln kostet. Sie vergessen Mama Macumba, von allen Nebeneinnahmen ihrer Minister kriegt sie 50%. Eiserne Regel. Sie braucht ja nichts zu erfahren von unserem Deal. Wir halten dicht, Minister. Gut, aber ich muß Geld und Vertrag noch heute in der Hand haben. 13. April 2012. OK, Minister, wir faxen Ihnen den Vertrag runter, sie unterschreiben und faxen ihn zurück. Und das Geld weisen wir Ihnen an. Nix Anweisung, in Bar bitte. Wir schicken einen Lokalmanager von Samacom. Mit einer dicken Aktentasche. Wie Sie wollen, Minister Oyama. Bis dann.

    Jonas: Tja, das ist es also, Herr Minister Oyama läßt sich bestechen.

    Sam: Ja, von BABtours, dem größten Reiseunternehmen in Europa.

    Jonas: Und weil er nicht will, das was rauskommt, hat er seine Toupo drauf angesetzt. Soweit eine ganz normale Geschichte. Nur eins ist nicht normal, wie ist Jonas da reingeraten. Was geht es mich an, daß irgendein Minister in irgendeiner afrikanischen Bananenrepublik sich schmieren läßt.

    Sam: Ja, berechtigte Question.

    Jonas: Weißt du was Sammy, ich geh zu diesem Oyama. Ich leg ihm das Zeug vor und trag die Sache mit ihm aus. Er soll seine Kettenhunde zurückpfeifen. Ich will noch was von meinem Urlaub haben.

    Sam: Daccord Maitre, doch sei's verstattet einen ganz bescheidenen Verbesserungs-vorschlag einzubringen. Zeug vorlegen gut und schön, aber nicht die Originale. Kopien. Und um solche anzufertigen, bietet uns dieser mit jedem Komfort unserer Zeit ausgestattete Hotelraum alles notwendige dar: Papierkopierer, ein Doppel-kassettendeck, dazu eine Fülle von Musikkassetten. Für den erlesen Geschmack.

    Jonas: Sieh mal hier, Sammy: Randy Orgas und Fuck the Ducks ihre Größten Hits. Der gute alte Randy Orgas selig, wann war die Requiemgeschichte, vor zweieinhalb Jahren.

    Sam: November 2009 euer Verschwommenheit. Doch lassen wir die ollen Kamellen. Ans Werk. Kopier das Fongespräch auf die Orgaskassette und das Original tust du in die Orgashülle. Da findet's kein Schwein.

    Jonas: Und die Papiere.

    Sam: In den hohlen Handtuchhalter im Bad, Mann. Denn wisse o Beherrscher der Gläubigen, die alten Tricks sind immer noch die besten.

    Jonas: Es war als ob man Jonas erwartet hatte, ich sagte dem Portier im Ministerium meinem Namen und schon gingen alle Türen auf, auch die zum Privatbüro von Minister Oyama: ein hoher Raum, holzgetäfelt, leer bis auf einen Schreibtisch, eine AV-Anlage und eine altmodische Speicherkonsole, die mir irgendwie bekannt vorkam. Davor der Minister. Wie sieht ein Minister aus? Richtig. Wohlgenährt, vertrauenerweckend, durch und durch unecht, und schwarz. Wir waren in Afrika. Oyama war nicht allein, in einer Ecke drückte sich ein unterwürfiges Männlein mit Rastalocken herum.

    Oyama: So, Jonas.

    Jonas: Nur Jonas.

    Oyama: Auch das. Was wollen Sie.

    Jonas: Ein Gespräch unter 4 Augen.

    Omaya: Mein Mitarbeiter Herr Mostafa Rashid, er besitzt mein volles Vertrauen.

    Jonas: Meins nicht.

    Oyama: Das wird er verschmerzen, was Rashid.

    Rashid: Gewiß, Herr Minister.

    Oyama: Was wollen Sie Jonas.

    Jonas: Ich zeigte ihm, was ich gefunden hatte. Er besah sich die Blätter, hörte in die Kassette rein, dann hob er mir die Sachen über die Tischplatte zurück.

    Oyama: Stecken Sie das Zeug wieder ein, Jonas. Ich kaufe nicht.

    Jonas: Moment mal, Sie irren sich.

    Oyama: Glaub ich kaum. Wir wissen was wir von Ihnen zu halten haben, was Rashid.

    Rashid: Das wissen wir, Herr Minister.

    Oyama: Sie sind ein Erpresser, ein mieser kleiner europäischer Erpresser. Auf irgendeine Weise haben Sie sich dieses Material beschafft und nun...

    Jonas: Nein, die Sache läuft ganz anders...

    Oyama: Sie können sich jedes weitere Wort sparen, wir glauben Ihnen sowieso nicht, was Rashid?

    Rashid: Keine Silbe, Herr Minister.

    Oyama: Aber Sie, Sie sollten mir glauben, Jonas, wenn ich Ihnen jetzt was sage, falls Sie vorhaben sich weiter mit dieser Sache abzugeben und Ihre käsige Nase weiter in meine Privatangelegenheiten zu stecken, dann denken Sie darüber lieber noch mal nach. Es könnte Ihnen passieren, daß Ihnen die Nase dabei abhanden kommt. Und auch sonst noch dieser oder jene andere Körperteil. Und jetzt raus.

    Jonas: Das war schief gelaufen. Warum wußte ich nicht. An mir hatte es jedenfalls nicht gelegen, ich war stinksauer, so geht niemand mit Jonas um, auch kein Minister, erst recht kein Minister. Ich hob den rechten Arm und zeigte Oyama meinen Mittelfinger. Das verdroß ihn.

    Oyama: Wenn ich mir's überlege Jonas, sollte ich Sie nicht so ohne weiteres gehen lassen. Wir Solarier sind gastfreundliche Menschen, was Rashid?

    Rashid: Sehr gastfreundlich, Herr Minister.

    Oyama: Wie wär's mit einem Abschiedsgeschenk, Jonas, damit Sie uns gut in Erinnerung behalten.

    Tou-Po: Was liegt an Chef.

    Oyama: Der Europäer hier.

    Tou-Po: Macht der sich mausig, Chef.

    Oyama: Könnte man sagen. Nehmt ihn mit runter in die Wachstube und da zeigt ihr ihm mal wie tüchtig unsere Toupo ist. Nahkampf, Verhörtechnik, ihr wißt Bescheid.

    Tou-Po: Zu Befehl, Chef.

    Jonas: Sehr tüchtig waren sie weiß Gott nicht, im Hof riß ich mich los, tauchte durch eine offenstehende Hintertür und war auf der Straße, ehe sie überhaupt was mitkriegten. Dann liefen sie mir ein Stück nach, nicht gerade mit Feuereifer, ich konnte sie leicht abschütteln und mich in einer ruhigen Seitenstraße auf einem Mäuerchen kurz zur Ruhe setzen.

    Jonas: Wie findet du das, Sammy. Ein bestochener Minister, der sich benimmt wie die Axt im Walde, TOUPOs, die Jonas durch die Mangel drehen sollen und ihn statt dessen zum Ausbüxen gerade zu auffordern. Sammy, hab die Güte dich zu äußern. Sam!

    Sam: Siehe meine Freundin, du bist schön. Dein Gehäuse ist als wie ein runder Becher umsteckt mit Rosen.

    Jonas: Sam?

    Sam: Deine Chips sind wie Taubenaugen und lieblicher denn Wein sind deine Schaltungen.

    Jonas: Ist dir nicht gut Sam.

    Sam: Deine Kabel sind wie ein Herde Ziegen, die da gelagert sind am Berge.

    Jonas: Komm zu dir, Sammy, was ist los.

    Sam: Ach, hast du sie nicht gesehen, vertrauter meines Herzens dorten in Onkel Toms Hütte.

    Jonas: Im Büro von Oyama meinst du, da war keine Frau.

    Sam: Frau, wer spricht von einer Frau, Sam spricht von ihr. Nr. AX 13/2005 McCoy Incorporated, Versuchsmodell Inamorata. Wie ist sie doch so wunder wunder wunderschön.

    Jonas: Natürlich Oyamas Computer. Deshalb kam mir der Speicher bekannt vor. Sieht aus wie unserer zuhause Sam, zuhause in Babylon, gleiche Firma, gleiches Baujahr. Ein Versuchmodel wie du, Sammy. Im Jahr 2005 war Oyama sicher noch nicht Minister und konnte sich nichts besseres leisten. Genau wie ein armer Privatdetektiv, der gerade aus dem Antarktischen Krieg gekommen war.

    Sam: O laß uns gehen, uns küssen und herzen, danach steht mein Verlangen.

    Jonas: Ich hab fast den Eindruck, du bist verliebt, Sammy.

    Sam: Sam muß es eingestehen, Freund meiner Seele, errötend und zagend.

    Jonas: Aber Sam, du bist ein Computer, du kannst dich nicht verlieben.

    Sam: Hat nicht auch Sam ein Herz?

    Jonas: Nein Sam hast du nicht.

    Sam: Blutet er nicht wenn er getroffen wird.

    Jonas: Getroffen, vom wem?

    Sam: Cupidos Pfeile du Kugelhupf. Samantha heißt sie, sie hat es mir gestanden.

    Rashid: Steigen Sie ein, Jonas.

    Jonas: Rashid, der unterwürfige Rastermann aus Oyamas Büro, jetzt war er gar nicht unterwürfig. Er saß in einer schwarzen Limousine mit Spiegelscheiben, in der Hand hielt er einen Laserstrahler. Seine drei Genossen auch. Keine Toupos, Zivilisten. Jonas stieg ein. Jonas ist kein Selbstmörder. Die Limousine fuhr an. Rashid griff sich das Autofon.

    Rashid: Rashid hier. Ja, wir haben den Mann, Herr Baraka. Das Material auch. Warten Sie, bis Sie’s sehen. Hochinteressant. Genau was Sie brauchen. Der Minister ist erledigt. Vielen Dank, Herr Baraka, wir kommen sofort.

    Jonas: Wir fuhren durch eine breite Hauptstraße, nicht schnell, das war unmöglich, zu starker Verkehr. Wir wurden noch langsamer, schwenkten nach rechts, auf die offene Einfahrt eines Hochhauses zu. Über der Einfahrt eine solarische Flagge und die großen Buchstaben FCP. Zentimeterweise schob sich der Wagen durch die dichten Fußgängermassen. Das war meine Chance. Tür auf und raus. Geduckt vorbei an zahllosen Hosenbeinen und Rocksäumen dann Kopf hoch, sie waren etwa 20 Meter hinter mir, Rastermann und seine munteren Zombies. Schießen konnten sie nicht. Laufen um so besser. Schneller als Jonas. Der sah sich um, was jetzt, wohin, die Antwort hielt neben mir, ein Motorroller, ein echter antiker Motorroller, unglaublich. Die Fahrerin schlug das Visier hoch.

    Neon: Auf den Sozius, Jonas, beeil dich.

    Jonas: Neon, aber ich dachte du wolltest weg.

    Neon: Ne, ich hab mir's anders überlegt.

    Jonas: Wie kommst du zu dem Roller, Neon.

    Neon: Man hat so seine Beziehungen.

    Jonas: Beachbuggys, Gangsterlimousinen, Motorroller. Dieses Solaria ist ein einziges Museum für Opas Vehikel.

    Neon: Nun steig schon auf.

    Jonas: Wohin fahren wir.

    Neon: Wohin willst du.

    Jonas: Hotel Europa, weißt du wo.

    Neon: Ich weiß. Halt dich fest.

    Jonas: Im Hotelzimmer holte ich die Papiere aus dem Handtuchhalter und die Kassette mit dem Fongespräch aus der falschen Hülle, und dann gingen wir alles durch. Schritt für Schritt. Es mußte doch möglich sein, einen Sinn in die ganze verquere Geschichte zu bringen. Oder?

    Neon: Ich weiß nicht, Jonas, schon wie es angefangen hat, mit dem Toten vor der Türe, der nach dir gerufen hat, obwohl er schon lange nicht mehr rufen konnte, und dann der an dich adressierte Umschlag mit dem Schlüssel.

    Jonas: Die Toupo, ruppig aber in der Sache ineffizient. Erstaunlich ineffizient. Unglaublich ineffizient. Unglaubwürdig. Der Minister auch. Stößt Jonas vor den Kopf ohne jeden vernünftigen Grund. Nichts stimmt an der Geschichte. Aber auch gar nichts.

    Neon: Irgendwie irreal wirkt das alles. Wie inszeniert. Show, Theater, einfach nicht echt. Man macht dir etwas vor, Jonas.

    Jonas: Das Gefühl hab ich auch. Aber warum, Neon, warum ausgerechnet Jonas. Was hab ich mit Solaria zu tun. Und wer waren die Typen in der schwarzen Limousine.

    Neon: An dem Haus, in das sie dich bringen wollten, stand FCP, Free Congress Partei. Das Hauptquartier der regierenden Einheitspartei von Solaria. Generalssekretär ist ein gewisser Baraka.

    Jonas: Baraka. Den hat er aus dem Auto angerufen, der Rastermann, und was soll das, Neon.

    Neon: Politik, Jonas, solarische Innenpolitik. Hör zu.

    Jonas: Es ging um Mama Macumba, genauer um ihre Nachfolge. Bei dem Alter der Dame konnte die jeden Tag akut werden, trotz Magie und Affendrüsen. Die größte Chance hatte der wichtigste Minister, unser Freund Tom Oyama. Parteisekretär Baraka war zweiter Kandidat, aber schon weit abgeschlagen. Darum versuchte er seit einiger Zeit Belastungsmaterial gegen Oyama in die Hand zu kriegen. Und als er durch einen eingeschleusten Mann im Ministerium von Jonas und seinen Schmiergelddokumenten hörte, griff er natürlich zu.

    Neon: Ein Himmelsgeschenk könnte man sagen. Nicht der Deal selbst, so was stört hierzulande niemanden, auch nicht Mama Macumba, aber daß Oyama sie um ihre 50 % betrügen wollte, das bricht ihm den Hals. Und das mein ich ganz wörtlich.

    Jonas: Ich werd das Gefühl nicht los, daß auch mit dem Material was nicht stimmt. Da war was mit dem Tonband. Wenn ich nur wüßte...

    Jonas: Nein, später... Das ist es. Das Glockenspiel.

    Neon: Vom babylonischen Rathausturm, jeden Mittag um 12 Uhr, weltbekannt. Was soll denn damit sein.

    Jonas: Nicht jeden Mittag, Neon, im April ist das Glockenspiel überholt worden, vom 1. bis 15.

    Neon: Ach.

    Jonas: Wenn das Band wirklich vom 13. April stammt, kann das Glockenspiel nicht drauf sein. Es ist aber drauf. Und das heißt.

    Neon: Das Band ist eine Fälschung. Vermutlich aus mehreren Fongesprächen zusammengeschnitten. Dafür sprechen auch die kleinen akustischen Unebenheiten. Die Sprünge mitten im Text. Wenn du genau hinhörst.

    Jonas: Die Papiere sind vermutlich auch gefälscht, aber um das festzustellen, brauchen wir Sam. Sam? Sammy? Würdest du dich freundlicherweise herablassen.

    Sam: Nicht doch. Bitte nicht stören, Sam befindet sich in innigster Kommunikation mit seiner angebeteten Samantha. Chip an Chip. Total mit dir in den Himmel hinein, in den 7. Himmel der Liebe.

    Jonas: Hör auf damit, komm runter von deiner rosa Wolke, Sammy.

    Sam: Allein mit dir im Kämmerlein.

    Jonas: Ist ja eklig. Schluß mit dem Geturtel, jetzt wird gearbeitet.

    Sam: Pfui wie gemein, Spielverderber, gefühlloser Pedant. Was gibt's sagt an.

    Jonas: Dieser formlose Vertrag zwischen Minister Oyama und Generaldirektor Clipp.

    Sam: Schwindel. Unterschriften sind nachgezogen, Strich für Strich. Angesetzt und wieder abgesetzt. Eindeutig.

    Jonas: Und die Bankquittung.

    Sam: Echt.

    Jonas: Was? Irrst du dich auch nicht, Sammy?

    Sam: Nein und nimmermehr, das Privatkonto von Minister Oyama ist dergestalt stark abgesichert, daß lediglich er selbst und keinesfalls irgendeine andere Person daselbst abheben oder auch einzahlen kann.

    Jonas: Oyama hat also tatsächlich selbst am 3. April 300.000 Euros auf sein Konto gebracht.

    Sam: Ja.

    Jonas: Zufall?

    Neon: Vielleicht.

    Jonas: Trotzdem, der Schmiergelddeal ist getürkt, mit Sicherheit, Frage: wer steckt dahinter.

    Neon: An sich kommt nur einer in Frage: Baraka.

    Jonas: Aber der kann's nicht gewesen sein, sonst hätte er Jonas nicht kidnappen lassen, um das Material zu kriegen.

    Neon: Außerdem die Fälschung ist zu plump. Baraka hätte sich intelligenter angestellt. Natürlich wenn er die Dokumente zusammen mit dir in die Hand gekriegt hätte, Jonas, sozusagen von Minister Oyama beglaubigt, dann hätte er sie wohl kaum genauer unter die Lupe genommen und wäre gleich damit zu Mama Macumba gelaufen, die hätte sich Oyama kommen lassen.

    Jonas: Und, Neon?

    Neon: Oyama hätte sich die Beweisstücke angesehen und gesagt: Fälschungen. Baraka will mich fertig machen und er hätte es bewiesen. Mit Leichtigkeit.

    Jonas: Ich weiß, es klingt verrückt, Neon, aber könnte der Minister nicht selber hinter der Sache stecken? Schließlich hat er die beste Gelegenheit, seine eigenen Fongespräche aufzunehmen und geschickt zusammenzuschneiden mit eingebauter Notbremse. Und die Fälschungen mit einer echten Kontoquittung glaubhaft zu machen. Und dann durch seine Tou-Pos dafür zu sorgen, daß das Material unter die Leute kommt. Sprich Jonas und Baraka. Wahrscheinlich weiß er, daß Rashid für die Konkurrenz arbeitet.

    Neon: Oyama selbst, hört sich wirklich ziemlich unwahrscheinlich an, aber...

    Sam: Hat man das Unmögliche ausgeschaltet, so muß das, was bleibt, die Wahrheit sein, und sei es auch noch so unwahrscheinlich. Ein Diktum des Großmeisters aller Detektive, Tusch Herr Kapellmeister, Mr. Sherlock Holmes.

    Jonas: Schön daß du uns mal wieder die Ehre gibst Sammy.

    Sam: Gerne.

    Jonas: Zwei Dinge sind mir aber immer noch nicht klar, Neon, warum hat Oyama Jonas reingezogen und warum hat er die ganze komplizierte Intrige überhaupt angeleiert. Um Baraka unmöglich zu machen.

    Neon: Glaub ich nicht, Baraka hatte sowieso keine Chance Präsident von Solaria zu werden, es muß einen anderen Grund geben, einen Grund von dem wir nichts wissen.

    Jonas: Ein Geheimnis. Und wo versteckt man seine Geheimnisse, Neon.

    Neon: Im PC. Im Speicher.

    Jonas: Genau. Hör mal, Sammy.

    Sam: Ja?

    Jonas: Du stehst doch so gut mit Oyamas Computerin. Könntest du nicht mal einen Blick in ihren Speicher werfen?

    Sam: Typisch.

    Jonas: Würdest du das tun, wärst du so nett.

    Sam: Jaja, erst Spohn und Hott, äh Spott und Hohn und dann wenn's ohne Sam nicht geht, Süßholz mit Schmierseife. Doch was shalls. Gutmütigkeit, dein Name ist Sam. Spähen wir ihr unters Mieder, der liebsten. Auaua.

    Jonas: Was war das?

    Sam: Eine elektronische Maulschelle, oder Watschen wie's halt im Alpenlandl sagen, ge. Ah, warum weist du ab mich schnöde, o Samantha sei nicht spröde. Geliebte komm ans Fenster, höre mein Flehen und laß den armen Sammy nicht im regennassen Regen stehen. Na, es ist umsonst, Fenster dicht, alles zu, verschlossen verriegelt, verrammelt was der Kuh am Arsche bammelt. Na ja. Sam hat aber doch was gesehen, was er nicht sehen sollte, hihihi.

    Jonas: Was, Sammy, was hast du gesehen.

    Sam: Ein Wort nur ist's. Es lautet Benadir.

    Jonas: Was?

    Sam: Benadir. B wie Blödmann. E wie Esel. N wie Null.

    Jonas: Und was ist das, Benadir?

    Neon: Da kann ich dir sagen, Jonas. Eine Bucht an der Nordküste von Solaria, abgelegen, felsig, menschenleer, uninteressant.

    Sam: Uninteressant. So. Und daß Benadir seit 8 Jahren als touristisches Entwicklungsgebiet ausgewiesen ist, ohne daß da jemals was entwickelt wurde, das ist natürlich auch uninteressant. Und daß der gesamte Grund und Boden um Benadir Minister Oyama gehört. Uninteressant. Und daß es eine Verbindung gibt zwischen Benadir und Operation Jonas.

    Jonas: Jonas?

    Sam: Jonas, all so lautet der im Speicher verzeichnete Codename. Codename.

    Jonas: Was für eine Verbindung.

    Sam: Sammy muß passen.

    Jonas: Und wenn du's noch mal bei Samantha versuchst?

    Sam: Zwieback. Zwecklos. Gefährte meiner Leidenschaft. Es ist vorbei, als sei's nie gewesen. Vom Winde verweht. Sammy ist wieder Single.

    Jonas: Willkommen im Club, Sammy.

    Sam: Thank you.

    Neon: Benadir, wir sollten uns da mal umsehen, Jonas.

    Sam: Ich komm mit.

    Jonas: In einem Mietwagen verließen wir Sabac, Neon in einheimischer Aufmachung, und Jonas in einen Schado gepolt, Schweißtreibend aber angezeigt. Immerhin waren zwei Gegner hinter mir her: die Toupo und die Regierungspartei, in einem kleinen Hotel an der Nordküste mieten wir uns ein. Und dann versuchten wir nach Benadir durchzukommen. Zuerst über Land mit dem Auto.

    Neon: Sieh dir das an, Jonas, Sperren, Stacheldraht, Wachtürme.

    Sam: Und glaubt es mir, Genossen, überall Elektronik vom feinsten und gemeinsten.

    Tou-Po: Halt, kehren Sie um, bei Weiterfahrt wird sofort scharf geschossen.

    Jonas: 2. Versuch übers Meer in einem Kahn mit Außenbordmotor.

    Tou-Po: Zurück! Sperrgebiet! Wenn Sie weiterfahren, werden Sie versenkt.

    Jonas: Sperren und Toupo rings um Benadir. Jemand hatte was zu verbergen. Das machte uns natürlich erst recht neugierig.

    Neon: Zu Land geht's nicht und zu Wasser geht's nicht.

    Jonas: Bleibt die Luft. Du hast doch so gute Beziehungen, Neon, kannst du uns nicht einen Helikopter besorgen.

    Neon: Im Prinzip ja, aber in ganz Solaria gibt es nur zwei Helikopter, einer ist kaputt.

    Jonas: Und der zweite.

    Neon: Gehört Minister Oyama.

    Jonas: Den brauchen wir wohl gar nicht erst zu fragen.

    Neon: Ich könnte was anders besorgen, Jonas, ein Sporttaucheroutfit. Anzug, Aqualunge, Harpune.

    Jonas: Nur eins.

    Neon: Unter Wasser mußt du allein versuchen, Jonas.

    Jonas: Das bin ich gewohnt. Einverstanden wenn ich statt Harpune einen Laserstrahler kriege im Gummibeutel, wo er sich mit Sam vertragen muß, und eine wasserdichte Lampe.

    Neon: Kriegst du Jonas, heute abend.

    Sam: Oha.

    Jonas: Es war Nacht, als ich ins Wasser stieg, weit weg von Sperren und Schein-werfern. In die Bucht von Benadir zu kommen war leicht, zu leicht, es war zwischen Ebbe und Flut. Das Wasser lief auf und Jonas wurde unwiderstehlich in Richtung Land gezogen, schräg nach unten, immer stärker, immer schneller, bis dahin, wo sich unter der Oberfläche im Uferfelsen ein riesiges kreisrundes Loch auftat, Durch-messer etwa 20 Meter. Da ging's rein. Und dann weiter, durch einen horizontalen Kanal im Felsen. Der Sog ließ nach. Jonas machte immer weniger Fahrt. Vor ihm ein heller Schein. Der Kanal war zu Ende. Kein Felsen mehr über mir, nur Wasser. Ich ließ mich nach oben treiben, bis mein Kopf durch die Wasseroberfläche stieß, und da riß ich die Augen auf, ganz weit. Ich war in einer Höhle, einer hohen unendlich weit ausgedehnten Höhle, kein verträumte Märchenhöhle für Rübezahl und die 7 Zwerge, hier war was los. Grelle Lampen überall. Direkt vor Jonas eine Mole, daran ein großes U-Boot: BIO Babylon stand am Heck. Ein Abfalltransporter des bekannten Chemiekonzerns. Robots waren beim Löschen. Was sie rausholten, schafften sie nach hinten, dort kippten sie es über einen Granitwall in einen unübersehbar großen Sumpf, einen Sumpf, der blubbernde Blasen trieb, und der in allen Farben des Albtraums schillerte. Blutrot, eitergelb, totenschwarz, giftgrün und der stank wie...

    Jonas: Wie die Hölle. Das ist die Hölle, Sam.

    Sam: Nicht doch Großmaul. Mußt du immer übertreiben. Die Hölle. Das ist doch bloß Lackschlämme. Polichlorierte Büfenül, äh Büfenyle, Cadmium, Blei, Chlor, Dioxin, mit einem Wort.

    Jonas: Giftmüll aus Europa. Hier wird er hergebracht und gelagert. Das ist das Geheimnis von Minister Oyama. Er betreibt eine geheime Giftmülldeponie.

    Sam: In einem Staate, wo dergl. Korrektur wo dergleichen auf das allerstrengste verboten ist, schon wegen der Touristen.

    Jonas: Wenn Mama Macumba das erfährt.

    Oyama: Sie wird es nicht erfahren, Jonas, nur Jonas. Hoch die Hände, holt ihn aus dem Wasser.

    Tou-Po: Machen wir, Chef.

    Jonas: Plötzlich waren sie aus dem Schatten des U-Boots hervorgetreten. Tom Oyama und seine Toupos. Ich ließ mich auf die Mole ziehen. Einen Augenblick hatte ich an schnelles Abtauchen gedacht. Sinnlos, Sturmgewehre treffen auch unter Wasser.

    Oyama: So sieht man sich wieder, Jonas, und wissen Sie, wem wir das zu verdanken haben. Meinem Computer Samantha. Sie hat sich ins System ihres PC eingeschlichen und mit ihm Verbindung gehalten, ohne daß er was merkte. Kluges Mädchen. Samantha.

    Sam: Perfides Weib, Schlange, treulose Tomate. Voll Verachtung wendet Sam sich von ihr ab.

    Oyama: Damit hat sie ihren Fehler wieder gutgemacht, ich meine, den unabsichtlichen Hinweis auf Benadir. Tja, und jetzt wollen Sie doch wissen, was gespielt wird, Jonas.

    Jonas: Das weiß ich schon, Oyama, Sie lagern hier Giftmüll im großen Stil. Geschäft geht gut.

    Oyama: Danke, ich kann nicht klagen. 100 Euros zahlt BIO mir für die Tonne, bei Ihnen in Europa kostet so was das 20fache, wenn man überhaupt einen findet, der das Zeug abnimmt.

    Jonas: Und damit Ihr Konkurrent Parteisekretär Baraka Ihnen nicht auf die illegale Giftmüllschliche kommt, haben Sie Operation Jonas gestartet. Baraka sollte Sie anklagen, mit getürkten Beweisen, und dabei sollte er sich gründlich die Finger verbrennen. Sie, Oyama stünden dann ganz groß da, ein unschuldiges Opfer krimineller Machenschaften, und wenn doch mal was über Ihre Giftküche durchsickert.

    Oyama: Wird Mama Macumba das niemals glauben. So ist es, Jonas, und damit.

    Jonas: Moment, Oyama, eine Erklärung schulden Sie mir noch. Warum Jonas, ich meine warum haben Sie gerade mich in Ihrem Stück mitspielen lassen.

    Oyama: Mitspielen, nicht so bescheiden Jonas. Sie haben die Hauptrolle gespielt, den Außenseiter, politisch uninteressiert, aufrecht, absolut glaubwürdig.

    Jonas: Danke sehr.

    Oyama: Und beschränkt natürlich, ich hab lange nach dem richtigen Typ gesucht, dann kamen sie nach Solaria, meine babylonische Geschäftsfreunde waren so freundlich, mir Ihr Psychogramm zukommen zu lassen. Ihr Persönlichkeitsprofil. Sie sind ehrlich, stur und Sie sind ein Querkopf, Oppositionsgeist, wer Sie dazu bringen will, irgendwas zu tun, muß Ihnen das Gegenteil nahelegen. Am besten mit Druck und Drohungen, und das hab ich getan.

    Jonas: Trotzdem ist Ihr Plan schiefgelaufen.

    Oyama: Leider, leider, ja, Sie haben ein wenig zu viel Eigeninitiative gezeigt, Jonas.. Und deshalb muß ich mir jetzt einen neuen Dummen suchen, weil Sie nicht gespurt haben, Jonas, schade, Sie haben mich sehr enttäuscht, und es wird mich fürchte ich nur wenig trösten, daß Sie jetzt gleich auf recht unangenehme Weise zu Tode kommen werden: ich habe vor, Sie von der Höhlendecke in die Deponie herunterzulassen. Ganz ganz langsam. Stückchenweise wird das Gift Sie fressen, Jonas, die Zehen zuerst, dann die Füße, die Knöchel, die Waden.

    Tou-Po: Chef, ein U-Boot.

    Oyama: Schon wieder. Ist es angemeldet?

    Jonas: Es war nicht angemeldet, weil es nämlich gar kein zweiter Giftmülltransport war, sondern ein U-Boot der solarischen Marine. Es tauchte schnell auf und legte an, das Bordgeschoß drohend auf uns gerichtet. Aus der Luke im Turm stiegen schwerbewaffnete Matrosen, gefolgt von...

    Jonas: Neon.

    Neon: Hallo, Jonas, alles in Ordnung?

    Jonas: Ich bin gerührt, jetzt hast du für mich sogar ein U-Boot organisiert.

    Neon: Für dich? Ich bin nicht deinetwegen hier, Jonas, jedenfalls nicht in erster Linie. Und ich bin auch nicht deinetwegen in Solaria geblieben.

    Jonas: Ach, weshalb dann?

    Neon: Sie hat mich darum gebeten. Sie hatte so eine Ahnung, daß mit Tom Oyama was nicht stimmte, darum sollte ich für sie am Ball bleiben. Das heißt bei dir, Jonas, als einer Art Sonderbeauftragter.

    Jonas: Sie? Wer ist sie.

    Jonas: Neon zeigte auf die Luke. Da quälte sich was durch mit großer Mühe, gehievt und geschoben, ein grauschwarzer Fleischberg in buntgemusterter Baumwolle, eine Frau, sehr groß, sehr dick. Ich wußte, wer sie war.

    Oyama: Mama Macumba.

    Macumba: Tommy mein Sohn, wie konntest du deiner Mama das antun. Du weißt doch, wie sie über den Giftmüll der Weisen denkt. Du hast sie belogen und betrogen. Deine alte Mama, die es immer so gut mit dir gemeint hat. Schäm dich Tommy.

    Oyama: Gnade Mama, ich tu’s auch nie wieder.

    Macumba: Da hast du recht, Tommy, du wirst es nie nie wieder tun, und weißt du warum, Tommy, weil Mama dich bestrafen wird, unartige Kinder müssen bestraft werden, und du warst sehr unartig, Tommy, sehr sehr unartig, darum wirst du auch sehr sehr streng bestraft.

    Oyama: Mama bitte.

    Jonas: Ich hab einen Vorschlag Mama, ich meine Exzellenz. Mich wollte er an die Decke hängen und langsam in die Brühe tunken. Es wäre doch nur gerecht, wenn ihm jetzt dasselbe.

    Macumba: Gewiß mein Sohn, doch Mama Macumba hat andere Pläne. Mama ist alt, Mama hat nicht mehr viel vom Leben, überlaßt ihn mir, hörst du Tommy, Mama nimmt dich mit in ihren Gral.

    Oyama: Nein.

    Macumba: Eine Medizinfrau braucht viel magische Wirkstoffe. Haare. Fingernägel. Augäpfel. Gewisse Drüsen. Nachschub ist immer willkommen, Tommy.

    Oyama: Nein Mama, bitte, lieber ins Gift.

    Macumba: Nicht zu vergessen die Gastronomie. Mama hat Lust ein paar neue Rezepte auszuprobieren. Fesselt ihn, seine Leute auch.

    Jonas: Das war's. Im großen und ganzen. Mama Macumba ernannte keinen Nachfolger und beschloß 200 Jahre alt zu werden. Neon kriegte den großen Palmwedel von Solaria mit Stern und Bauchbinde. Jonas nicht, der kriegte eine ordentliche Aufwandsentschädigung, und die war ihm auch lieber. Oyamas Giftmülldeponie wurde geschlossen. BIO mußte den Abfall in Zukunft woanders loswerden. Kein Problem. Es gibt genug arme Länder, die sich drum reißen. So ist das. Was, Sammy?

    Sam: Wie sprach der große Philosoph Michelangelo zu Karl dem Großen.

    Jonas: Na wie sprach er?

    Sam: Er sprach: Nicht alles braune auf der Welt ist Schokoladeneis. Ach Samantha.

    Jonas: Ach Sammy.

    Das war Euromüll. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam: Peer Augustinski. Es wirkten außerdem mit: Evelyn Hamann, Jutta Speidel, Henning Venske und viele andere (Christoph Lindert, Eduard Linkers, Hans Stetter, Peter Bertram, Karl Friedrich). Ton und Technik: Irene Thielmann und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Werner Klein. (Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks) (1990). (Redaktion: Erwin Weigel).

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:38 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michel Koser
    Heute: Eurobaby

    Jonas: Bamballa. Kennen Sie Bamballa? Eine Hafenstadt in Sahel, Nordost-Afrika. Trocken, heiß, staubig, trübselig. Und über dem Ganzen ein durchdringender Duft nach Kamelmist und abgelatschten Sandalen.

    Sam: Äh!

    Jonas: Das letzte.

    Sam: Ja, Gottes linke Achselhöhle. Das Loch gleich neben der Hölle. Des Teufels fauler Stockzahn. Der Arsch der Welt.

    Jonas: Sam. Mein Computer und ständiger Begleiter. Redet viel. Weiß alles.

    Sam: Ja.

    Jonas: Nur nicht, wie man aus diesem verfluchten Nest rauskommt. Ich saß fest. Seit einer Woche. Ich hatte einen Job in Merdistan gehabt. Das ist der sympathische Staat im Orient, der seine Bürger mit öffentlichen Massenfolterungen bei Laune hält. Ich sollte ein Kind aus Merdistan holen für seine Mutter in Babylon. Ihr merdistanischer Ex-Partner hatte es entführt. Jonas sollte es zurückentführen. Das ging schief. Jonas mußte ganz schnell türmen. Über den Golf in einem Fischerboot. Und jetzt saß er in Bamballa. Kein Geld, keine Möglichkeit nach Hause zu kommen. Nach Babylon der großen Stadt mitten in den Vereinigten Staaten von Europa. Dachte ich. Aber da tauchte plötzlich dieser Landsmann auf.

    van Meeren: Wir sind doch Landsleute oder? Ich bin sicher Sie kommen aus Europa.

    Jonas: Babylon.

    van Meeren: Hab ich doch sofort gesehen. Was trinken Sie?

    Jonas: Auf der Flasche steht Bier, schmecken tut's wie Spülwasser.

    van Meeren: Stern von Sahel. Selber schuld, wenn Sie diesen einheimischen Shit bestellen. Wozu bringen wir denn gute europäische Biere in dieses gottverlassene Land. Pilsen München Dortmund Bremen, das hört sich doch gleich ganz anders an.

    Jonas: Kann ich mir nicht leisten.

    van Meeren: Aber ich. Boy, zwei Becks, eiskalt und ein bißchen chopchop. So muß man mit denen hier umgehen. Faules Volk.

    Jonas: Sie kennen sich aus.

    van Meeren. Ja sicher. Bin ja nicht zum ersten Mal hier in Sahel. Ach meine Karte bitte: Cornelis van Meeren. Nennen Sie mich Conny.

    Jonas: Muß ich? Was heißt Eurimex?

    van Meeren: Kennen Sie nicht. Große europäische Firma. Import Export. Wir kaufen verkaufen vermitteln alles.

    Jonas: Bier nach Sahel zum Beispiel.

    van Meeren: Und sonst noch so einiges. Alles was gut und teuer ist. Dafür kaufen wir hier Hirse, für Genvieh in Europa.

    Jonas: Gewaltige Fleischklumpen in Plastiktrögen ohne Glieder, ohne Kopf, automatisch gewartet und gefüttert. Mit Hirse aus Sahel und anderswo.

    van Meeren: Und Holzschnitzereien, Masken, Figuren, echte Volkskunst. Kommt fantastisch an in Babylon. Boutiquen Galerien reißen sich um das Zeug. Haben Sie unser Schiff im Hafen nicht gesehen. Die Eurimex Queen. Gestern eingelaufen. Mit Conny van Meeren unter anderem. Und wer sind sie?

    Jonas: Jonas.

    van Meeren: Und weiter.

    Jonas: Nur Jonas.

    van Meeren: Interessant. Und was tun Sie?

    Jonas: Sehen Sie doch, ich sitze in einer Kneipe in Bamballa. Trinke einheimisches Bier und überlege wie ich nach Babylon komme.

    Jonas: Jonas hatte sagen können, ich bin Detektiv, der letzte Detektiv in Babylon, in Afrika vermutlich auch. Aber das sagte ich nicht. Ich weiß nicht warum.

    van Meeren: Abgebrannt.

    Jonas: Zu meinem Vergnügen bin ich jedenfalls nicht hier.

    van Meeren: Aha. Sie machen den Eindruck als könnten Sie Bodyguarden.

    Jonas: Könnte ich. Fragt sich, ob ich will.

    van Meeren: Haben Sie eine Wahl?

    Jonas: Warum fragen Sie?

    van Meeren: Weil wir einen brauchen, einen Bodyguard.

    Jonas: Sie? So sehen Sie nicht aus.

    van Meeren: Die hohe Frau meine Chefin, Dr. Pretorius, Besitzerin und Generaldirektorin von Eurimex. Trauen Sie sich das zu, haben Sie Erfahrung?

    Jonas: Guerillakommando auf Feuerland.

    van Meeren: Immerhin. Ist zwar schon ein paar Jährchen her der antarktische Krieg, aber was besseres als Sie werden wir in Bamballa kaum auftreiben.

    Jonas: Warum haben Sie sich keinen Bodyguard aus Babylon mitgebracht?

    van Meeren: Haben wir ja, aber der Blödmann konnte nicht schwimmen. Heute morgen haben wir ihn tot aus dem Hafen gefischt.

    Jonas: Über Bord gefallen.

    van Meeren: Muß wohl. Also wenn Sie wollen, Jonas.

    Jonas: Vielleicht erzählen Sie mir erst mal worum es genau geht. Was, wie lange und vor allem wie viel.

    van Meeren: Nur ein Aushilfsjob, für ein paar Tage, solange wir in Sahel sind. Wir fliegen am, welchen haben wir heute?

    Jonas: Sam?

    Sam: Mit dem Glockenschlag pardon, vielen tausend mal pardon, mit dem Glockenschlag haben wir Boing, den 12. Juli im mehr oder weniger segensreichen Jahre des Heils oder falls gewünscht des Herrn 2012.

    van Meeren: Am 15. fliegen wir zurück nach Babylon per Rakete ab Kundu.

    Jonas: Warum fahren Sie nicht mit Ihrem Frachter, so wie Sie hergekommen sind.

    van Meeren: Weil die Eurimex Queen schon übermorgen segelt. Das geht bei uns ruckzuck, wissen Sie, gestern abend angekommen, heute entladen, morgen belanden, übermorgen früh abfahrt. Und wir, Dr. Pretorius und ich bleiben noch ein bißchen im Lande. Dr. Pretorius ist nämlich Ehrengast des Präsidenten beim großen Festakt übermorgen in Kundu. Haben Sie sicher davon gehört. 50 Jahre Unabhängigkeit. Uhuru wie sie hier sagen.

    Jonas: Uhuru. Freiheit. Freiheit zu kaufen und sich kaufen zu lassen. Hirse, die das Land dringend selber braucht und Vergangenheit, Kultur, Identität, gegen Importbier für die oberen 500, gegen Drogen, Waffen, Holocorder. Es lebe der Fortschritt. Es lebe die Freiheit.

    van Meeren: Ihr Job sieht so aus, Jonas: Sie kommen morgen mit nach Kundu, passen 3 Tage auf Dr. Pretorius auf, und kriegen dafür 250 Euros und ein Raketen-Ticket Kundu-Babylon. Einverstanden?

    Jonas: Warum beschützen Sie nicht ihre Chefin Herr van Meeren. Die Statur dafür hätten sie.

    van Meeren: Besten dank, ich hab was anders zu tun.

    Jonas: Verraten sie's mir.

    van Meeren: Ich bin der Privatsekretär der hohen Frau. Betonung auf privat. Also was ist Jonas, ja oder nein?

    Jonas: Zwischen Bamballa und der Hauptstadt Kundu liegen rund 400 Kilometer Wüste. Das störte uns wenig. Die sahelische Armee hatte dem Ehrengast ihres Präsidenten einen Transporthelikopter samt Pilot zur Verfügung gestellt. Einen Sikorski Ikarus. Viel zu groß für die paar Koffer und für 6 Passagiere. Auch wenn Dr. Pretorius darunter war, die hohe Frau von Eurimex spitz und scharf innen wie außen.

    Dr. Pretorius: Das ist der Mann, den Sie uns besorgt haben, Conny.

    van Meeren: Ja, Chefin, Jonas, nur Jonas.

    Dr. Pretorius: Interessiert mich nicht, wie er heißt. Naja. Durchschnitt.

    van Meeren: Die Auswahl war nicht gerade riesig, Chefin. Ist ja nur für 3 Tage.

    Dr. Pretorius: Er weiß, was er zu tun hat.

    van Meeren: Im großen und ganzen Chefin, ja, das heißt...

    Jonas: Ich bin nicht stumm, Ihr Sekretär hat mich als Bodyguard... sehe zu daß Ihnen nichts passiert.

    Dr. Pretorius: Sicher, aber in erster Linie passen Sie auf Baby auf.

    Jonas: Baby?

    Dr. Pretorius: Dieser kleine Koffer. Sie lassen ihn nicht aus den Augen.

    Jonas: Schwer. Was ist da drin?

    Dr. Pretorius: Mein Schmuck. Nicht daß Sie das was anginge.

    Jonas: Sie müssen sehr an Ihren Klunkern hängen, Dr. Pretorius, wenn Sie eigens dafür einen Bodyguard engagieren.

    Dr. Pretorius: Sparen Sie sich die Kommentare, dafür bezahl ich Sie nicht. Und steigen Sie endlich ein.

    Jonas: Die Frau, die schon im Helikopter saß, war das ganze Gegenteil von Dr. Pretorius. Groß, jung, weder scharf noch spitz. Der Hautfarbe nach hätte sie eine Einheimische sein können. Aber die Kleidung sagte Amerika. Vielleicht Washington.

    Jonas: Wo kommen Sie denn her? Aus Washington.

    Neon: Nicht ganz, New York. Neon heiß ich, ganz einfach Neon.

    Jonas: Nur Neon. Sind Sie Detektivin?

    Neon: Wie kommen Sie da darauf. Ich schreibe.

    Jonas: Für Holo?

    Neon: Nein, Bücher.

    Jonas: Kriminalromane.

    Neon: Ist wohl eine fixe Idee von Ihnen. Ich schreibe Reiseberichte mit Background: Politik, Geschichte, Wirtschaft. Ich schicke ihn gern mal ein Buch von mir, falls Sie lesen können.

    Jonas: Nur großgedrucktes. Wie kommen Sie hierher.

    Neon: Ich war oben an der Grenze im Kriegsgebiet.

    Jonas: Krieg? Was für Krieg.

    Neon: Sahel gegen Farasan. Die Schiffahrtsrechte auf dem Grenzfluß Tschuba. Schon seit Jahrzehnten schlagen sie sich darum. Wissen Sie denn das nicht.

    Jonas: Warum sollte ich, ich bin nur zufällig hier. Und ich meinte eigentlich wie kommen Sie in diesen Helikopter. Ich dachte er ist reserviert für ihre Majestät Dr. Pretorius nebst Hofstaat.

    Neon: Ich will mir die große Uhurufete in Kundu ansehen. Und weil ich weder Lust noch Zeit habe, in einem uralten Bus tagelang über Wüstenpisten zu klappern, habe ich Dr. Pretorius um einen kleinen Platz in ihrem großen Helikopter gebeten. Sehr begeistert war sie aber sie sehen sie nimmt mich mit. Was führt Sie nach Kundu.

    Pilot: Anschnallen, wir starten.

    Dr. Pretorius: Hey Sie Bodyguard, wie geht's Baby?

    Jonas: Bestens. Ich sitz drauf.

    Jonas: 6 Passagiere. Dr. Pretorius, Neon, Privatsekretär van Meeren, Jonas. Und ein schweigsames Pärchen, das ruhig in seiner Ecke hockte. Geschäftsfreunde aus Kundu, sagte van Meeren. Die Frau kam mir bekannt vor, ich mußte sie schon mal gesehen haben. Wo wann? Es fiel mir nicht ein, egal, dachte Jonas, da dachte er falsch. Ich warf einen Blick durchs kleine Bullauge, braun-gelb-rote Eintönigkeit bis zum Horizont. Ich paßte auf Baby auf. Und ich unterhielt mich mit Neon. Von ihr abgesehen ein langweiliger Trip, dachte Jonas. Da dachte er wieder falsch. Nach etwa einer Stunde Flug wurde es interessant. Interessanter als mir lieb war. Das Pärchen wachte auf, er ging zum Cockpit, sie drehte sich uns zu. Beide hatten Laserstrahler in den Händen.

    Laila: Kein Laut, keine Bewegung. Bleiben Sie ganz still sitzen.

    Entführer: Wir ändern den Kurs. 200 Grad Südwest.

    Pilot: Wieso. Kundu liegt doch im...

    Entführer: Wir fliegen nicht nach Kundu, wir fliegen nach Sokoto in Farasan. Geben Sie den neuen Kurs ein. Los, oder. Gut so.

    Dr. Pretorius. Wenn das ein Scherz sein soll, Verehrteste.

    Laila: Kein Scherz, Dr. Pretorius. Wir meinen es ernst, verhalten Sie sich ruhig, tun Sie was wir Ihnen sagen. Dann bleiben Sie am Leben, vielleicht.

    Jonas: Jetzt fiel es mir ein. In Kusbekistan hatte ich sie gesehen, vor anderthalb Jahren, November 2010. Auf meiner orientalischen Todestour. Sie gehörte zu den Leuten von Duna Khamal. Zur KBF, zur Kusbekischen Befreiungsfront.

    Neon: Daher unser neues Reiseziel. Farasan unterstützt die KBF. Inoffiziell natürlich. In Sokoto können sich die Entführer sicher fühlen. Und in aller Ruhe verhandeln.

    Jonas: Verhandeln, mit wem?

    Neon: Das ist doch klar. Mit den Vereinigten Staaten von Europa. Über einen Austausch: 3 europäische Geiseln

    Jonas: Und eine Amerikanerin.

    Neon: Die aus Versehen in die Geschichte geraten ist.

    Sam: Na und? Mitgeflogen reingezogen. Wir sitzen alle in einem Boot, Schwester, wollte sagen in einem Helikopter.

    Jonas: Halt den Rand Sammy.

    Sam: Weshalb so unwirsch du Knurrhahn, Sam hatte lediglich das Bedürfnis sich wieder mal in Erinnerung zu bringen, denn lange, allzu lange schon mußte er der süßen Rede ganz entsagen, der guten Rats.

    Jonas: Geh mir nicht auf die Nerven, deine Zeit kommt schon. Also 4 Geiseln, Neon, gegen wen oder was?

    Neon: Im Austausch gegen die KBF-Mitglieder, die in europäischen Gefängnissen sitzen. Sie haben aber auch gar keine Ahnung Jonas.

    Sam: Richtig.

    Jonas: Irrtum. Niemand wußte darüber besser Bescheid als ich. Schließlich hatte Jonas mitgeholfen Duna Khamal und ihr Kommando hinter Gitter zu bringen. Unfreiwillig aber maßgeblich, siehe Fall Inselklau. Den beiden Entführern war das offenbar unbekannt, ein Glück, der Mann blieb vorn beim Piloten, die Frau behielt die Passagiere im Auge. Ab und zu fuchtelte sie mit ihrem Laser herum. Sonst war sie eigentlich ganz friedlich. Wir konnten uns unterhalten. Leise natürlich.

    Neon: Nehmen wir an, ich kriege einen Herzanfall.

    Jonas: Sehr gut, Neon, sie wird abgelenkt. Ich nehme ihr den Laser weg, halte den Mann damit in Schach... Wird schon gehen. Was meinst du Sam.

    Sam: Frage zu vage. Sam ist ein Computer. Computer meinen nicht.

    Jonas: Jetzt muffelt er. Weil ich ihm vorhin übers Maul gefahren bin. So ist er. Frage ich also anders. Du hast gehört, was Neon und ich vorhaben, Sam. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, daß unsere Aktion klappt.

    Sam: Piep. 1 zu 1, 2 zu 2, 3 zu 3, 4 zu 4, fifty fifty.

    Jonas: Fifty fifty, das reicht mir. Machen Sie sich bereit Neon.

    Dr. Pretorius: Augenblick mal Jonas, wollen Sie etwa versuchen die Entführer zu überwältigen?

    Jonas: Genau das, Dr. Pretorius.

    Dr. Pretorius: Sind Sie verrückt?

    Jonas: Im Gegenteil, ich bin Experte.

    Dr: Pretorius: Kommt nicht in Frage, Sie arbeiten für mich, Jonas, und ich verbiete es Ihnen, kategorisch.

    Jonas: Aber ich...

    Dr. Pretorius: Kein aber. Schluß der Debatte.

    Jonas: Seltsam.

    Neon: Sehr seltsam.

    Sam: Äußerst seltsam. Extraordinär. Exorbitant. Exaltiert. Existentialistisch. Explosiv. Extravaganz. Exzentrisch. Extremistisch. Exzeptionell.

    Jonas: Ex und hopp, der Flug ging weiter, Richtung Sokoto in Farasan. Dachten wir. Im Helikopter blieb es ruhig. Draußen nicht. Wind kam auf. Wir wurden durchgerüttelt, immer stärker. Vor dem Bullauge wirbelnde Muster aus Sand und Staub. Sonst war nichts zu sehen. Dafür gab's was zu hören. Eine Unterhaltung zwischen Dr. Pretorius und ihrem Sekretär. Gedämpft und sehr interessant.

    Dr. Pretorius: Ich dachte, die beiden sind von sahelischen Geheimdienst als zusätzliche Absicherung.

    van Meeren: Dache ich auch, Chefin, so haben sie sich vorgestellt. Irgendwas ist schiefgelaufen.

    Dr. Pretorius: Das können Sie laut sagen, Conny.

    van Meeren: Laut lieber nicht, sonst hören die andern mit.

    Dr. Pretorius: Mann Gott, nehmen Sie das doch nicht wörtlich.

    van Meeren: Ja schon komischer Zufall, daß die gerade uns entführen.

    Dr. Pretorius: Zufall, wenn Sie das glauben, Conny, dann sind Sie noch blöder als ich Sie bisher eingeschätzt habe.

    van Meeren: Wenn ich so überlege, Chefin, Bißchen merkwürdig ist es schon.

    Dr. Pretorius: Bißchen merkwürdig, Sie sind blöde, Sie sind wirklich blöd. Dieser Helikopter wird entführt, dieser Helikopter mit seiner ganz besonderen Fracht, und wohin, Conny, nach Farasan, ausgerechnet.

    van Meeren: Meinen Sie, die wissen, was wir bei uns haben, Chefin?

    Dr: Pretorius: Die Entführer, glaub ich nicht, die zeigen überhaupt kein Interesse für Baby. Aber Ihre Hintermänner in Farasan. Die sind genau im Bilde. Sie wollen Baby für sich. Möchte nur wissen, wer ihnen uns kleines Geheimnis verraten hat.

    van Meeren: Mein Gott Chefin, was machen wir bloß.

    Dr. Pretorius: Abwarten Conny und keine Panik. Und halten sie diesen Idioten zurück. Eine Schießerei an Bord ist das letzte, was wir brauchen. Dann geht alles hoch, Baby, wir, der Helikopter und halb Sahel.

    Jonas: Der Idiot war natürlich Jonas. Der Idiot machte sich so seine Gedanken. Über Dr. Pretorius, über Eurimex und über Baby, ganz besonders über Baby. Bis mir plötzlich das Nachdenken verging. Der Helikopter ging unvermittelt in eine Art Sturzflug über, er sackte jäh ab, kurvte scharf nach rechts, dann setzte er hart auf. Alles flog durch die Kabine, Passagiere, Entführer und Baby.

    Dr. Pretorius: Baby, wo ist Baby.

    Jonas: Hier, Dr. Pretorius, ich hab den Koffer fest im Griff.

    Dr. Pretorius: Ist ihm auch nichts passiert.

    Jonas: Sieht nicht so aus. Nur ne kleine Delle.

    Neon: Sehen Sie nicht zum Cockpit, Jonas, der Pilot macht seine Türe auf, ganz vorsichtig, jetzt jetzt ist er draußen.

    Entführer: Halt, stehenbleiben, ich schieße. Laß die Geiseln nicht aus den Augen, Laila. Halt!

    Laila: Klar.

    Jonas: Der Entführer stand in der offenen Tür und schoß auf den Piloten, der verschwand im aufgewirbelten Staub. Ob er getroffen war, weiß ich nicht. Der Entführer wurde getroffen. Das weiß ich. Von einem Schuß, der draußen abgefeuert wurde. Er sackte zusammen und blieb liegen. Was war hier los. Und vor allem, wo waren wir.

    Sam: Auf festem Boden, du intellektueller Blechschaden. Terra firma, wie wir Lateiner sagen.

    Jonas: Man sei gedankt Sam, ein höchst profunder und hilfreicher Beitrag zur Klärung der Situation. Daß wir gelandet sind weiß ich selbst, die Frage ist wo.

    Neon: In Farasan.

    Jonas: Glauben Sie, Neon?

    Neon: Wenn wir nur was sehen könnten. Die Schatten, die Umrisse da draußen, sind das Häuser? Ich weiß nicht. Hach, dieser schreckliche Wirbelsturm.

    Sam: Präzise Sandsturm oder Kamsin, wie dies hierorts nicht eben unhäufige Naturphänomen von den Einheimischen zu bezeichnet zu werden pflegt, sofern es Sam verstattet ist die Diskussion durch eine profunde Anmerkung aus dem Bereich der meteorologischen wie auch der linguistischen Wissenschaften anzureichen.

    Jonas: Wenn das alles ist, was du beizutragen hast, Sam.

    Sam: Mitnichten, hohes Gericht, aller guten Dinge sind drei. Kundu.

    Jonas: Kundu?

    Sam: Kundu.

    Jonas: Und was heißt Kundu.

    Sam: Nu was wird's schon heißen. Liebe Kinder, formulieren wir es so, daß es auch diejenigen unter euch verstehen, die mit einem Vakuum zwischen ihren Horchlöffeln geschlagen sind. Wir sind in Kundu. Kapito Kapitän. Unser Helikopter ist in Kundu gelandet. Die Straße nebst genaue Hausnummer anzugeben sieht Sam sich bedauerlicherweise nicht in der Lage. Doch scheint es sicher, daß wir uns auf militärischem Gelände befinden.

    Jonas: In Kundu.

    Sam: Soll ich's auch noch buchstabieren, du Schwachwitz.

    Jonas: Wo wir sowieso hinwollten.

    Neon: Aber der Pilot mußte doch den Kurscomputer umprogrammieren auf Sokoto.

    Sam: Durchaus korrekt, meine Gnädigste, was sich jedoch dero Holdseligkeit Kenntnis entzieht, wie auch der meines wie üblich vernagelten Meister, der uns entführt habenden Herrschaften ist die Tatsache, daß das Flugsystem dieses unseres Transportmittels mit einem geheimen Zusatzprogramm ausgestattet ist, für Notfälle wie Entführungen und dergl. äh dergleichen. Durch einen simplen Knopfdruck läßt besagtes Programm sich unauffällig aktivieren, wodurch a sämtliche sonstigen Eingaben als ungültig nicht befolgt werden b der alte Kurs beibehalten wird nach gewissen Täuschungs- und Ablenkungsmanövern als da wären Geschwindigkeitsvarianten und Kurvenflüge. Kurve... Wo war Sammy.

    Jonas: Drittens. Durch das Notprogramm wird drittens.

    Sam: c durch das Notprogramm wird c ein automatisches Ortungssignal abgegeben, so war das sahelische Hauptquartier über unsere Situation informiert, konnte den Flug des Helikopters verfolgen.

    Neon: Bis zu unserer unsanften Landung an einer Stelle, wo das Empfangskomitee schon gewartet hat, sehr plausibel, und woher weißt du das alles, Sam.

    Sam: Ach Gottchen Gottchen Gnädigste, ein vergleichsweise primitives System hat keine Geheimnisse vor Sam dem Durchdringenden, dem Scharfsinnigen, dem Allwissenden.

    Jonas: Ich werd dich umbenennen in Sam den großen.

    Sam: Hoffentlich.

    Offizier: Achtung, hier spricht die Armee von Sahel. Sie sind umstellt. Leisten Sie keinen Widerstand. Ergeben Sie sich. Sie haben keine Chance.

    Laila: Ah ja. Halten Sie Abstand, kommen Sie nicht näher, sonst schieße ich in den Treibstofftank. Die Folgen können Sie sich ausmalen.

    Jonas. Eine riesige Stichflamme.

    Neon: Ruhe sanft für alle.

    Sam: Amen.

    Dr. Pretorius: Baby, mein Gott, alles nur das nicht.

    Offizier: Was verlangen Sie, nennen Sie Ihre Forderungen.

    Laila: Wir brauchen einen Arzt. Dringend. Und dann Moment kann jemand von Ihnen diesen Helikopter fliegen.

    Sam: Ja ich.

    Jonas: Ja. Jonas konnte, Jonas war sogar Experte im Helikoptern. Aber Jonas wollte nicht. Auf festem Boden fühlte ich mich zur Zeit sehr viel sicherer. Also sagte ich nein. Wie Neon, wie Dr. Pretorius, wie van Meeren.

    Laila: Ein Arzt und ein Helikopterpilot. Beeilen Sie sich.

    Offizier: Geben Sie uns Zeit.

    Laila: Gut, eine halbe Stunde, bis 17Uhr 40, dann geht mein Laser los, in den Tank.

    Jonas: Die Entführerin wirkte ruhig, entschlossen. Die Mündung ihres Laserstrahles berührte den Treibstofftank. Wir in der Maschine hatten vorerst keine Chance was zu unternehmen. Warum hatte das Militär draußen nicht versucht, den Helikopter zu stürmen, gleich nach der harten Landung, das wäre der richtige Zeitpunkt gewesen. Mir fielen meine Gedanken von vorhin wieder ein. Jetzt teilte ich sie mit Neon und mit Sam.

    Sam: Die trauen sich nicht, die Helden.

    Neon: Warum?

    Jonas: Aus demselben Grund, warum Dr. Pretorius verboten hat was gegen die Entführer was zu unternehmen.

    Neon: Baby.

    Jonas: Ja, Baby, Baby darf nichts passieren, Baby darf nicht in Gefahr kommen.

    Neon: Offenbar ist Baby sehr wertvoll.

    Jonas: Und explosiv. Wenn Baby explodiert, fliegt halb Sahel in die Luft, hat Dr. Pretorius gesagt.

    Neon: Eine Bombe, ein sehr wertvolle Bombe.

    Jonas: Eurimex kauft, verkauft, vermittelt alles.

    Neon: Auch wenn's nicht ganz astrein ist. Dafür ist Eurimex bekannt. Und Sahel führt schon lange einen Grenzkrieg mit Farasan, einen Krieg, den keine Seite für sich entscheiden kann, weil beide etwa gleich stark sind. Und gleich gut bewaffnet.

    Jonas: Nehmen wir an, Sahel will den Krieg beenden, siegreich natürlich, um den 50. Jahrestag der Unabhängigkeit so richtig schön zu feiern, und darum bestellt die Regierung von Sahel bei einer skrupellosen europäischen Firma eine Waffe, eine kriegsentscheidende Waffe, eine Waffe die der Gegner Farasan nicht hat.

    Neon: Und weil nach dem Völkerrecht und nach allen internationalen Vereinbarungen gewisse Waffen auf gar keinen Fall gehandelt werden dürfen und weil die UN dieses Verbot mit strengsten Kontrollen überwacht.

    Jonas: Könnte Eurimex auf die Idee gekommen sein, die Waffe durch die Hintertür nach Sahel zu schmuggeln, im Handgepäck eines Ehrengastes, der mit dem Fracht ein reist, über einen kleinen Hafen, nicht gerade der übliche Weg.

    Neon: Aber sicher.

    Sam: Brava, Bravo, Bravissime, recht gefällig kombiniert, für Menschen gar nicht mal so übelst, nichts desto trotz und dessen ungesiebt Korrektur ungeachtet, dies dürfte der Gnädigsten eben so klar sein wie dem mich besitzenden Schrumpfkopf, hundelt es sich nicht um wohlfundiertes Wissen, vielmehr um Spekulation, um konjuntivistisches Gerätsel. Was der kühnen Konstruktion fehlt ist ein Beweis, ein haftfester faktischer Beweis.

    Jonas: Sieh mal an, ein Beweis fehlt dem Herrn, was soll ich denn da tun, den sogenannten Schmuckkoffer aufmachen und nachsehen, was drin ist.

    Sam: Keinesfalls Sir, eine höchstgefährliche Prozedur. Obendrein unnötig. Der Beweis ist da.

    Jonas: Was? Wo?

    Sam: In aller Bescheidenheit, hier in Sam. Es zeigt sich nun, wie recht eure vorausschauende Umsichtigkeit hatten, als sie angeregt durch Fall Inselklau dero demütigen Diener auf dessen inständiges Flehen mit der Installation eines Radioaktivitätsfrüherkennungsprogramm auf Geiger-Müller-Basis beschenkten.

    Jonas: Radioaktivität.

    Sam: In minimaler Quantität. Völlig gefahrlos. Aus dem Koffer, der bei der Landung strukturell ein ganz klein wenig lädiert wurde.

    Neon: Alles klar, Baby ist eine Atombombe.

    Dr. Pretorius: Bombe, ach du lieber Gott, ein winziges Sprengköpfchen für eine Boden-Bodenrakete. Kaum der Rede wert. Am besten vergessen Sie's gleich wieder. Wir haben doch schon genug auf dem Hals, Entführer, Sandsturm, die sahelische Armee, warum wollen Sie sich zu allem Überfluß auch noch mit internationalen Problemen belasten.

    van Meeren: Wie sagt ein babylonisches Sprichwort: Was ich nicht weiß, macht mich nicht radioaktiv.

    Dr. Pretorius: Sie halten das Maul, Conny, ich hab nämlich nachgedacht, und mir ist was klar geworden, Sie haben uns in diesen Schlammassel gebacht, Conny, Ihnen verdanken wird, daß wir hier sitzen in akuter Lebensgefahr und nicht wissen wie's weitergeht.
    van Meeren: Wie kommen Sie darauf, Chefin?

    Dr. Pretorius: Nur drei Menschen wissen, daß Baby von Europa nach Sahel transferiert wird und auf welchem Weg. Ich natürlich, der Präsident von Sahel Generalissimus Simba, und Sie, Conny van Meeren. Mein Privatsekretär, meine rechte Hand. Sie haben uns an Farasan verraten, darauf hat Farasan die Kusbekische Befreiungsfront mobilisiert und uns entführen lassen. Sie haben die Entführer an Bord gebracht als angebliche sahelische Geheimdienstleute und vorher haben sie meinen Bodyguard beseitigt und einen neuen engagiert, den sie für einen harmlosen Trottel hielten. Mich freut nur eins, Conny, daß Sie jetzt mit uns in der Scheiße sitzen.

    Offizier: Achtung, wir schicken ihnen den erbetenen Arzt. Geben sie ihm freies Geleit.

    Jonas: Zeit für eine Zwischenbilanz. Die Saheli waren blockiert, sie wußten, was wir bei uns hatten und wollten es unbedingt haben, einen Sturmangriff auf den Helikopter konnten sie nicht riskieren. Wegfliegenlassen konnten sie ihn auch nicht, weil dann die Farasani Baby kriegen würden. Patt. Und wir saßen auch fest, weil Laila einen Laser hatte, aber keine Piloten für den Helikopter. Wieder Patt. Jonas konnte nur eins tun, abwarten bis sich die Situation sich änderte, durch einen neuen Faktor, z.B. durch der Arzt, falls er ein Arzt war, auf jeden Fall sah er sich den angeschossenen Entführer kurz an, in der letzten halben Stunde hatte der sich verdächtig ruhig verhalten.

    Arzt: Seinetwegen haben Sie mich gerufen? Der braucht keinen Arzt mehr.

    Laila: Tot.

    Arzt: So tot wie’s nur geht. Dr. Pretorius?

    Dr. Pretorius: Ja bitte?

    Arzt: Was ihre spezielle Fracht betrifft, Sie können sich denken, daß Generalissimus Simba sehr daran interessiert ist. Er wünscht zu erfahren...

    Laila: Schluß, keine Unterhaltung mit den Geiseln.

    Arzt: Ja aber ich wollte doch bloß...

    Laila: Kein Wort mehr, raus, und sagen sie Generalissimus Simba, wenn in 5 Minuten kein Pilot...

    Jonas: Zu spät, van Meeren, Madam war einen Moment nicht konzentriert, das reichte. Jetzt hat Jonas den Laser und wer den Laser hat, hat das Sagen. Stellen sie sich drüben an die Wand. Alle. Sie nicht Neon, Sie nehmen sich den Onkel Dr. vor. Klopfen sie mal kräftig ab. Er hat so eine interessante Ausbuchtung unter dem Kittel.

    Jonas: Darunter war ein Knockouter. Gar nicht schlecht. Jetzt hatte auch Neon was in der Hand. Die einzige Person, der Jonas trauen konnte.

    Dr. Pretorius: Wunderbar. Entführung beendet. Alles in Butter, Guter Mann Jonas, Sie sind ihr Geld wert, so, dann wollen wir mal aussteigen, wird Zeit daß wir es uns ein bißchen bequemer machen, ein anständiges Hotel, Klimaanlage, Füße hoch, ein kaltes Bier auf den Schreck, hört sich doch gut an. Wenn ich um Baby bitten dürfte. Jonas.

    Sam: Du wirst doch nicht, du Puddingkopf.

    Jonas: Keine Angst, Sammy, da müßte ich ja vom wilden Sandfloh gebissen sein.

    Dr. Pretorius: Na los, Jonas Geben Sie mir den Koffer.

    Jonas: Ich denke nicht daran, Dr. Pretorius. Baby bleibt bei mir. Vorläufig. Jonas hat was gegen wandernde Atombomben. In Afrika und sonst wo. Und dann gibt noch ein Grund. Einen triftigen Grund. Ich würde dieses Abenteuer gern überleben. Ich weiß was los ist, Neon weiß es und Sie Dr. Pretorius wissen, daß wir es wissen.

    Dr. Pretorius: Ach wissen Sie, Jonas, vergeben und vergessen, das ist mein Motto.

    Jonas: Rührend. Sie kommen in Teufels Küche, Dr. Pretorius, wenn Ihr schmutziger Deal mit Sahel bekannt wird. Sie haben gar keine Wahl. Sobald wir den Helikopter verlassen, Neon und ich, werden wir liquidiert.

    Dr. Pretorius: Also, also sitzen wir wieder mal fest, irgendwie müssen wir doch zu einem Ende kommen, Sie führen jetzt das große Wort, Jonas schlagen Sie was vor.

    Jonas: Als erstes werden wir Ballast abwerfen. Doktor, Leila, nehmen Sie den Toten, schaffen Sie ihn raus, und bleiben Sie draußen. Machen Sie die Tür auf, Neon, vorsichtig. Und Doktor, richten Sie Generalismus Simba von mir aus, für ihn hat sich nichts geändert. Er soll seine Leute zurückhalten, sonst geht der Helikopter hoch mitsamt der speziellen Fracht, für die er sich so interessiert. Mit großem Getöse und weltpolitischen Komplikationen. Sagen Sie ihm das, Doktor, mit freundlichen Grüßen von Jonas. Nur Jonas.

    Jonas: Allmählich reichte es mir. Jonas hatte keine Lust noch länger festzusitzen: Außerdem wurde es wirklich Zeit, über die Sache mal gründlich nachzudenken. Hier ging das nicht, zu laut, zu unruhig, zu viele Soldaten. Ein Ortswechsel war angesagt.

    Neon: Ganz meine Meinung Jonas, leider unmöglich.

    Jonas: Wer sagt das, wozu haben sie ein Helikopter.

    Neon: Können Sie das Ding denn fliegen, Jonas.

    Dr. Pretorius: Versuchen Sie's. Generalismus Simba wird Sie abschießen.

    van Meeren: Uns mit, Chefin, vergessen Sie das nicht.

    Dr. Pretorius: Mit Ihnen rede ich nicht mehr, Conny.

    Jonas: Abschießen glaub ich nicht, solange Baby an Bord ist, sind wir sicher, was Sam.

    Sam: Bombensicher, so sicher wie in Abrahams Schoß, Herr Oberrabbiner. Wie in Moses Hosentasche. In Noahs Schürzenzipfel. Man könnte auch sagen.

    Jonas: Man könnte auch still sein und was tun zur Abwechslung.

    Sam: Bitte bitte, was befielt mein Gebieter und Gebieter.

    Jonas: Setzt die komplette Elektronik im Cockpit außer Gefecht. Automatische Steuerung, Radar, Kurscomputer und was sonst noch da ist.

    Sam: Eure unüberbietbare Selbstüberschätzung hegen doch nicht die Absicht, den Helikopter mit eigener bloßer Hand splitterfasernackt zu fliegen, a Korrektur den Helikopter mit eigener bloßer splitterfasernackter Hand zu fliegen.

    Jonas: Das ist der Plan, Sammy.

    Sam: Ooo, wenn das nur gutgeht.

    Jonas: Laß das meine Sorge sein, und tu was ich dir gesagt habe. Mach die Elektronik kaputt.

    Sam: So richtig mit Schmackes und Puff und Knall und Bumms.

    Jonas: Wenn's dir Spaß macht, Sammy.

    Sam: Und wie Pappi. So und so. Befehl ausgeführt, Herr Staffelkommandeur.

    Jonas: Sehr gut, Gefreiter Sam.

    Sam: Gefreiter? Wenn Jonas Staffelkommandeur ist, dann ist Sam mindestens Luftmarschall oder Generalissimus.

    Jonas: Apropos. Wenn ich voll in den Sandsturm starte, kriegen Simba und seine Krieger das erst mit, wenn wir schon weg sind.

    Sam: Dein Wort in Gottes Ohr. Na ja gut also in Gottes Ohr. Radar?

    Jonas: Die haben nicht gerade das allerneueste. In Bamballa hab ich's mir angesehen. Kein Problem. Den Radar tricksen wir aus, wir fliegen unten durch, so niedrig wie’s geht.

    Neon: Bei einer Sicht von maximal 10 Metern. Riskant.

    Jonas: Die Alternative wäre hier stehen zu bleiben und zu warten bis sie uns einkassieren. Auf geht's.

    Sam: Holloridiö. Horrido. Mast und Schotbruch. Und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel. Das heißt O2 oder auch gymnastisch Luft.

    Jonas: Wie die wilde Jagd fegten wir durch die aufgewirbelten Sandsäulen, vorbei an Giebeln, Masten und Türmen, rechts, links, dann immer gerade aus. Der Sturm nahm ab, ich konnte was sehen. Wüste. Nichts als Wüste. Keine Verfolger. Soweit so gut.

    Dr. Pretorius: Gut, gar nicht gut, Jonas, was haben Sie denn gewonnen durch Ihre unüberlegte Flucht. Sie werden nicht weit kommen, glauben Sie mir. Die Saheli werden Ihnen keine Ruhe lassen, sie werden Sie jagen.

    Jonas: Sam?

    Sam: Dein Sklave windet sich im Staube, erhabene Herrscher.

    Jonas: Lagebericht, wie sieht's aus.

    Sam: Bescheiden Meister. Generalalarm für alle sahelischen Streitkräfte. Luftwaffe Panzer Marine Raketentruppe... Befehl ausschwärmen, Helikopter SHSI 19 orten.

    Jonas: Und haben sie uns geortet.

    Sam: Sie suchen hier, sie suchen dort, an diesem und an jenem Ort, im Wüstensand im Himmelslicht, gefunden hab'n sie uns noch nicht.

    Dr. Pretorius: Nur eine Frage der Zeit, Jonas, ich kenne Generalissimus Simba, der läßt nicht locker, bis er Sie erwischt hat, und dann geht’s Ihnen schlecht. Ich geb Ihnen einen guten Rat. Stellen Sie sich freiwillig, überlassen Sie Baby dem Generalissimus, dann wird Ihnen nichts geschehen.

    Sam: Ganz ganz großer Pfadfinderehrenwort.

    Dr. Pretorius: Im Gegenteil, Jonas Sie werden eine Belohnung bekommen, eine hohe Belohnung, 5000 ah 10.000 Euros, Sie werden reich, Jonas.

    van Meeren: 10.000 Euros lächerlich. In Farasan kriegen Sie mehr, Jonas, viel viel mehr. Das garantier ich Ihnen. Hören Sie nicht auf Dr. Pretorius, die verspricht alles und hält nichts, fliegen Sie über die Grenze, die Farasanie werden sie mit offenen Armen empfangen. Was wünschen Sie sich, eine Villa, einen Harem, eine Million auf Schweizer Konten.

    Dr. Pretorius: Warum nicht gleich eine Milliarde. Sie lügen doch, wenn Sie das Maul aufmachen, Conny.

    van Meeren: Ich dachte, Sie reden nicht mehr mit mir, Chefin.

    Dr. Pretorius: Ich rede auch nicht mit Ihnen, Conny, ich sag Ihnen nur was ich von Ihnen halte. Erst haben Sie mich verkauft und jetzt wollen Sie auch noch Jonas verkaufen. Glauben Sie ihm nicht, Jonas, fliegen Sie nach Kundu zurück.

    van Meeren: Nach Farasan, Jonas, fliegen Sie nach rechts. Rechts.

    Jonas: Und so weiter. Das Gezeter fing an mir auf die Nerven zu gehen. Vor uns am Horizont eine Steinwüste, kein Mensch, keine Pflanze, kein Wasser, nur Felsen und Sand. Ich landete kurz und schmiß die beiden raus. Vielleicht hätte ich das schon in Kundu tun sollen. Aber hier hatten sie es schwerer. Strafe muß sein. Als ich abhob prügelten sie aufeinander ein. Angenehmen Aufenthalt.

    Sam: Ah endlich allein.

    Jonas: Allein? Neon und Jonas.

    Sam: Und der liebe gute Sam. Anrührend. Eine rechte echte Familie. Vater Mutter Kind.

    Neon: Nicht zu vergessen Baby.

    Sam: Und hier meine Damen und Herren Abgeordneten steht das gewichtige Problem mitten im Raume, erhebt die große Frage ihr brennendes Haupt, was tun was tun mit Baby.

    Jonas: Am liebsten Klappe auf und raus, wie Dr. Pretorius und van Meeren, aber das ist nicht drin.

    Neon: Im Sand eingraben oder in den Bergen verstecken.

    Jonas: Alles viel zu unsicher. Es geht ja nicht nur darum, Baby los zuwerden, das ist nicht schwer.

    Neon: Wir müssen auch verhindern, daß die Bombe in falsche Hände kommt.

    Jonas: Und wir müssen uns absichern, zusehen daß wir heil aus der Geschichte rauskommen, das heißt erst mal aus Sahel.

    Sam: Schwierig eure Tüdeligkeit. Wie das jetzt aussieht sitzen wir voll in der Falle. Die Grenze ist dicht. Der Luftraum drüber auch. Flak, Raketen, Jägerpatrouillen. All über all auf den Tannenspitzen. Falle zu Ratte tot.

    Jonas: Soweit sind wir noch nicht, Sammy, es wird uns schon was einfallen.

    Sam: Ja, dann sollten wir uns aber beeilen, Herr Hilfsnachtwächter. Denn siehe es will Abend werden und der Tag hat sich geneiget.

    Jonas: Jonas flog weiter und dachte nach. Neon dachte auch nach und Sam sowieso. Mir fiel nichts ein, dafür fiel mir was auf. Unten auf dem Erdboden: ein unendlich langer Strich in der Landschaft. Ich ging tiefer.

    Neon: Das ist die Piste, die Straße durch die Wüste von Kundu nach Bamballa.

    Sam: Bzw. von Bamballa nach Kundu. Immer präzis gell.

    Neon: Ein Lastzug.

    Jonas: Der steht.

    Sam: Der auch?

    Neon: Der Fahrer hat wohl gehalten, um den Sandsturm abzuwarten.

    Jonas: Jetzt schläft er im Führerhaus.

    Neon: Container hat er geladen für Bamballa.

    Jonas: Ich hab ne Idee.

    Neon: Ich auch Jonas.

    Sam: Und Sam schon lange.

    Jonas: 12 Stunden später. Vormittag. In Kundu ging es los das große Fest, 50 Jahre Uhuru 1962-2012. Menschen über Menschen auf dem riesigen Areal vor dem Nationalpalast. Fahnen, Spruchbänder, pflichtschuldiger Jubel für die großen Führer des sahelischen Volkes. Generalissimus Simba, der winkte huldvoll vom Balkon. Ein Brummen in der Ferne, es kam näher, wurde lauter. Ein Helikopter SHSE19. Das stand groß und weiß auf der Unterseite. Darüber das Emblem der sahelischen Armee: schwarzer Elefant unter grüner Palme auf gelbem Grund. Der Helikoper drehe eine Runde und schwebte dann über dem Nationalpalast. Neon und Jonas nickten sich zu. Ein bißchen nervös aber entschlossen das Spiel zu Ende zu spielen: Sam machte uns eine Sprechfunkverbindung mit dem Generalismus.

    Simba: Ich weiß wer Sie sind, Jonas, Sie haben Baby, Baby gehört mir. Ich hab dafür bezahlt, viel Geld. Kommen Sie runter, ich will mein Eigentum.

    Jonas: Sichern Sie uns freien Abzug ins Ausland zu, Generalissimus.

    Simba: Was Sie wollen, auf der Stelle, kommen Sie, kommen Sie, bringen Sie mir mein Baby.

    Jonas: Nicht so schnell, wir verlangen Garantien.

    Simba: Von mir aus, ich verspreche alles.

    Jonas: Steigen Sie zu, Generalismus.

    Simba: Was?

    Jonas: Kommen Sie zu uns in den Helikopter. Wir lassen ihnen eine Strickleiter runter. Dann können wir reden.

    Simba: Kommt nicht in Frage. Wozu? Reden können wir auch so. Sie kommen zu mir. Landen Sie sofort, sonst laß ich Sie abschießen.

    Jonas: Das liegt bei Ihnen, Generalismus, wenn sie Ihr großes Fest unbedingt mit einem atomaren Feuerwerk abschließen wollen.

    Simba: Also gut, schieß ich Sie nicht ab, aber in den Helikopter komme ich nicht.

    Jonas: Ich muß darauf bestehen, Generalissimus.

    Simba: Sie können mich nicht zwingen.

    Jonas: Wollen wir wetten. Wenn ich den Helikopter auf Ihren Nationalpalast fallen lasse.

    Simba: Dann sind Sie tot, Jonas.

    Jonas: Sie aber auch, Generalissimus, und ihr jubelndes Volk, der Palast ist kaputt, ganz Kundu ist kaputt, von Sahel bleibt nicht viel übrig.

    Simba: Lassen Sie die Leiter runter.

    Jonas: Wir ließen die Strickleiter runter, und dann hievten wir sie hoch mitsamt dem Generalissimus. Keine leichte Arbeit. Exzellenz hatten erhebliches Übergewicht.

    Simba: Hier bin ich.

    Neon: Wissen Sie, Jonas, wie die Saheli ihren Präsidenten nennen, nicht Simba, Löwe, Combe, das heißt Bier.

    Jonas: Ich bin sicher er trink nur Import, kein Stern von Sahel. So, Tür zu, Neon.

    Neon: Wird gemacht.

    Jonas: Schnallen Sie sich an, Generalissimus.

    Simba: Was soll das. Halt, bleiben Sie, das ist nicht vorgesehen.

    Jonas: Von uns schon, Generalissimus.

    Simba: Wo fliegen wir hin.

    Neon: Zur Grenze, Generalissimus. Sie werden ihre Truppen anweisen, den Helikopter passieren zu lassen.

    Simba: Ja das hätten Sie gern. Warum sollte ich.

    Jonas: Weil Sie noch eine zeitlang Bier trinken möchten.

    Neon: Außerdem wollen Sie was von uns.

    Simba: Baby, wo is baby.

    Jonas: Nicht an Bord, Generalissimus.

    Simba: Sie haben mich angelogen.

    Jonas: Nicht doch Generalissimus.

    Neon: Wir haben nicht behauptet, daß wir Baby noch bei uns haben.

    Simba: Versteckt haben Sie Baby, wo?

    Jonas: In Sahel.

    Simba: Natürlich in Sahel. Über die Grenze wären Sie nicht gekommen. Wo in Sahel.

    Neon: Das verraten wir Ihnen, wenn wir die Grenze hinter uns haben.

    Simba: Kann ich mich darauf verlassen.

    Jonas: Sie können.

    Neon: Unser Ehrenwort, Generalissimus.

    Jonas: Wir kamen sicher über die Grenze. Nicht die Grenze zu Farasan. Da wären wir vom Regen in die Traufe geraten. Die Grenze zu Solaria, ein Staat, der mit Sahel und Farasan wenig am Hut hat, um so mehr mit Europa, weil von da viele Touristen nach Solaria kommen, um sich an den berühmten weißen Strand zu legen, unter die berühmten grünen Palmen. Außerdem hat die Atomwaffenkontrollkommission der UN ein Büro in Solaria.

    Simba: Ihr Ehrenwort, Sie haben mir Ihr Ehrewort gegeben.

    Neon: Und das halten wir auch.

    Simba: Dann sagen Sie mir wo Baby steckt.

    Jonas: Mit Vergnügen, Generalissimus, und nicht nur Ihnen. Sam?

    Sam: Kann es denn war sein, wirklich wahrhaftig wahr, Sam wird wieder gebraucht. Hallejula. Halleluja. Lobe den Herr.

    Jonas: Dein Herrn loben kannst du später, Sam. Jetzt mach mir eine Verbindung nach Solaria zur UN.

    Sam: Jawohl Herr Cheftelegraphist. Zack Zack. Verbindung steht.

    Jonas: Folgende Mitteilung: Achtung. Frachter Eurimex-Queen heute morgen in Bamballa ausgelaufen, Ziel Babelshaven, Europa, an Bord Atomsprengkopf, der illegal in Sahel eingeführt wurde. Sprengkopf befindet sich in Koffer, Koffer befindet sich in Container E4, Inhalt sahelische Holzschnitzereien, empfehle Sofortmaßnahmen, Frachter stoppen, entern, Sprengkopf sicherstellen. Stop.

    Sam: Stop. Mitteilung unterwegs.

    Simba: Sie... reingelegt haben Sie mich, ich werde Sie...

    Neon: Sie werden ganz friedlich sitzen bleiben, sonst geht mein Knockouter los.

    Simba: In Sahel haben Sie gesagt, in Sahel haben Sie Baby versteckt.

    Neon: Jawohl das haben wir. Direkt an der Piste Kundu-Bamballa. Gestern abend in einem Lastzug, genauer gesagt in einem Container auf dem Lastzug.

    Jonas: Eurimex Queen E4 stand auf dem Container. Und das brachte uns auf die Idee. Jonas landete den Helikopter in einiger Entfernung, wir schlichen uns an, Neon und ich, machten vorsichtig den Container auf, packten Baby zwischen die Volkskunst, machten den Container wieder zu, dann weckten wir den Fahrer, damit er pünktlich nach Bamballa kam, und die EURIMEX Queen am nächsten Tag planmäßig segeln konnte. Übernachtet haben wir übrigens in den Bergen, auf einem unzugänglichen Hochplateau. Tja, das wär's dann wohl. Fall abgeschlossen.

    Sam: Hey Moment mal, so geht's ja nicht, da ist noch einiges zu klären. Zum Bleistift.

    Jonas: Mach du das, Sammy, Jonas hat's eilig. Eine Verabredung mit Neon. Mit der kann man nicht nur Pferde stehlen oder Atombomben verstecken. Wir haben beschlossen, ein paar Tage in Solaria zu bleiben und uns näherzukommen. Bis dann Sammy.

    Sam: Ja und nu? Hä? Weg ist er. Und während der Herr und Meister sich vergnügt muß der Knecht schuften. So ist das. Immer so gewesen. Der Lauf der Welt. Naja. Dann wollen wir mal die losen Enden aufwickeln. Mit Musik. Denn damit geht bekanntlich alles besser. Fangen wir an mit Generalissimus Simba, der blieb auch in Solaria, allerdings unfreiwillig. Während seiner Abwesenheit hatten die Saheli Revolution gemacht und ihn gestürzt. Dr. Pretorius tauchte nach einer Woche aus der Wüste auf, gesund munter wohlgenährt, ja und allein. Von Cornelis van Meeren hat man nie wieder was gehört. Baby wurde gefunden und von der UN in Gewahrsam genommen. Und dann kehrte man die ganze Geschichte unter den Teppich, naja weil sie sonst zu peinlich geworden wäre für Sahel, für Farasan und für die Firma Eurimex. Tja, und Jonas, der legte sich mit Neon an, Korrektur der legte sich mit Neon an den berühmten weißen Strand unter die berühmten grünen Palmen, und wie er da lag war er schon mitten im nächsten Fall. Und es ging wieder los. Das Rennen und jachern und detektieren oder heißt es detektivieren. Na igel äh egal. Nichts mit ausruhen und sich näher kommen. Armer Jonas, ach was heißt armer Jonas. Geschieht ihm ganz rechts, äh links na mittendurch ah Ende.

    Das war Eurobaby. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam: Peer Augustinski. Es wirkten außerdem mit: Evelyn Hamann, Jutta Speidel, Günther Sauer, Reinhard Glemnitz und viele andere (Sibylle Nicolai, Peter Bertram, Michael Gahr, Hans Peder Hermansen). Ton und Technik: Irene Thielmann und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Werner Klein. (Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks) (1990). (Redaktion: Erwin Weigel).

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:38 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Eurodschungel

    Jonas: Er fing schon mies an, dieser 3. Mai 2012. Jacob hatte vor, seinen Schuppen umzutaufen. Nicht mehr Casablanca sollte er heißen, sondern...

    Jonas: Wie soll dein Schuppen jetzt heißen?

    Jacob: Babylon. Cafe Babylon.

    Jonas: Cafe? Du weißt doch gar nicht, was Cafe ist, Jacob.

    Jacob: Na und? Cafe hat was. Nostalgie. Klasse.

    Jonas: Es gab immer noch den alten Synth-Whisky. Mies und teuer. Es war immer noch das alte Casablanca. Ich fühlte mich wie zu Hause. Müde und mies.

    Jacob: Ja? Ja, Moment. Für dich Jonas.

    Jonas: Sie können eine Nachricht hinterlassen. Sprechen Sie nach dem Pfeifton. Tüt. Oder pfeifen Sie nach dem Sprechton, wie Sie wollen.

    Toivonen: Jonas?

    Jonas: Von mir aus können Sie auch summen oder singen.

    Toivonen: Sind Sie Jonas? Der Detektiv?

    Jonas: Ich mußte es zugeben. Jonas. Nur Jonas. Der letzte Detektiv. Der letzte vom Stamm der Marlowe, Spade, Burma. Und der vielen anderen, die es auch nie gegeben hat. Einzelkämpfer. Einsam und ungebrochen. Der Typ, der für Sie die heißen Kastanien aus dem Feuer holt, ohne Handschuhe, für 100 Euros pro Tag und Spesen und so weiter. Manchmal komm ich mir richtig toll vor. Aber meistens fühle ich mich mies.

    Jonas: Jetzt wissen Sie’s. Und wer oder was sind Sie?

    Toivonen: Toivonen. Martta Toivonen. Sind Sie frei?

    Jonas: Wie ein Vogel.

    Toivonen: Ich meine, wären Sie bereit und in der Lage, einen Auftrag zu übernehmen?

    Jonas: Ich könnte Sie gerade noch reinquetschen, Frau Toivonen, worum geht’s?

    Toivonen: Nicht übers Fon. Kommen Sie zu mir.

    Jonas: Wann?

    Toivonen: Am besten gleich.

    Jonas: Wohin?

    Toivonen: Rubinweg 17. Apartment G.

    Jonas: Rubinweg. Sie wohnen im Golden Ghetto.

    Toivonen: Im High Security Compound für Spitzenkräfte. Ganz recht.

    Jonas: Zugang nur mit Spezialpaßscheibe. Lassen Sie eine für mich am Tor hinterlegen.

    Toivonen: Ich denke nicht daran. Sehen Sie zu, wie Sie mich erreichen. Wenn Sie der richtige Mann für den Job sind, schaffen Sie es. Viel Glück.

    Jonas: Gieß mir noch einen Plastikschnaps ein, Jacob.

    Jacob: Kannst du bezahlen?

    Jonas: Kommt darauf an.

    Jacob: Worauf?

    Jonas: Ob ich einen Fall habe.

    Jacob: Und? Hast du einen?

    Jonas: Kommt darauf an.

    Jacob: Worauf?

    Jonas: Ob ich ins Golden Ghetto komme.

    Jacob: Mit oder ohne Paß?

    Jonas: Ohne.

    Jacob: Vergiß es. Vergiß den Fall und vergiß die Bestellung.

    Jonas: Schreib an, Jacob.

    Jacob: Seit Wochen schreib ich an für dich, Jonas. Jetzt ist Schluß.

    Jonas: Aber Jonas wollte gar keinen Fall. Jonas wollte im Casablanca sitzen, trinken und sich mies fühlen. Man ließ ihn nicht. Jacob drehte ihm den Hahn zu. Und dann mischte sich auch noch Sam ein.

    Sam: Sprung auf, Kamerad, marsch marsch aufs Pferd. Wieher! Die Pflicht gebeut, der leere Beutel schreit zum Himmel.

    Jonas: Komm wieder runter, Sammy.

    Jonas: Sam saß heute auf dem hohen Roß. Sam ist mein Computer. Es gibt ihn zweimal, dick und fett im Büro, klein und handlich in der Tasche. Sam kann viel. Vor allem reden. Wie drei Dutzend Staubsaugerverkäufer oder wie eine große Bibliothek nach einem Wirbelsturm. Überprogrammiert bis zum verbalen Dauerdurchfall. Das ist Sam.

    Sam: Sammy ist groß. Sammy ist mächtig.

    Jonas: Wenn er auf den Stuhl steigt, 1 Meter 60. Schluß mit der Blödelei. Jetzt wird gearbeitet. Kategorischer Befehl.

    Sam: Was steht zu Diensten, Sir, sagt’s mir an.

    Jonas: Wie kommt Jonas ohne Paß ins Golden Ghetto? Kurz und knapp, wenn ich bitten darf.

    Sam: Wer wenn nicht ihr, mein Herr und Meister.

    Jonas: Warum er Sam heißt, muß ich wohl nicht erklären. Wer sich für Jonas interessiert, kennt auch Casablanca, den alten Film meine ich, nicht Jacobs Kneipe.

    Sam: Der High Security Compound oder Golden Ghetto, wie des Volkes Mund ihn so treffendtümlich zu benamsen pflegt rühmt sich eines hochentwickelten ultramodernen superkomplexen elektronischen Schutz- und Sicherheitssystems vom Typ ANK 2020

    Jonas: ANK?

    Sam: Absolut lamente nicht knackbar, geliebtester Analphabet.

    Jonas: Nicht knackbar, wirklich, auch nicht für dich, Sam?

    Sam: Gemach, Gevatter, ein System, welches sich von Sam nicht penetrieren ließe, müßte noch erfunden werden.

    Jonas: Du kommst also rein.

    Sam: Gewiß, Genosse, im Prinzipe.

    Jonas: Was heißt das?

    Sam: Sammy braucht dazu nur ein ganz klein wenig Zeit.

    Jonas: Wieviel?

    Sam: Ach, ein Wöchlein nur.

    Jonas: Eine Woche.

    Sam: Naja, vielleicht auch zwei.

    Jonas: Gestorben, Sammy, ich muß heute noch bei dieser Toivonen antanzen.

    Sam: Auch in diesem Falle, eure hektische Betriebsnudeligkeit, hat Sam etwas anzubieten, Sam, der Kluge, Sam, der Weise, der stets Rat Wissende, der niemals um einen Ausweg...

    Jonas: Is ja gut, Sammy, was schlägst du vor?

    Sam: Jonas besorgt sich eine Paßscheibe.

    Jonas: Einfach so?

    Sam: Einfach so. Von der Zentralen Sicherheitsverwaltung. Allwo eine gewisse hochgestellte Amtsperson...

    Jonas: Etwa Judith?

    Sam: Ja.

    Jonas: Nein.

    Sam: Doch.

    Jonas: Kommt nicht in Frage.

    Sam: Da haben wir’s wieder, Damen und Herren, hochgeschätztes Publikum, der Stolz erhebt sein Haupt, in unlogische irrationale unsinnige, zutiefst menschliche Eigenschaft. Ich frage Sie: Kann man Stolz essen, kann man sich was dafür kaufen?

    Jonas: Sammy, es geht nicht.

    Sam: Es muß gehen. Hör zu, du Schnarch, dein Konto ist total ausgefüllt, nicht mal Jacobs miesen Whisky kannst du dir leisten. Dein letzter Fall war vor drei Monaten die Biogeschichte, und die hat dir nur ein paar Pipperlinge eingebracht, du brauchst den Auftrag, Mann, ja, nimm ihn, also reiß dich zusammen.

    Jonas: Judith. Judith Delagdo. Wir hatten eine wunderschöne Beziehung gehabt, bis zum Fall Inselklau vor einen Jahr, da hatte sie mich kaltschnäuzig ausgenutzt, um ihre Karriere zu fördern, nicht zum letzten Mal, daß sie im November 2011 Sicherheitsdirektorin geworden war, verdankte sie Jonas, der hatte ihr ahnungslos den Weg freigeschaufelt. Siehe Fall Schneewittchen.

    Judith: Das hab ich dir nicht vergessen, Jonas, du bist im Casablanca? Ich schicke Chefinspektor Brock vorbei, mit einem Spezialpaß fürs Golden Ghetto, und wenn du sonst noch was brauchst...

    Jonas: Danke, ich bin wunschlos glücklich, Judith.

    Judith: Wirklich? Ruf mich an, wenn dir was einfällt. Ich schulde dir was, Jonas, nicht nur wegen Schneewittchen und Inselklau. Machs gut, Jonas.

    Jonas: Zwei Stunden später. Weit im Westen von Babylon. Wo Permaplestmauer und Plexikuppel über dem Golden Ghetto in den grauen Himmel ragen. Hier hausen die auserwählten in olympischer Ruhe. Unter sich. Unbehelligt von den widerlichen Wucherungen des 21. Jahrhunderts und von Menschen wie Jonas. Wer ins Schlaraffenland wollte, mußte sich durch Reisbrei fressen. Ins Golden Ghetto zu kommen, war schwieriger. Man mußte durch die Sicherheitsschleuse, vorbei an Holo-Augen und Sensor-Fallen, an scharfen Robo-Dogs und noch schärferen Robo-Wächtern. Hier halfen weder Argumente noch Bitten, hier half nur eine kleine grüne Silikonkarte. Der Spezialpaß.

    Robo-Wächter: Danke. Paß gültig. Bitte rechts herantreten.

    Jonas: Wozu denn das?

    Robo-Wächter: Eye-Scanning. Retinacheck. Eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme. Soeben installiert. Bitte rechts herantreten.

    Jonas: Hast du das gewußt, Sammy, daß die hier Eye-Scanning haben. Wenn ich rechts rantrete und in den Scanner gucke, dann stellt der doch sofort fest, meine Netzhaut ist nicht gespeichert, er schlägt Alarm, die Robo-Dogs kommen und machen Hackfleisch aus Jonas.

    Robo-Wächter: Bitte rechts herantreten. Kinn fest auf Vorsprung pressen, Augen an die Scanneröffnungen.

    Jonas: Was soll ich tun, Sammy, gib mir einen Rat, wozu hab ich dich denn.

    Sam: Nur keine Panik auf der Titanic, Herr Kapellmeister. Wie soll ein Computer in Ruhe überlegen, wenn sein Mensch ihm ständig dazwischenzetert. Na, wollen mal kücken. Der Scanner hängt an einem eigenen geschlossenen System. Ja, nicht allzu complicated. Da läßt sich was machen. Alles klar auf der Andrea Doria.

    Robo-Wächter: Rechts herantreten. Sofort rechts herantreten!

    Sam: Tu, was er sagt, der brave Robo-Wächter. Kein Zaudern, kein Zagen, frisch auf, wohl an, ich bin dein Mann.

    Jonas: Kein Zagen, von wegen. Als der Scanner meine Netzhaut abtastete, wartete ich mit weichen Knien auf den Alarm, der nicht kam, statt dessen ging die Schranke hoch. Jonas durfte ins gelobte Land, ohne Probleme.

    Jonas: Wie hast du das gedreht, Sammy?

    Sam: Och, eine ganze klitze Kleinigkeit, du mein zelebrales Softeis, nicht der Rede wert. Wie mein Meister durchs Loch linste, hab ich das System kurzfristig lahmgelegt.

    Jonas: Wie, Sammy?

    Sam: Na wie schon? Saft abgedreht, und dann gleich wieder angedreht, und derweil dem Kleinen fix ein falsches Memory verpaßt, in Folge welchen Tuns der Scanner nun mehro der festen Überzeugung huldigt, er habe die Netzhaut meines Herrn in Augenschein genommen, sie überprüft und ihr spezifisches Muster in seinem Speicher vorgegeben gefunden. Resultat: Alles in Ordnung. Jonas kann passieren. Ach, diese Zwergsysteme sind manchmal doch zu blöd.

    Jonas: Rubinweg 17, wir sind da.

    Sam: Aha.

    Jonas: Apartment G.

    Sam: Gut.

    Toivonen: Ja?

    Jonas: Sicherheitsdienst. Wir haben eine verdächtige Person aufgegriffen, an der Mauer, sie will zu Ihnen, Frau Toivonen, sagt sie.

    Toivonen: Jonas?

    Jonas: Ja, so heißt der Mann.

    Toivonen: Sie sind Jonas. Ich erkenne Ihre Stimme. Sie haben es also geschafft.

    Jonas: Wie Sie hören, Frau Toivonen.

    Toivonen: Guter Mann. Warten Sie einen Moment, ich komme runter. Wir müssen zurück nach Babylon.

    Jonas: Nachdem ich mir die Beine ausgerissen habe, um zu Ihnen ins Getto zu kommen?

    Toivonen: So ist das Leben, Herr Jonas. Ich bin gleich bei Ihnen.

    Jonas: Zurück ging es schneller und bequemer. In Frau Toivonens schwarzer Luxuslimousine. Unser Ziel war das Zentrum, der Platz der immerwährenden Hochkonjunktur, da lag die Bank, die Frau Toivonen gehörte. Die Europäische Depot- und Investment-Bank. Klein aber fein. Der begehbare Safe im Keller war offen und leer.

    Toivonen: Heute nacht ausgeräumt, Herr Jonas, bis auf den letzten Euro.

    Jonas: Und das trotz Ihrer spektakulären Hardwareparade, Frau Toivonen.

    Toivonen: Ja. Wir haben alles, was sich für gutes Geld kaufen läßt, Herr Jonas. Bioschlösser, Holocams, variable Sensoren.

    Jonas: Kein Alarm heute Nacht.

    Toivonen: Nein, Herr Jonas.

    Jonas: Und keine Anzeichen von Gewaltanwendung.

    Toivonen: Unser Sicherheitssystem muß ausgetrickst worden sein, umgangen, manipuliert.

    Jonas: Sieht ganz so aus. Hmh. Warum ich, Frau Toivonen?

    Toivonen: Bitte?

    Jonas: Warum kommen Sie mit der Sache zu mir? Warum nicht zur Kripo?

    Toivonen: Weil ich Resultate will. Sie sind mir empfohlen worden, Herr Jonas, von meinen Bundesschwestern, Adamson, Vereinigte Kosmos, und Waldorf, Multipharm, als unorthodox, eigenwillig und erfolgreich. Sie werden feststellen, wer sich an unseren Bareinlagen vergriffen hat, und was viel wichtiger ist, Sie werden das Geld wieder zur Stelle schaffen. Ehrlich sollen Sie ja auch sein.

    Jonas: Wie viel Geld, Frau Toivonen?

    Toivonen: 2 Millionen Euros, plus minus ein paar Tausend. Aber deshalb brauchen Sie doch nicht gleich in die Knie zu gehen, Herr Jonas, soviel ist das nun auch wieder nicht.

    Jonas: Jonas war nicht wegen der Summe auf Grund gegangen. Jonas hatte was erspäht. Hinten an der Wand. Unter der offenen Safetür. Ein kleines Stück Papier. Circa 5 mal 5 Zentimeter. Unregelmäßig. Zackig. Abgerissen. An einem Ende ein paar Bleistiftstriche. Am anderen aufgedruckte Buchstaben. O R R Y, darunter A P P.

    Toivonen: Eine Spur?

    Jonas: Möglich. Was hältst du davon, Sam?

    Sam: Ein Stück Papier.

    Jonas: Was du nicht sagst, Sammy.

    Sam: Versehen mit Bleistiftaufzeichnungen.

    Jonas: Toll. Jetzt weiß ich, warum Computer Denkmaschinen heißen.

    Sam: Hmh. Ergänzt man die Striche, für eine Denkmaschine eine Lappalie, so ergibt sich eine zwar grobe, jedoch in allen wesentlichen Punkten korrekte Skizze von Schaltkreisen und Positionen der hierorts installierten Sicherheitsanlagen. Die Buchstaben hin wiederum lassen sich zwanglos und folgerichtig zu folgendem Aufdruck vervollständigen: Dont worry, be happy.

    Jonas: Das war mal ein Hit, als ich noch klein war.

    Sam: Schon lange her. Ach ja, und was du nicht sagst, hier und heute ist Dont worry be happy der Name eines Stimshops im Wilden Südosten von Babypsilon. Ohne Frage hundelt es sich bei vorgelegtem Beweisstück um den Rest eines Blattes von einem Block, welchen besagter Stimshop zu Werbezwecken hat herstellen lassen. Auf diesem Blatt, und damit komme ich zur Ente meiner Ausführungen, hat der Bankräuber sachdienliche Hinweise zur Durchführung seines lichtscheuen Tuns notiert. Na, was sagst du jetzt, du Schrumpfkopf. Hmh. Nichts? Hahaha. Dann sag ich’s für dich: Niemand, aber auch gar niemand, käme auf die Idee, einen Plattprägen wie dich als Denkmaschine zu bezeichnen.

    Toivonen: Sie lassen sich ja einiges bieten von Ihrem Computer, Herr Jonas, meiner dürfte das nicht.

    Jonas: Sie haben ja auch keinen Sam, Frau Toivonen.

    Toivonen: Gott sei dank nicht.

    Sam: Gott sei dank nicht. Gott sei dank nicht. He, was ist jetzt, stehen wir hier rum und plauschen oder arbeiten wir?

    Jonas: Wer kennt Ihr Sicherheitssystem, Frau Toivonen?

    Toivonen: Die installierende Firma, ich natürlich.

    Jonas: Sonst niemand?

    Toivonen: Unsere zwei Großkunden, denen haben wir die Anlage erklärt und vorgeführt. Damit sie sich um ihr Geld keine Sorgen machen. Bankerpsychologie.

    Jonas: Ihre zwei Großkunden. Namen?

    Toivonen: Dirty Dancing GmbH, eine Agentur, die ältere Künstler an Seniorenclubs vermittelt, Künstler, die das können, was vor einem viertel Jahrhundert in war, Hip Hop, Rap, Scratch Rock und Dirty Dancing natürlich.

    Jonas: Und?

    Toivonen: Und der Stimshop Dont worry be happy.

    Jonas: Ach was.

    Sam: Ach ja. Oho. Sieh an. So so. Dont worry, be happy. Mein Pappi, Jaja.

    Jonas: Bei den Unruhen von 1996 war aus dem Büroviertel zwischen Südstadt, Reservat und Bioland der wilde Südosten geworden. Eine bizarre Landschaft aus Plastikresten und Betonruinen, aus lecken Rohrleitungen, die im Nichts endeten, aus verglühtem Asphalt und schwarzen Fensterhöhlen, aus giftgrünen Wucherungen schleimiger Schlingpflanzen. Ein Dschungel, der größte Straßendschungel in den Vereinigten Staaten von Europa. Bevölkert von Street-Gangs und Killer-Kids, von Nachtmenschen und Neo-Samurais, von Kannibalen und Mutanten, und von ein paar cleveren Geschäftsleuten, die im gesetzlosen Niemandland auf ihre Kosten kommen. Zum Beispiel mit dem Stimshop Dont worry be happy. In den wilden Südosten von Babylon kommt man leichter als ins Golden Ghetto. Man braucht keine Paßscheibe. Man braucht nur etwas Mut und feste Schuhe. In den Südosten fährt keine Metro und kein Taxi. Ich ließ mich absetzen so nahe wie möglich und wollte zu Fuß weiter. Aber da gab’s Probleme. Drei Probleme. Sie stiegen aus einem roten E-Mobil und bauten sich vor mir auf.

    Groucho: Du Jonas?

    Jonas: Und wenn?

    Groucho: Du nicht weiter.

    Jonas: Sagt wer?

    Groucho: Wir sagen. Du nicht weiter. Du zurück.

    Jonas: Drei Superchimps, illegale Importe aus dem Süden. Genmanipulierte Züchtungen. Bei meinen mußte ein nostalgischer Witzbold am Werk gewesen sein. Nummer eins hatte einen angemalten Schnurrbart und eine kalte Zigarre zwischen den Zähnen. Nummer zwei trug ein italienisches Hütchen. Nummer drei grinste geil unter einer wüsten roten Lockenperücke. Genau. Groucho, Chico und Harpo, die legendären Marxbrothers. Aber wenn Groucho das Maul aufmachte, war er nicht mehr Groucho, Groucho, das verbale Maschinengewehr, dann war er nur ein Superchimp, ein trauriger Wechselbalg, dem man ein paar Worte beigebracht hatte, und der Befehle ausführte. Bedingungslos.

    Groucho: Du zurück.

    Jonas: Oder?

    Groucho: Wir machen kaputt. Schießen mit Laser.

    Jonas: Superchimps Waffen zu geben ist verboten. Weißt du das, alter Freund? Ihr seid überhaupt verboten, ihr dürft in Babylon gar nicht rumlaufen.

    Groucho: Schluß. Du nicht reden. Du zurück. Nach Hause. Marsch.

    Jonas: Jonas marschierte zurück. Runde 100 Meter. Dann bog er um eine Ecke. Die Chimps natürlich hinterher. Das störte mich nicht. Ich wußte, wie ich sie loswerden konnte. Und wo.

    Sam: Altbabypsilon, Herr Denkmalspfleger.

    Jonas: Altbabylon, Sammy, wir gehen durch die Wand.

    Sam: Aha, euer Ungenauigkeit meinen die Holoprojektion der mittelalterlichen Stadtmauer?

    Jonas: Was denn sonst, Sam, du machst ne Stippvisite im Zentralrechner und suchst uns eine gute Stelle zum Durchrutschen.

    Sam: Ist geritzt, Kumpel, will sagen, wie ihr es wünschet, Monsignore, also gescheh's.

    Jonas: Altbabylon ist nicht wirklich alt. Die Verwaltung hat es vor ein paar Jahren hochgezogen, für Touristen aus Großjapan und Amerika. Ein putziges Viertelchen, Fachwerk, Giebel, Schornsteine, krumme Gassen, Kopfsteinpflaster und eine Stadtmauer aus Feldsteinen, Pseudo- natürlich, Plastik und Holo, rechnergesteuert. Der Plan klappte wunderbar. Ich kroch durch die Holomauer. Die Chimps kamen, stutzen, kratzten sich die runden Schädel, und so standen sie vermutlich immer noch, als Jonas schon längst im wilden Südosten unterwegs war, Richtung Stimshop, und sich dabei so seine Gedanken machte.

    Jonas: Jemand hat was dagegen, daß ich mir diesen Stimshop mal ankucke, warum.

    Sam: Weil zu vermuten steht, o Sonne meiner Wonne, daß dorten sich findet, was wir suchen. Der bzw. die Bankräuber nebst den entwendeten Finanzen. Der bzw. die Bankräuber hat bzw. haben die Europäische Depot- und Investment-Bank nach seiner bzw. ihrer Tat unter Beobachtung gehalten und sobald euer Zielstrebigkeit die Biene betruten, Korrektur die Bühne betraten...

    Jonas: Hat bzw. haben er bzw. sie verflixt jedenfalls haben sie mich verfolgt und abgefangen. Wer, Sammy, wer steckt dahinter?

    Sam: Tja, zwei Gegenfragen, Chef. Erstens: Wer ist ganz groß im Stimshopgeschäft und zweitens wer beschäftigt mit Vorliebe Superchimps als Gorillas. Gut, was? Hehe. Hast du’s mitgekriegt, Mickerhirn, Chimps als Gorillas, paradox, witzig, geistreich. Genauso wie ich, hähähähäh.

    Jonas: Du meinst die Korporation?

    Jonas: Früher hieß so was Mafia. Heute sagen wir die Korporation, oder die Firma, oder die Organisation. Das organisierte Verbrechen. Verbrechen als Großunternehmen. Drogen. Hirnstim. Medien. Sex. Überall saß sie drin, die Korporation und scheffelte Milliarden.

    Sam: Millionen. Trilliarden.

    Jonas: Und darum kann ich mir nicht vorstellen, daß die große Korporation eine kleine Bank um jämmerliche 2 Millionen Euros beklaut, und dann soviel Wind macht, um Jonas an der Aufklärung zu hindern. Da muß was anderes dahinter...

    Groucho: Da, Jonas.

    Sam: Kaptän Hornblower, Sir, melde gehorsamst, drei Superchimps backbord voraus.

    Groucho: Halt! Du stehen. Du warten.

    Sam: Du nix können sprechen, du Pfeife.

    Jonas: Jonas dachte nicht daran. Jonas rannte. Über Stock und Stein. Vor allem Stein. Bis ich fand, was ich brauchte. Vor einer Halde aus Schlacke und verschmorten Metallteilen hatten ein paar Amazulu in wilder Kriegsbemalung einen einsamen Straßensamurai gestellt. Arme Amazulu. Die Wetten der Zuschauer standen 5 zu 1 für den Samurai. Ich schlug einen Haken, tauchte im Gewühl unter und hängte die Superchimps ab. Dachte ich.

    Jonas: So. Zurück zum Thema. Was hat die Europäische Depot- und Investment-Bank mit der Korporation zu tun, Sam.

    Sam: Es steht geschrieben: ein Narr fragt mehr denn zehn Weise zu beantworten vermögen.

    Jonas: Ich hab dich was gefragt.

    Sam: Hach, unzureichende Daten, du Träne.

    Jonas: Bitte, dann eben anders. Du kommst zurück in die Tasche.

    Sam: Nein.

    Jonas: Da gehst du in dich.

    Sam: Nein.

    Jonas: Und wenn du was entdeckt hast.

    Sam: Nein. Nicht auf mich drauf.

    Jonas: Ich hatte mir nur die Vorstellung ansehen wollen, aber sie hatten mich in die Kanone gesteckt und abgeschossen. Ich flog hoch über dem Zirkus, über Babylon, hoch, immer höher, dann machte ich einen Bogen und stürzte, tiefer, tiefer, bis ich wieder bei mir war und die Augen aufschlug. Ich lag unter einer Straßenleuchte, die vor langer Zeit ein Riese zu einem Korkenzieher verdreht hatte. Der Kopf tat mir weh.

    Sam: Jaja, jaja. Die übliche Nachwirkung eines Knockouters. Drei Tage Bettruhe. Absolute Alkoholabstinenz.

    Jonas: Halt den Schnabel, Sam.

    Sam: Hab keinen.

    Jonas: Halt ihn trotzdem. Was ist passiert?

    Sam: Sam hält den Schnabel. Wie das Gesetz es befielt.

    Jonas: Du sollst antworten.

    Sam: Sammy in Tasche, Mata, Sammy nix gesehen.

    Jonas: Aber gehört wirst du doch wohl was haben. Na?

    Sam: E-Mobil.

    Jonas: Rot vermutlich.

    Sam: Knockouter.

    Jonas: Da sagst du mir nichts neues, Sammy.

    Sam: Schwere Tritte, sechs Füße.

    Jonas: Die Superchimps.

    Sam: Hin zu Jonas, Pause, wieder weg.

    Jonas: So. Dann wollen wir mal nachsehen, was die drei Brüder Jonas abgenommen haben.

    Sam: Aua.

    Jonas: Nanu?

    Sam: Meinem über alle Maßen bedauernswerten, da ausgeknockten und superchimplich manipuliertem Herrn fehlt ihm wohl etwas von Wichtigkeit?

    Jonas: Im Gegenteil, Sammy, sie haben mir nichts geklaut, sie haben mir was zugesteckt. Zehn Hundert-Euroscheine in Banderole.

    Sam: Mit Stempel.

    Jonas: Mit Stempel, Sammy.

    Sam: Worauf steht: Europäische Depot- und Investment-Bank, korrekt?

    Jonas: Korrekt. Seltsam.

    Sam: Nein, nur Sam. Komm, wirf ihn von dir, den schnöden Mammon.

    Jonas: Tausend Euros? Das schöne Geld.

    Sam: Na, schmeiß weg, Döskopp. Zu spät. Och, da sind sie schon wieder, unsere äffischen Verfolger.

    Jonas: Und nicht nur die. Im Fenster des E-Mobils erschien ein Kopf. Ein häßlicher Kopf. Aber unbestreitbar menschlich. Zwei Marxbrothers hielten Jonas fest. Der dritte apportierte dem Kopf das Bündel Euroscheine.

    Medusa: Ah, unser Geld. Das Korpus delicti, wie die kriminologisch Gebildeten sagen, und der Delinquent gleich dabei, wie überaus zuvorkommend. Ich freue mich, Sie zu sehen.

    Jonas: Die Freude ist ganz auf Ihrer Seite.

    Medusa: Jonas, nur Jonas, Privatdetektiv und Bankräuber.

    Jonas: Und der Unhold, der Schulkindern das Pausenbrot wegißt.

    Medusa: Aber Herr Jonas, wo wir Sie doch mit dem Beweis in der Hand gestellt haben, in flagrante delicto, wie es heißt. Sie haben die Europäische Depot- und Investment-Bank beraubt. Sie haben unser Geld gestohlen. Was machen wir mit Ihnen, Herr Jonas. Nehmen wir Sie mit ins Generaldirektorium? Ich weiß nicht. Verhöre, Diskussionen. Umständlich, Herr Jonas, und unnötig. Wir sollten die unangenehme Affäre gleich hier beenden. Auf der Stelle. Meine drei Assistenten werden das gern übernehmen. Nicht wahr, Groucho?

    Groucho: Machen Jonas kaputt? O ja Boss!

    Sam: Du Flöte, freue dich und frohlocke, Chef, denn siehe, es naht die Rettung, haha, vom Himmel hoch da komm ich her...

    Jonas: Ein Helikopter fegte heran mit dem blauem Emblem der Sicherheitsverwaltung, und mit sensorgesteuerten Miniraketen. Die Superchimps waren durchlöchert, ehe sie ihre Laser hochkriegen konnten. Ihr Boss setzte sich ab. In seinem gepanzerten Fahrzeug. Der Helikopter blieb kurz über Jonas stehen. In der offenen Tür winkte einer.

    Brock: Klein und häßlich sehen Sie von hier oben aus, Jonas. Bis zum nächsten Mal.

    Jonas: Genau im rechten Moment. Zufall?

    Sam: Daß Sam nicht kichert. Hähähäh.

    Jonas: Hast du den Typ im E-Mobil erkannt, Sammy?

    Sam: Natürr, Medua.

    Jonas: Max Medusa, Finanzminister der Korporation, ihr oberster Geldwäscher.

    Sam: Hmh. Und wieder findet im großen Detektivpuzzle ein wichtiges Stück seinen Platz. Das der Bank entwendete Geld gehört der Korporation, sie hat es dort deponiert, um es bei nächster Gelegenheit zu waschen.

    Jonas: OK, Sammy, aber wieso hält Medusa ausgerechnet Jonas für den Bankräuber, und wieviel...

    Sam: Alarm! Rotes E-Mobil kommt zurückeldibums!

    Jonas: Laß uns verschwinden, Sam.

    Toivonen: Kann ich Ihnen einen Platz in meinem Wagen anbieten, Herr Jonas?

    Jonas: Frau Toivonen!

    Toivonen: Kommen Sie, steigen Sie ein, oder trauen Sie mir nicht?

    Jonas: Ehrlich gesagt, nein.

    Toivonen: Wollen Sie sich lieber mit Medusa auseinander setzen?

    Jonas: Das wollte Jonas nicht. Also stieg er ein. Eine kurze Fahrt, ein paar Minuten um ein paar Ecken. Dann hielten wir vor der ausgebrannten und ausgeschlachteten Hülle eines Hochhauses.

    Toivonen: Steigen Sie aus Herr Jonas. Sie tauchen am besten hier unter und warten.

    Jonas: Worauf, Frau Toivonen?

    Toivonen: Daß es dunkel wird, Herr Jonas, daß Sie weitermachen können. Sie haben doch ein Ziel.

    Jonas: Sie meinen den Stimshop Dont worry be happy?

    Toivonen: Genau, Herr Jonas.

    Jonas: Augenblick, Frau Toivonen, ich hab ein paar Fragen.

    Toivonen: Später, Herr Jonas.

    Jonas: Das war nicht mein Tag. Ich zuckte die Achseln und tat, was Frau Toivonen mir geraten hatte. Wenn es eine Erklärung für das gab, was heute hier ablief, dann würde ich sie im Stimshop finden. In der Lobby des Hochhauses räumte ich mir eine Ecke frei, setze mich hin und wartete. Meine alte Smith & Wesson in Griffnähe. Der Himmel in den Fenstern wurde dunkelgrau, dann schwarz. Plötzlich hörte ich was. Schritte. Vorsichtige Schritte. Sie kamen näher. Wer war das? Medusa und seine Killer? Kannibalische Nachtmenschen auf der Suche nach dem Abendessen?

    Brock: Legen Sie den Revolver weg, Jonas, und machen Sie sich nicht in die Hosen. Ich bin zwar kein Fan von Ihnen, aber fressen will ich Sie nicht, schon weil Sie mir nicht bekommen würden.

    Jonas: Chefinspektor Brock von der Sicherheitsverwaltung in einer neuen Rolle. Nicht mehr als rettender Engel von oben. Diesmal als Weihnachtsmann mit einem Sack voller Geschenke.

    Brock: Da hätten wir erst mal einen Laserstrahler. Neuestes Modell, noch gar nicht auf dem freien Markt. Dann eine AIR-Transfo-Einheit in Taschenformat.

    Jonas: AIR für Anti-Infrarot. Die Einheit baut um den Träger ein Feld auf, in dem Mikrosensoren seine Körpertemperatur in die Temperatur der Umgebung umwandeln und ihn so für Infrarotgeräte unsichtbar machen. Hightech, unerschwinglich für einen Privatdetektiv, aber sehr nützlich, wenn der Privatdetektiv nachts in geheimer Mission unterwegs ist.

    Brock: Und damit Sie nicht nur nicht geschnappt werden, sondern auch selber was schnappen können, ein paar Infrarotgucker, alles aus dem Arsenal der Sicherheitsverwaltung, mit schönen Grüßen von Sicherheitsdirektorin Delgado. Jetzt sind Sie beide quitt, soll ich Ihnen ausrichten.

    Jonas: Sagen Sie mal, Brock, wie haben Sie mich eigentlich aufgespürt?

    Brock: Ich kenne Sie gut, Jonas, Sie sind stur und lästig, eine echte Nervensäge, aber dämlich waren Sie bisher nicht, das ist neu. Fragen Sie doch Ihre elektronische Quasselstrippe. Wir sehen uns.

    Jonas: Fürchte ich auch.

    Sam: Quasselstrippe. Eine unverloste Bodenschämtheit, Korrektur bodenlose Unverschämtheit.

    Jonas: Findest du, Sam?

    Sam: Ja, finde ich. Preisfrage für geistig nicht eben hochbemittelte Privatdetektive. Auf welche Weise pflegt die Sicherheitsverwaltung Kontakt zu einem ahnungslosen Individuum zu pflegen?

    Jonas: Orter.

    Sam: Beziehungsweise Mikrotransmitter. Sehr gut, Schüler Jonas. Zuatzfrage. Welchen Gegenstand hat unser kleiner Sonnenschein von der Sicherheitsverwaltung erhalten?

    Jonas: Die Paßscheibe fürs Golden Ghetto.

    Sam: Yes.

    Jonas: Weg damit, und da wir gerade dabei sind, Sammy, sehen wir uns doch auch gleich mal die schönen Sachen an, die uns der liebe Onkel Brock mitgebracht hat. Na bitte, hier ist einer, an der Infrarotbrille. Ex und hopp. Hätt ich wissen müssen, Judith und ihr miesen Tricks.

    Sam: Nicht allso eure hektische Voreiligkeit. Vielleicht brauchen wir Sie noch einmal, die Freunde und Helfer. Bedenke doch, wer es auf dich abgesehen hat: Die Korporation.

    Jonas: Die ist mir noch immer lieber als die Sicherheitsverwaltung.

    Sam: Ach, red kein Stahl. Die Bullen stecken dich höchstens in den Knast, die Korporation steckt dich in Beton, und da kannst du nicht drin wohnen, und dann kippt Sie dich ins Nordmeer.

    Jonas: Ein tröstlicher Gedanke. Ich nahm ihn mit auf den Weg zum Stimshop Dont worry be happy. Leicht gesagt und leicht zu finden. Jonas brauchte nur den Kabelfreaks nachzugehen, den Hyppies mit der Steckdose im Hinterkopf. Dahin, wo über dunklen Ruinen bunte Lasergewitter tobten. Wo Neonlichter in blasser Glut vor sich hinfroren, und wo der Roboanimator pausenlos seinen Spruch in die Nacht grölte.

    Robo-Animator: Dont worry be happy...

    Jonas: In der großen Halle hingen hunderte von Hyppies am Draht und ließen ihr Lustzentrum zappeln. Die Minute 10 Euros.

    Sam: Hirnwichser, Kabelfixer.

    Jonas: Großes Glück aus kleiner Dose. Nichts für Jonas.

    Anmacher: Sie suchen das Besondere, mein Herr, das sehe ich ihnen an. Von Massenabfütterung halten Sie nichts. Sie sind wer. Sie heben sich ab. Ich sag Ihnen was: Gehen Sie nach rechts zum Fahrstuhl, fahren Sie ins Untergeschoß, wo die Supermindmaschinen stehen. Da können Sie sich voll ausleben, mein Herr. Die gewagtesten Wünsche, die geheimsten Träume werden wahr. Genuß ohne Reue, mein Herr. Sie haben die Wahl zwischen mehr als 40 Programmen. Von 500 Euros aufwärts, nur Bargeld, keine Karten. Wie ich Sie so einschätze, mein Herr, Programm Casanova oder Dschingis Khan, wär das nichts für Sie?

    Jonas: Philip Marlowe, haben Sie das?

    Anmacher: Nie gehört, mein Herr, tut mir leid. Ich merk schon, Sie sind nur mit dem echt ausgefallenen zufrieden. Wir hätten da Sonderprogramme anzubieten, mein Herr, keine Dutzendware, nicht ganz billig, aber exquisit. Vollzugsbeamter im Frauengefängnis. Na?

    Jonas: Schalt dich ab. Verschwinde.

    Sam: Darf man euer momentan Abgelenkten daran erinnern, daß wir uns nicht hier befinden, um niederer Lust zu frönen, vielmehr...

    Jonas: Ich weiß, Sammy, wir suchen was. Bankräuber. Und ne Menge Geld.

    Sam: Zuvorderst doch wohl Erleuchtung.

    Jonas: Sehen wir uns mal auf der Rückseite um.

    Jonas: Auf der Rückseite gab es eine kleine Tür. Nicht verschlossen. Das hätte mich stutzig machen sollen. Ich drückte sie auf und trat ein. Und dann blieb ich stocksteif stehen. Nicht freiwillig. Ein Neurofreezer hatte mich erwischt. Das Licht ging an. Vor mir standen zwei Riesen in schwarzen Kampfanzügen. Und Max Medusa.

    Medusa: So sieht man sich wieder, Herr Jonas, jetzt muß ich Sie also doch dem Generaldirektorium vorführen. Schade. Ich hätte es uns und Ihnen gern erspart. Cool, Easy, bringt ihn ins Sprechzimmer.

    Jonas: Die Riesen nahmen dem starren Jonas Laser und Revolver ab und schleppten ihn durch den Gang, eine Wendeltreppe runter in einen weißgekachelten Raum, der ein bißchen aussah wie das altmodische Behandlungszimmer eines altmodischen Arztes. Und der dazugehörige Onkel Doktor war auch da. Ein kleiner Mann im weißen Kittel, kahl, mit goldener Brille. Außerdem zwei, die dich kannte: Simon Krapp und Lukrezia Carnevale, zwei führende Mitglieder der Korporation.

    Medusa: Das ist er.

    Carnevale: Dieser Jonas?

    Medusa: Jonas, nur Jonas.

    Krapp: Der Mann, der unsere Bank ausgeräumt hat?

    Medusa: Zusammen mit der Kollegin Toivonen.

    Carnevale: Behaupten Sie, Medusa. Warum hätte sie das tun sollen?

    Medusa: Eine klassische Intrige, verehrte Kollegin. Wir, das Generaldirektorium der Korporation, sollten desinformiert werden, destabilisiert und letztendlich exterminiert. Kollegin Toivonen ist ehrgeizig. Sie will alles. Die ganze Macht.

    Carnevale: Beweise, Medusa.

    Medusa: Ich habe sie beobachten lassen und daher weiß ich, sie hat Jonas hier her geschickt, um Unruhe zu stiften, Zwietracht zu schüren, den Superchimps, die ich auf ihn angesetzt hatte, konnte er entkommen, aber nun ist er uns direkt in die Arme gelaufen in der typischen Verblendung des Kleinkriminellen. Das hier hab ich ihm aus der Tasche gezogen.

    Krapp: Geld? Aus unserer Bank? Alles klar.

    Carnevale: Das sind doch nur 1000 Euros, wo hat er die restlichen Millionen?

    Medusa. Fragen Sie nicht mich, verehrte Kollegin, fragen Sie ihn.

    Jonas: Jonas wurde gefragt. Jonas gab keine Antwort. Nicht weil er nicht sprechen konnte. Der Neurofreezereffekt war abgeklungen. Aber was hätte er sagen sollen?

    Krapp: Halten wir uns nicht auf mit dem Kerl. Cool und Easy sollen ihn durch den Wolf drehen, bis er was sagt.

    Carnevale: Ich bin mehr für die gute alte Elektroschockmethode. Er sieht aus, als ob er einiges aushält. Was meinen Sie, Dr. Babinski?

    Babinski: Sie wissen, ich habe in Ihrem Gremium keine Stimme, meine Herrschaften, lediglich eine beratende Funktion als Mediziner, bei, nun ja, bei intensiven Verhören. Gestatten Sie mir dennoch einen Vorschlag.

    Krapp: OK, Doc, aber machen Sie es kurz, ja.

    Babinski: Meine Herrschaften, in diesem unseren Stimshop können wir, wie Ihnen bekannt ist, durch direkte Hirnstimulation mittels unserer Supermindmaschinen pansendorische Halluzinationen erzeugen, die von realen Sinneswahrnehmungen nicht zu unterscheiden sind, vor allem wenn die Stimulations- und Rezeptionsakzeptanz unserer Kunden durch die vorherige Verabreichung halluzinogener Drogen gefördert wird, Drogen wie Serotonin, Ditoxipholylethylamin.

    Krapp: Kommen Sie zum Punkt, Doc.

    Babinski: Sogleich, Herr Krapp. Sie kennen die neueste Entwicklung auf diesem Sektor, unserer erfolgreichen Sadomasoprogramme für eine exklusive Minoritätenklientel.

    Carnevale: Ich verstehe. Sie wollen Jonas an so ein Programm anschließen.

    Babinski: Ganz recht, Frau Carnevale. Strikt Maso natürlich und unlimitiert. Schmerz, subtilster Schmerz, ohne jene Terminierung, wie sie die kommerzielle Ratio uns auferlegt. Ein hochinteressantes Experiment.

    Krapp: Experiment? Der Kerl soll reden!

    Babinski: Der wird reden, Herr Krapp, das versichere ich Ihnen, ich denke da an ein historisches Programm, noch im Entwicklungsstadium, Arbeitstitel: In den Folterkellern der Inquisition.

    Jonas: Ich trug einen arme Sünderkittel aus grober Sackleinwand und lag auf einer harten Pritsche. Meine Füße waren gefesselt, die Hände auch, über dem Kopf. Fackeln in eisernen Haltern warfen flackernde Schatten auf feuchtes Gestein, auf Brandeisen, Ketten und Peitschen, auf den halbnackten Herkules in roter Kapuze, der neben mir hockte, ein hölzernes Speichenrad zwischen den Fäusten, und auf den Inquisitor, ein kleiner Mann, kahl, in weißer Kutte. Durch seine goldene Brille sah er mich milde an.

    Babinski: Nun, mein Sohn, bist du bereit, abzulassen von sündigem Starrsinn und frevelhafter Verstocktheit? Erleichtere deine Seele, gestehe, verirrtes Lamm, gestehe, wo du sie versteckt hast, die ketzerischen Pamphlete, die Teufelssalben für den Hexensabbat. Du weigerst dich zu sprechen? So werden wir denn deinen armen Leib peinigen müssen, auf daß deine unsterbliche Seele gerettet werde. Beginne, Bruder Dominiko, drehe dein Rad. Spürst du es, spürst du, wie deine Muskeln sich dehnen, deine Sehnen sich strecken, deine Haut sich bis zum Zerreißen spannt? Gestehe! Gestehe!

    Jonas: Nein! Ich weiß nichts!

    Babinski: Halt inne, Bruder Dominiko. Kleine Pause, Herr Jonas, wie fühlen Sie sich?

    Jonas: Ich war nicht mehr im Keller der Inquisition. Ich war wieder im Stimshop in der engen Kabine, fest an den Sessel geschnallt. Dr. Babinski nahm mir den Sensorhelm ab.

    Babinski: Das war natürlich nur ein Vorgeschmack, eine kurze Einstimmung, um ihre Reaktionen zu testen. In etwa 10 Minuten, wenn das Serotonin seinen vollen Wirkungsgrad erreicht hat, fahren wir fort, und dann, Herr Jonas, machen wir Ernst mit der peinlichen Befragung. Noch einmal Streckbett, dann Daumenschrauben, Brannteisen, und wenn Sie weiterhin hartnäckig sind, Herr Jonas, dann gehen wir bis zum bitteren Ende, bis zum Scheiterhaufen auf der Plaza del Sol.

    Jonas: Sam? Bist du da, Sam?

    Sam: Hmh. Zur Stelle, Chef, in eurer Tasche.

    Jonas: Hast du mitgekriegt, was die mit mir machen?

    Sam: O ja Herr. Mit einer Träne im Knopfloch und mit tiefer tiefer Betroffenheit.

    Jonas: Dafür kann ich mir nichts kaufen, Sam.

    Sam: Ja.

    Jonas: Hilf mir lieber. Kannst du dich nicht in die Supermindmaschine einschleichen und das Folterprogramm stoppen?

    Sam: No, gewiß Sir, im Prinzipe, jedoch...

    Jonas: Nicht in zehn Minuten. Ich weiß.

    Sam: Naja, Nobody is perfect, hmh. Pst Pst! Man kommt.

    Medusa: Kein Laut, Jonas.

    Jonas: Max Medusa. Allein. Gekommen, um Jonas zu retten, sagte er, und er tat es auch. Er schnallte mich los. Und dann ging er voran mit einer Taschenlampe, einen langen Korridor entlang, bis in einen staubigen Kellerraum. Hinter einem Pfeiler blieb er stehen, vor einer rostigen Eisentür.

    Medusa: Mein ganz privater Notausgang. Wenn wir ihn benutzen, dann stehen wir auf den Schienen der Metro. Sehen Sie sich nicht so ängstlich um, Jonas, seit 16 Jahren fährt hier kein Zug mehr. Wir gehen nach rechts. Kommen Sie.

    Jonas: Fünf Minuten Fußmarsch. Dann wurde es hell. Eine Metrostation. Malachovksy-Platz. Das Beleuchtungssystem funktionierte noch immer. Nach 16 Jahren. Unglaublich. Wir kletterten auf den Bahnsteig. Medusa zog seinen Laserstrahler und richtete ihn auf mich. Dabei sah er mich an, als ob Detektive für ihn noch unter Computerviren stünden. Gleich würde er sagen: Sie hätten sich nicht in Dinge einmischen sollen...

    Medusa: Sie hätten sich nicht in Dinge einmischen sollen, die Sie nichts angehen, Jonas, das hab ich versucht, Ihnen klarzumachen, durch meine Superchimps, heute nachmittag, als Sie sich in den Südosten aufmachten, aber Sie wollten ja nicht hören.

    Jonas: Und da hatten Sie eine Idee. Jonas ließ sich ganz wunderbar als Sündenbock benutzen, als Ablenkung, als Mittel zur Desinformation. Darum haben Sie mir die 1000 Euros aus dem Bankraub untergejubelt, für Sie kein Problem, denn das ist ja wohl klar, die Euros in der Europäischen Depot- und Investment-Bank, die haben Sie sich unter den Nagel gerissen, Medusa, um Ihrer Kollegin und Konkurrentin Toivonen was anzuhängen nehm ich an, vielleicht brauchten Sie auch nur ein bißchen Bargeld.

    Medusa: Wer braucht das nicht. Sie sind wirklich gut, Jonas, Sie haben den Fall gelöst. Nur schade, daß Sie so gar nichts davon haben werden. Denn jetzt, wo Sie alles wissen, ist Ihnen auch bestimmt klar, weshalb ich Sie aus dem Stimshop geholt und hierher gebracht habe.

    Jonas: Sie konnten nicht zulassen, daß Jonas weiter gefoltert wird, dann hätte sich nämlich rausgestellt, Jonas weiß nichts, Jonas ist unschuldig, und Ihre Konstruktion wäre zusammengebrochen.

    Medusa: Wo ich mir solche Mühe gegeben habe. Das geht natürlich nicht, und deshalb muß ich Sie jetzt umbringen... Was ist das?

    Jonas: Hört sich an wie ein Zug.

    Medusa: Unsinn, die Linie ist stillgelegt.

    Jonas: Das hatte man dem Metrozug wohl nicht gesagt. Er donnerte aus dem Tunnel, hielt, die Türen gingen auf, ganze Horden von Sicherheitsmenschen stürzten auf den Bahnsteig, und griffen sich Medusa. So viel Kavallerie für einen einzigen Indianer. Und zwei ganze Generäle auch noch. Chefinspektor Brock und...

    Jonas: Judith!

    Judith: Wie du siehst, Jonas. Willst du dich nicht bedanken, wir haben dir mal wieder das Leben gerettet.

    Brock: Was passiert mit Medusa, Frau Delgado, nehmen wir ihn mit?

    Judith: Wenn ich das wüßte.

    Toivonen: Überlassen Sie ihn uns.

    Jonas: Wir hatten Zaungäste. Durch ein Loch in der Decke sahen sie uns zu. Toivonen, Krapp, Carnevale und Dr. Babinski unseligen Angedenkens.

    Toivonen: Wir haben ein paar Fragen an Medusa. Wo unsere Euros sind, zum Beispiel. Und er wird es uns verraten, oder was meinen Sie, Dr. Babinski?

    Babinski: Davon bin ich überzeugt, Frau Toivonen.

    Jonas: Ich auch. Verraten Sie mir was, Frau Toivonen.

    Toivonen: Wenn ich kann, Herr Jonas.

    Jonas: Medusa wollte mich umbringen. Hätten Sie ihn gehindert?

    Toivonen: Wissen Sie, Herr Jonas, Sie sind nur ein kleiner Bauer in einem großen Spiel. Ein Bauer ist entbehrlich, sobald er seine Rolle gespielt hat. Sie haben Ihre Rolle gut gespielt. Sie sind der von mir gelegten Spur gewissenhaft gefolgt. Sie haben Medusa aufgescheucht und nicht locker gelassen. Ihre paar Euros haben Sie sich redlich verdient. Ich lasse sie Ihnen überweisen.

    Jonas: Von mir aus. Sag mal Judith, wie habt ihr mich hier gefunden? Eure Orter habe ich doch weggeschmissen.

    Judith: Sam ist dafür eingesprungen. Seit Schneewittchen, weißt du noch, Jonas, haben wir eine besondere Beziehung, ich und Sammy.

    Sam: Rein sexuell.

    Jonas: Dein Glück, daß du keine Ohren hast Sam, ich würde sie dir ja so langziehen.

    Sam: Aua!

    Jonas: Und was dich betriff, Judith, wir sind quitt, ein für alle mal.

    Judith: Nein, Jonas, jetzt bist du mir was schuldig, und ich werde es einfordern, demnächst. Bis bald, Jonas.

    Brock: Ehe ich’s vergesse, Jonas, die Sachen, die ich Ihnen vorhin gebracht habe, die rücken Sie mal ganz schnell wieder raus.

    Jonas: Die gehören mir. Die haben Sie mir geschenkt.

    Brock: Iwo. Nur geliehen. Die Sicherheitsverwaltung hat nichts zu verschenken. Kommen Sie schon rüber damit.

    Jonas: Später. Im Casablanca. Jonas war wieder flüssig. Jonas saß und trank. Und fühlte sich mies.

    Jonas: Na los, Sam, spiel es, spiel As time goes by.

    Sam: Wenn’s unbedingt sein muß, aber singen tu ich nicht.

    Jacob: Weißt du, Jonas, vielleicht tauf ich’s doch um, das Casablanca. Relax oder Mind maschine. Zeitgeist, Jonas, das ist es, Lifestyle.

    Jonas: Was hab ich gesagt. Es war nicht mein Tag.

    Das war Eurodschungel. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas sprach Bodo Primus, seinen Supercomputer Sam: Peer Augustinski. Es wirkten außerdem mit: Karin Anselm, Elisabeth Volkmann, Rainer Basedow, Jochen Busse und viele andere (Cornelia Boje, Claudius Zimmermann, Alvin Joachim Mayer, Roland Astor, Hans Stetter, Detlev Kügow). Ton und Technik: Irene Thielmann und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Werner Klein. (Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks) (1990). (Redaktion: Erwin Weigel).

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:37 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Störfalle

    Jonas: Plötzlich war er da. Er stand mitten in meinem Büro. Sehr jung, sehr verlegen, und starrte mich an. Mit riesengroßen Kalbsaugen. Ich hätte die Tür verrammeln sollen, oder noch besser verreisen, weit weit weg von Babylon, aber meine Kristallkugel war außer Betrieb an diesem 10. Januar 2012.

    Justus: Herr Jonas? Sie sind doch Herr Jonas?

    Jonas: Ich glaub schon. Außerdem steht’s draußen an der Tür.

    Justus: Ja, Herr Jonas, ich, äh ich finde Sie toll. Sie sind ein Held, ja, Sie sind der größte, echt, total der größte.

    Jonas: Hör mal zu, Kleiner, Jonas ist alles mögliche, eine 1-Mann-Show, Jongleur, Clown, Feuerspucker, Degenschlucker, der Mann auf dem fliegenden Trapez, der Mann, der durch den brennenden Reifen springt, für 100 Euros pro Tag und Spesen, aber ein Held ist Jonas nicht. Jonas ist Detektiv. Der letzte Detektiv. Nicht mehr und nicht weniger. Klar?

    Justus: Ja. Ja, Herr Jonas.

    Jonas: OK, damit hätten wir geklärt, wer ich bin. Bleibt nur noch ein kleines Problem. Wer bist du?

    Justus: Ja, ich... mein Name ist Justus.

    Jonas: Und?

    Justus: Nur Justus.

    Jonas: Ach ja.

    Justus: Ich ich will Detektiv werden, so einer wie sie, Herr Jonas. Ich will bei Ihnen lernen. Bitte, Herr Jonas, lassen Sie mich bei Ihnen bleiben als ja als Volontär, es muß ja nicht lange sein, ein paar Wochen oder vielleicht nur ein paar Tage, ich falle Ihnen auch bestimmt nicht lästig, Herr Jonas, bestimmt nicht, bitte Herr Jonas.

    Jonas: Weißt du, Kleiner, Jonas braucht einen Lehrling wie wie ein Beduine eine Höhensonne. Und auch wenn ich einen brauchte, du bist mir zu klein und zu grün.

    Justus: Ich bin schon 18, Herr Jonas, und ich hab Erfahrung, ich war 3 Jahre beim Werkschutz von BIO.

    Jonas: Was soll ich dir beibringen, Kleiner, im Büro rumsitzen, Däumchen drehen, mehr ist nicht drin, Jonas hat keinen Fall.

    Justus: Doch Herr Jonas, Sie haben einen, das heißt, wenn Sie wollen, Elmer Zeitgeist ist unten, ich hab ihn hergerollt, er muß dringend mit Ihnen reden wegen Zora. Zora ist verschwunden.

    Jonas: Zora Zeitgeist, eine Nachbarin, sie hatte ihr Büro 1 Stockwerk über meinem. Von Beruf war sie Reporterin. Investigatorin. Eine von vielen im zweiten Glied, kaum bekannt. Bis vor etwa 3 Wochen. Da hatte sie einen Coup gelandet. Eine Story im Holo-Ökomagazin über einen Störfall bei BIO. Irgendwas mit einem verbotenen Unkrautkiller, den BIO heimlich produzierte für ein Land im mittleren Osten. Trichlorphenol oder so ähnlich. Und bei der Produktion war was passiert. Ein Kessel ging hoch, Dioxin wurde frei, ein Mann kam ins Werkskrankenhaus. BIO machte natürlich sofort den Deckel drauf, aber Zora hatte was gehört, bohrte nach und kam groß damit raus. Zoras Partner Elmer mußte unten warten. Weil der Lift kaputt war, wie meistens. Und weil er seinen Rollstuhl nicht auf den Buckel nehmen und in den 16. Stock schleppen konnte. Also stieg Jonas nach unten. Elmer war halbseitig gelähmt, und Zora war eine Nachbarin, eine Nachbarin, die verschwunden war.

    Elmer: Seit 4 Tagen, Jonas, sie ist nicht nach Hause gekommen. Sie hat nicht angerufen und im Büro ist sie auch nicht. Justus hat sie überall gesucht.

    Jonas: Sieh mal an, du bist nicht nur ein Detektiv in spe, Kleiner, du bist auch ein Wohltäter der Menschheit.

    Justus: Deshalb bin ich ja bei BIO rausgeflogen, Herr Jonas, weil ich Zora die Wahrheit gesagt habe über den Störfall und daß bei BIO Trichlorphenol produziert wird.

    Jonas: Daher kennt ihr euch.

    Elmer: Ja, und jetzt machen wir uns Sorgen um Zora. Weißt du was ich glaube, Jonas, ich glaube BIO steckt dahinter.

    Jonas: Kann ich mir nicht denken, Elmer. Was für einen Grund hätte BIO, Zora verschwinden zu lassen. Ja, wenn ihre Story noch nicht erschienen wäre, aber jetzt.

    Elmer: BIO will sich rächen.

    Jonas: Unsinn, BIO ist ein Großkonzern. Unmoralisch von mir aus, aber praktisch. Rache ist kontraproduktiv, wie der Fachmann sagt. Rache bringt nichts ein.

    Justus: Das hab ich ihm auch gesagt, Herr Jonas.

    Elmer: Aber Zora bleibt nicht so lange weg, ohne sich zu melden. Irgendwas muß passiert sein.

    Jonas: Soll ich mich drum kümmern?

    Elmer: Darum wollte ich dich bitten, Jonas, und was dein Honorar angeht.

    Jonas: Laß mal, Elmer, das läuft unter Nachbarschaftshilfe.

    Justus: Kann ich mitmachen, Herr Jonas, jetzt haben Sie doch einen Fall.

    Jonas: OK, Kleiner, weil du ein Freund von Zora bist. Du gibst mir den Schlüssel zu ihrem Büro und dann fährst du Elmer nach Hause, wir treffen uns in Zoras Büro. In 1 Stunde.

    Justus: Steh ich auf der Matte, Chef, pünktlich. Fangen Sie nicht ohne mich an.

    Jonas: Keine Sorge, Kleiner. Vorher hatte ich noch was zu erledigen. Ich jagte Sam ins Personaldatensystem von BIO: Justus kam mir ein bißchen zu treu und bieder vor, aber er war astrein, seine Geschichte stimmte: Vor drei Wochen gefeuert, wegen Illoyalität und Geheimnisverrat. Soweit alles klar. Sam hatte trotzdem was zu mosern.

    Sam: Sagt an und sprecht o hoher Herr und Kampfgenosse, was soll uns dieser kleine grüne Beinsteißer, reinekühne Steinscheißer, Schweinbeißer Schleimscheißer.

    Jonas: Steinbeißer.

    Sam: Sag ich doch. So was brauchen wir nicht, nun nicht und nimmer mehr.

    Jonas: Sam ist mein Computer. Tüchtig, schlau und redegewaltig. Zu redegewaltig. Sam ist ein verbaler Dauerchaot, außerdem eigenwillig und eigensinnig. Ich weiß, ein Computer kann nicht eigenwillig und eigensinnig sein, aber sagen sie das mal Sam.

    Sam: Jonas ist Jonas und Sam ist sein Computer. Alles weitere ist von Übel, möge es nun Judith heißen.

    Jonas: Vorsicht Sam, Judith Delgado ist für uns gestorben.

    Sam: Oder Jolanda Nix, wenn es denn erlaubt ist, diese ein wenig vorlaute junge Lady zu erwähnen.

    Jonas: Mit Vergnügen Sammy.

    Sam: Oder auch Justus, nur Justus, unverschämter Plagiator.

    Jonas: Reg dich ab Sammy und laß den Kleinen in Ruhe, soll er ein bißchen mitlaufen und was lernen.

    Sam: Das wird dir noch einmal leid tun du Trottel, wollte sagen, eure vertrauensselige Blauäugigkeit.

    Jonas: Damit sollte Sam Recht behalten, aber wie gesagt, an diesem Tag war meine Kristallkugel in der Werkstatt. Zoras Büro war halb so groß wie meins und doppelt so aufgeräumt. Wandschrank, Stuhl, Tisch, Sojakaffmaschine, Computer mit Textsystem. Keine Leiche, kein Blut, keine Spur.

    Sam: Das gefällt mir nicht, das gefällt mir gar nicht.

    Jonas: Was gefällt dir nicht, Sammy.

    Sam: Daß alles so klar und sauber und unauffällig ist, o du mein mangelhafter Durchblicker. Unter glatter Oberfläche lauert das Chaos, sagt der weise Bosequo.

    Jonas: Wer immer das ist, hör auf zu unken, Sammy, tu was.

    Sam: Befehl, Herr Rittmeister. Was tun. Was?

    Jonas: Nimm dir den Computer vor, steig ein und sieh nach, woran Zora Zeitgeist in den letzten Tagen gearbeitet hat.

    Sam: Befehl, Angriffsziel Computer. Attacke.

    Jonas: Ruhe. Na was ist, Sammy.

    Sam: Sorry Sir, nothing.

    Jonas: Bitte?

    Sam: Zero. Nada. Nihil. Null Nichts. Du verstehen, häh?

    Jonas: Zora hat sich mit nichts beschäftigt?

    Sam: Genau. Mit nichts. Seit 3 Wochen. Und vorher

    Jonas: Die BIO-Kiste.

    Sam: Und abermals genau. Das Material dazu ist säuberlich sortiert und abgelegt. Ergebnisse der Nachforschungen im BIO Werkskrankenhaus, Befragungen von Justus, Werkschutzmitglied und Zeuge des Störfalls, Daten der Besuche von Handelsdelegationen aus Merdistan in Babypsilon, Korrektur Babylon.

    Jonas: Merdistan?

    Sam: Jener wenig sympathische Staat im Orient, für welchen laut Zora Zeitgeists Enthüllungen BIO das giftige und daher legal geächtete Herbizid Trichlorphenol herzustellen pflegt. Alles dies wie bereits vermeldet penibel, ja pedantisch geordnet und höchst übersichtlich archiviert.

    Jonas: Merkwürdig, Soweit ich Zora kenne, geht sie mit ihren Unterlagen eher schlampig um.

    Sam: Jajajajajajaja, außen hui, innen pfui.

    Jonas: Sagt der weise Bosequo.

    Sam: Mitnichten, ein Bonmot von Sam, dem Computer, geschöpft aus dem reichen Schatz seiner Erfahrung.

    Jonas: Ob Zora noch woanders Aufzeichnungen hat. Sie muß sich doch mit irgendwas beschäftigt haben.

    Justus: Hat sie auch, Chef, da bin ich wieder.

    Jonas: Ich weiß mich vor Freude kaum zu fassen, Kleiner.

    Justus: Eine große Sache hat Zora gesagt. Größer als der BIO-Störfall. Es hat mit Ultex zu tun.

    Jonas: ULTEX: kurz für Ultimate Experience. Die letzte Erfahrung, der letzte Trend, die letzte craz. Bei ULTEX wurde man umgebracht, das heißt so gut wie. Man ließ sich bis an die Schwelle des klinischen Todes bringen und wieder zurückholen, durch Drogen und für schweres Geld natürlich. ULTEX hatte ein Haus im Südosten von Babylon, eine Monstrosität genannt die Gruft, am Rand der Trümmerwüste, die die Unruhen der 90er Jahre hinterlassen haben. Gleich neben dem Reservat. Vor einem halben Jahr war ich zuletzt hier gewesen, Fall Megastar, keine gute Gegend. Ein Biotop für Psychos und Nachtmenschen, für Straßensamurais und Killerkids. Aber wir waren ja zu dritt, Jonas, Sam und Justus.

    Justus: Wie die drei Musketiere, Chef.

    Sam: Drei Musketiere, von wegen. Zwei Herren aus Verona und ein unqualifiziertes Anhängsel.

    Jonas: Sei still, Sam. Paß auf, Kleiner, ich geh jetzt rein.

    Justus: Kann ich nicht mitkommen, Chef.

    Jonas: Du bleibst hier, Kleiner, als Reserve und Rückendeckung, behalt das Haus im Auge, wenn ich sagen wir nach einer halben Stunde nicht wieder draußen bin, kommst du nach und stellst fest, was los ist, aber vorsichtig.

    Justus: Sie können sich auf mich verlassen, Chef.

    Jonas: Ein kadaverdürrer Grufti im kalkweißen Hemd mit Ringen unter den Augen führte mich in einen Warteraum. Schwarze Vorhänge vor Spitzbogenfenstern. An den Wänden Kreuze und Sprüche. Vivala Muerte und Wenn nicht hier, wo sonst. Wenn nicht du, wer sonst. Berechtigte Frage. Die elegante Frau im gotischen Kirchengestühl mustere mich mißtrauisch. Offenbar sah Jonas nicht aus wie jemand, der schnell mal ein bißchen sterben wollte. Aber weil sonst keiner da war, ließ sie sich dann doch herab, ein paar Takte mit mir zu plaudern.

    Kundin: Ein irres feeling, sagt Iris, meine Freundin, die ist schon 7mal gestorben, stellen Sie sich das vor.

    Jonas: Ungern.

    Kundin: Ganz genau wie in den Sachen von Frau Dr. Rübler-Kotz, sagt Iris. Diese Klassiker, wissen Sie, haben Sie sicher im Holo gesehen. Erst ein wahnsinnig helles Licht, und dann zieht das ganze Leben vorbei wie ein Holofilm vor dem inneren Auge irgendwie. Ungeheuer sagt Iris, absolut ultrasuper. Wer nicht wenigstens einmal tot war, kann überhaupt nicht mitreden, sagt Iris.

    Mors: Bitte, Herr äh...

    Jonas: Jonas, nur Jonas.

    Mors. Ganz recht, treten Sie näher.

    Kundin: Aber ich war vor dem Herrn hier.

    Mors: Ein Sonderfall, gnädige Frau, bitte haben Sie noch einen Augenblick Geduld.

    Jonas: Der Typ hatte sich auf Sensenmann gestylt. Aber sein Büro wirkte ganz normal, nichts gruftiges, kein Sarkophag, kein Kruzifix, und der Sessel, den er mir anbot, kam aus Helsinki, nicht aus dem Kölner Dom.

    Mors: Wir haben Sie erwartet, Herr Jonas.

    Jonas: Das wundert mich. Sie sind der Chef von ULTEX.

    Mors: Ja, Herr Jonas. Ich bin der große Tod. Sie können mich schlicht Mors nennen.

    Jonas: Sie mich auch.

    Mors: Bitte, Herr Jonas. Ein Mann, der kurz vor dem Tode steht, sollte keinen schlechten Witze machen.

    Jonas: Moment mal Freund, das ist ein Mißverständnis, ich bin nicht hier um zu sterben.

    Mors: Ja, da glaub ich Ihnen, Herr Jonas, aber Sie werden es müssen, und zwar endgültig. Dreh ihm die Luft ab, Siebzig.

    Jonas: Plötzlich legten sich die massiven Backen eines Schraubstocks um meinen Hals, von hinten, immer fester, immer enger. Feuerräder drehten sich vor meinen Augen, in meinem Ohren explodierten Raketen, rauschten alle Ozeane aller Welt, dazwischen Stimmen, undeutlich und weit weg, wie im Traum.

    Mors: Wehren Sie sich nicht, Herr Jonas, das nützt nichts. Wenn Siebzig mal zupackt, läßt er nicht wieder los. Interessanter Name, Siebzig. Wollen Sie wissen, warum er so heißt, Herr Jonas. Sag's ihm, Siebzig.

    Siebzig: Wegen mein Intellgenzquotient, Boss.

    Mors: Sie werden nicht hier sterben, Herr Jonas. Eine echte Leiche bei ULTEX wäre schlechte Publicity. Wir reichen Sie weiter, an unsere Mitarbeiter im Außendienst sozusagen.

    Jonas: Meine Bronchien kreischten, als ob sie tagelang nur Schwefeldampf und Höllenfeuer eingeatmet hätten. Mein Kopf war zersprungen und falsch zusammengeleimt worden. Irgendwas hartes drückte Serpentinen in mein Kreuzbein, meine Hände, ich lag auf meinen gefesselten Händen, auch die Füße waren gefesselt, ich versuchte die Augenlieder aufzuwuchten. Hundert Jahre später hätte ich es geschafft. Jonas konnte sehen, und was sah Jonas, ein Stück grauen Himmel durch ein Loch im Dach, Trümmerwände, ein historisches Sprechfunk anno Vietnam, und Kinder, Kinder zwischen 6 und 14 in altmodischen Kampfanzügen, braun und olivgrün. Buschmesser im Gürtel, antike M16-Sturmgewehre unter dem Arm. Ein Junge mit einer goldenen Kokarde am grünen Barett stand neben mir und trat mich mit seinen Parastiefeln, immer wieder immer an die selbe Stelle.

    Jonas: Hör auf. Das tut weh.

    Dakota: Solls auch, Alter. Weißt du, wo du bist?

    Jonas: Reservat.

    Dakota: Kennst dich aus, Alter, wenn du's genau wissen willst, du bist im Kommandobunker der Rambos, der einmaligen unbesiegbaren Rambos. Rararambo.

    Rararambo Rararambo!

    Jonas: Killerkids. Ihr habt mir gerade noch gefehlt.

    Dakota: Dir wird gleich gar nichts mehr fehlen, Alter. Weißt du wer ich bin?

    Jonas: Was spielen wir hier, Quiz für die Hausfrau?

    Dakota: Werd nicht frech Alter. Ich bin der einmalige unbesiegbare Dakota, der Chief der einmaligen unbesiegbaren Rambos. Ra-Ra-Rambo.

    Rararambo Rararambo!

    Dakota: Weißt du was wir mit dir machen, Alter?

    Jonas: Wie oft darf ich raten, dreimal?

    Dakota: Easy Alter, wir löten dich auf ein Eisengitter und machen dir Feuer unter dem Hintern, und dann grillen wir dich, Alter, ganz langsam und ganz cool. Und wenn du zu laut quakst, gießen wir dir Benzin ins Maul, und halten ein Streichholz dran.

    Jonas: Der dritte Weltkrieg, dachte Jonas, machte sich flach und robbte in eine Ecke, aber es waren bloß wieder Killerkids: eine neue Gang. Bunte Flickenkostüme und knallrote Hennahaare, und weil die Angreifer keine alten Sturmgewehre hatten, sondern moderne Laserstrahler, schafften sie die Rambos, sie brachten sie um, alle, bis auf den unbesiegbaren Dakota, den verschnürten sie zu einem Paket und legten ihn ab, zwecks späterer Freizeitgestaltung vermutlich, und dann entdeckten sie Jonas und holten ihre Chefin: ein etwa 12-jähriges Mädchen mit einem spitzen schwarzen Hut auf den roten Locken.

    Anna Conda: Hey, du bist doch kein Rambo.

    Jonas: Seh ich so aus, Schwester.

    Anna: Weißt du, was du bist?

    Jonas: Jetzt geht das Quiz wieder los.

    Anna: Du bist Kriegsbeute. Kannst du Lösegeld zahlen?

    Jonas: Wenn's sein muß, 50 Euros könnte ich vielleicht.

    Anna: 50 Euros, du tickst wohl nicht richtig. Schafft den Kerl raus und lasert ihn ab.

    Jonas: Augenblick Schwester, wollen wir nicht noch mal in Ruhe darüber reden.

    Anna: Zwecklos.

    Jonas: Aber Schwester.

    Anna: Ich bin keine Schwester, ich bin Anna Conda.

    Jonas: Einmalig und unbesiegbar, angenehm, mehr oder weniger, ich bin Jonas.

    Anna: Anna Conda die Matriarchin der ewig siegreichen Witches, we are the witches.

    We are the Witches!

    Anna: Wir haben alle geschlagen, die Paras, die Heavy Metals, die Juppies, die Contras, die Horrors, die Sadomasos und jetzt auch die Rambos. Wir sind die größten, uns gehört das Reservat.

    Jonas: Und morgen die ganze Welt, gratuliere.

    Anna: Jonas? Hast du gesagt, du heißt Jonas?

    Jonas: Stimmt.

    Anna: Nur Jonas?

    Jonas: Stimmt auch.

    Anna: Der letzte Detektiv?

    Jonas: Und wieder genau ins Schwarze, Damen und Herren, wieder ein Volltreffer.

    Anna: Red nicht so viel. Du hast also Zombie und seinen Laden hochgehen lassen vor zwei, drei Jahren. Dann bin ich dir was schuldig. Macht ihn los.

    Jonas: Danke Anna. Würdest du mir einen Gefallen tun.

    Anna: Vielleicht.

    Jonas: Frag Dakota, wie er an Jonas gekommen ist.

    Anna: OK, Jonas, kleine Fische.

    Jonas: Dakota wollte nichts sagen, aber Anna Conda hatte ein paar gute Mittel gegen verbale Verstopfung. Ein bißchen laut, ein bißchen unsauber, aber sehr wirkungsvoll. Dakota packte aus: Jonas war ihm geliefert worden. Von ULTEX-Mitarbeitern in einem E-Laster nach Voranmeldung über das Funkgerät.

    Dakota: Frankenstein, Frankenstein hat gefunkt, daß wir wieder einen kriegen, von ULTEX, und wir sollen ihn alle machen.

    Jonas: Frankenstein, du meinst Mors von ULTEX.

    Anna: Meint er nicht, Frankenstein war früher Chief der Rambos, vor Dakota, dann ist er weg, weil er zu alt war für ein Killerkid. Er ist raus aus dem Reservat, rüber zu euch. Und da ist er was geworden.

    Jonas: Was?

    Anna: Was wichtiges. Genauer weiß ich's nicht.

    Jonas: Vielleicht Dakota.

    Dakota: Nein, nein, keine Ahnung, wirklich nicht, echt.

    Anna: Frankenstein ist so eine Art Ehrenchief der Rambos. Deshalb arbeiten sie für ihn. Und weil er sie bezahlt.

    Dakota: 1000 Euros jeden Monat.

    Jonas: O nicht schlecht, und was mußt ihr dafür tun.

    Dakota: Frankenstein sagt uns bescheid, über funk, und dann schickt er uns Typen zum killen.

    Jonas: Zum Beispiel Jonas.

    Dakota: Ja, oder die Tussi vor 4 Tagen, diese Reporterin.

    Jonas: Zora Zeitgeist.

    Dakota: Ja, Zeitgeist. Komischer Name.

    Jonas: Was habt ihr mit ihr gemacht.

    Dakota: Na was.

    Jonas: Sie ist tot.

    Dakota: Ja. Manchmal kommen auch bloß Leichen zum Wegschaffen, eine oder zwei, aber neulich war’s ein Riesenhaufen, ganzer Container voll, mehr als 20, und alle tierisch zerfleddert, total kaputt.

    Jonas: Neulich. Wann?

    Dakota: Weiß nicht.

    Anna: Denk nach, Dakota, oder...

    Dakota: Nein, nein, bitte nicht. Dezember, 1. Dezember 2011.

    Jonas: Da war doch was. 1. Dezember 2011, Störfall bei BIO, den, den Zora Zeitgeist aufgedeckt hat. Seltsam. Was hast du mit Dakota vor, Anna?

    Anna: Muß mir noch was einfallen lassen. Was ganz besonders.

    Jonas: Heb ihn erst mal auf und das Funkgerät auch, ich hab eine Idee, wenn die Sache klappt und wenn du mir hilfst, dann verspreche ich dir ein gewaltiges Lösegeld, mehr als du dir vorstellen kannst.

    Anna: Ich kann mir eine Menge vorstellen, Jonas. See you.

    Jonas: Als ich die Bürotür aufmachte, fiel Volontär Justus vor Schreck fast vom Stuhl, von meinem Stuhl, anscheinend wollte er mal üben, wie ein richtiger Detektiv sitzt.

    Justus: Chef, da sind Sie ja endlich, ich hab mir schon Sorgen gemacht.

    Jonas: Nett von dir, Kleiner, warum bist du nicht nachgekommen, wie wir vereinbart hatten.

    Justus: Bin ich doch, Chef, nach einer halben Stunde, ganz pünktlich, und da haben die mir gesagt, sie sind schon weg. Durch den Hinterausgang.

    Jonas: So. Und das hast du geglaubt.

    Justus: Was ist denn passiert, Chef.

    Jonas: Och, nichts besonders, man hat nur versucht mich umzubringen.

    Justus: Wirklich, Chef? Wer denn?

    Jonas: Herr Mors von ULTEX und eine Horde rabiater Killerkids.

    Justus: Um Gotteswillen, wie sind Sie denn da rausgekommen, Chef.

    Jonas: Och, das erzähl ich dir mal später, Kleiner, zu deiner Belehrung und Auferbauung, jetzt hab ich keine Zeit. Ich bin nur gekommen um meinen Laser zu holen und Sam. Hast du ihn irgendwo gesehen, Kleiner, die drahtlose Taschenausgabe mein ich.

    Sam: Hallo, hier bin, o Leuchte meines Daseins, im Schreibtisch rechts, o Trost meiner schlaflosen Nächte. Ach, neben der Whiskyflasche du Döskopp. Grüß Gott.

    Jonas: Zwei Dinge braucht der Detektiv, Whisky und Sam. So, mach's gut, Kleiner.

    Justus: Wo gehen Sie hin, Chef.

    Jonas: Zu ULTEX. Ich werde mir diesen Mors mal vorknöpfen.

    Justus: Nehmen Sie mich nicht mit, Chef?

    Jonas: Besser nicht, Kleiner, wenn du mir den Rücken deckst, muß ich gleichzeitig nach vorn und hinten kucken. Bleib schön zu Hause und halt die Stellung.

    Sam: Ja, halt die Stellung.

    Jonas: Diesmal war die ULTEX-Gruft so tot wie ihr Name. Gruftis und sterbegeile Damen waren ausgeflogen. Mors war noch da. Er lag in seinem Büro und sah nicht gut aus. Jemand hatte ein Teesieb aus ihm gemacht. Mit einem Laserstrahler. Sein Gesicht war verzerrt. Offenbar war er nicht leicht gestorben.

    Sam: Erstaunlich, Herr Konsul, wo er doch so viel Übung im Sterben hatte. Hier liegt übrigens noch einer.

    Jonas: Ein stark behaarter Gentleman mit riesigen Pranken. Das dürfte Siebzig sein. Siebzig, der wilde Würger.

    Sam: Auch tot.

    Jonas: Noch ganz warm, sein Boss auch. Das heißt

    Sam: Die Herrschaften sind erst vor sehr kurzer Zeit ins Jenseits befördert worden. Das gibt einem Computer zu denken.

    Jonas: Einem Detektiv auch. Wem gehört ULTEX, kannst du das feststellen.

    Sam: Nichts leichter als diese euer Fragwürden. Firma ULTEX gehört der Freund Hein AG Babylon.

    Jonas: Sagt mir nichts.

    Sam: Nun warts doch ab du Hektiker. Freund Hein AG Babylon gehört der Thanatos Corp. New York, die Thanatos Corp. New York gehört der Thanatos Holding auf den Bahamas, eine sogenannte Briefkastenfirma, die Thanatos...

    Jonas: Stop stop stop, das dauert mir zu lange, überspring die nächsten Stationen und sag mir gleich die letzte, den wirklichen Besitzer.

    Sam: BIO.

    Jonas: Was?

    Sam: BIO Babylon. Surprise. Surprise.

    Jonas: Ja und Nein, irgendwie hatte BIO die Neigung, ständig in meinem Fall aufzutauchen, unerwartet und überraschend, so überraschend wie die Nachricht von Zoras Ermordung. Wer immer dahinter steckte. Möglicherweise war an dem Störfall von damals mehr dran als Zora rausgekriegt hatte. Aber dazu konnte ich ja jemand ausfragen, einen Ex-Werkschützer und Augenzeugen.

    Justus: Am 1. Dezember hatte ich Dienst, Chef. In der geheimen Produktionseinheit, wo BIO dieses Trichlorphenol für Merdistan macht. Ich war in der Steuerzentrale. Und plötzlich merke ich, wie der Aufseher am Pult nervös wird. Er kuckt immer wieder auf seine Monitore und Meßgeräte, dann springt er auf. Was ist los, sage ich, und er sagt: Der Autoklav spielt verrückt.

    Jonas: Autoklav?

    Sam: Ein in der chemischen Produktion verwendetes Großgefäß zum Erhitzen unter Druck, euer Unbeschlagenheit, eine Art Dampfkochtopf.

    Jonas: Aha, mach weiter, Kleiner.

    Justus: Der Druck ist viel zu hoch, sagt Samsa.

    Jonas: Samsa?

    Justus: Der Aufseher. Gregor Samsa heißt er. Die Temperatur ist auch zu hoch, sagt er. Und was das schlimmste ist: wir haben Austritt von TCDD.

    Sam: Blutigen chemischen Laien bekannter als Sevesodioxin.

    Justus: Ich muß abstellen, sagt Samsa, sonst wird ganz Bioland verseucht, und er rennt zum Schott, fünf Minuten später ist er wieder da, er kann gerade noch das Schott hinter sich verriegeln, dann bricht er zusammen. Ich hab inzwischen internen Alarm gegeben, die Sanitäter kommen und bringen Samsa ins Werkskrankenhaus, und soviel ich weiß, liegt er da heute noch. Mit Dioxinvergiftung und einer schweren Chlorakne.

    Sam: Es lebe Herr Samsa, in Qualm und Brand hielt er das Steuer fest in der Hand, er hat uns gerettet, er trägt die Fahne, gedichtet von Sam frei nach Fontane.

    Justus: Ein Held, das hat auch Frau Zeitgeist über Samsa geschrieben.

    Jonas: Richtig, Zora. Wann war sie bei BIO?

    Justus: Zwei Wochen später, Chef, um den 15. herum.

    Jonas: Hmh, vor 4 Wochen. Hoffentlich ist die Spur noch nicht kalt, na das wird sich zeigen.

    Justus: Sie wollen zu BIO, Chef.

    Jonas: Du hast es erfaßt Kleiner.

    Justus: Und wie wollen Sie reinkommen, heimlich in Verkleidung.

    Jonas: Aber sicher Kleiner, als Supermann in Faschingsmaske und langen Unterhosen, du hast zuviel Fantasie, jeder kann sich in Bioland umkucken ganz offen für 10 Euros. Jonas wird Tourist, falls heute noch ein Sightseeing Bus fährt. Sam?

    Sam: In genau 44 Minuten vom zentralen Busbahnhof.

    Jonas: Dann müssen wir uns beeilen.

    Justus: Und ich, Chef?

    Jonas: Du kannst dich bei Bio nicht sehen lassen, Kleiner, dich haben sie gefeuert, dich kennen sie, du übst weiter Stellung halten.

    Sam: Geduld, mein junger Freund, ist die wichtigste Eigenschaft des Detektivs, vermerke dir dies in deinem Poesiealbum zur dauernden Beherzigung.

    Jonas: BIO hieß früher Chemoplast, aber vor etwa 20 Jahren hatte der Vorstand die Zeichen der Zeit erkannt, und den Konzern umbenannt. In BIO. Und nicht nur der Name wurde geändert, auch das Erscheinungsbild kriegte eine kosmetische Operation verpaßt: BIO wollte nichts zu tun haben mit lauten Fabrikhallen, stinkenden Schornsteinen, häßlichen Rohrleitungen. BIO stellte Bioland in die Gegend, auf einem Gelände im Südosten von Babylon, nicht weit von ULTEX und vom Reservat. Aber ganz ganz anders. Bioland ist eine Art Supergewächshaus. Ein künstliches Ökosystem elektronisch gesteuert, obendrüber eine gigantische Plexiglaskuppel mit Klimakonvertern und Deflektoren, darunter eine wunderschöne mitteleuropäische Landschaft, wie vor 100 Jahren, mit allem was dazu gehört, Wald und Feld, Wiesen und Gärten, ein Teich, ein Bauernhof, für die Verwaltung von BIO, ein Heuschober usw. Einen Teil der Produktion hat BIO ausgelagert, in die Dritte Welt. Was noch da ist, liegt unter Bioland, wo man es nicht sieht, nicht hört, nicht riecht, wo es nicht stört. BIOland ist berühmt, wer nach Babylon kommt, muß Bioland gesehen haben, BIO hat einen Sightseeing-Service aufgezogen, mit E-Bussen, die mehrmals am Tag fahren, unter sachkundiger Führung, so stand's im Prospekt, den Jonas mit dem Ticket in die Hand gedrückt kriegte.

    Führerin: Beachten Sie neben den landschaftlichen Schönheiten bitte auch die zahlreichen Vertreter einer mannigfaltigen Tierwelt in Wald und Flur, meine Herrschaften, das grasende Rind, das scheue Reh, die bunte Schar sangesfreudiger Vöglein. Simulationen, meine Herrschaften, das versteht sich, Holoprojektionen sowie geschickt verborgene Tonbänder, das gleiche Illusionssystem, wie im Ihnen zweifellos bekannten Romanticpark zu Babylon. Wir haben nunmehr die Waldlichtung erreicht, meine Herrschaften. Sehen Sie links zwischen den Bäumen den spitzzulaufenden Giebel mit dem Hirschgeweih, das ist das Forsthaus: der Sitz des Vorstandes von BIO, und rechts hinter der Taxushecke haben wir die Tannenklinik, das BIO-Werkskrankenhaus. An dieser Stelle legen wir einen kurzen Aufenthalt ein, meine Herrschaften, Sie können aussteigen und holographieren, wenn Sie wollen, aber bleiben Sie bitte zusammen und entfernen Sie sich nicht allzuweit von Ihrem Bus.

    Jonas: Kann man sich die Häuser auch von innen ansehen?

    Führerin: Bedauere mein Herr, das ist leider nicht möglich, haben Sie bitte Verständnis für diese kleine Einschränkung, die Insassen der Klinik sollen in Ruhe und Frieden Genesung finden, und auch der Vorstand, auf dessen Schultern die gewaltige Verantwortung für den gesamten Konzern ruht, hat ein Recht auf ungestörte Arbeit. In 5 Minuten geht es weiter, meine Herrschaften.

    Jonas: Ohne mich, dachte Jonas, ganz zufällig und beiläufig wanderte ich immer tiefer in den Wald, Richtung Krankenhaus, nach 100 Metern stellte ich mich hinter einen dicken Baum und versuchte wie die naturgetreue Holoprojektion eines scheuen Rehs auszusehen. Offenbar war ich nicht überzeugend, plötzlich stand ein Typ in himmelblauer Uniform vor mir, unter seiner Jacke eine diskrete Beule, die verdächtig an einen Knockouter erinnerte.

    Wachmann: BIO Werkschutz, mein Herr, Sie haben sich verlaufen.

    Jonas: Iwo, Herr Wachtmeister, ich wollte mir nur ein bißchen die Beine vertreten.

    Wachmann: Sie haben sich verlaufen, mein Herr. Ich bringe Sie zu ihrem Bus.

    Jonas: Brauchen Sie nicht. Ich find schon allein zurecht.

    Wachmann: Ich bringe Sie zu ihrem Bus, mein Herr. Folgen Sie mir.

    Jonas: Der Ausflug nach Bioland war also eine Pleite gewesen, einerseits. Andererseits hatte ich viel gelernt, über Felder und Wälder, über Vögel und Viehzeug. Und ich wußte jetzt, wo das Biowerkskrankenhaus lag und wo der Vorstand unter der Last der Verantwortung fast zusammenbrach.

    Justus: Was wollen Sie jetzt machen, Chef.

    Jonas: Jetzt, Kleiner, gar nichts, es ist spät, Jonas geht schlafen und du gehst nach Hause.

    Justus: Aber Chef, Sie wollen doch nicht aufgeben. Sie doch nicht. Jonas hakt nach, Jonas ist hartnäckig, Jonas ist stur.

    Sam: Ja, da hat er recht, Meister, und wo er recht hat, hat er recht. Auch wenn er bloß ein Lehrling ist.

    Justus: Volontär.

    Sam: Naja, auch gut.

    Jonas: Im Moment ist Jonas müde und sonst gar nichts, aber morgen Kleiner, morgen früh bist du wieder hier und dann machen wir ein Brainstorming, zu dritt wird uns schon was einfallen.

    Sam: Hähä, Brainstorming zu dritt, lächerlich, der eine hat keins, beim zweiten ist nicht viel los damit und nur der dritte hat ein vollwertiges erstklassiges solches.

    Jonas: Was meinst du Sammy.

    Sam: Brain. Bregen. Hirn. Denkapparat.

    Jonas: Jonas ging schlafen, aber nicht für lange, um 12 heulte der Wecker, Mitternacht Dr. Schweitzer, Jonas stand auf und packte zusammen, was er so brauchte: Guerillaanzug aus dem antarktischen Krieg, Sauerstofftank, Laser, Knockouter und Sam natürlich. Anna Conda wartete schon. Ich wußte, daß BIO Abfallstoffe ins benachbarte Reservat leitete, illegal, aber ich wußte nicht wie und wo. Das wußte Anna.

    Anna: Am besten du nimmst das Rohr unter dem alten Funkturm gleich beim Kommandobunker der Rambos, bloß daß der jetzt den Witches gehört, weil's die Rambos nicht mehr gibt.

    Jonas: Aber das weiß draußen noch keiner. Wie geht's meinem Freund Dakota?

    Anna: Schlecht, ganz schlecht, ich hab ihm erzählt, was wir mit ihm machen.

    Jonas: Aber erst später, Anna. Du weißt, was Dakota sagen soll, wenn er von Frankenstein angefunkt wird.

    Anna: Logo Jonas, hör auf mich zu nerven, zieh deine Killerklamotten an und tauch ab.

    Jonas: Was ist in dem Rohr?

    Anna: Bißchen Wasser und irgendwelches Gift natürlich, aber nichts schlimmes.

    Jonas: Der Anzug ist säurefest und chemiestabil, steht in der Gebrauchsanweisung, unterschreiben vom Kriegsminister, und ein Minister lügt nicht, oder?

    Anna: Komm wieder, Jonas, du schuldest mir ein Lösegeld.

    Jonas: Im schwachen Licht aus Bioland ragte die schiefe Spirale des Funkturms in den Nachthimmel wie das Skelett eines Krüppels in der Anatomie. Jonas warf einen Blick zurück, dann verschwand er in der Unterwelt, nicht zum ersten Mal, siehe Schmiergeld oder Spielwiese. Da mußte ich durch ganz andere Sachen kriechen. Trotzdem schaltete ich auch diesmal auf Eigenluft. Sicher war sicher. Was da, wo ich auftauchte produziert wurde, weiß ich nicht, ich blieb erst mal auf Sauerstoff und in Deckung, zwischen mir und der Oberwelt standen ein Aufseher und ein Werkschützer. Kein Problem. Wozu hatte ich den Knockouter. Draußen fühlte ich mich sicher im großen und ganzen. Der Anzug machte mich praktisch unsichtbar, außerdem wurde Jonas nicht erwartet. Nicht jetzt, erst morgen. Eine halbe Stunde und zwei zur Ruhe gelegte Werkschützer später war ich im Keller der Klinik. Wo der Datenspeicher stand, kein ganz taufrisches Modell.

    Sam: Ein altes Hündchen ist das, euer Untertreibung, überholt und abgeschrieben.

    Jonas: Typisch, beim Krankenhaus wird gespart. Ist das Ding gesichert?

    Sam: Was soll schon heißen gesichert, klar da ist was, eine alte rostige Kette, bildlich gesprochen, die knackt Sammy mit links.

    Jonas: OK Sammy, dann knack mal, und wenn du fertig bist, fragst du den Kollegen

    Sam: Kollege? Ich bitt euch Herr, der Scherz ist gar zu grausam. Shakespeare.

    Jonas: Halt uns nicht auf, Sam, frag ihn nach Samsa, Gregor Samsa.

    Sam: Negativ. Kein Gregor Samsa. Kein Gregor, kein Samsa, oder auch weder Gregor noch Samsa.

    Jonas: Kein Gregor Samsa am 1. Dezember 2011 eingeliefert?

    Sam: Ganz und gar kein Gregor Samsa überhaupt jemals eingeliefert, du Weichei.

    Jonas: Das gibt's doch nicht, Sammy.

    Sam: Gestatten euer Libden eine klitzekleine Korrektur: Den gibt es nicht, den Gregor Samsa, denn siehe und staune, auch im Biopersonalsystem ist eine Person diesen Namens nicht verzeichnet.

    Jonas: Eine Unperson. Die Heldenlegende, die Zora Zeitgeist berichtet hat, stimmt also nicht, wahrscheinlich ist der ganze Störfall Schwindel. Aber warum hat Bio dann nicht dementiert. Was ist hier am 1. Dezember passiert, Sammy?

    Sam: Zweierlei euer gestrengen: 1. Besuch einer Handelsdelegation aus Merdistan, welche sich, wie die in dieser Datei gespeicherten Verpflegungsliste ausweisen, vorzugsweise im Werkskrankenhaus aufgehalten hat. 2. an besagtem Tage verzeichnete besagtes Werkskrankenhaus einen unheimlich starken Abgang.

    Jonas: Was soll denn das nun heißen?

    Sam: Abgang du Birnekompott? Exitus, Tot, am 1.Dezember 2011 sind in dieser Klinik ungewöhnlich viele Menschen gestorben, präzise 22.

    Jonas: Todesursache?

    Sam: Nicht vermerkt. Übrigens sind die Betroffenen nicht wie sonst üblich einem Bestattungsinstitut überstellt, vielmehr so steht es geschrieben, zur endgültigen Beseitigung weitergereicht worden.

    Jonas: Wohin?

    Sam: Nicht vermerkt.

    Jonas: Ins Reservat, zu Dakota und den Rambos, am 1. Dezember haben sie ein ganzen Container voller Leichen gekriegt, mehr als 20 hat Dakota gesagt, kaputt und tierisch zerfledert, von Frankenstein ihrem Ex und Ehrenchief der arbeitet als für BIO.

    Sam: Hatten wir uns das nicht gleich gedacht, Kumpel.

    Jonas: Aber jetzt wissen wir, Sammy. Und hinter der Sache steckt tatsächlich ein Störfall, ein Superstörfall mit 22 Toten. Da muß mehr in die Luft gegangen sein als ein ein wie heißt das Ding? Autoklav.

    Sam: Bedaure zutiefst widersprechen zu müssen, eure Vorschnelligkeit. Alle 22 waren bereits längere Zeit vor dem 1. Dezember Insassen dieses Krankenhauses.

    Jonas: Das heißt ein Unglück hier im Krankenhaus. Eine Katastrophe.

    Sam: Mehr als nur dies, Brüder und Schwerstern, lasset uns noch einmal zurückkommen auf den bereits kurz angesprochenen Besuch der merdistanischen Delegation. Merdistan ist ein Staat, welcher wie wir wohl wissen, seit Jahrzehnten im Kriege liegt mit dem Nachbarland Marik, und wie wir ebenfalls wissen, setzt Merdistan in diesem Krieg massiv chemische Kampfstoffe ein. Nervengifte wie Taput und Soman, sogenannte V-Stoffe und Flurazetate, aber auch Psychogifte, etwa Lüsert und Benzülsäurederivate. Merdistan selbst ist nicht in der Lage, diese Stoffe zu produzieren. Woher es sie bezieht, ist nicht bekannt.

    Jonas: Bis jetzt. Kein Störfall. Kein Unglück. Ein Test.

    Sam: Hat man das unmöglich eliminiert, mein lieber Watson, so muß das, was übrig bleibt, und sei es auch noch so unwahrscheinlich, die Wahrheit sein.

    Jonas: Wie komm ich in den Speicher, Sam, wir brauchen die Platten mit den relevanten Informationen. Wir holen sie raus, nehmen sie mit.

    Sam: Und deponieren sie an geeigneter Stelle.

    Jonas: Das hieß bei Anna Conda im Reservat, und als das erledigt war, legte sich Jonas für ein paar Stunden hin, bis es hell wurde, dann ging ich auf die Suche nach einem funktionierenden Fon. Das dauerte seine Zeit. Ich rief den Vorstand von Bio an, und wartete auf die große schwarze E-Limousine, die mich einsammelte und nach Bioland brachte, ins Forsthaus, in ein gemütliches Zimmer, mit Gehörn an den Wänden und Bildern von röhrenden Hirschen, mit einem Kamin und 3 Sesseln, 2 waren besetzt.

    Roth: Frau Prof. Grin.

    Grin: Herr Prof. Roth.

    Jonas: Jonas, nur Jonas. Sie sind der Vorstand.

    Grin: Wir beide. Sie haben die Platten bei sich?

    Jonas: Sehe ich aus wie ein Hirnamputierter? Die Platten sind in Sicherheit und damit wir das gleich abklären, wenn ich mich nach einer Stunde nicht melde, werden die Daten vervielfältigt und an die Medien geschickt, an die Ökopolizei sowieso.

    Roth: Sie blöffen, Herr Jonas.

    Jonas: Wollen Sie's riskieren?

    Grin: Sie haben uns überrascht, Herr Jonas.

    Roth: Auf Ihren nächtlichen Besuch waren wir nicht vorbereitet.

    Grin: Die Dateien sollten erst heute umgestellt werden.

    Jonas: Das können Sie sich jetzt sparen. Was schlagen Sie vor?

    Roth: Das hat uns Frau Zeitgeist auch gefragt.

    Grin: Vor gut 3 Wochen in diesem Raum.

    Roth: Sie hatte ebenso gut recherchiert wie Sie, Herr Jonas.

    Grin: Und Daten eruiert, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren.

    Jonas: Daß Sie ein Giftgas getestet haben für ihre Kunden in Merdistan, und daß Ihnen der Test aus dem Ruder gelaufen ist.

    Roth: Sie irren, Herr Jonas.

    Grin: Der Test ist durchaus nicht wie Sie sich ausdrücken aus dem Ruder gelaufen.

    Roth: Er ist planmäßig durchgeführt worden, sein Ergebnis war erwartet und für alle Seiten höchst zufriedenstellend.

    Grin: BIO hat nämlich ein neues Psychogift entwickelt auf der Basis von Benzülsäure oder BZ. Wie wir kurz sagen.

    Roth: Sollten wir wirklich in die Details gehen, Frau Kollegin.

    Grin: Warum denn nicht, Herr Kollege. Es handelt sich um eine Variation jene Ihnen bekannten Selbstmorddroge, die von der verstorbenen Professor Caligari vor etwa 3 Jahren durchgetestet wurde.

    Jonas: Der Testmarktfall, ich weiß.

    Roth: Unser Produkt, wir haben es intern Beserkerdroge getauft, führt bei den Betroffenen zu schrankenlosem Aggression- und Autoaggressionsverhalten.

    Grin: Das heißt zu Mord und Selbstmord.

    Jonas: 22 tierisch zerflederte Leichen.

    Grin: Ein schlagender Beweis. Unsere Geschäftsfreunde aus Merdistan waren sehr beeindruckt.

    Roth: Was übrigens Frau Zeitgeist betrifft, so zeigte sie sich vernünftigen Argumenten durchaus aufgeschlossen.

    Grin: Wir konnten sie nicht aus dem Wege räumen, ihre Auftraggeber wären mißtrauisch geworden und hätten andere Investigatoren geschickt.

    Roth: Also haben wir ihr die Informationen abgekauft.

    Grin: Und weil sie ja irgendein plausibles Resultat vorweisen mußte, haben wir uns den falschen Störfall ausgedacht.

    Roth: Glaubhaft und in Maßen schwerwiegend.

    Grin: Insofern eine ideale Legende. Leider wurde Frau Zeitgeist zu gierig.

    Roth: Sie konfrontierte uns mit neuen, sehr hohen Forderungen. Unklugerweise nach der Publikation ihrer angeblichen Untersuchungsergebnisse.

    Grin: Wir hatten also freie Hand und konnten dafür sorgen, daß sie uns nicht mehr zur Last fiel.

    Roth: Damit war die Angelegenheit ausgestanden.

    Grin: Dachten wir, aber dann traten Sie in Erscheinung, Herr Jonas.

    Roth: Wir könnten uns vorstellen, daß auch Sie ein offenes Ohr für vernünftige Argumente haben.

    Jonas: Vielleicht. Wieviel.

    Grin: In Anbetracht der Tatsache, daß es sich bei denen von Ihnen entwendeten Daten lediglich um Hinweise, nicht aber um Beweise handelt. 100.000 Euros.

    Jonas: Sehe ich aus wie ein Kleinviehhalter.

    Roth: 200.000.

    Jonas: Wir einigten uns auf 1 Million. Eine schöne runde Summe, leicht zu merken, aber nicht so leicht zu übernehmen. Wir mußten einen Austausch arrangieren, nicht bei Jonas, nicht in Bioland.

    Jonas: Auf neutralem Boden. An der Grenze zum Reservat. Sie kennen den alten Funkturm.

    Roth: Selbstverständlich.

    Jonas: Da treffen wir uns, in drei Stunden. Wäre Ihnen das recht.

    Grin: Einverstanden.

    Jonas: Sie kommen allein, das heißt zu zweit, ohne Werkschutz.

    Roth: Und Sie, Herr Jonas.

    Jonas: Ich bringe jemand mit, einen Detektiv in Spe, zwei gegen zwei, das ist nur fair.

    Grin: Wir haben nichts dagegen, seien Sie pünktlich.

    Jonas: Fünf Minuten vor der Zeit waren wir da. Der Funkturm sah immer noch aus wie ein verbogenes Gerippe. Wir warteten direkt neben dem Kommandobunker. Justus wirkte nervös, vielleicht der Lerneifer, und dann kam er auch schon über die Steine gestolpert, der doppelte Biovorstand, ohne Begleitung, Professor Roth trug einen Aktenkoffer.

    Roth: Ihr Geld, Herr Jonas.

    Jonas: Die Platten sind hier in der Tasche. Geben Sie den Koffer rüber.

    Grin: Einen Augenblick, Herr Jonas, spielen Sie Bridge?

    Jonas: Poker und auch das nur manchmal. Warum?

    Roth: Weil die Zeit gekommen ist, die Karten auf den Tisch zu legen, alle Karten, auch den Trumpf, den wir bisher im Ärmel versteckt hielten.

    Grin: Der junge Mann an Ihrer Seite, den sie als Justus kennen, gehört zu uns, zu Bio. Er ist unser Experte für Sonderaufgaben.

    Roth: Nachdem er das Problem Zora Zeitgeist gelöst hat, blieb er noch für gewisse Zeit bei ihrem Partner Elmer, um jede nur mögliche unerfreuliche Erweiterung der Affäre im Keim zu ersticken.

    Jonas: Und dann hat er sich an Jonas gehängt.

    Justus: Jawohl Chef, ich bewundere Sie ja so Chef, ich will von Ihnen lernen, Chef, jetzt siehst du ganz schön alt aus, was Alter.

    Jonas: Blas dich nicht auf, Kleiner, Jonas weiß längst Bescheid, daß du in Wirklichkeit Frankenstein heißt, daß du für Bio die Drecksarbeit machst, du warst nicht gut, Kleiner, du hast die naive Masche schwer übertrieben. Du hast mich zu ULTEX geschickt, du hast Mors umbringen lassen, damit ich ihn mir nicht vornehmen konnte. Und jetzt hast du deine Rambos herbestellt per Sprechfunk.

    Grin: Sie sitzen in der Falle, Herr Jonas, in der Störfalle, wenn Sie uns das Wortspiel gestatten.

    Justus: Rararambo Rararambo!

    Jonas: Gut gebrüllt kleiner, hat nur leider kein Zweck, weil nämlich gar keine Rambos da sind. Alle in die Ewigen Jagdgründe eingegangen. Deine Funkkommandos sind an der falschen Adresse gelandet. Und jetzt ist Jonas dran mit ausspielen. Jonas hat auch einen Trumpf im Ärmel, aber ein höheren als Bio. Anna! Anna Conda!

    Anna: Hände hoch. Du doch nicht, Jonas.

    Jonas: Anna Conda war selig. Der Aktenkoffer war zwar leer, aber sie hatte Frankenstein, und die Aussicht auf ein gigantisches Lösegeld für Grin und Roth. Außerdem hatten beide etwas Bargeld in den Taschen.

    Anna: 11000 12000 und ein bißchen Kleingeld willst du nicht auch was Jonas.

    Jonas: OK, 2 Tage Arbeit, Spesen, sagen wir 300 Euros.

    Sam: Oh, Sankt Jonas, der korrekte Schutzpatron aller Korinthenkacker.

    Jonas: Noch ein Wort Sammy, und ich laß dich hier.

    Anna: Bleib doch noch ein bißchen, Jonas, wir machen ein Fest, einen großen Hexensabbat mit Dakota und Frankenstein. Soll ich dir sagen, was wir mit ihnen machen.

    Jonas: Besser nicht, Anna, ich möchte heut Nacht ruhig schlafen.

    Anna: Eigentlich bist du ein ganz brauchbarer Typ, Jonas, aber weich, viel zu weich.

    Jonas: Da mochte sie recht haben. Zuhause wartete Elmer, unten in der Eingangshalle. Ich sagte ihm, Zora sei tot. Ermordet von Bio.

    Elmer: Ich hab's ja gewußt, meine Zora. Anders konnten sie sie gar nicht zum schweigen bringen, weil sie so geradlinig war und so unbestechlich.

    Jonas: Gradlinig wie ein Korkenzieher. Unbestechlich wie ein Baustadtrat. Aber das sagte ich nicht. Ich drehte mich um und stieg die Treppe hoch. In den 16. Stock. Der Lift war kaputt, wie meistens.

    Sam: Ach ja, der Mensch vom Weibe geboren muß sich abfinden mit den Unzulänglichkeiten seines Dasein, er muß sich wie man so sagt, nach der Strecke decken, nein in die Ecke drecken, eine Zecke hecken.

    Jonas: Nach der Decke strecken, Sammy.

    Sam: Sag ich doch, du Kekskopf.

    Das war Störfalle. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas spielte Bodo Primus, sein Supercomputer Sam war Peer Augustinski. Frau Prof. Grin: Ilse Zielstorff, Herr Prof. Roth: Helmut Stange, Justus, ein Detektivlehrling: Rene Heinersdorff, Anna Conda: Julia Fischer, Dakota: Ronnie Jarnoth. Außerdem wirkten mit: Ingeborg Schöner, Michael Lenz, Otto Stern und Jürgen Rehmann (Ursula van der Wielen, Reiner Kositz). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Alexander Malachovsky. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1989). Redaktion: Erwin Weigel und Christoph Lindenmeyer.

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:37 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Schneewittchen

    Jonas: Es war ein toter Tag, ein Tag, an dem die große Stadt Babylon so grau und so kalt wirkte wie ein krepierter Elefant. Ein Tag, an dem nichts passiert. Dachte ich. Das war ein Irrtum. Ich war in den Trödelladen gegangen, weil mir die alte Postkarte im Schaufenster aufgefallen war, eine Fotographie, 2D, schwarz weiß, altmodisch, so altmodisch wie Jonas. Ein kleiner Mann mit Hut, die Oberlippe schief hochgezogen, Revolver in der Hand, und über dem Mann, von links unten nach rechts oben, ein schwarzer Schriftzug.

    Trödler: Eine Rarität, mein Herr, das authentische, handgeschriebene Autogramm des Schauspielers Humphrey Bogart, Mitte des vorigen Jahrhunderts, mehr als 60 Jahre alt.

    Jonas: 65, genau, das ist ein Bild aus Big Sleep, 1946.

    Trödler: Der Herr ist ein Bogie-Fan? Ich habe seit Jahren keinen mehr getroffen.

    Jonas: Vielleicht bin ich der letzte.

    Jonas: Der letzte Bogie-Fan. Und der letzte Privatdetektiv. Ein Relikt. Ein Rudiment. Ich fühlte mich fehl am Platz und überflüssig an diesem grauen Herbsttag des Jahres 2011. So überflüssig wie ein Schauspieler oder wie ein Trödler. Der Name ist übrigens Jonas. Nur Jonas. Darauf lege ich Wert.

    Trödler: Wollen Sie die Karte erwerben, mein Herr?

    Jonas: Wollen wollte ich schon, bloß können konnte ich nicht. 400 Euros sollte das gute Stück kosten. Viel zu viel für einen Detektiv ohne Auftrag. Ich legte die Karte zurück und ging aus dem Laden. Und dann passierte es. Ein graues E-Mobil tauchte aus dem Nichts auf, schob sich quer über den Gehweg und hielt direkt neben mir. Zwei grimmige Typen sprangen raus. Einer quetschte mich gegen die Mauer, der andere hielt mir einen Laserstrahler unter die Nase.

    Quex: Gesicht zur Wand, Arme hoch, Beine auseinander, kein Wort, keine Bewegung.

    Brock: Easy, Quex, Diensteifer ist was schönes, aber Sie sollten nicht übertreiben. Wir nehmen den Mann nicht fest, wir nehmen ihn bloß mit.

    Jonas: Brock, sind Sie neuerdings unter die Straßenräuber gegangen?

    Sam: Räuber? Alarm! Alarm! Tatü Tata! Tatü Tata! Hilfe! Polizei!

    Jonas: Sei still Sam, das ist die Polizei. Kennst du denn Brock nicht mehr? Chefinspektor Brock von der Kripo, Rächer der Enterbten mit Pensionsberechtigung.

    Jonas: Ein alter Freund, fast so alt wie Sam, der sich die nicht vorhandene Lunge aus dem Hals schrie, den er auch nicht hatte. Sam ist mein Computer. Er wohnt in meinem Büro und als drahtlose Miniextension in meiner Tasche. Wenn er nicht gerade brüllt wie am Spieß, redet er, in gewöhnlicher Lautstärke und manchmal ziemlich ungewöhnlichen Worten. Sam ist verbal überprogrammiert. Ansonsten hat er die Aufgabe, mir mit gutem Rat zu helfen, falls ihm etwas einfällt, falls nicht...

    Sam: Unzureichende Daten, o du letzte Inkarnation des großen Philip Marlowe.

    Brock: Steigen Sie ein, Jonas.

    Jonas: Warum?

    Brock: Weil ich es sage.

    Jonas: Ach, und wohin fahren wir?

    Brock: In die Zentrale. Da warten ein paar wichtige Leute, die mit Ihnen reden wollen.

    Jonas: Ich wußte gar nicht, daß Jonas so einen Ruf als Konversationist hat.

    Sam: Sag einfach Gesprächspartner, Partner.

    Jonas: Du hältst den Rand, Sammy.

    Brock: Sie sind ein lahmer Witzbold, Jonas, das ist der einzige Ruf, den Sie haben. Steigen Sie jetzt ein. Oder soll ich Wachtmeister Quex von der Leine lassen?

    Quex: Ja, Chef?

    Jonas: Zwei wichtige Leute warteten auf Jonas, in einem Büro im obersten Stockwerk der zentralen Sicherheitsverwaltung. Eine schöne Frau in schwarz und ein Mann, der nicht so schön war, auch nicht mehr neu, aber schick, ultraschick, von der handkolorierten Hawaikrawatte aus Naturleinen bis zu den Plateausohlen mit Franzen. Umwerfend. Den Mann kannte ich nicht, die Frau um so besser.

    Judith: Sie bleiben, Brock.

    Brock: OK, Frau Delgado.

    Judith: Hallo, Jonas.

    Jonas: Du siehst gut aus, Judith.

    Judith: Was man von dir nicht sagen kann, deine neue Beziehung äh, Jolanda Nix, scheint dir nicht zu bekommen.

    Jonas: Die Sicherheitsverwaltung weiß alles. Wer ist der letzte Schrei?

    Judith: Bitte wer?

    Jonas: Der Dressman, wie heißt er, was will er.

    Judith: Vorsicht, Jonas, der Herr neben mir ist Sicherheitsdirektor Mustermann.

    Jonas: Der Chef der DroPo? Den hab ich mir anders vorgestellt.

    Mustermann: Sie hab ich mir auch anders vorgestellt, Herr Jonas, vor allem jünger. Sie sind doch mindestens 40.

    Judith: Er ist 44, aber gut in Schuß für sein Alter.

    Jonas: Sie mußte es wissen. Judith Delgado, Sicherheitsrätin, Hauptabteilungs-leiterin in der zentralen Sicherheitsverwaltung und zwei Jahre lang mit Jonas liiert. Bis sich herausstellte, daß sie auch im Privatleben Polizistin war, Polizistin mit Leib und Seele, ohne Rücksicht auf Verluste. Vor einem halben Jahr hatten wir uns getrennt auf dem Bohrschiff Ägir in der Straße von Dover, am 20. Mai 2011.

    Jonas: Und jetzt hast du es nicht mehr ausgehalten, du hast Brock losgeschickt, um mich kidnappen zu lassen. Rührend.

    Judith: Du bist doch immer noch der alte aufgeblasene arrogante...

    Mustermann: Bitte, Frau Delgado, ich übernehme das weitere. Sie sind nicht gekidnappt worden, Herr Jonas, und schon gar nicht aus irgendwelchen obskuren privaten Motiven, wie Sie sie Frau Sicherheitsrätin Delgado anscheinend unterstellen. Wir, das heißt die zentrale Sicherheitsverwaltung und die Drogenpolizei, ja, und die Kripo natürlich, wir haben eine Einladung an Sie ausgesprochen, Herr Jonas, und Sie sind dieser unserer Einladung gefolgt, eine offizielle Einladung zu einer umfassenden Erörterung eines gewissen gravierenden Problems in offener sachlicher Atmosphäre mit dem Ziel, einer für beide Seiten nutzbringenden Kooperation, und insofern...

    Jonas: Was Sie reden, Herr Mustermann, ist fast so schön wie das, was Sie anhaben, ich könnte Ihnen stundenlang zuhören, abends, vorm Einschlafen, aber jetzt hab ich keine Lust. Kommen Sie zur Sache, Sie wollen doch was von Jonas. Worum geht’s?

    Mustermann: Kurz gesagt um Eritroxilum Novograntense.

    Jonas: Ach was. Und was ist das, wenn’s vom hohen Stuhl runtersteigt.

    Brock: Schnee, Jonas, Flakes, Stardes, Candy.

    Jonas: Charlie. Coke. Koks. Kokain. Beliebt, begehrt, verboten, und eins von vielen Problemen der Drogenpolizei, bis es vor ein paar Monaten das Problem wurde. Plötzlich vervielfachte sich die Menge, die nach Europa rollte, es gab eine neue Connection. Auf unserer Seite Babylon und Babelshaven, am anderen Ende...

    Mustermann: Costaguana. Ein lateinamerikanischer Staat, der Ihnen, Herr Jonas, nicht gänzlich unbekannt sein dürfte. Nach meinen Informationen sollen Sie dort gewisse einschlägige Erfahrungen gemacht haben.

    Jonas: Einschlägig. Das treffende Wort. Sie hätten mich fast umgebracht in Costaguana und zu Ersatzteilen verarbeitet. Fall Schlachthaus vor 3 Jahren. Ich dachte gar nicht gern daran zurück. Erstens weil es eine besonders schlimme Geschichte gewesen war, und zweitens, wegen Judith.

    Jonas: Damals bist du zur Sicherheitsverwaltung gegangen, Judith.

    Judith: Und wir hatten den ersten großen Krach.

    Mustermann: Frau Delgado, Herr Jonas, wenn Sie freundlicherweise ihre privaten Reminiszenzen abschließen und mich fortfahren lassen könnten.

    Judith: Bitte.

    Mustermann: Ich danke ihnen. Sehen Sie, Herr Jonas, der Dreh- und Angelpunkt unseres Problems liegt darin, daß uns der Importeur des Kokains durchaus bekannt ist. Es handelt sich um Senior, wie heißt er gleich?

    Judith: Hugo Moreno devereo Iparedes.

    Mustermann: Ja sehr richtig. Eine interessante Persönlichkeit, Herr Jonas, sein Vater ist der Innenminister von Costaguana, und außerdem einer der bedeutendsten Kokabarone der westlichen Hemisphäre, und er selbst ist zufällig der für Babylon zuständige Generalkonsul von Costaguana. Das bedeutet, uns sind die Hände gebunden.

    Jonas: Diplomatische Immunität, meinen Sie, aber da läßt sich doch was machen. Sie gehen mit ihrem Material zum Außenministerium, und das schmeißt den Kerl raus, als unbeliebte Person oder wie das heißt.

    Mustermann: Persona non Grata. Es ist unmöglich, Herr Jonas, es ist völlig unmöglich. Erklären Sie es ihm, Frau Delgado.

    Judith: Zwei Gründe, Jonas. a) Wir sind mit Costaguana verbündet.

    Mustermann: Eng verbündet. In der europäisch-amerikanischen Allianz.

    Judith: b) und das ist der wichtigere Grund, wir sind auf Costaguana angewiesen. Warum, das solltest du am besten wissen, Jonas.

    Jonas: Der schwarze Organmarkt.

    Judith: Natürlich.

    Jonas: Die Polizei nimmt Rücksicht auf illegale Aktivitäten.

    Mustermann: Seien Sie doch nicht naiv, Herr Jonas, Sie wissen doch selbst, ohne Transplantationsmaterial aus weniger entwickelten Ländern würde die medizinische Versorgung unserer Bürger zusammenbrechen. Costaguana ist unsere wichtigste Bezugsquelle für Organe, die Lieferungen laufen über das hiesige Generalkonsulat. Und deshalb, Herr Jonas...

    Jonas: Müssen sie Däumchen drehen und alle Augen zudrücken, wenn seine Exzellenz nicht nur mit Ersatzteilen dealt, sondern auch mit Kokain.

    Mustermann: Lassen Sie mich so sagen, Herr Jonas, alle staatlichen Organe sind gehalten, keinesfalls etwas zu unternehmen, wodurch die guten Beziehungen Europas zu Costaguana auch nur atmosphärisch getrübt werden könnten.

    Jonas: Soweit so klar. Aber warum erzählen Sie mir das alles?

    Mustermann: Nun, Herr Jonas, unter dem Kennwort Schneewittchen hat die Zentrale Sicherheitsverwaltung einen Plan erstellt, einen Plan, Herr Jonas, dem ich wegen seines ungewöhnlichen ja unorthodoxen Ansatzpunktes wegen mich erst nach ausgiebiger Prüfung und mit erheblichen Bedenken zuzustimmen in der Lage sah. Da wir den Kokainimport nicht offiziell unterbinden können, haben wir vor, mit dieser Aufgabe eine quasi inoffizielle Person zu betrauen, eine Person, die nicht der Polizei angehört, eine Person, die über einschlägige Erfahrungen und Fähigkeiten verfügt.

    Jonas: Alles klar, Herr Mustermann, den Rest ihrer schönen Rede können Sie sich sparen. Nein. Nein.

    Jonas: Und noch mal nein. Jonas hat zwar was gegen Großdealer in Drogen, aber das heißt noch lange nicht, daß Jonas der Polizei die Dreckarbeit abnimmt. Jonas ist kein Killer.

    Mustermann: Aber Herr Jonas, ich bitte Sie, davon kann überhaupt nicht die Rede sein. Sie sollen den Generalkonsul lediglich stoppen, ihn ausschalten, ihn dazu bringen, die Connection aufzugeben und Europa zu verlassen. Wie Sie das machen, ist Ihre Sache, setzen Sie den Mann unter Druck, drohen Sie ihm.

    Brock: Brechen Sie ihm ein Bein.

    Mustermann: Kurz, denken Sie sich was aus.

    Jonas: Immer noch nein.

    Mustermann: Selbstverständlich sind wir bereit, Ihnen ein äußerst großzügiges Honorar zukommen zu lassen.

    Jonas: Nein.

    Brock: Dumm von Ihnen, Jonas, wir können auch anders. Ihnen die Lizenz abnehmen zum Beispiel, oder wir sperren Sie ein und vergessen Sie in der Zelle. Grund wird sich schon finden. Wir machen Ihnen nur noch Ärger. Tag und Nacht. Darauf können Sie sich verlassen.

    Jonas: Zuckerbrot und Peitsche, die bewährte alte Taktik. Mit mir nicht. Nein.

    Judith: Geben Sie’s auf, meine Herren, Jonas ist stur, ich kenn ihn. Sie wissen, ich hatte von Anfang an Bedenken, ihn mit der Aufgabe zu betrauen, Sie hatten ja Einblick in sein Psychogramm, Herr Sicherheitsdirektor, emotional instabil, für kompliziertere Aktionen kaum geeignet. Ich will nicht bestreiten, daß Jonas ganz tüchtig ist auf seine Art, aber Unternehmen Schneewittchen dürfte für ihn doch ein paar Nummern zu groß sein.

    Jonas: Meinst du, Judith?

    Judith: Ja, ich weiß, du hältst dich für einen Supermann, für Humphrey Bogart und Philip Marlowe in einer Person, aber wer bist du denn schon, Jonas, nur Jonas, der letzte Detektiv.

    Jonas: Und der beste. Ich übernehme den Auftrag, Herr Mustermann, und wissen Sie, warum? Weil sie was dagegen hat.

    Judith: Das war’s, Herr Mustermann, wir haben ihn. Jonas hat Ja gesagt, und wenn Jonas ja gesagt hat, dann bleibt er dabei. Nicht wahr, Jonas?

    Jonas: Du hast mich ausgetrickst, Judith. Das Honorar, Herr Mustermann, wieviel?

    Mustermann: Soweit ich informiert bin, beläuft sich ihr üblicher Tarif auf 90 Euros pro Tag.

    Jonas: 100 und Spesen, aber das können Sie gleich vergessen, dafür nicht.

    Mustermann: Versteht sich, Herr Jonas, sagen wir pauschal 2000 Euros, aus unserem Sonderfond für freie Mitarbeiter. Sind Sie zufrieden?

    Jonas: Wenn die Sache nicht zulange dauert.

    Mustermann: Das liegt bei Ihnen, Herr Jonas, wir werden Ihnen selbstverständlich jede Hilfe zukommen lassen, die mit ihrem inoffiziellen Status vereinbar ist.

    Jonas: Selbstverständlich, und wenn was schiefging, würden sie mich voll auflaufen lassen, offiziell und inoffiziell, aber für 2000 Euros konnte man schon was riskieren, besonders an einem toten grauen Tag, an dem sonst nichts passierte.

    Mustermann: Wir werden Ihnen einen Mikromonitor implantieren lassen, Herr Jonas, damit wir über alle ihre Bewegungen im Bilde sind, Sie werden sich ständig in bestmöglicher Obhut befinden, denn ich, Herr Jonas, ich, Sicherheitsdirektor Kaspar Mustermann, werde persönlich Leitung und Koordination von Unternehmen Schneewittchen in die Hand nehmen.

    Jonas: Da bin ich von Glück aber ganz außer mir, Herr Mustermann, haben Sie sich schon überlegt, wie ich am besten an diesen Hugo Moreno rankomme?

    Mustermann: Wir stellen was auf die Beine, hier in Babylon.

    Jonas: Nicht in Babelshafen?

    Judith: Der Herr Generalkonsul hält sich nur selten in seiner Dienststelle auf, er hat andere Interessen.

    Brock: Im Colloseum. Da ist er Stammgast.

    Jonas: Ein Sportfan?

    Judith: Ja, aber nicht im üblichen Sinn. Aus Tracktorturnieren und Rollerball macht er sich nichts. Er liebt es exklusiver. Rollstuhlrugby, Zwergenwerfen.

    Brock: Und MC. Vor allem MC.

    Jonas: MC. Mortal Combat. Kampf bis zum Tode. Im Colloseum von Babylon gibt’s alles. Rollerball für die Massen im großen Stadium, und in den Separees hochfeinen Mord und Totschlag für die Schicken und Reichen mit dem exquisiten Geschmack.

    Wie gesagt, wir sind dabei, etwas zu arrangieren, Herr Jonas, eine Gelegenheit für Sie, mit Moreno Bekanntschaft zu schließen. Die Details erfahren Sie morgen.

    Jonas: Wann morgen und wo?

    Mustermann: Wir werden Sie zu finden wissen, Herr Jonas.

    Jonas: Es war Judith, die mich am nächsten Vormittag fand, im Casablanca, in meiner Nische, vor meinem Whisky, mit meinen Gedanken.

    Judith: Bist du allein, Jonas?

    Jonas: Kein Stück, siehst du nicht, Sam ist hier. Sag Judith guten Tag, Sam.

    Sam: Küß die Hand, schöne Frau, ihre Augen sind so blau.

    Judith: Aber Sammy, das sind ja ganz ungewöhnte Töne, wann hast du denn deine große Liebe zu mir entdeckt?

    Sam: Seit mein Lord nicht mehr auf Milady bezogen ist.

    Judith: Brauchst du nicht mehr eifersüchtig zu sein, Sammy, ach, ich bin gerührt.

    Jonas: Du bist doch nicht hier, um mit meinem Computer zu turteln, Judith, was ist mit Schneewittchen, seid ihr soweit?

    Judith: Alles klar, Jonas, hör zu.

    Jonas: Die Sicherheitsverwaltung hatte sich Mühe gegeben, es war kein schlechter Plan, bißchen kompliziert vielleicht und ziemlich riskant, aber nicht für Jonas, oder?

    Judith: Laß es dir sagen, Jonas, das ganze Unternehmen ist gefährlich, viel gefährlicher, als du glaubst. Sei vorsichtig.

    Jonas: Du machst dir Sorgen um mich?

    Judith: Ich... ich könnte dir Zugang zu unserer geheimen Kontroll- und Kommando-linie verschaffen, über Sam.

    Jonas: Jonas nimmt nichts geschenkt, Judith, von dir schon gar nicht. Was ist mit dem Monitor?

    Judith: Hier.

    Jonas: Ein Ring? Ich dachte, ihr wolltet mir was implantieren.

    Judith: Nein, so ist es besser, Jonas, noch was, seit der Schlachthausgeschichte kennt man in Costaguana deinen Namen, du solltest ihn ändern, und Jonas, paß auf dich auf.

    Jonas: Drei Stunden später, im Colloseum, griechisch-römische Sektion, eine kleine Arena, am Rand ein gemütliches Ambiente, ein paar Tische, ein paar Drinks, ein paar Sessel, ein paar Leute, ganz vorne auf dem besten Platz Hugo Moreno etc. etc. flankiert von einer kleinen Japanerin mit großer Sonnenbrille und von Jonas. In der Arena hackten zwei kurios kostümierte Kerle lustlos aufeinander ein.

    Moreno: Caramba, was für ein müder Kampf, 10 Minuten und noch kein Tropfen Blut.

    Jonas: Zum Einschlafen.

    Moreno: Sie sagen es, Senior, unter allem Niveau.

    Jonas: Der Typ mit dem Spieß und dem Netz ist wirklich außer Form.

    Moreno: Der Retiarius? Viel zu fett. Und der Secutor hat noch Plattfüße.

    Jonas: Kein Wunder. Die beiden waren keine echten Gladiatoren, sondern Freunde und Helfer in geheimer Mission. Genau um 2 Uhr hatten sie einen Sonderauftrag durchzuführen. Jetzt war es 1 Minute vor 2.

    Moreno: Ich möchte wissen, wer diese zwei miesen Säcke eingekauft hat. Ausschuß. Für Provinz zu schlecht. Und das in Babylon. Sagen Sie selbst, Senior.

    Jonas: Achtung! Plötzlich wurden die müden Krieger ausgesprochen munter. Sie hörten auf, sich zu beharken und stürmten auf meinen Nachbarn los. Es sah mörderisch aus, und das sollte es auch. Ich stellte mich vor Moreno. Es ging alles sehr schnell, der erste kriegte einen Tritt in den Bauch, einen Schlag gegen die rechte Hand, ließ Schwert und Schild fallen und verschwand durch eine Seitentür. Soweit alles programmgemäß. Ich drehte mich um und wollte mich um Pseudo-attentäter Nummer 2 kümmern, das war nicht mehr nötig, er lag am Boden, sein Hals war ein klaffender roter Schlitz von einem Ohr zum anderen, über ihm stand die kleine Japanerin, sie wischte ihre implantierten Rasiermesser ab, ehe sie sie unter die Fingernägel zurückschnappen ließ. Moreno hatte sich nicht vom Platz gerührt.

    Moreno: Na bitte, ist ja doch noch ganz interessant geworden. Ich habe ihnen zu danken, Senior, obwohl ihr Eingreifen unnötig war, meine Ninja hätte beide erledigt, mit der linken Hand.

    Jonas: Ninja?

    Moreno: Ja, meine kleine menschliche Kampfmaschine, ich habe sie in Tokio gekauft, das beste, was derzeit in Punkto Bodyguard auf dem Markt ist. Danke, Seionara. So nenne ich sie. Symbolisch. Sie verstehen. Setz dich.

    Ninja: Hei!

    Moreno: Sie sollten sie mal im Duell mit einem Robokiller sehen, Senior, Suplik. Trinken Sie was mit mir. Bedienung. Wie heißen Sie?

    Jonas: Jo... Jogi. Jodokus Jogi.

    Moreno: Angenehm. Go Moreno derivera Iparedes.

    Jonas: Spanier?

    Moreno: Südamerikaner. Ich bin der Generalkonsul von Costaguana.

    Jonas: Da muß ich wohl Exzellenz zu Ihnen sagen.

    Die Herrschaften wünschen?

    Moreno: Bitte keine Formalitäten, nennen Sie mich schlicht Senior Moreno.

    Die Herrschaften wünschen?

    Moreno: Was trinken Sie, Senior Jogy?

    Jonas: Whisky, Scotch, kein Wasser, kein Soda, kein Eis.

    Moreno: Cubalibre, und für sie da ein Peri. Erzählen Sie mir etwas über sich, Senior Jogy, wer sind Sie?

    Jonas: Ich bin Exsöldner, sagte Jonas, das war nicht gelogen. Ich mache dies und jenes, alles mögliche, was sich bietet, und auch das stimmte mehr oder weniger.

    Moreno: Ein Glücksritter. Saluti!

    Jonas: Ihr Wohl, Senior Moreno, man sieht zu, wie man durchkommt.

    Moreno: Und hält sich dabei, wie ich vermute, nicht immer streng an die Paragraphen kleinkarierter Gesetze, hab ich recht?

    Jonas: Das kann ich mir nicht leisten, Senior Moreno, und ehrlich gesagt, das liegt mir auch nicht.

    Moreno: Wissen Sie, Jogy, ich hätte vielleicht was für Sie, das heißt, wenn Sie frei sind.

    Jonas: Ich hab im Moment nichts besonderes vor, Senior Moreno.

    Moreno: Bueno. Trinken Sie aus und kommen Sie mit.

    Jonas: Schneewittchen lief gut, besser als erwartet, fast ein bißchen zu gut. Jonas dachte an Judiths Warnung und nahm sich vor, ganz besonders vorsichtig zu sein.

    Jonas: Morenos Privat-Helikopter brachte uns nach Babelshaven, zum Generalkonsulat, dachte ich, aber da dachte ich falsch, unser Ziel war der Hafen, genauer das Lagerhaus der Costaguana Ex- und Import, noch genauer, ein Büro, klein, bescheiden eingerichtet, aber elektronisch abgeschottet wie der Goldspeicher von Fort Knox, an der Innenwand ein Safe, eine mächtige Stahltür, ein dick verglastes Fenster, dahinter ein Kühlraum voll mit vereisten Containern.

    Moreno: Organe, Yogi, menschliche Organe, Herzen, Lungen, Nieren, zentnerweise, für Ihren schwarzen Markt.

    Jonas: Ich weiß, Senior Moreno.

    Moreno: So, Sie wissen, ah. Aber alles wissen Sie nicht. Unser Kühlschiff, die El Dorado, bringt nämlich außer Ersatzteilen noch was nach Babelshaven. Seionara, mach den Safe auf.

    Ninja: Hei.

    Moreno: Was ist das, Jogi? Na?

    Jonas: Sieht aus wie Zucker.

    Moreno: Haha. Zucker. Haha.

    Jonas: Aber es ist kein Zucker.

    Moreno: Sehr gut.

    Jonas: Schnee.

    Moreno: Kokain. Laparika, wie wir in Costaguana sagen, Sie kennen sich aus, Yogi. Hätten Sie Lust, in Nartotrafico zu arbeiten?

    Jonas: Er war voller Vertrauen und so offen wie das bekannte Scheunentor, aber Jonas war nicht der dazugehörige Ochse. Ich hatte mehr und mehr das Gefühl, hinter der Tür lauerte eine Überraschung. Keine angenehme.

    Moreno: Treten Sie näher, Jogy, wenn Sie bei uns mitmachen wollen, müssen Sie sich überall gut auskennen, auch im Kühlraum.

    Jonas: Ein andermal, Senior Moreno, wenn ich meinen Pelz dabei habe und eine Flasche Whisky.

    Moreno: Ach zieren Sie sich nicht, mein lieber Yogi, oder soll ich sagen, mein lieber Jonas. Seiorana!

    Ninja: Hei.

    Jonas: Ich war sofort in Kampfstellung gegangen, aber gegen Morenos japanische Mörderbiene hatte ich keine Chance, nicht weil Sie besser war, weil ich lahmgelegt wurde, ein unerträglicher Schmerz explodierte plötzlich in meiner rechten Hand, schoß durch den ganzen Körper, Jonas fiel um, konnte kein Glied rühren, wußte ein paar Sekunden lang nicht, wie ihm geschah. Als ich wieder in und bei mir war, lag ich auf Eis, buchstäblich, die Tür war zugeschlagen und verschlossen, Moreno grinste durchs Fenster und drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage.

    Moreno: Wie gefällt es Ihnen in Sibirien, Jonas? Minus 30 Grad. Nicht ein bißchen zu kalt für Sie, wo Sie doch Ihren Pelz nicht bei sich haben. Wie lange werden Sie es wohl aushalten? Schade, daß ich nicht bis zum bitteren Ende bei Ihnen sein kann. Ich muß nach Babylon, die Pflicht ruft, irgend so eine langweilige Ausstellungseröffnung im Haus der iberoamerikanischen Kultur. Äh, Sie entschuldigen mich. Seionara?

    Ninja: Hei!

    Moreno: Du wartest hier, bis er erfroren ist und kommst dann nach, mit dem kleinen Firmenhelikopter.

    Ninja: Hei.

    Jonas: Kennen Sie die Geschichte vom nackten Eskimo, der vor seinem Iglu stand und den Schlüssel verloren hatte? Jetzt konnte ich mir vorstellen, wie dem armen Schwein zumute war, aber bibbern und zähneklappernd brachte mich nicht weiter. Nachdenken hieß die Parole. Nachdenken, bevor die kleinen grauen Zellen ganz einfroren. Zum Glück hatte ich einen Denkpartner in der Tasche, einem, dem die Kälte nichts ausmachte.

    Sam: Und somit, meine Damen und Herren, hochverehrte Festversammlung, hätten wir es mal wieder mal empirisch bestätigt gefunden, das biologische Hirn ist dem elektronischen hoffnungslos unterlegen. Jawoll. Aber dennoch und nichts desto trotz, bei Mamertus, Pankratius, Servatius und... da war doch noch was.

    Jonas: Die kalte Sophie.

    Sam: Die kalte Sophie. Na, von mir aus auch die. Bei allen Eisheiligen. Sam bibbert mit. Aus Solidarität. Jawoll. Bibber. Bibber. Bibber.

    Jonas: Nett von dir, Sammy, aber tu’s, tu’s bitte leise, am besten nur im Geiste. Ich habe dich nicht zum bibbern angeschaltet, sondern zum Überlegen.

    Sam: Denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Woraus Exzellenzen, Eminenzen und sonstige Honoratioren, woraus neuerlich erhellt.

    Jonas: Jajaja, wenn ich hier erfriere, und das ist bald soweit, hast du dir schon mal überlegt, was dann aus dir wird? Du wirst verschrottet, du kommst auf den Müll oder noch schlimmer, du wirst umprogrammiert zum Helfershelfer von Verbrechern, zum Kriminellencomputer.

    Sam: Igitt, Kumpel, du redest zu viel. An die Arbeit, Besen. Problem Nr. 1:

    Jonas: Wie kommen wir hier raus.

    Sam: Falsch. Merke: Nur wer die Vergangenheit bewältigt, wird die Zukunft meistern. Ein Tusch, Herr Kapellmeister. Ergo Frage. Was ist passiert? Mein Herr und Meister wurde außer Gefecht gesetzt, hinterlistigerweise.

    Jonas: Durch einen starken Stromschlag.

    Sam: Haha bzw. oho wie und wo wurde euer Leitfähigkeit besagter Schlag appliziert?

    Jonas: Rechte Hand, Ringfinger. Ring? Der Ring, Sammy, der Monitor von der Sicherheitsverwaltung.

    Sam: Ein Stromschlag durch den Monitor genau im passenden, will sagen unpassenden Moment. Hehe, ist es nicht komisch.

    Jonas: Sagen wir merkwürdig, Sam, und weißt du, was ich auch merkwürdig finde, Moreno weiß, wer ich bin, man hat ihn informiert.

    Sam: Kurios und extraordinär, Herr Aktuarius, so lasset uns grübeln, welch Schluß daraus zu ziehen...

    Jonas: Draußen, Sammy, in der Wärme, und wie wir da hinkommen, darüber machst du dir Gedanken, dienstlicher Befehl, aller erste Priorität.

    Sam: Yes Sir. Die Tür.

    Jonas: Elektronisch verriegelt.

    Sam: Na und kein Problem für Sam.

    Jonas: Sag bloß, du kennst den Code.

    Sam: Aber immer.

    Jonas: Woher?

    Sam: Ja, das ist nicht leicht zu erklären, sagen wir mal, da gibt es so einen netten kleinen Computer bei der Hafenverwaltung, man kennt sich flüchtig, steht auf Grüßfuß sozusagen.

    Jonas: Sam, gib’s zu, du hast den Code von Judith.

    Sam: Und wenn, einem geschenkten Code kuckt man nicht in die Diode. Hehe. Oder sonst wo hin.

    Jonas: Da hast du auch wieder recht, also mach auf.

    Sam: Gemach, Milord und zügelt euern Fürwitz, erinnert euch: der Türe andere Seite wird behütet.

    Jonas: Richtig, die Ninja, dann muß Jonas wohl in die zweite Runde, ehrlicher Kampf Mann gegen Mann äh Frau.

    Sam: Mann gegen Kampfmaschine, so sieht’s aus ganz abgesehen vom Handikap des blitzeschleudernden Monitors.

    Jonas: Gut daß du mich erinnerst, Sammy, runter von dem Finger mit dem Ring.

    Sam: Und abermals gemacht. Klar, Chef, bloß weg mit dem Dreck, aber nicht mit Schwung und großer Geste, nein, leise, langsam, vorsichtig, auf daß die draußen es nicht merke.

    Jonas: Verstehe Sammy, du machst die Tür auf.

    Sam: Mein Meister tritt herfür.

    Jonas: Die Ninja greift an.

    Sam: Und Jonas, der Listenreiche tut folgendes.

    Jonas: Es klappte wie am Schnürchen. Seionara ließ ihren Laserstrahler im Gürtel stecken und fuhr die Messerchen aus, Jonas stöhnte auf, krümmte sich, fiel um, blieb liegen, aber als die Ninja sich über mich beugte, um mir nach allen Regeln der Kunst den Hals aufzuschlitzen, da war ich auf einmal wieder voll da. Ich zog ihr die Beine weg, noch im Stolpern fuhr sie die Fingermesser ein und griff zum Laser, das kostete Zeit, nicht viel, Sekundenbruchteile, aber die fehlten ihr. Ich drückte ihr die Daumen hinters Ohr, auch Ninjas haben Nerven, Seionara zuckte, dann war sie still. Ich nahm ihr den Laser weg.

    Sam: Ist sie tot, die mandeläugige Schöne?

    Jonas: Weiß ich nicht. Ist mir auch egal. Ab in den Kühlschrank. Sicher ist sicher. Seionara, Seionara.

    Sam: Amateurin. Hätte sie gleich den Laser gezogen, wäre unser Trick mit dem vorgetäuschten Stromstoß mittels des nicht mehr am Finger befindlichen Ringes gewaltig ins Auge gegangen, na ja, oder in die Hose.

    Jonas: Und ihr Chef, hätte der mich gleich umlegen und nicht erst in den Kühlraum sperren lassen.

    Sam: Ein Amateur auch er, und mit so was müssen wir uns abgeben, wir, Sam und Jonas, zwei echte Profis, die direkt auf ihr Ziel losmarschieren, eiskalt, lupenrein geradewegs und Schulter an Schulter.

    Jonas: Nicht ganz leicht, Sam, wenn du in meiner Hosentasche steckst.

    Sam: Auf nach Babylon.

    Jonas: Mit dem kleinen Firmenhelikopter.

    Sam: Auf den Spuren seiner Exzellenz.

    Jonas: Die Ausstellung bestand aus hunderten von kleinen runden Holzköpfen mit langen Nasen und abstehenden Ohren, in Glaskästen an den Wänden des Saals, in der Mitte viele Stühle und wenig Leute, der harte Kulturkern, der überall hingeht, davor ein Podium, darauf seine Exzellenz der Herr Generalkonsul von Costaguana mitten in seiner Eröffnungsrede, voll im rhetorischen Schwung, bis er einen unerwarteten Nachzügler in der Tür auftauchen sah.

    Moreno: Was, meine Damen und Herren, sind sie denn wirklich, diese von den Indios meiner Heimat in mühseliger Handarbeit geschaffenen rustikalen Holzskulpturen, die ihrem europäischen Auge auf den ersten Blick exotisch, bizarr, ja krude erscheinen mögen, doch nichts anderes, meine Damen und Herren, als die künstlerisch tiefempfundene Spiegelung der Seele des costaguanesischen Volkes. Lassen Sie mich, bevor ich Ihnen die verborgenen Schönheiten der Exponate im Einzelnen erläutere...

    Jonas: Senior Moreno!

    Moreno: Äh, erläutere, ja, wie gesagt, lassen Sie mich meine Ausführungen beschließen, ich danke ihnen.

    Jonas: Weg war er. Durch eine Hintertür neben dem Podium. Jonas natürlich hinterher. Ein schmales Treppenhaus. Morenos Schritte führten nicht nach oben zum Helikopterdeck, sie führten nach unten in den Keller. Seltsam. Und im Keller verschwanden sie in einem kleinen Raum, einem Raum mit kahlen Wänden und einer massiven Tür, die zufiel, gerade als ich auftauchte.

    Sam: Wieder eine Runde für Senior Moreno. Well, never mind. Der Vogel, der zuletzt lacht, fängt den Wurm. Im tiefen Keller sitz ich hier...

    Jonas: Ist das alles, was du beizutragen hast, Sammy, und wenn du schon singen mußt, dann bitte was anderes, was aus Orpheus zum Beispiel.

    Sam: Befehlen Herr Generalmusikdirektor Gluck oder Monteverdi oder gar Offenbach? Und warum gerade Orpheus?

    Jonas: Weil wir anscheinend wieder mal in der Unterwelt gelandet sind, weißt du noch, die Schmiergeldaffäre?

    Sam: Ohohoh. Si tacuisses, setzen Schüler Jonas, klassische Bildung mangelhaft, falscher Mythos, nicht Orpheus in der Unterwelt, sondern, na...

    Jonas: Jetzt sah ich das Zeichen über der Tür, drei schwarze Speichen im gelben Kreis, und ich wußte: Hier ging’s ins Labyrinth, in das weitläufige System von Schutzbunkern unter den besseren Vierteln von Babylon, wo Behörden und Firmenzentralen liegen, eine Anlage aus dem späten 20. Jahrhundert, aus der Zeit des kalten Kriegs und der Atomkraftwerke. Inzwischen war sie ein bißchen in Vergessenheit geraten, aber sie war noch gut in Schuß, intakt und voll funktionsfähig. Für alle Fälle. Sie könnte ja noch gebraucht werden, später, wenn wir mit unseren inneren Problemen fertig geworden sind, und wieder Zeit haben, an Krieg zu denken und wenn wir die große Katastrophe der Grauzone endgültig verdrängt haben. Zugänge zum Labyrinth gab es unter allen offiziellen und wichtigen Gebäuden, aber nicht für jeden und nicht ohne weiteres. Theseus brauchte einen Ariadnefaden.

    Sam: Und hier, o du mein Heros und Halbgott, ist er auch schon, der Faden der Ariadne. Sein Name lautet Samuel. Oder kurz Sam.

    Jonas: Du, Sammy, haha.

    Sam: Was gibt’s denn da zu lachen?

    Jonas: Weißt du, ich finde, das paßt: ewig lang und schrecklich dünn, wie der Fluß deiner Rede. Also dann spul dich auf oder was ein Faden so macht. Na los, Sam.

    Sam: Sam ist beleidigt und gekränkt, ganz ganz tief. Verletzt. Verhöhnt. Verschimpft und verunglimpft. Geschmäht und geschändet. Sir, geben Sie Genugtuung.

    Jonas: OK, Sammy, schick mir bei Gelegenheit einen Sekundanten, lange Säbel auf kurze Distanz oder wie auch immer, aber jetzt tust du deine Arbeit, die Tür hat ein Audioschloß und wir brauchen das richtige akustische Signal.

    Sam: Codewort.

    Jonas: Und das kennst du?

    Sam: Kann sein.

    Jonas: Von Judith.

    Sam: Kann sein.

    Jonas: Geh mir nicht auf die Nerven. Wie heißt das Sesam öffne dich?

    Sam: Supergau.

    Jonas: Hinter einer Luftschleuse eine kurze Treppe, die unten auf ein Rondell mündete, Durchmesser etwa 10 Meter, in alle Richtungen gingen Korridore wie Strahlen von einem Stern, sie waren knapp 2einhalb Meter hoch, sauber, hell, die Luft war gut, kaum abgestanden.

    Sam: Zweiter Gang rechts.

    Jonas: Bist du sicher, Sam, ich hör nichts.

    Sam: Natürlich nicht. Erstens ist Moreno schon weit weg, zweitens hat er einen anderen Gang frequentiert, den vierten von rechts.

    Jonas: Woher willst du das wissen?

    Sam: Sensoren in den Wänden. Ihre Daten sind für Sam zugänglich und abrufbar.

    Jonas: So, und warum gehen wir dann nicht auch in den 4. Gang rechts, direkt hinter dem Kerl her?

    Sam: Weil wir erstens wissen, wohin er geht, und ihm zweitens zuvorzukommen wünschen.

    Jonas: Jetzt versteh ich gar nichts mehr.

    Sam: Kein Kommentar, zweiter Gang rechts.

    Jonas: Von mir aus, Sam, aber warum gerade der und kein anderer?

    Sam: Sam sagt es ganz langsam und deutlich zum Mitschreiben. In diesem Gang nach 100 Metern Nische in Wand, in Nische E-Velo, Jonas auf E-Velo, Jonas fährt. Taff Taff. Sam sagt Weg. Kapito? Moreno erreicht Ziel, aber Jonas haha... schon da.

    Jonas: Hurra, aber verstehen tu ich immer noch nichts. Woher weißt du das alles, Sammy. Zum Beispiel, wo Moreno hin will. Apropos wo will er eigentlich hin?

    Sam: Zum Gebäude der zentralen Sicherheitsverwaltung, und dort, o Wonne meiner Seele, wird sich der Knoten lösen und alles alles wird in hellstes Licht getaucht. Amen.

    Jonas: 20 Minuten später waren wir unter der Sicherheitszentrale, sagte Sammy. Das gleiche Rondell, die gleichen Gänge, in einem verstaute ich das E-Velo, dann stieg ich die gleiche Treppe hoch, die gleiche abgeschottete Tür, das gleiche Codewort, erst auf der anderen Seite der Tür änderte sich die Landschaft. Ein großes graues Gewölbe, fragmentarisch erhellt durch antike Neonröhren, überall Staub, an der Wand ein Aktenschrank aus der guten alten Vorcomputerzeit, dahinter ließ Jonas sich nieder und wartete, nicht sehr lange.

    Jonas: Boun Verino, Senior Moreno, oder wie der Swinegel sagte: Ick bin oll hier.

    Moreno: Jonas?

    Jonas: In Lebensgröße. Und mit einem Laser. Den hab ich übrigens ihrer Ninja abgenommen.

    Moreno: Wie sind Sie aus dem Kühlraum gekommen und was haben Sie mit Seionara gemacht?

    Moreno: Das spielt doch keine Rolle, lassen Sie die Vergangenheit ruhen, Senior Moreno, konzentrieren Sie sich auf die Gegenwart, und auf die Zukunft, falls Sie eine haben.

    Moreno: Was wollen Sie von mir, Senior Jonas?

    Jonas: Wie wär's mit einem Zweikampf, bis zum Tode. Ehrlich. Fair. Mann gegen Mann, ohne Ninja.

    Moreno: Senior Jonas, um Gotteswillen.

    Jonas: Sie sind nicht einverstanden, Senior Moreno? Das ist aber sehr unsportlich. Sie sind doch Aficionado.

    Moreno: Senior Jonas, ich weiß, Sie haben den Auftrag mich umzubringen. Tun Sie’s nicht. Ich bitte Sie. Ich gehe weg, zurück nach Costaguana, ich komme nie wieder nach Europa. Das versprech ich. Sie wissen ja gar nicht, was gespielt wird, Senior Jonas. Ich sag es ihnen. Ich sage ihnen, wer wirklich hinter der Kokainconnection steckt. Nicht abdrücken, Senior Jonas, bitte.

    Jonas: Moreno kroch im Staub herum und Jonas stand über ihm, groß, überlegen, mit einem Laser und mit der Frage, was mache ich mit dem Kerl. Die Antwort wurde mir abgenommen durch Herrn Sicherheitsdirektor Mustermann, der plötzlich in der Kellertür auftauchte, auch mit einem Laser.

    Mustermann: Das war, wie man so sagt, Rettung in letzter Sekunde.

    Jonas: Rettung?

    Mustermann: Moreno hat Sie doch bedroht oder nicht? Nun wie auch immer, jetzt ist er tot.

    Jonas: Und kann nichts mehr sagen. Würden Sie Ihren Laser bitte nicht gerade auf mich.

    Mustermann: Entschuldigen Sie, Herr Jonas, der Reflex eines alten Sicherheitsbeamten, und da wir gerade von Lasern sprechen, lassen Sie Ihren fallen. Los. Mein unverhoffter Auftritt auf der Bildfläche mag Ihnen ein wenig melodramatisch erscheinen, aber er war notwendig, um einen Versager zu eliminieren, nicht, um ihn am Reden zu hindern. Was Moreno ihn sagen wollte, ist Ihnen vermutlich ohnehin bekannt.

    Jonas: Vermutlich. Sie haben Moreno informiert, Mustermann, über Unternehmen Schneewittchen und über Jonas. Sie haben mich ans Messer geliefert. Sie haben im richtigen Moment dafür gesorgt, daß ich mich nicht wehren konnte, durch Ihren Monitor. Sie haben die Leitung von Schneewittchen nur übernommen, um die Aktion in den Sand zu setzen.

    Mustermann: Sehr richtig, Jonas, und warum habe ich alle dies schauderhaften Untaten begangen?

    Jonas: Moreno hat Sie bezahlt, nehm ich an.

    Mustermann: Oh nein, Jonas, da irren Sie sich, Moreno war mein Partner beim großen Deal, mein Alliierter, aber auch wenn Sie die letzten Hintergründe nicht kennen, mein lieber Jonas, so wissen Sie doch mehr, als für mich gut ist, deshalb kann ich Sie, das werden Sie verstehen, auf gar keinen Fall am Leben lassen. Man wird Ihre Leiche neben der von Moreno... Man wird annehmen, sie hätten sich gegenseitig getötet. Man wird mit Respekt von ihnen sprechen. Man wird sagen, er hat seinen Auftrag ausgeführt, und ist dabei gefallen. Ein Opfer der Pflicht.

    Jonas: Alarmstufe eins, Sam, tu was.

    Sam: Verzage nicht, o Herr und Gebieter, denn siehe, gleich sind sie da.

    Jonas: Wer?

    Sam: Wer? Die 7 Zwerge, du Waldschraz.

    Jonas: Es waren nicht 7 Zwerge, es waren 3. Judith, Chefinspektor Brock und Wachtmeister Quex. Jonas atmete tief durch, und Mustermann war verwirrt. Aber nur einen ganz kurzen Augenblick, dann fühlte er sich wieder als Herr der Situation.

    Mustermann: Was soll das heißen? Warum sind Sie nicht auf ihrem Posten.

    Judith: Wir sind auf unserem Posten.

    Brock: Wir haben Sie, Mustermann, wir haben Sie genau da, wo wir Sie haben wollten.

    Judith: Wir wissen seit einiger Zeit, daß ein höherer Sicherheitsbeamter mit Moreno unter einer Decke stecken mußte.

    Brock: Ein Maulwurf.

    Judith: Und dieser Maulwurf konnten nur Sie sein, Mustermann, das wußten wir. Aber wir hatten keine Beweise.

    Brock: Bis jetzt.

    Judith: Bis wir Unternehmen Schneewittchen geplant und gegen ihren Widerstand durchgesetzt haben.

    Brock: Jonas war unser Versuchskaninchen.

    Judith: Wir standen mit ihm ohne sein Wissen in ständiger Verbindung, nicht über ihren Monitor, Mustermann, über Jonas Computer.

    Sam: Auftrag ausgeführt, Spezialagent Sam meldet sich zurück von geheimer Mission.

    Jonas: Verräter.

    Sam: O, o wie das schmerzt, wo Sam doch stets nichts anderes im Sinne hatte, als seines Jonas Heil und Wohlergehen.

    Judith: Unser Beweismaterial ist komplett, Sie sind überführt, Mustermann.

    Brock: Leisten Sie keinen Widerstand, kommen Sie mit.

    Mustermann: Ich denke nicht daran. Das ist auf ihrem Mist gewachsen, nicht wahr, Sicherheitsrätin Delgado, Sie wissen ja gar nicht, was Sie da angerichtet haben, Sie dumme Kuh, Sie haben sich in einen höchst komplexen politischen Vorgang eingemischt, in eine Materie von übergeordneter internationaler Bedeutung. Über Costaguana läuft die Finanzierung der gesamten Kontergeria in Mittel- und Südamerika. Milliarden, Frau Delgado, und wissen Sie, wo die herkommen, auch aus dem Organmarkt? Das würde nicht reichen, und offiziell können die Vereinigten Staaten von Europa auch nicht viel beisteuern, mangels Masse, obwohl wir politisch an der Sache natürlich größtes Interesse haben.

    Judith: Also Kokain.

    Mustermann: Ganz recht. Wie gesagt, eine Angelegenheit von extremer politischer Brisanz, und ich habe dabei die Belange unserer Regierung zu vertreten und für eine störungsfreie Durchführung des Kokainimportes geradezustehen.

    Brock: Aber die Rauschgiftgesetze?

    Judith: Und die Süchtigen? Die Kranken, die Toten?

    Mustermann: Ach mein Gott, Sie wissen doch, wo gehobelt wird, da fallen, bedauerlicherweise, ist nicht zu ändern, die Politik hat Vorrang.

    Judith: Und ihr Privatkonto in Costaguana. 20 Millionen Euros.

    Mustermann: Eine Lappalie. Das fällt somit ab. Und außerdem geht Sie das nichts an. Die ganze Sache geht Sie nichts an.

    Judith: Das sagen Sie. Sie können uns viel erzählen.

    Mustermann: Fragen Sie nach. Sie, Frau Delgado, kommen Sie, Sie brauchen den Topsecret Code.

    Jonas: Mustermann drückte Judith eine Plastikscheibe in die Hand, damit verschwand sie, nach 10 Minuten war sie wieder da, blaß und offensichtlich mitgenommen.

    Judith: Es stimmt, Brock, Mustermann kriegt seine Anweisungen von ganz oben.

    Brock: Sicherheitspräsident?

    Judith: Viel höher.

    Mustermann: Bitte. Da haben Sie’s. Fangen Sie schon mal an, sich auf das einzustellen, was jetzt auf Sie zukommt. Durch ihren unsinnigen Aktionismus haben Sie irreparablem politischen Schaden angerichtet. Sie haben mich genötigt, eines unserer bestgehüteten Staatsgeheimnisse preiszugeben. Für Sie, Frau Delgado, wird das schwerwiegende personelle Konsequenzen haben, und was die unteren Chargen betrifft, Chefinspektor Brock, den Wachtmeister, und diesen diesen Jonas, da gehen wir, denk ich am besten auf Nummer sicher.

    Jonas: Wir vier waren uns einig. Keiner sagte ein Wort. Es gab nur Blickkontakte. Von Judith zu Brock, von Brock zu mir, von mir zu Quex. Ich stolperte plötzlich gegen Mustermann, schlug ihm dabei den Laser aus der Hand, und im gleichen Moment ging Quex Laser los.

    Brock: Na sowas, Sie haben heute aber einen lockeren Zeigefinger, Quex.

    Quex: Ich kann mir das auch nicht erklären, Herr Chefinspektor.

    Brock: Und der arme Herr Mustermann stand direkt in der Schußlinie. Nichts mehr zu machen. Er ruhe in Frieden.

    Judith: Bereiten Sie gleich eine Pressemitteilung vor, Chefinspektor, Sie wissen ja, durch einen tragischen Unglücksfall verstarb plötzlich und unerwartet der Leiter der Drogenpolizei, Sicherheitsdirektor Kaspar Mustermann, jäh herausgerissen aus einem beispielhaften Leben, das nur der Pflichterfüllung geweiht war, ein Opfer seines Berufes usw.

    Brock: Und so weiter. Wird gemacht, Frau Delgado. Kommen Sie, Quex.

    Judith: Du hast uns sehr geholfen, Jonas.

    Jonas: Ich hab für euch die Kastanien aus dem Feuer geholt. Du hast mich manipuliert, Judith, schon wieder.

    Judith: Es tut mir leid, daß du das so siehst, Jonas, auf jeden Fall danke ich dir. Durch Mustermanns Abtreten ist die Planstelle eines Sicherheitsdirektors freigeworden, und ich weiß, wer die kriegt.

    Jonas: Gratuliere.

    Judith: Ja dann, Jonas, mach’s gut. Ich werde dafür sorgen, daß dir das vereinbarte Honorar überwiesen wird.

    Jonas: Ach, das nehm ich lieber gleich mit. Sicher ist sicher.

    Judith: Wie du willst, Jonas, ich laß es durchgeben, du weißt ja, wo die Kasse ist.

    Jonas: Der alte Kassencomputer im Erdgeschoß ließ sich Zeit. Vielleicht mußte er sich erst wieder an seine Arbeit gewöhnen. Wer läßt sich heutzutage schon sein Geld bar auszahlen.

    Kassencomputer: 2000 Euro mein Herr, brutto. Nach Abzug von allgemeinen und speziellen Gebühren, Steuern, Zuschüssen zu Volksrente, Kranken und Pflege-versicherung, Abgaben und Spesen, verbleiben netto exakt 413 Euros und 1 Cent.

    Jonas: Was?

    Kassencomputer: Exakt 413 Euros und 1 Cent, mein Herr.

    Jonas: Und 1 Cent. Den könnt ihr behalten. Jonas spendet ihn für notleidende höhere Sicherheitsbeamte.

    Kassencomputer: Vielen Dank, mein Herr. Bitte mein Herr, ihre 413 Euros.

    Jonas: Ich nahm sie und machte mich auf die Socken, erstens weil ich rauswollte aus der Sicherheitszentrale, und zweitens, weil ich eine Verabredung hatte. Mit Humphrey Bogart. Vielleicht war die Postkarte noch zu haben.

    Das war Schneewittchen. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas spielte Bodo Primus, sein Super-computer Sam war Peer Augustinski. Judith Delgado: Karin Anselm. Sicherheits-direktor Mustermann: Karl Michael Vogler. Außerdem wirkten mit: Claudius Zimmermann, Edwin Marian, Volker Spahr und Jürgen Rehmann (Alexander Malachovsky, Julia Fischer). Ton und Technik: Günter Heß und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz. Regie: Alexander Malachovsky. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1989). Redaktion Erwin Weigel und Christoph Lindenmeyer.

  • Comment Link Jonas Saturday, 27 September 2025 17:37 posted by Jonas

    Der letzte Detektiv
    Eine Science-Fiction-Krimiserie von Michael Koser
    Heute: Supernova

    Jonas: Es war Montag, der 12. September 2011. Das Datum habe ich mir gemerkt. Man kriegt ja nicht jeden Tag einen Brief von einer Leiche. Montagmorgen. Zeit, die Wochenpost aus der Box zu holen. Den Weg hätte ich mir sparen können, dachte ich, als ich wieder zu Hause war. Das Übliche: Werbung, 2-D, 3-D, holographisch, eine Mahnung der Girozentrale, endlich mein Konto aufzufüllen, widrigenfalls und so weiter. Das übliche.

    Jonas: Papierkorb.

    Sam: O bitte, Exzellenz, nicht Papierkorb. Eine veraltete Vokabel. Altmodisch, abgestanden, altbacken, antiquiert, ach, der moderne Mensch benutzt einen Shredder, und drückt sich entsprechend aus.

    Jonas: OK, Sammy, schmeißen wir das Zeug halt in den Shredder.

    Sam: Könnte eure drognodetische Zurückgebliebenheit doch endlich endlich der Tatsache Rechnung tragen, daß wir uns im 21. Jahrhundert befinden und nicht mehr.

    Jonas: Sei mal einen Moment still, Sammy.

    Sam: Ja.

    Jonas: Hier ist noch was. Ein persönlicher Brief an Jonas. Vorgestern abgestempelt in Babylon.

    Sam: Von wannen wart euch diese Botschaft?

    Jonas: Kein Absender drauf, nur die Adresse. Handschriftlich.

    Sam: Handschriftlich. Altmodisch, abgestanden.

    Jonas: Altbacken, antiquiert, du sagst es, Sammy.

    Sam: Ja.

    Jonas: Was könnte das sein?

    Sam: Dies zu eruieren hat ein genialer Kopf eine todsichere Methode erfunden. Aufmachen.

    Jonas: Was würde ich ohne Sam anfangen. In einer Flut ungeöffneter Briefe ertrinken vermutlich. Mich weniger ärgern und ihn vermissen. Jonas braucht einen Computer, einen schnellen, schlauen, scharfsinnigen Computer. Sam ist schnell, schlau und scharfsinnig, außerdem überdreht, geschwätzig und irre, irreparabel irre. Es gibt viele Computer, aber nur einen Sam.

    Sam: Es zeugte schon immer von besonderem Geschmack, einen besonderen Computer zu besitzen. Ach ja. Was steht in dem Brief?

    Jonas: Unsinn, Sammy. Off 20, 13. Marmota (2-11 04). Was soll das.

    Sam: Eieieieieieiei, Marmota, eure linguistische Minderbemitteltheit, ist die spanische Vokabel für ein gewisses possierliches Pelztierlein, welches im Gebirge haust und sich mit seinen Artgenossen durch Pfeiftöne zu verständigen pflegt. Kurz.

    Jonas: Murmeltier.

    Sam: Ja.

    Jonas: Ich weiß, Sammy, schließlich hab ich ihn selbst so genannt, damals im antarktischen Krieg.

    Sam: Ihn? Wen?

    Jonas: Lobo. Seargent Ramon Lobo, vom neunten Guerilla-Kommando, von der berühmten Einheit, die kurz vor Kriegsende vernichtet wurde von Robokillern auf Feuerland. Es gab nur zwei Überlebende. Jonas, schwer verwundet und Lobo. Der hatte etwas abseits unter einer Tarndecke gelegen und den Kampf verschlafen. Sagte er später. Und Jonas sagte, als er das hörte: Du bist kein Wolf, Lobo, du bist ein Murmeltier, Marmota. Lobo heißt Wolf. Nach dem Krieg ging er zur Europäischen Raumbehörde EURAB und wurde Astronaut.

    Sam: Hätten Herr Militärhistoriograph wohl die unendlich große Güte, das präzise Datum jener ruchlosen Robokillerattacke dem atemlos harrendem Volke, sprich seinem getreuen Sam kundzutun.

    Jonas: Sicher, Sammy. Das war im Herbst 2004, November. 2. November 2004.

    Sam: 2.11.04 oder auch 2-11-04. Na fällt der Groschen du geistige Armenkasse?

    Jonas: 2-11-04. Das steht im Brief.

    Sam: In Klammern. Hinter dem Wort Marmota, welche Tatsache, meine Damen und Herren Geschworenen nur einen Schluß zuläßt, glasklar und messerscharf. Besagter Brief bezieht sich auf Ramon Lobo, Ex-Sergeant und weiland Mitstreiter meines Meisters.

    Jonas: Kein Mensch kennt die alte Lobo-Marmota-Geschichte, nur er und ich, ich habe sie nicht weitererzählt und Lobo sicher auch nicht. Und da ich den Brief nicht geschrieben habe

    Sam: War es Lobo. Logisch.

    Jonas: Aber falsch. Lobo kann den Brief nicht geschrieben haben. Lobo ist tot.

    Sam: Siehe die Offenbarung des Johannes, die da auch genannt wird Apokalypse 20. Kapitel, Vers 13.

    Jonas: Bitte was?

    Sam: Kurz Off 20,13.

    Jonas: Aha, und was steht da, Sammy?

    Sam: Und das Meer gab die Toten, die darin waren und der Tod und die Hölle gaben die Toten, die darin waren und sie wurden gerichtet ein jeglicher nach seinen Werken. Amen.

    Jonas: Und das Meer gab die Toten.

    Sam: Ist eure sklerotische Vergeßlichkeit denn auch sicher, daß er tot ist, dieser Lobo Marmota, dieser Murmelohohowolf.

    Jonas: Ganz sicher. Schließlich hatte ich mit eigenen Augen gesehen, wie er starb, vor 2 Wochen, auf dem Holoschirm, beim Start der Europäischen Raumfähre Supernova.

    Reporter: Da steigt sie auf, auf in den tiefblauen tropischen Himmel über Cape Crocodil, Queensland, schlank und rank wie ein Pfeil und doch größer, gewichtiger als die gute alte Nova, die sich ihre Pensionierung weiß Gott redlich verdient hat, nach 22 Ausflügen ins All, und mit einer viel wertvolleren Ladung als ihre Vorgängerin je aufzuweisen hatte: 5 Kommunikationssatelliten, wichtige Bauteile der neuen Orbitalstation und last not least die Blüte europäischer Bildung und Tatkraft in Gestalt der 4 Astronautinnen und Astronauten, wir alle kennen ihre Namen, angefangen mit dem Kommandanten Oberleutnant Ramon Lobo... was war das? Da ist etwas geschehen, meine Damen und Herren, die Trägerrakete scheint zu schlingern, Rauch, eine Flamme am linken Treibstofftank, immer mehr Rauch, ein Brand, mein Gott, o mein Gott, eine eine Explosion, alles ist explodiert, Trägerrakete, Tanks und die Supernova mit ihrer wertvollen Ladung, mit ihren 4 Astronauten, eine eine Katastrophe, eine entsetzliche Katastrophe, was soeben noch als stolzes technologisches Wunderwerk in die Höhe strebte, hat sich aufgelöst in Fragmente, winzige Bruchstücke, die ins Korallenmeer stürzen. Wie vor einem viertel Jahrhundert bei der Challengerkatastrophe, vielleicht wissen Sie es, meine Damen und Herren, wenn Sie sich für die Geschichte der Raumfahrt interessieren, wie damals hat auch jetzt wieder die Tücke des Objekts, der grausame Zufall menschlichem Fortschrittsdrang ein donnerndes unerbittliches Halt zugerufen. Verneigen wir uns in Ehrfurcht...
    Jonas: Und so weiter blabla. Jonas verneigte sich nicht. Jonas mixte sich einen Punto Arenas, in Erinnerung an alte Zeiten, in Erinnerung an Lobo. Auch wenn wir nicht gerade Freunde gewesen waren.

    Sam: Man nehme 1/5 argentinischen Matetee, 4/5 chemischen Brandy, dazu ein Schuß Wasser.

    Lobo: Wasser? Niemals. Feuerwasser. Ein Schuß Feuerwasser aus Feuerland, das ganze kurz durchschütteln und dann runter, du sollest deine Tür abschließen, Jonas alter Kriegskamerad.

    Jonas: Lobo!

    Lobo: Ja klar Lobo, hey Jonas, bist ja ganz käsig um die Nase alter Kriegskamerad. Wo steht der Whisky.

    Jonas: Schreibtisch, rechte Klappe.

    Lobo: Deshalb hab ich dir doch den Brief geschickt, damit du keinen Schock kriegst, wenn du mich siehst. Oberleutnant Ramon Lobo, Astronaut, heroisch gefallen auf dem Felde des Fortschritts. Na also. Einen für den toten Lobo und einen für Jonas. Auf die gute alte Zeit. Also Jonas, alter Kriegskamerad, das wichtigste zuerst. Ich lebe noch.

    Jonas: Offensichtlich. Und was willst du?

    Lobo: Tja, was will ich. Sagen wir mal so, wir sind Freunde, Jonas.

    Jonas: Nein.

    Lobo: Nicht?

    Jonas: Nein. Du hast einmal in deinem Leben zu fest geschlafen, Lobo.

    Lobo: Das geschieht mir recht, was mußte ich dir auch diesen blöden Brief schreiben und die alte Geschichte wieder aufrühren. Also keine Freunde, Jonas, alter Kamerad. Feinde?

    Jonas: Bis jetzt nicht, Lobo, aber wenn du noch einmal Kamerad zu mir sagst, schmeiß ich dich raus.

    Lobo: OK, Jonas, alte Kame... alter Knabe. Reg dich ab. Kein Freund, kein Feind, Kamerad auch nicht, aber Detektiv bist du doch, oder?

    Jonas: Ich sollte mich vorstellen. Besser spät als nie. Jonas, nur Jonas, Privatdetektiv. Der letzte. Wenigstens in Babylon der großen Stadt. Der letzte Detektiv und der letzte freie Mensch. Frei von fester Anstellung, frei von regelmäßigem Einkommen, die Volksrente nicht gerechnet, und auch noch stolz darauf. Fragen Sie mich nicht warum.

    Lobo: Na bitte, Jonas, alter Knabe, das ist doch was, eine gemeinsame Basis. Wir werden wunderbar zusammenarbeiten.

    Jonas: Meinst du nicht, Lobo, du solltest mir allmählich mal verraten, was du von mir willst?

    Lobo: Aber klar, Jonas, ich werd's dir sagen, ganz genau. Zuerst bringst du mich ein paar Tage unter, hier bei dir, ein Palast ist es zwar nicht, aber mein Gott, ich bin nicht gerade verwöhnt. Im Raumschiff ist es auch nicht gerade üppig. Niemand darf wissen, wo ich bin, du sagst es keinem Menschen, Jonas alter Knabe und du läßt auch keinen Menschen in dein Apartment.

    Jonas: Sonst noch einen Wunsch der Herr.

    Lobo: Eine Kleinigkeit, alter Knabe, wir setzen uns zusammen und überlegen, wie wir mit meiner Story so an die Öffentlichkeit gehen, daß mir nichts passieren kann.

    Jonas: Deine Story hat was mit Supernova zu tun, nehme ich an.

    Lobo: Ja was denn sonst alter Knabe.

    Jonas: Daß die Raumfähre vor zwei Wochen explodiert ist wie na wie eine Supernova, das war also kein Unfall.

    Lobo: Kluges Kind, ein echter Schnellmerker, warst du schon damals auf Feuerland. Natürlich war es kein Unfall, sonst wäre ich ja wohl nicht hier, quietschvergnügt und munter, na munter sollte ich eigentlich nicht sagen. Immerhin sind drei Kollegen umgekommen.

    Jonas: Mord.

    Lobo: Und Betrug, Jonas alter Knabe, Megasuperriesenbetrug.

    Jonas: Wer steckt dahinter? EURAB?

    Lobo: Natürlich EURAB.

    Jonas: Und warum?

    Lobo: Warum? Na stell dich nicht so naiv. Mäuse, Kies, Knete, Piepen, Moos, Peseten, Dollars, Euros. Du erinnerst dich an Challenger, wann war das, 1986. Das hat EURAB auf die Idee gebracht. Nach dem Unfall damals hat der Staat der NASA unheimlich was reingeschoben, so eine Art Trotzreaktion, weißt du, jetzt erst recht. Und EURAB geht es nicht gerade blendend, könnte eine Finanzspritze gut gebrauchen, genauer gesagt zwei Finanzspritzen: Erst mal zusätzliche Staatsknete und dann

    Jonas: Die Ladung.

    Lobo: Du hast es erfaßt, Jonas alter Knabe. Offiziell Satelliten und Orbitalstationen, entsprechend hoch versichert, in Wirklichkeit bloß Schrott. Ja so sieht's aus, Jonas alter Knabe.

    Jonas: Warum gehst du nicht zur Polizei?

    Lobo: Um Gotteswillen, bloß das nicht, ich weiß ja nicht, wer noch alles drinsteckt. Bei so viel Geld. Es geht um Milliarden, Jonas alter Knabe, Milliarden. Und deshalb gehe ich erst mal auf Tauchstation.

    Jonas: Hört sich interessant an deine Story, hast du auch so was wie Beweise?

    Lobo: Beweise, die gibt’s, Jonas alter Knabe. Bei EURAB. Natürlich nicht im Datenspeicher. Die Sachen sind gar nicht durch den Computer gelaufen. EURAB ist schlau. Top Secret Material ist nur handschriftlich vorhanden, im Keller, in der alten Kartei. Und du wirst sie da ausgraben, die Beweise.

    Jonas: Ach ja, und was hab ich davon?

    Lobo: Du wirst die Wahrheit ans Licht bringen, Jonas alter Knabe, der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen etc. etc. Honorar ist sicher auch drin.

    Jonas: Wer zahlt das. Du?

    Lobo: Vielleicht, wenn ich die ganze Kiste an die Medien verkauft habe. Oder die Versicherung. Mach dir keine Sorgen, Jonas, du kriegst schon dein Geld.

    Jonas: Sag mal Lobo, wieso lebst du eigentlich noch.

    Lobo: Über Einzelheiten reden wir später, in Ruhe. OK, Jonas alter Knabe? Kann ich bei dir unterkriechen?

    Jonas: Ich sagte ja. Nicht wegen der alten Zeiten. Der Fall interessierte mich. Ein getürkter Raumfahrtunfall mit Mord und sonstigen Komplikationen. Dafür läßt sich ein Detektiv sogar mit einem Widerling wie Lobo ein.

    Lobo: Na wunderbar Jonas alter Knabe, am besten gehst du gleich los und holst Proviant für ein paar Tage. Nicht bei deiner üblichen Quelle. Nur kein Aufsehen.

    Jonas: Soll ich dir meinen Taschencomputer hierlassen zur Gesellschaft.

    Sam: O bitte nicht Hoheit, das Wesen des Gentleman konveniert mir nicht.

    Lobo: Na, nicht nötig, ich mach mir nichts aus quakenden Blechbüchsen.

    Sam: Unerhört, nehmen Sie das eventuell zurück?

    Jonas: Sei still, Sam. Hier ist der Schlüssel, Lobo, schließ hinter mir ab und mach nur auf, wenn ich mich melde.

    Lobo: Alles klar und vergiß nicht Whisky mitzubringen.

    Jonas: Die Flasche ist noch so gut wie voll.

    Lobo: Aber nicht mehr lange, Jonas alter Knaben. Prost.

    Sam: Prost.

    Jonas: Als ich nach einer Stunde zurückkam, war die Tür offen. Das machte mich stutzig. Und noch stutziger machte mich, was ich in meinem Büroapartment vorfand. Einen kaputten Klapptisch, Scherben, Kratzer auf dem Boden, einen dunkelroten Fleck und keinen Lobo.

    Sam: Höchst verdächtig mein lieber Watson, was schlagen Sie vor?

    Jonas: Wir bleiben dran, Sammy, wir gehen dieser Sache nach.

    Sam: Wegen dieses Lobo?

    Jonas: Zum Teil, Sammy, immerhin ist Lobo zu mir gekommen als Klient.

    Sam: Daß ich nicht kichere. Nicht mal bezahlt hat er.

    Jonas: Egal, ich bin es ihm schuldig, außerdem will ich wissen, was an seiner Geschichte dran ist. Andererseits ein zahlender Klient zusätzlich wäre nicht schlecht. Weißt du woran ich denke, Sammy.

    Sam: Klar Kumpel, die Versicherung.

    Jonas: Richtig. Welche Gesellschaft hat Supernova versichert?

    Sam: Die Vereinigte Kosmos, die größte und beste im Universum, behauptet sie. Firmenmotto: Sicher ist sicher, sagte der Bauer und streute sich Zucker auf den Sirup.

    Jonas: Was?

    Sam: Ein uralter Spruch, euer Denk- und Merkwürden. Aus dem Schatzkästlein tönender Volksweisheit, worinnen so mannigfachige

    Jonas: Halt uns nicht auf, Sam, wer ist der Chef der Vereinigten Kosmos?

    Sam: Kein Chef, Chef, die Geschicke dieses gigantischen Konzern werden gelenkt und geleitet von einem siebenköpfigen Direktorium. In unserer Angelegenheit wäre wohl der Direktor für Schadensabwicklung zuständig, wenn ich mir die Bemerkung erlauben dürfte, Sir.

    Jonas: Und wer ist das?

    Sam: Einen Augenblick Sir. Piep. Who is Who in Babylon, 37. Auflage aller letzter Stand. Piep. Vereinigte Kosmos, Direktion für Schadensabwicklung, Frau Dr. h.c. Grenadin Adamson, Vorstandsmitglied im Verband der Industriekapitäninnen, Vorsitzende der Tafelrunde für Edelfrauen Babylon e.V., Mitglied im Löwinnenclub ferner

    Jonas: Geschenkt, Sammy. Fonnummer. Fonnummer.

    Sam: Fonnummer. Haben wir es heute mal wieder eilig. Kommt sofort.

    Jonas: Frau Adamson ließ sich nicht vom jedem sprechen. Dafür hatte sie ihren Foncomputer, der war stur und dumm, er hatte nur drei Sätze drauf, und die wiederholte er immer und immer wieder:

    Fon Stimme: Frau Direktor Adamson ist zur Zeit unabkömmlich. Geben Sie Ihren Namen und den Zweck Ihres Anrufs an. Frau Direktor Adamson wird sich gegebenenfalls mit Ihnen in Verbindung setzen. Frau Direktor Adamson ist zur Zeit unabkömmlich. Geben Sie Ihren Namen...

    Jonas: OK, OK, ich bin Jonas der letzte Detektiv, ich muß mit Frau Adamson reden über einen großen Schadensfall und über EURAB. Ich warte auf Rückruf.

    Sam: Kannste lange warten, Junge, hehe, wetten.

    Jonas: Wetten, Sam, hehe... Jonas.

    Adamson: Hier spricht Grenadin Adamson persönlich. Bitte schalten Sie auf Bildfon. Gefällt mir, was ich sehe.

    Jonas: Sie haben mich doch nicht angerufen, um mir Komplimente zu machen.

    Adamson: Ich habe von Ihnen gehört, Jonas. Es ist Ihnen gelungen, meine Kollegin Astoria Waldorf von Multipharm auszutricksen. Sie müssen ein ungewöhnlicher Mensch sein. Ich interessiere mich für ungewöhnliche Menschen. Ich bin selbst einer. Deshalb rufe ich an. Was wollen Sie?

    Jonas: Ihnen was erzählen. Über einen gigantischen Versicherungsbetrug.

    Adamson: An meiner Firma? Durch wen?

    Jonas: EURAB.

    Adamson: Unsinn.

    Jonas: Angenommen, die hochversicherte Ladung von Supernova bestand nur aus wertlosem Schrott.

    Adamson: Jonas, Sie reden irre, oder haben Sie Beweise?

    Jonas: Nur Hinweise. Bis jetzt. Aber es gibt Beweise und Jonas könnte sie finden.

    Adamson: Ich verstehe. Sie wollen von mir engagiert werden. Was verdienen Sie so als Detektiv.

    Jonas: Millionen.

    Adamson: Sie machen Witze.

    Jonas: Ich mache Witze.

    Adamson: Hören Sie, Jonas, für einen regulären Auftrag ist mir Ihre Geschichte zu windig. Aber wenn Sie Ihren Hinweisen nachgehen und tatsächlich was entdecken sollten, dann verspreche ich Ihnen ein Erfolgshonorar.

    Jonas: Wieviel?

    Adamson: Das Übliche. Ein Promille der Versicherungssumme.

    Jonas: Klingt ziemlich dürftig.

    Adamson: Bei einer Versicherungssumme von rund 5 Milliarden Euros.

    Sam: Ein Promille von 5 Milliarden ist 5 Millionen.

    Adamson: Ich höre von Ihnen Jonas.

    Jonas: 5 Millionen Euros.

    Sam: Yes Sir.

    Jo: Hi Jonas.

    Jonas: Hallo Jo.

    Jo: Ist was. Du hast so ein irres Glitzern in den Augen.

    Jonas: Nur ein Abglanz, Jo.

    Sam: Jo. Ein Wiederschein, gnädigste Kontess, der Wiederschein goldener Berge, welche sich vor uns erheben.

    Jo: Sagt mal spinnt ihr beide?

    Jonas: Ich erzählte ihr was los war. Vor Jo hat Jonas keine Geheimnisse. Jo für Jolanda. Jolanda Nix. Wir haben keine offizielle Beziehung, aber wir sind befreundet. Gut befreundet. Vor zwei Monaten hatte es angefangen, Fall Inselklau, wir waren zusammen eingesperrt gewesen, und hatten uns gemeinsam befreit. Das verbindet. Jo war halb so alt wie Jonas und hatte einen Vaterkomplex. Außerdem rote Haare und ein begeisterungsfähiges Wesen.

    Jo: Toll, Jonas, eine total tolle Story. Wie geht's weiter?

    Jonas: Ich fahr raus zu EURAB und seh mich ein bißchen um.

    Jo: Toll, ich komm mit.

    Jonas: Nein, Jo, das ist kein Holoabenteuer, wo den Helden nie was passiert. Es ist gefährlich Jo, wirklich gefährlich, es geht um Leben und Tod.

    Jo: Blablabla. Du redest wie ein weiser alter Mäuserich mit Bart, und du hast nicht einmal recht, es ist ein Abenteuer, das größte und tollste, gerade weil es um Leben und Tod geht.

    Jonas: Das Risiko ist zu groß, Jo.

    Jo: Mein Risiko gehört mir und das geht dich nichts an. Du bist richtig sweet, wenn du so altmodisch kuckst, Jonas. Sei doch ehrlich, gibs zu, für dich ist das alles doch auch das größte. Risiko und Gefahr und so. Du mußt ja nicht Detektiv sein, keiner zwingt dich, du könntest das tun, was sonst alle machen: Volksrente kassieren, rumsitzen, Holo glotzen.

    Jonas: Und wenn du noch Stunden lang weiterredest Jo, ich nehm dich nicht mit.

    Jo: Du mußt, Jonas, weil du ohne mich gar nicht reinkommst bei EURAB. Oder kannst du auf die schnelle offizielle EURAB-Paßscheiben organisieren?

    Jonas: Weiß ich nicht, vielleicht.

    Jo: Also nein. Aber ich. Über Bertie.

    Jonas: Wer ist Bertie?

    Jo: Bertie Kalaschnik. Ich habe ihn auf einer Party kennengelernt vor ein paar Tagen, sein Daddy ist ein hohes Tier bei der EURAB-Schutztruppe. Ich kann jederzeit Paßscheiben von ihm kriegen, hat Bertie gesagt, falls ich mich mal bei EURAB umsehen will. Allein oder mit Freunden. Zufällig bin ich nachher mit ihm verabredet.

    Jonas: Zufällig. Und da gibt er dir zwei EURAB-Paßscheiben. Nur so. Wegen deiner blauen Augen.

    Jo: Nicht nur, ich hab schließlich noch mehr zu bieten. Also Jonas, entweder Paßscheibe und Jo oder gar nichts. Kannst es dir ja überlegen, um drei Uhr bin ich wieder zurück, und dann arbeiten wir wieder zusammen. Jo und Jonas. Jojo. Das tolle Team.

    Jonas: Ich hatte einen anderen Plan, ich wollte Jo nicht in Gefahr bringen, und ich wollte beweisen, daß ich sie nicht brauchte. Als Jo weg war, ging Jonas auch, Richtung Westen, Stadtrand, wo über verwesenden Schlafburgen aus dem 20. Jahrhundert das EURAB-Center aufragte. Ein riesiger Pfeiler, dessen Spitze in den Wolken verschwand. Ein Meisterwerk der Post-Postmoderne, hatte der Minister bei der Eröffnung gesagt, vor 20 Jahren. Eine symbolische Rakete, das Beton gewordene Motto von EURAB. Plus Ultra. Immer weiter. Immer höher. Die Babylonier waren nicht so feierlich. Wenn Sie überhaupt vom EURAB-Center sprachen, sagten sie: Der steile Zahn. Nicht weit vom Center gab es ein kleines Lokal. Zum Astronauten. Hier aßen die besseren EURAB-Mitarbeiter. Ingenieure, Abteilungsleiter. Alles, was sich nicht mit dem Fußvolk in der EURAB-Kantine rumdrücken wollten. Jonas rein. Kurzer Blick, ein paar Weißkittel mit EURAB-Paßscheiben am Revers beim Mampfen. Jonas ging weiter, nach hinten, durch die Tür mit der Aufschrift Herren, in einen Verschlag, da ließ ich mich nieder und wartete, zwei drei Minuten, dann kam schon einer, mit weißem Kittel und voller Blase.

    Jonas: Verzeihung.

    Ingenieur: Bitte?

    Jonas: Wären Sie so freundlich, mir Ihren Kittel zu leihen, und Ihre Paßscheibe natürlich auch.

    Ingenieur: Bitte?

    Jonas: Ihren Kittel und Ihre Paßscheibe.

    Ingenieur: Was soll das, lassen Sie mich in Ruhe.

    Jonas: Tut mir leid, ich muß darauf bestehen.

    Ingenieur: Sie werden lästig, verschwinden Sie.

    Jonas: Wissen Sie, so geht's mir immer, ich hab unfeine Methoden, sagen die Leute, aber was soll ich denn machen, jedesmal versuch ich's zuerst im Guten, aber das klappt einfach nicht, wie jetzt zum Beispiel und da bleibt mir gar nichts anderes übrig als, ja, so was, das ist ein Knockouter, kennen Sie bestimmt, ich stelle ich auf, sagen wir drei Stunden, das sollte reichen.

    Ingenieur: Ich will raus hier, lassen Sie mich raus, Hilfe! Hilfe!

    Jonas: So, Punkt 1 abgehakt, problemlos. Keine Probleme auch bei Punkt zwei, keine Alarmzelle gab Laut, kein Pförtner wurde mißtrauisch, als Jonas Eingang und Halle des Eurabcenter passierte, bekittelt und bescheibt, schnellen Schrittes und geschäftig, mit einem Gesicht, als ob er gerade Umlaufbahnen berechnete. Ich verschwand in einem Korridor, bog um die Ecke... ein Knall. Meine Schädeldecke explodierte, mein Gehirn hob ab, und stieg auf, höher, immer höher, und dann war es verschwunden, und weil Jonas ohne Gehirn nicht mehr Jonas war, verschwand er auch, die Welt löste sich auf, nichts war mehr da. Ich war auf dem Mond. Ganz sicher. Mondlandschaft hatte ich oft genug im Holo gesehen. Große graue Steine, Kraterlöcher, merkwürdig runde Berge am Horizont und vor allem der Himmel über mir, der unermeßliche Himmel mit Milliarden Lichtern. Mein Gehirn war wieder da, wo es hingehörte, dafür waren Kittel und Paßscheibe weg. Und es fehlte noch was. Jonas lag auf Mondgestein und schnappte nach Luft. Vergeblich. Keine Luft auf dem Mond. Die Bronchien verknäulten sich, die Augen quollen aus den Höhlen, Jonas war am Ersticken, und da hatte er eine Halluzination: eine weiße Gestalt trat aus dem Hintergrund, kam näher, ein Engel, kein Engel, jemand im Raumanzug, nicht irgend jemand. Lobo. Er trug einen Kanister, schob mir was zwischen die Zähne, das Mundstück eines Sauerstofftanks, dann verschwand er wieder, an der selben Stelle, an der er aufgetaucht war. Seltsam. Egal, erst mal atmen, alles andere konnte warten, ich lutschte an meinem Mundstück wie ein Säugling an der Sojamilchflasche.

    Sam: Na, Genosse, Leben wieder frisch? Ha?

    Jonas: Es geht Sam. Moment mal, wieso kann ich dich hören, es ist doch gar nicht möglich, Schallwellen im Vakuum.

    Sam: Vakuum? Das war einmal. Spuck den Schnuller aus, Kindchen, den brauchst du nicht mehr. Kurz nachdem mein über alles erhabener, wenn auch luftlos nicht existenzfähiger Herr und Meister an die Sauerstoffbuddel gelegt wurde, ließ jemand Luft in diesen Raum strömen.

    Jonas: Jemand? Wer?

    Sam: Wer? Vermutlich der, der sie vorher abgelassen hat.

    Jonas: Aber wie kann man denn auf dem Mond die Luft einfach so an und abstellen.

    Sam: Auf dem Mond, hehe, oder auch hehe wie sie bemerken meine Damen und Herren, verehrte Kommilitonen, kann kurzzeitiger Sauerstoffentzug zu markanten intellektuellen Ausfallerscheinungen führen, sogar bei Privatdetektiven.

    Jonas: Wir sind nicht auf dem Mond?

    Sam: Wir sind immer noch im EURAB-Center, du Kopfprothetiker.

    Jonas: Was?

    Sam: Das hier ist eine Mondsimulation, ein Trainingsraum für Astronauten, eine Illusion, ein bißchen Geröll und Holobilder drumrum.

    Jonas: Wirklich, sieht aber sehr echt aus.

    Sam: Steh auf, geh ein paar Schritte und wenn du dir an der Wand eine Beule fängst, wirst' es schon merken.

    Jonas: Was ist hier eigentlich los, Sammy, kaum bin ich drin, wird ich auf den Kopf gehauen, dann bringt man mich auf diesen falschen Mond, in ein Vakuum und wie ich kurz vor dem ersticken bin kommt mein alter Freund Ramon Lobo.

    Sam: Lobo? Der Typ im Raumanzug mit Sauerstofftank war Lobo? Lobo der Unverschämte, Lobo der mysteriös Abhandengekommene?

    Jonas: Ich hab ihn erkannt, Sammy, ganz deutlich, und da drüben ist er zum zweiten mal abhanden gekommen hinter dem Steinhaufen.

    Sam: Na was und da stehst du immer noch hier und redest in der Gegend rum? Der Herr warten wohl auf eine schriftliche Einladung, wie, auf auf ihm nach.

    Jonas: Der Ton paßte mir nicht, aber in der Sache hatte ich auch keinen besseren Vorschlag. Also wanderte ich durch die nachgemachte Mondlandschaft und stieß mir prompt den Kopf an der unsichtbaren Begrenzung, wie Sam vorausgesagt hatte. Als ich mit der Hand herumtastete, fand ich einen Griff. Ich zog daran, eine Tür ging auf, der Eingang zu einer im Moment funktionslosen Luftschleuse. Gegenüber eine zweite Tür. Dahinter ein enger Gang, dunkel, bis auf einen schmalen Lichtstreifen weiter vorn.

    Sam: Ein geheimer Gang, mein roter Bruder möge ihm folgen.

    Jonas: Du spinnst Sammy, man hat dir zu viel Schmöker einprogrammiert.

    Sam: Und es ist doch ein Geheimgang, denn wisse o Sultan, in diesem Gebäude existiert ein zweiter, ein geheimer Aufenthalts- und Verbindungsbereich, welcher lediglich für die EURAB-Schutztruppe bestimmt ist.

    Jonas: Ach was.

    Sam: Doch, sie verfügt somit über ihre eigenen Räume, Gänge, Treppen, Aufzüge. Doch genug geplaudert, machet euch auf, Kaspar, Melchior, Balthasar, dem Sterne nach, der dorten glänzet. Pst. Leise, Klavier äh Piano. Pianissimo.

    Jonas: Jonas schlich sich an wie Old Shatterhand in besten Jahren. Der Lichtstreifen war ein Türspalt, breit genug zum Durchsehen. Ein Raum, etwa so groß wie mein Büro, an allen Wänden Monitore, vor einem Schaltpult ein bulliger Typ in der Uniform der EURAB-Schutztruppe. Neben ihm Lobo. Er steckte noch im Raumanzug, hatte aber den Helm abgenommen. Hören konnte man durch den Spalt übrigens auch ganz gut.

    Lobo: Kann ich was dafür, wenn Jonas zu früh kommt? Dein dämlicher Bertie sollte dieser wie heißt sie, Jonas Freundin, Nix, Jo Nix.

    Kalaschnik: Ja.

    Lobo: Er sollte ihr die Paßscheibe erst am Nachmittag geben.

    Kalaschnik: Red dich nicht raus, Lobo, es war deine Idee, den Detektiv einzuschalten, und wenn das jetzt schief geht.

    Lobo: Nichts geht schief. Die Mappe mit dem Beweismaterial gegen EURAB liegt hier, wir werden sie ihm irgendwie zustecken, wie geplant, und dann dafür sorgen, daß er heil hier rauskommt. Ich weiß nicht, was du willst Kalaschnik, alles ist OK.

    Kalaschnik: Ich wußte ja schon immer, daß du blöd bist, Lobo, aber so blöd, wer hat Jonas abgefangen, EURAB, warum weiß ich als Chef der Schutztruppe nichts davon, ist EURAB uns auf der Spur, haben sie mitgekriegt, daß wir sie hochgehen lassen wollen, mit ihrer hausgemachten Katastrophe? Warum haben sie Jonas nicht gleich verschwinden lassen, sondern in die Mondsimulation gebracht? Sag mal, er hat dich doch nicht gesehen?

    Lobo: Kein Stück. Der war weit genug weggetreten. Du machst dir zu viel Sorgen Kalaschnik. Uns wird schon was einfallen. Jonas hat Luft für eine Stunde. Und so lange haben wir ihn sicher in der Simulation. Der läuft uns nicht weg.

    Kalaschnik: Ach ja? Dann kuck mal auf den Monitor.

    Lobo: Weg! Jonas ist weg.

    Jonas: Im Gegenteil, Jonas ist hier. Mit seinem Knockouter.

    Sam: Und seinem Computer. Einer für alle, alle für einen. Nieder mit der Garde des Kardinals, zur Hölle mit allen Schurken und Verrätern.

    Jonas: Nehmen Sie meinen Computer nicht unbedingt wörtlich, meine Herren, und nehmen Sie die Hände hoch.

    Jonas: Lobo erstarrte. In seinem Raumanzug sah er aus wie das Denkmal vor dem EURAB-Center, Dr. Werner Semmel, der erste Mensch auf dem Mars. Kalaschnik war besser, er reagierte sofort und langte nach seinem Laserstrahler, aber Jonas hatte den Knockouter schon in der Hand. Jonas war schneller.

    Kalaschnik: Hu!

    Jonas: Den Laser nehm ich besser an mich.

    Lobo: Hör mal, Jonas, alter Knabe.

    Jonas: Du bleibst so stehen, Lobo und rührst dich nicht, und den Mund machst du nur auf, wenn ich dich was frage.

    Lobo: Aber Jonas.

    Jonas: Weißt du, Lobo, ein Knockouter ist unangenehm, aber ein Laser ist endgültig, und es wäre doch schade um dich, das also sind die Beweise gegen EURAB.

    Sam: Handschriftliche Aufzeichnungen. Igitt. Altmodisch. Abgestanden. Altbacken. Antiquiert.

    Jonas: Aber aufschlußreich: Listen von hochwertigem Material, Material, das angeblich mit Supernova im Ozean versackt war, in Wirklichkeit war es noch vorhanden, in EURAB-Geheimspeichern. Holobilder, nicht professionell, offenbar heimlich geschossen, aber deutlich genug. EURAB-Direktoren beim Beladen von Supernova mit Schrott. Die Schadensmeldung über einen defekten Treibstofftank, datiert auf den Tag vor dem Start. Wie gesagt, aufschlußreich und ausreichend.

    Sam: In der Tat, Herr Kollegiat, der Fall ist klar. EURAB selbst hat Supernova abstürzen lassen.

    Jonas: Lobos Geschichte stimmt also.

    Sam: Ja.

    Jonas: Aber das ist auch ziemlich das einzige, was hier stimmt. Pack aus, Lobo, alter Knabe, warum lebst du noch?

    Lobo: Weil ich gar nicht in Supernova war. Kurz vor dem Start haben sie mich ausgetauscht, gegen einen Androiden, der aussah wie ich.

    Jonas: Ausgetauscht? Warum?

    Sam: Ja, und vor allem wer?

    Jonas: Genau, wer hat dich ausgetauscht, Lobo? Na?

    Lobo: Ich sag nichts mehr.

    Jonas: Er will nichts sagen, Sammy.

    Sam: Er wird, Herr Großinquisitor, nämlich wenn wir zur peinlichen Befragung übergehen. Daumenschrauben, Streckbett, eiserne Jungfrau.

    Jonas: Ein einfacher Laser tut's auch, Sammy.

    Sam: Jajajaja.

    Jonas: Ein Laserstrahler kann ein sehr überzeugendes Argument sein, besonders bei einem Feigling, ganz besonders, wenn man droht, bei den Zehen anzufangen und sich langsam hochzuarbeiten.

    Sam: Erst der kleine Zeh, tut noch nicht so weh, nene, dann der große Zeh tut schon viel mehr weh.

    Lobo: Nein, Jonas, nein, bitte, ich will ja reden. Ich sag dir alles, Jonas.

    Jonas: Dann fang mal an. Wer hat dich ausgetauscht?

    Lobo: Wir, ich meine die Gruppe: Die AA.

    Jonas: AA?

    Lobo: Anti-Astronauten. Wir sind gegen Raumfahrt aus grundsätzlichen Erwägungen.

    Jonas: Wer ist wir?

    Lobo: Kalaschnik und die meisten EURAB-Schutztruppler, ja und ich.

    Jonas: So, ihr seid also gegen Raumfahrt, aus grundsätzlichen Erwägungen.

    Lobo: Wir meinen, es ist eine sinnlose Geldverschwendung, solange auf der Erde noch so viel zu tun ist.

    Jonas: Hört sich ganz vernünftig an, in der Theorie.

    Lobo: Wir arbeiten innerhalb von EURAB im Untergrund. Und da haben wir mitgekriegt, daß die EURAB-Spitze Supernova hochgehen lassen wollte. Wir haben uns zusammengesetzt und beschlossen, den Plan von EURAB für unsere Ziele zu benutzen.

    Jonas: Warum seid ihr nicht gleich an die Öffentlichkeit gegangen, ich meine vor der Katastrophe?

    Lobo: Das hätte nicht so viel gebracht. Erst Unfall, dann Enthüllung, das haut hin. Das macht EURAB kaputt und die ganze Raumfahrt.

    Jonas: Ihr habt also nichts gesagt und die Sache laufen lassen. Du bist gegen einen Androiden ausgetauscht worden, und die anderen 3 Astronauten?

    Lobo: Tja, die hat’s erwischt. Leider. Aber wenn Blut fließt, hat das gleich eine viel stärkere Wirkung, sagt Kalaschnik.

    Jonas: Du warst immer eine Ratte, schon damals auf Feuerland.

    Lobo: Murmeltier wenn schon.

    Sam: Alles mal herhören. Zeit drängt. Situation höchst unsicher. Gestatte mir Abkürzung. Also: Nach planmäßiger Verunfallung von Supernova Dilemma bei sogenannter Widerstandgruppe. Unmöglich sich zu demaskieren und Wissen um Hintergründe selber aufzudecken.

    Jonas: Warum?

    Jonas: Warum? Gruppe hätte zugeben müssen, alles schon vorher gewußt, nichts getan, 3 Astronauten über Klinge hopsen lassen. Also Parole: In Deckung bleiben, Aufklärung hintenrum. Idee: Da gibt’s so nen Typ, Jonas heißt er, Detektiv is er.

    Jonas: Das stammt von dir, was Lobo?

    Lobo: Naja, schließlich sind wir alte Kriegskameraden.

    Jonas: Kriegskameraden. Du bist bei mir aufgekreuzt, auferstanden von den Toten, und dann bis du wieder verschwunden, unter verdächtigen Umständen. Jonas sollte ins EURAB-Center gelockt werden, um das Beweismaterial zu finden.

    Lobo: Wir hatten alles so schön vorbereitet über Kalaschniks Bertie und deine Freundin Jo.

    Jonas: Aber Jonas kam zu früh. Und die Sache ging daneben. Wer hat mich niedergeschlagen und in die Mondsimulation gebracht.

    Lobo: Keine Ahnung, Jonas alter Knabe, wirklich nicht.

    Lautsprecher-Stimme: Achtung, Achtung, hier spricht die Direktion. Eine Durchsage von höchster Wichtigkeit für alle EURAB-Mitarbeiter. Verlassen Sie auf der Stelle das EURAB-Center, ruhig, geordnet, ohne Panik. Befolgen Sie dabei nur die Anweisung der neuen EURAB-Sicherheitssondereinheiten in den grünen Uniformen. Die bisherige EURAB-Schutztruppe ist aufgelöst. Ihre Mitglieder haben keinerlei Weisungsbefugnis mehr. Ich wiederhole: Alle EURAB-Mitarbeiter verlassen auf der Stelle das Gebäude. Ende der Durchsage.

    Sam: Und siehe, es wart Licht.

    Jonas: Licht?

    Sam: Symbolisch, du Nappsülze.

    Jonas: Ach so.

    Sam: Ja. Oder um es auch für geistig nicht üppig Bemittelte verständlich auszudrücken: Alles klar. Offenbar hegte EURAB seit einiger Zeit einen gewissen Verdacht, oder doch eine Ahnung, von den sie unterwandert habenden Antiraumfahrtverschwörern. Deshalb ist Jonas in die Mondsimulation verbracht worden, als Köder quasi, als nichtsahnender Lockvogel. EURAB hat alles, was weiterhin geschah elektronisch verfolgt und dürfte nunmehr voll im Bilde sein.

    Jonas: OK, Sammy, aber woher hat EURAB gewußt, daß Jonas hier im Center auftauchen würde und wann?

    Lautsprecher-Stimme: Achtung Achtung! Eine Durchsage für alle Angehörigen der EURAB-Sicherheitssondereinheiten: Nach der Evakuierung des EURAB-Centers tritt Alarmplan A7 in Kraft. Das gesamte EURAB-Center wird vom Keller bis zur Spitze gründlich durchsucht und systematisch gesichert. Das betrifft sowohl den normalen Arbeits-, als auch den speziellen Sicherheitsbereich. Alle Mitglieder der aufgelösten EURAB-Schutztruppe sind festzunehmen, desgleichen eine sich unrechtmäßig im Center aufhaltende Person namens Jonas, ich wiederhole Jonas. Ende der Durchsage.

    Jonas: Die Monitore wurden dunkel, das Licht ging aus, bis auf eine trübe Notbeleuchtung. EURAB hatte uns den Saft abgedreht. Es wurde Zeit, für Jonas, auch auf einen Alarmplan umzuschalten. A7 oder wie immer.

    Sam: Priorität A: Mein Meister bringt die eigene Person nebst seinem treuen Sam in Sicherheit, das heißt aus dem EURAB-Center. Priorität B, mein Meister rettet das Beweismaterial gegen EURAB zwecks künftiger Verwendung.

    Jonas: Ist mir recht, Sammy, und wie machen wir das.

    Sam: Wie machen wir das, der böse Feind arbeitet sich von unten nach oben durch, wir türmen also nach oben. In die Spitze.

    Jonas: OK, kennst du den Weg?

    Sam: Unzureichende Daten. Vorschlag: Lobo.

    Jonas: Natürlich, Lobo, du müßtest dich im EURAB-Center bestens auskennen. Geh voraus.

    Lobo: Warum sollte ich, Jonas alter Knabe.

    Jonas: Weil ich es will. Weil ich einen Laser habe und weil du selbst das größte Interesse daran haben mußt, denn wenn die EURAB-Leute dich erwischen, machen sie dich zu dem, was du offiziell schon bist: zu einer Leiche. Zieh den Raumanzug aus und dann los.

    Jonas: Es wurde ein Gewaltmarsch im Gebirge, durch Gänge, über Treppen, alle Aufzüge standen still, darum brauchten wir fast eine Stunde, bis wir auf der kleinen Aussichtsplattform an der Spitze des Centers standen, 500 Meter über der Erde. Wir schnauften und sahen uns um, nach einem rettenden Engel vermutlich.

    Sam: Und voila, da ist er schon.

    Jonas: Wer Sammy?

    Sam: Der Engel, Mann, der rettende.

    Jonas: Du meinst den Hubschrauber.

    Sam: An und für sich meint Sam eher den in demselben befindliche Lady.

    Adamson: Hallo, Jonas.

    Jonas: Frau Adamson.

    Sam: Von der vereinigten Kosmos.

    Adamson: Ich habe gehört, daß Sie in Schwierigkeiten sind und Hilfe brauchen, deshalb bin ich gekommen. Wie ist es gelaufen? Haben Sie was erreicht?

    Jonas: Kann man wohl sagen, sehen Sie die Mappe: Beweise, stichhaltige Beweise gegen EURAB. Ich hab Ihnen 5 Milliarden Euros erspart.

    Adamson: Und 5 Millionen verdient, bravo Jonas, passen Sie auf, ich werfe ihnen eine Strickleiter zu, steigen Sie um.

    Jonas: Der Hubschrauber stand direkt über uns, so tief, daß man ihn fast mit Händen greifen konnte. Nur ein paar Sprossen auf der Strickleiter. Trotzdem war es eine mühsame Kletterei, ich hatte nur eine Hand frei, mit der andern mußte ich die Mappe mit den Beweisen festhalten.

    Adamson: Machen Sie es sich leichter, Jonas, reichen Sie mir die Mappe zu. Besten dank.

    Jonas: Au!

    Adamson: Wünsche noch einen angenehmen Aufenthalt im EURAB-Center, Jonas, es war mir eine Freude Sie gekannt zu haben.

    Sam: Reingelegt. Angeschmiert und ausgetrickst, beschummelt, behumpst und beschupst. Da fliegen sie hin, die Beweise, auf Nimmerwiedersehen. Und Jonas sitzt auf seinem allerwertesten und glotzt blöd in die Landschaft.

    Jonas: Was soll ich denn sonst machen, Sam, diese hinterhältige Schlange hat einfach die Strickleiter losgemacht und Jonas abgeworfen, die steckt also auch mit drin.

    Sam: Präziser: Frau Direktor Adamson ist Mitwisserin und Komplizin von EURABs Untat. Ist doch auch ganz logisch Mann. EURAB hat sich die Verantwortliche für Schadensabwicklung bei Kosmos gekauft, um eine allzu eingehende Überprüfung der Supernovakatastrophe zu verhindern.

    Jonas: Dann hat sie EURAB vor Jonas gewarnt.

    Sam: Ja wer denn sonst, Mann, wie singt schon Giuseppe Verdi: o wie so trügerisch

    Jonas: Singe nicht, Sammy. Denke.

    Sam: Nicht mehr nötig, verehrte Spätzünder. Alle Probleme sind gelöscht, äh gelöst.

    Jonas: Bis auf eins. Was machen wir jetzt, jeden Moment können die EURAB Sonderbullen hier auftauchen.

    Sam: Eieiei, Alarm, da sind sie, wo hast du einen Laser, alter Schussel?

    Jonas: Durch die Tür kam eine Gestalt in grüner Uniform, eine kleine Gestalt mit zwei Rucksacken über der Schulter. Ich hatte den Laser in der Hand, aber ich schoß nicht, aus gutem Grund.

    Jo: Na Jonas, wie sieht's aus?

    Jonas: Jo!

    Jo: Ich hab mir gedacht, ich treff dich hier, weißt du, als ich mit den Paßscheiben von Bertie bei dir vorbei kam, und du warst nicht da, da hatte ich gleich so ein ätzendes Feeling. Also bin ich allein hergefahren. Unten in der Halle war ein irrer trouble. Typ in grün wollte mich nicht durchlassen. Ich bin mit ihm um die Ecke und hab ihm die Uniform ausgezogen.

    Jonas: Judo.

    Jo: Eher Freistil. Ja und dann hab ich mich ein bißchen umgehört und umgesehen und dann hab ich mich abgesetzt, nach oben, und hier bin ich.

    Jonas: Toll, Jo, echt toll.

    Jo: Mitgebracht hab ich auch was. Hier die Rucksäcke.

    Jonas: Was ist da drin?

    Jo: Fallschirme. Unterwegs bin ich an einer Gerätekammer vorbeigekommen. Für Astronautenlehrlinge oder so, und da hab ich gedacht

    Lobo: Fallschirme, wunderbar, genau was wir brauchen.

    Jo: Wer ist denn das?

    Jonas: Lobo, das Murmeltier. Lobo die Ratte.

    Jo: Tut mir leid Lobo, ich hab nur zwei Fallschirme, für Jonas und für mich.

    Jonas: Kannst du fallschirmspringen, Jo?

    Jo: Ich weiß nicht, aber ich kann Drachenfliegen und das ist doch so ähnlich oder.

    Jonas: Wir stiegen in die Fallschirme, Jo war schneller als ich, aber sie mußte ja auch nicht einen zeternden Lobo mit dem Laser in Schach halten.

    Lobo: Du kannst mich doch nicht hier lassen, Jonas alter Kriegsk... alter Knabe. Bitte Jonas nimm mich mit, bitte.

    Jonas: Wenn ich dich so ansehen, Lobo, tust du mir fast leid, aber dann fallen mir die toten Astronauten in Supernova ein, bleib schon hier und sieh zu wie du klar kommst, vielleicht findest du ja wieder eine Decke, die du dir über den Kopf ziehen kannst.
    Lobo: Jonas hör doch mal, du brauchst mich, jetzt wo du die Mappe weggegeben hast, bin ich der einzige Beweis für das, was wirklich mit Supernova passiert ist.

    Jonas: Meinst du.

    Sicherheitsbeamter: Hier sind sie. Stehenbleiben. Halt!

    Jonas: Salut Lobo. Jeromino!

    Lobo: Jonas, nicht, Hilfe! Oh!

    Sam: Und der Tot und die Hölle gaben die Toten, die darin waren und sie wurden gerichtet ein jeglicher nach seinen Werken. O Sammy ist ja so schlecht.

    Jonas: Ehe die EURAB-Leute noch richtig mitkriegten was los war, waren wir unten, abgerollt aus den Fallschirmen und verschwunden im Labyrinth der Straßen hinter dem EURAB-Center, hier ist Jonas zu Hause, hier kriegt ihn keiner. Drei Stunden später, im Casablanca. Jo und ich und Sam natürlich. Wir saßen und tranken und redeten, und dachten. Und dann ließ ich mir ein Fon an den Tisch bringen.

    Adamson: Jonas, Sie leben noch, wie nett.

    Jonas: Finden Sie, Frau Adamson. Jonas hat eben immer noch einen Trumpf im Ärmel. Wenn Sie die Mappe mit den Beweismaterial durchsehen, werden Sie feststellen, daß ein paar sehr wichtige Dokumente fehlen, die hab ich vorher abgezweigt, sicher ist sicher.

    Adamson: Tatsächlich, ich glaube, ich werde Sie überreden können, sich auch von diesen Dokumenten zu trennen.

    Jonas: Ich glaube das nicht, ich hab sie nämlich nicht bei mit, sie sind sicher verwahrt. Und wenn mir was passiert.

    Adamson: Dann gehen die Dokumente an die Behörden oder an den Aufsichtsrat der Vereinigten Kosmos, das ist mir klar, aber auch Ihnen sollte was klar sein, Jonas, wenn Sie ihrerseits die Dokumente an die Öffentlichkeit bringen, dann...

    Jonas: Dann wird mir was zustoßen.

    Adamson: Etwas höchst unerfreuliches. So sieht es aus, Jonas.

    Jonas: So sah es aus. Unentschieden, Gleichgewicht der Kräfte, Status quo, keiner konnte was tun. Unschön. Unmoralisch auch. Aber nicht zu ändern.

    Sam: So ist das Leben, Gevatter, jaja, such is life, sellavi, so oder so, schwarz oder weiß, gut oder böse.

    Jonas: Nein, Sammy, das stimmt nicht. In dieser Geschichte gibt es keine guten, EURAB, Lobo und seine Gruppe, die Adamson, alle mies. Das Leben ist nicht so oder so, das Leben ist weder noch.

    Sam: Beziehungsweise sowohl als auch.

    Jo: Hört auf trübe zu tümpeln, ihr müden Krieger, spielen wir lieber eine Runde Poker. Aber Sammy darf nicht wieder schummeln.

    Das war Supernova. Eine Folge aus der Science-Fiction-Krimiserie Der letzte Detektiv von Michael Koser. Den Detektiv Jonas spielte Bodo Primus, sein Super-computer Sam war Peer Augustinski. Frau Adamson: Christine Buchegger. Jo Nix: Petra Uhlig. Ramon Lobo, Astronaut: Karl Heinz Vosgerau. Außerdem wirkten mit: Bernd Stephan, Hans Rudolf Stein, Achim Höppner, Claus Peter Bülz und Jürgen Rehmann (Will Spindler). Ton und Technik: Günter Hess und Christine Koller. Aufnahmeleitung: Reiner Kositz: Regie: Alexander Malachovsky. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks (1989). Redaktion Erwin Weigel und Christoph Lindenmeyer.

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